Freitag, 27. Februar 2009

Amy MacDonald, Bochum, 26.02.09


Konzert: Amy MacDonald
Ort: Jahrhunderthalle, Bochum
Datum: 26.02.2009
Zuschauer: 5.000 (?) ausverkauft
Dauer: 70 min


Irgendwie ist Amy MacDonald so etwas wie ein Patenkind unseres Blogs. Wir hatten die junge Schottin bei ihrem ersten Konzert in Deutschland gesehen, als Vorgruppe von Paul Weller in Frankfurt, und seitdem durch immer größer werdende Hallen begleitet. Mittlerweile hat Amys Debütalbum in Deutschland Dreifach-Platin erreicht. Das Schicksal, bei Thomas Gottschalk und Wetten Dass aufzutreten, ist ihr scheinbar bisher erspart geblieben, das - und der Sprung in der nächsten Hallengröße (Kölnarena) sind aber nur eine Frage der Zeit. Am vergangenen Samstag folgte dann bei einer schrecklichen Gala der Echo als erfolgreichster Nachwuchskünstler International, bei dem sich Amy gegen Duffy, Leona Lewis, Gabriella Cilmi und die Zisterzienser Mönche durchsetzte.

Eine ungewöhnlich Karriere für Vorgruppen, über die wir hier berichten...

Der Auftritt in Bochum war Teil einer Kurztour durch deutsche B-Städte (neben Bremen noch Dresden, Stuttgart und Bremen).

In der Jahrhunderthalle hatte ich bisher keine Konzerte gesehen, ich reiße mich auch nicht schrecklich um Veranstaltungen im Ruhrgebiet, weil die meist für mich durch unkalkulierbare Staus nur mit vielem Fluchen und Schlägen aufs Lenkrad zu erreichen sind. Bis Essen lief es blendend, dann allerdings, zehn Minuten bevor ich die Reportage über die spannenden Bauarbeiten auf der A 40 aus Sicht eines Abschnittverantwortlichen bei 1live hörte, stand ich mitten in seinem Projekt im Stau. Der Plan, um 19 Uhr an der Halle zu sein, war dahin. Nach guten 30 Minuten Stop and Go, abgesperrten Hallenparkplätzen und einem Spaziergang durch den vermutlich nicht schönsten Teil Bochums, hörte ich dann an der Jahrhunderthalle angekommen Livemusik aus dem Innern des Gebäudes.

Leider war das schon die "Vorgruppe", auf die ich mich gefreut hatte, nämlich Steve Cradock, der Gitarrist von Ocean Colour Scene, der sein Soloalbum vorstellte. Ich bekam leider nur noch (von außen) das letzte Lied mit, das (so) gut klang.

Die Jahrhunderthalle ist ein unbestritten eindrucksvoller Bau, für Konzerte allerdings ein wenig unhandlich. Man geht nämlich durch eine schmale Tür in den Innenraum und steht dann vor einer Wand von Leuten. Die Tür befindet sich auf der Seite des Zuschauer, etwa in der Mitte der Halle. Wenn es also schon voll ist, geht
man durch diesen Eingang, steht vor den Menschenmassen und geht dann immer weiter nach rechts, weg von der Bühne, um irgendwo (das müsste schon Gelsenkirchen sein), einen freien Platz zu bekommen. Ein Palladium in Schlimm.

Moke aus Amsterdam waren zweite Band des Abends. Ich kannte die Holländer bisher nur dem Namen nach, hatte aber wissentlich kein Lied von ihnen gehört. Moke sind fünf Musiker, zwei Gitarristen, ein Keyboarder, ein Bassist und ein Schlagzeuger. Ihre Musik wird dem Britpop zugerechnet. Dem kann ich nicht richtig zustimmen nach einmaligem Hören. Bis auf ein ziemlich langweiliges Lied am Ende (The long way) gefielen mir die Stücke ganz gut, sie klangen aber eher nach Bands wie Keane als nach Oasis
oder deren Kumpels. Last Chance und Here comes the summer gefielen mir aus ihrem Set am besten. Aber richtig reinhören konnte ich mich nicht, weil Moke plötzlich schon fertig waren, nach gerade mal einer knackigen halben Stunde.

