Samstag, 7. Februar 2009

Amanda Palmer, Paris, 06.02.09


Konzert: Amanda Palmer

Ort: Le Divan Du Monde
Datum: 06.02.2009
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 90 Minuten




Amanda Palmer liebt Paris. Sagt sie zumindest. Muß wohl so sein, ansonsten wäre sie wohl nicht erneut mit ihrem australischen Danger Ensemble in die Stadt der Liebe gekommen, nachdem sie bereits Ende 2008 in der kleinen Boule Noire für Furore gesorgt hatte. Sowieso mag fast jeder Musiker Paris, weil die Seine-Metropole wie keine andere mit Kunst, Poesie und dem Savoir Vivre, aber auch dem Laster, der Sünde und dem Rauschhaften in Verbindung gebracht wird. Genau das richtige Pflaster also für Amanda, die eine große Lust an sündigen, verruchten und durchtriebenen Dingen empfindet. Gerade hier im Pigalle-Viertel, wo das Divan Du Monde - der Austragungsort des heutigen Spektakels- liegt, ist es besonders versext. Eine Gegend, in der sich ein Pornokino an das Nächste reiht und die immer noch extrem gut von der seltsamen Anziehungskraft des grotesk häßlichen Musiktheaters Moulin Rouge lebt. 1000 Flaschen Champagner sollen angeblich in der "roten Mühle" jeden Abend geleert werden, Weltrekord!

Schampus floß auch am Ende der wilden Show von Amanda Palmer und ihrer Begleitband, allerdings nur in die Kehle des exzentrischen Chefs des Danger Ensemble, der nach ein paar Schlücken in Formel Eins Fahrer- Manier das edle Naß ins Publikum sprühte. Amanda selbst trank lieber französischen Rotwein, den sie verschmitzt kichernd als das Blut von Jacques Brel bezeichnete. "I'm drinking the blood of Jacques Brel, but he wasn't french, he was from Belgium!" Recht hatte die Dresden Dolls - Sängerin auf Solopfaden, er war in der Tat Belgier und kein Franzose, wird aber gerne von den Franzosen als Landsmann vereinnahmt und dem eigenen Kulturgut hinzugerechnet.

Schon wieder Brel? Hatte Miss Palmer von dem denn noch immer nicht genug, nachdem sie schon letztes Jahr sowohl mit den Dresden Dolls auf dem Highfield Festival, als auch mit dem Danger Ensemble Le Port D'Amsterdam, den bekanntesten Chanson des Belgiers, bis zum Erbrechen durchdekliniert hatte? Und wer außer den selbstverliebten und patriotischen Franzosen mag eigentlich Brel? Mit dessen Evergreens wurde man doch schon auf dem Gymnasium von seinem Französischlehrer wahrlich genug belästigt! Brel, Brassens, Piaf, den Kram hören deutsche Pauker, die die Sprache Molières lehren, mit Vorliebe und glauben, so ein wenig vom Geiste Frankreichs zu atmen, auch ein wenig von der Leichtlebigkeit und dem Esprit der Franzosen abzubekommen und zu verdrängen, daß sie im Ruhrgebiet oder Berlin rotzfreche und unmotivierte Schüler unterrichten, die Brel kacke finden und - wenn schon etwas aus Frankreich -lieber Daft Punk oder Air hören...

Wahrscheinlich gilt es bei amerikanischen Intellektuellen auch als schick, Proust und Sartre zu lesen und die alten Klassiker des Chanson-Genres zu hören. Witzig, hören die jungen Franzosen selbst doch lieber Radiohead, oder wenn sie schon in den Dreißigern sind, The Smiths und The Cure. Auch Amanda Palmer liebt The Cure und ist nach wie vor riesiger Fan, wie sie den Zuschauern heute verraten hat und hätte fast Morrissey auf einem Festival getroffen, das aber bewußt verhindert, aus Angst er könne sich als Arschloch herausstellen und ihr damit den Genuß an alten The Smiths - Songs für immer vermiesen. Und daß sie Radiohead mag, liegt ja auf der Hand, denn schon beim letzten Mal in der Boule Noire coverte sie auf der Ukulele Creep und auch heute Abend, ließ sie sich nicht nehmen, damit den endgültigen Schlußpunkt des Sets zu markieren. Aber trotz dieser modernen Einflüsse greift sie gerne auf altes, französisches Liedgut zurück. Sie scheint die Psyche der Franzosen sehr gut zu kennen, weiß genau wie die Froschfresser ticken. Zwar lassen Franzosen jungen und mittleren Alters höchst selten ein altes Album mit Chansons auf ihrem iPod laufen, wenn aber eine Amerikanerin in Paris Brel covert, sind sie völlig aus dem Häuschen! Da fühlen sie sich extrem geehrt und sind in ihrer stolzen Seele berührt. Wahrscheinlich werten sie das Ganze als die Anerkennung der kulturellen Überlegenheit der Franzosen über die Amis. Wenn sie schon militärisch auf Weltebene nicht mehr allzuviel zu bestellen haben - was die Frenchies massiv ärgert - dann soll doch wenigstens die ganze Welt zumindest zu Kenntnis nehmen, daß Frankreich das Land des guten Geschmacks und der feinen Kultur ist!

