Konzert: Paul Heaton & Jacqui Abbott
Ort: Live Music Hall, Köln
Datum: 27.06.2019
Dauer: exakt 105 min, Matthew Austin 30 min
Zuschauer: voll
Als Paul Heaton irgendwann die Band vorstellte, bekam jedes Mitglied einen deutschen Fußball-Verein als Spitznamen, Jacqui war Bayern München, einer Ber Mönchengladbach, einer Leipzig, der tolle Bassist "der Geißbock" und er selbst der TuS Dietkirchen. TuS Dietkirchen ist ein Verbandsligist aus Limburg, mit dem der Sänger eine spannende Geschichte teilt. In seiner Kindheit hatte Paul an einem Jugendfußball-Turnier in Limburg teilgenommen, Jahre später - aber noch weit vor den Housemartins - war er mit Gitarre unterwegs durch Europa und wollte noch einmal Limburg sehen, lernte da einen Einheimischen kennen, man befreundete sich. Jahre später war der eine Popstar und der andere in leitender Position beim TuS Dietkirchen, also - das liegt ja auf der Hand - spielte Paul Heaton 2011 beim 100. Jubiläum des Fußballvereins als Stargast. Das Konzert war spektakulär, es war das vermutlich erste, das ein relevanter Popmusiker in einem Bierzelt spielte. Neben vielen Housemartins-Stücken spielte Paul auch einige Beautiful-South-Lieder, obwohl einer seiner männlichen Kollegen die weibliche Stimme singen musste.
Die Housemartins (zu jung) und The Beautiful South (Konzert-Sabbatical-Jahrzehnt) habe ich nie live gesehen, die beiden Konzerte in den vergangenen Jahren mit Paul (mein erstes war beim Latitude-Festival 2010) waren aber so gut, daß die Nachricht, daß Pauls Tour gemeinsam mit Beautiful-South-Kollegin Jacqui Abbott auch nach Deutschland kommen würde, bei mir sofortige Kaufreflexe erzeugte. Der erste Vorfreude-Dämpfer war die Halle - die Live Music Hall gehört nicht zu meinen liebsten 50 Kölner Konzertstätten - der zweite die Hitzewelle. Heiße Konzerte in nichtklimatisierten Sälen sind die Hölle, in der Live Music Hall ganz besonders. Fast hätte ich mich gegen diese Tortur entschieden, schlauerweise (sprich: Herz und nicht Hirn entschied) ließ ich das bleiben.
Die erste halbe Stunde gehört einen Singer-Songwriter mit E-Gitarre. Matthew Austin kommt aus Manchester, lebt in München und machte Musik, die mich nicht erreichte. Vermutlich lag das an der Hitze. Zu der sie aber ganz gut passte, sie hatte nämlich einen starken Americana- und Wüsten-Einschlag. Aber ich war ja wegen der Popmusik da.
Zu Lebzeiten der Housemartins und von The Beautiful South konnte man guten Gewissens sagen, man höre das, was im Radio läuft. Da waren sie nämlich allgegenwärtig. Heute kann man das allenfalls in "das, was im Deutschlandfunk läuft" abwandeln, ohne sich als Musikfeind zu outen. Schon in den letzten Tagen schwirrten mir ununterbrochen Songs aus Pauls Hand durch den Kopf (ununterbrochen stimmt nicht ganz, dazwischen kamen oft die B-52's). Das Konzert fing allerdings nicht mit einem der Überhits an, als Jacqui und Paul (mit einer Jacke) auf die Bühne kamen, stimmten sie zunächst Old Red Eyes is back an. Begleitet wurden die beiden von einem Gitarristen, einem Bassisten, einem Keyboarder und einem Schlagzeuger, ab Rotterdam (or anywhere) kamen eine Trompeterin, ein Posaunist und ein Saxophonist dazu.