Knackig ist ein gutes Stichwort für einiges: zum einen habe ich selten ein so, nun, interessantes Publikum erlebt. Als braver Indiekonzertgänger sieht man ja immer nur gleiche Zuschauerschaften. Zu einem Radio-, Echo- und Weltstar (to come) gehen aber ganz andere Gruppen. Neben ein paar typischen Indiemädchen war so ziemlich alles an Leuten vertreten, was ein typischer Bevölkerungsquerschnitt des Ruhrgebiets hergibt. Von engumklammerten Pärchen über Mütter mit kleinen Kindern, älteren Ehepaare, sehr viel älteren Männer bis zu Frauentauschteilnehmern habe ich alles gesehen.

Zum anderen war auch der Zeitplan sehr zackig. Der Umbau zwischen Moke und Amy MacDonald dauerte gute zwanzig Minuten. Das wünscht man sich öfter. Auf großen Schnickschnack hatte die Schottin aber auch verzichtet. Es gab keine lästige
Bühnendeko, sondern war auf die Dinge beschränkt, die zum Musizieren gebraucht wurden.

Amy hatte die gleichen Bandmitglieder wie im Oktober in Köln dabei. Wir haben hinterher bedauernd festgestellt, daß die Zeiten, die Sängerin von ihrer stärksten Seite, nämlich alleine mit Gitarre zu sehen, vorbei sind und nicht mehr wiederkommen werden. So etwas wie den überragenden akustischen Auftritt mit gleichem Material vor Paul Weller wird es wohl nicht mehr geben. Durch die Band klingt die Musik der Glaswegian sehr nach den Versionen der Lieder, die auf ihrer Debütplatte zu finden sind. Der Unterschied zwischen der sehr popigen Plattenproduktion und Amy live ist ihre deutlich tiefere Stimme, die für mich die "Live-Amy" viel reizvoller macht als die auf Platte. Aber der Rest gleicht sich an, eine Entwicklung, die natürlich wegen
des überragenden Erfolgs vollkommen nachvollziehbar ist. Ein Konzert wie die akustischen Aufnahmen, die es gibt, hätte vermutlich 95% der Besucher verstört. Mir gefiel es trotzdem, ich trauere den ersten Auftritten, die ich gesehen habe (auch der im Glasgower Barrowland Ballroom war noch eine Ecke roher) nicht nach, sondern bin froh, daß ich die erlebt habe.

Amy hatte ein schwarzes Kleid mit bunten Drei- und Vierecken und hohe Lackschuhe an. Und ihren Verlobungsring! Denn die Sängerin ist seit einiger Zeit mit dem englischen Fußballer Steve Lovell (28) vom schottischen Erstligisten Falkirk F.C. liiert. Das ist daher so spektakulär, weil Amy ja ein Lied über die in England noch viel ekligeren F-Prominenten geschrieben hat (Footballer's wife). Wenn man aber die Natürlichkeit der jungen Schottin auf der Bühne erlebt, erscheint dieser Widerspruch nur oberflächlich zu bestehen, sie wirkt nämlich so
bodenständig, wie es die WAGs, die Frauen und Freundinnen der englischen Glamour-Fußballer, vermutlich schon als Kind nicht waren. Ich schweife ein wenig ab.

Mit einem ihrer besten Lieder startete das siebzigminütige Konzert, mit dem fabelhaften Poison Prince (da fällt mir ein, daß schon wieder ein Babyshambles Konzert abgesagt worden ist). Die Setlist war
etwa die vom Palladium im Herbst, bis auf einige kleine Verschiebungen. Im Stau stehend hatte ich bei 1live schon gehört, daß es ein Killers- und ein Springsteen-Cover geben würde. Die Überraschung war damit weg, ich wußte also, daß Amy Mr. Brightside und Dancing in the dark spielen würde. Ihre Version des Killers-Hits kam früh und war wieder sehr schön. Dancing in the dark, einer der unbestrittenen Höhepunkte des Abends kam dann als Teil der Zugaben.

Neben den Coversongs spielte die Band wieder die beiden neuen Lieder The next big thing und Troubled soul. Das letzte hatte es mir schon in Köln angetan, The next big thing mochte ich heute schon mehr als im ollen Palladium. Ich frage mich immer bei Künstlern, die die Songs ihres Debüts über viele Jahre geschrieben haben (Amy erzählt immer, daß Youth of today in frühster Jugend entstanden sei; in Bochum
erzählte sie This is the life habe sie mit 16 oder 17 geschrieben), ob sie auch für Nachfolgeplatten noch gute Songs schreiben können. Wenn diese beiden neuen wirklich Produkt des letzten Jahres sind, dann kann Amy das!

Mein Liebling war diesmal wohl The road to home. Sie hat auch irgendetwas dazu erzählt, das aber weitestgehend unverständlich war, und diesmal nicht aufgrund des starken Glaswegian Akzents der Sängerin, sondern wegen des "ekstatischen" Publikums. Sobald Amy ansetzte, etwas zu erzählen, brüllte einige der Leute irre laut "Amy!" Zugegeben, das war originell. Aber leider hörte man dadurch nicht, was die Sängerin erzählen wollte. Anfangs kommentierte sie dies auch noch damit, daß sie eine Geschichte erzählen wolle (vor Barrowland Ballroom; irgendwas mit Bono, dem Nobelpreisträger).
The next big thing dagegen wurde regelrecht totgeklatscht. Dummerweise verleitete das Schlagzeug am Anfang des Stücks die Leute dazu, rhythmusähnlich zu klatschen - in einer Lautstärke, die Bochum vermutlich bislang nur bei der letzten Meisterschaft des VFL erlebt hat. Leider führte das dazu, daß das neue Lied anfangs kaum zu hören war. Aber ich will nicht spießig wirken (doch, will ich doch!).

Nach Run (Konzerttagebuch Wissen: dem Lieblings-Amy-Lied von Paul Weller und Steve Cradock) war Schluß. Schluß vor den Zugaben, denn die gab es natürlich.

Dazu erschien Amy erst alleine und spielte Dancing in the dark und zeigte dabei all ihre Stärken. Ihre Version war wieder fabelhaft und eine echte Liebeserklärung an dieses
großartige Stück! Die Hommage an ihre schottische Heimat, Caledonia, fehlte leider heute in den Zugaben! Dafür gab es wie erwähnt noch Troubled soul, eine wirklich sehr schöne Ballade und zum Abschluß Let's start a band.

Unsere Vorhersagen bei Amy waren bisher alle richtig (das war auch nicht furchtbar schwer), heute bin ich sicher, daß die Schottin nicht mehr lange in so kleinem Rahmen spielen wird. Nächste Station Kölnarena. 2010 spätestens. Und unser Patenkind hat das vollkommen verdient!

Setlist Amy MacDonald, Jahrhunderthalle Bochum:

01: Poison Prince
02: L.A.
03: Youth of today
04: Barrowland Ballroom
05: Footballer's wife
06: Mr. Brightside (The Killers Cover)
07: A wish for something more
08: Mr. Rock & Roll
09: The next big thing (neu)
10: This is the life
11: The road to home
12: Run

13: Dancing in the dark (Bruce Springsteen Cover) (Z)
14: Troubled soul (neu) (Z)
15: Let's start a band (Z)

Links:

- Amy MacDonald im Palladium im Herbst 2008
- und ihr legendärer Auftritt im Barrowland Ballroom in Glasgow 2007
- Amy MacDonalds erstes Konzert in Deutschland
- und im Gebäude 9 in Köln


Nächste Termine:

30.03.2009: L’Oympia, Paris
31.03.2009: L’Oympia, Paris
03.07.2009: Rock Werchter
04.07.2009: Nibe Festival, Skalskoven
13.07.2009: Live at Sunset, Zürich
22.08.2009: Uelzen Open Air



7 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Das Konzert gestern im Bochum war einfach nur geil ... hätte die ganze Nacht ruhig weiter gehen können.