Während die Hitze uns und Jacqui sichtbar zu schaffen machte (sie wirkte insgesamt angeschlagen und setzte sich gegen Ende des Konzerts immer wieder hin), kommentierte Paul, es sei "shorts weather - kurze-Hosen-Wetter", er hasse das, vor allem kurze Hosen. Nicht nur musikalisch ein Vorbild. Der Sänger ließ seine Jacke konsequenterweise an und störte sich nicht an den Sauna-Temperaturen (die LMH hat keine Klimaanlage und muß verständlicherweise die Türen während der Shows schließen). Anders als in England hatten sie Securities genug damit zu tun, Handy-Videos zu verhindern (auch ich hörte ein "Filmen verboten!" als ich mit meinem Fotoapparat Fotos machte), um Wasser zu verteilen, das ist leider in deutschen Konzertsälen so gar nicht bekannt, daß Wasser im Sommer nicht nur ein schöner Service sondern u.U. eben auch weniger Arbeit ist, wenn man keine umklappenden Menschen raustragen muss. Jacqui bot von der Bühne aus Wasserflaschen an, sie sah das wohl ähnlich. Vor den Zugaben verteilte dann ein Ordner fünf (!) Flaschen an die rechte Saal-Hälfte.
Das Konzert war die Liveumsetzung von Pauls neuer Platte (2018) The last king of pop. Nur die letzte Zugabe stammte nicht vom Album The last king of pop, das Lied The last king of pop.
Auch wenn die Setlist keine Überraschungen enthielt - sie spielen jeden Abend das gleiche Programm - war der Abend (musikalisch) perfekt. Bei Wikipedia steht unter "Pop-Perle": "erfunden von Paul Heaton." In den meisten Fällen hätte es die Blechbläser nicht gebraucht. Eigentlich reichen Jacquis und Pauls Stimmen. Hatte ich am Vorabend schon das Glück, noch einmal Kate Pierson und Fred Schneider live zu hören, war es gestern wieder so ein Stimmen-Paar, das man aus jeder Menge heraushört. Hymnen wie Happy hour, Good as gold (stupid as mud) sind brillante Pophits, Pauls bezw. die beiden Stimmen machen sie aber einzigartig.
Trotz der Hitze vergingen die eindreiviertel Stunden rasend schnell. Paul redete auch nicht schrecklich viel, am wichtigsten war ihm die Frage nach dem Zwischenstand des Viertelfinales zwischen England und Norwegen (3:0 am Ende).
Ich hoffe sehr, daß Paul schneller als in acht Jahren wieder nach Deutschland kommt, es gibt noch so viele seiner Songs, die ich dringend einmal live hören will. Er kommt das nächste Mal im Winter, versprach er. The last king of pop eben!
Setlist Paul Heaton & Jacqui Abbott, Köln, 27.06.19
01: Old Red Eyes is back (The Beautiful South)
02: Me and the farmer (The Housemartins)
03: Moulding of a fool
04: I gotta praise
05: Build (The Housemartins)
06: I don't see them
07: D.I.Y.
08: Prettiest eyes (The Beautiful South)
09: Rotterdam (or anywhere) (The Beautiful South)
10: 7" singles
11: The austerity of love
12: Flag day (The Housemartins)
13: Real hope
14: Manchester (The Beautiful South)
15: She got the garden
16: Don't marry her (The Beautiful South)
17: Good as gold (stupid as mud) (The Beautiful South)
18: A little time (The Beautiful South
19: Perfect 10 (The Beautiful South)
20: Poems (Z)
21: Happy hour (The Housemartins) (Z)
22: You keep it all in (The Beautiful South) (Z)
23: Song for whoever (The Beautiful South) (Z)
24: The last king of pop (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Paul Heaton, Limburg, 12.06.11
2 Kommentare :
Da muss ich dir ein wenig widersprechen, in England hat das Security Personal noch viel mehr aufgepasst, dass nicht gefilmt wird. Und da ich in der ersten Reihe stand kann ich dir sagen, dass die Security mehr als fünf Flaschen verteilt hat 😉
Ok!
Die Mitte konnte ich nicht einsehen, vorne rechts wurde aber während und vor dem Konzert nichts verteilt. Das habe ich bei jedem größeren Konzert in England (egal welche Jahreszeit) anders erlebt.
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