Freu mich schon auf das nächste Konzert von ihr. Hoffentlich wieder in einer so angenehmen Ambiente und nicht in eriner Mega-Halle.

Super Fotos übrigens.

Olly Golightly hat gesagt…

Christoph, ich hab die Hälfte Deines Berichts gelesen und MUSS eine Pause machen, weil ich vor Lachen Bauchschmerzen und zudem so viele Tränen in den Augen hab, dass gerade der ganze Text verschwimmt. Ganz groß! Wirklich!

Christoph hat gesagt…

Das wollte ich nicht!

Anonym hat gesagt…

Super Artikel! Der wird gleich mal ausgedruckt, damit ich mich auch in ein paar Jahren noch an den wunderschönen Abend erinnern kann! ;)
da du ihren Kommentar zu "The Road To Home" nicht verstehen konntest, helf ich mal aus (WIR standen nämlich in der ersten Reihe *hehe* ;) :
"My first pet was a dog called Jackson. When he died it was the first time that I saw my dad crying. It was very sad and I wrote a song about it."
(ein paar Leute beginnen zu klatschen)
Amy sarkastisch: "You´re not supposed to clap at my dog dying!"
Und zu dem Typen der die ganze Zeit wie krank "Amy!" brüllte meinte sie "Weird noises! It's okay, I can see you and I can hear you, you don't need to do that!"
Also dass sie eine fantastische Musikerin ist, wusste ich ja schon, aber dass sie so nen tollen Sinn für Humor hat.. :D

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank für das nette Lob und Amys Ansagen! Ich habe davon leider nur Bruchstücke mitbekommen, dabei liebe ich ihre natürlich Art, mit dem Publikum zu sprechen sehr. Das ist noch so, als stünden da nur 10 Leute vor ihr und nicht diese Massen.

Anonym hat gesagt…

Stimmt Lisa, die meisten lachten immer und haben Null Verstanden was sie sagte. Es waren mehrere solcher Sachen wo die anfingen zu lachen ohne es richtig verstanden zu haben was sie wirklich sagte.

Lustig war es auch, als irgendeiner von ganz hinten rief "Amy I love You" und eine drauf antowrtete "Schnauze" und der ganze Saal lachen musste. Bis auf Amy und Band, die dies natürlich nicht verstanden und etwas verdutz schauten :-)

Naja der Typ der Ständig Amy rief war für die, die um ihn standen nicht so lustig (gehöre leider dazu) der war nämlich so besoffen und trieb wild sein unwesend (will garnicht drauf eingehen) jedenfalls war es ganz knapp davor das es Handgreiflich wurde. Zwischen ihn und sein Umfeld.

Aber trotz alldem, wie gesgat geiler Abend.

Anonym hat gesagt…

Hallo Christoph, deinen Bericht zum Bochumer Konzert ist so weit für mich in Ordnung bis auf zwei Punkte:
1. deine etwas abfälligen Bemerkungen über das nicht so schöne Bochum bzw das du nicht so gerne ins Ruhrgebiet kommst (ich selbst bin aus dem ländlichen Ostwestfalen und ohne jedes Problem zum Veranstaltungsort gelangt)
2.die Bezeichnung B-Städte finde ich nicht besonders glücklich da es sich nach Zweitklassigkeit anhört und das sind Bremen, Stuttgart, Dresden und Bochum mit Sicherheit nicht. Würde Amy in meiner kleinen Heimatstadt vor 5000 Menschen auftreten wäre das dann logischerweise viert- oder fünftklassig. Entscheidend ist der Künstler/in und der/die war für mich in Bochum erstklassig. Auch das Vorprogramm war ok.

 

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