Aber was hat Amanda überhaupt von Brel gecovert? Wieder Amsterdam? Nein, diesmal nicht! Stattdessen hauchte sie so gefühlvoll und verletztlich wie möglich, das sentimentale Ne me quitte pas (bitte verlaß mich nicht!) ins Mikro. Leicht fiel ihr das offensichtlich nicht, denn nachdem sie ein paar Zeilen gewimmert hatte, brach sie zunächst ab und sagte, daß sie den Song lieber erst noch einmal zurückstellen wolle. Gute 5 Minuten später, sie hatte inzwischen ein englisches Lied intoniert, fühlte sie sich dann bereit und sang den Klassiker in sehr ansprechendem, wenngleich nicht perfektem französisch und wischte sich hinterher, als sie das Stück mit Bravour gemeistert hatte und das Bühnenlicht kurz erloschen war, ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Vielleicht war sie so gerührt, weil sie an persönlichen Liebeskummer dachte? Auf die Frage, ob sie zur Zeit liiert sei, z.B. mit der hübschen Blondine Tora, die zu ihrem Danger Ensemble gehört, antwortete sie : "No, I'm with nobody at the moment. I'm maried with rock'n roll!"

Auch, ob sie Oasis oder Blur lieber möge, wurde sie gefragt und antwortete ziemlich rasch: "Blur, I think they are better, yeah!"... Witzig, wenn man bedenkt, daß ein (guter!) Titel ihres heutigen Sets Oasis hieß. À Propos Titel ihres heutigen Sets: die stammten natürlich größtenteils von ihrem Album Who Killed Amanda Palmer, aber erfreulicherweise auch manchmal von den Dresden Dolls. Das tolle Backstabber kam zum Beispiel schon an zweiter Stelle und der Coin Operated Boy mit seinem Nadel-an-der-Platte Hängebleib- Effekt, durfte natürlich auch nicht fehlen. Zu diesem Hit war die Choreografie besonders heiß und sexy! Zwei Mädels ihrer Band hatten sich nämlich Kunststoffpimmel umgebunden und stellten diese ungeniert zur Show! Fotos von dieser Szene habe ich natürlich auch geschossen, sie aber aus Angst vor Zensur vorsorglicherweise von meinem Flickr-Konto genommen und werde auch an dieser Stelle davon kein Bild veröffentlichen. Ihr wißt ja eh alle, wie so etwas aussieht, oder?

Ja, Showeffekte und ein sündiges Theaterstück gab es auch heute wieder, aber interessanterweise waren die Lieder, die Amanda alleine oder nur mit ihrem semmelblonden Geiger performte, fast am Besten. Besonders hervorzuheben war Astronaut, locker das schmissigste und hitträchtigste Stück auf dem Soloalbum, aber auch Guitar Hero, heute ganz ohne Gitarren vorgetragen, ragte heraus. Lobende Erwähnung sollte schließlich auch das stimmungsvolle und schnelle Runs In The Family finden, während die stark umjubelte Zugabe Creep doch arg schief gesungen wurde. Aber das spielte keine Rolle mehr, denn Amanda hatte die Herzen des Pariser Publikums mit ihrer liebenswürdigen und temperamentvollen Art schon lange für sich gewonnen und beim Performen des vom Band laufenden Mainstream- Hits I Kissed A Girl (Kate Perry) die Lacher und Jubler auf ihrer Seite. Besonders die Gay-Community freute sich, als Miss Palmer ihre blonde Tänzerin Tara demonstrativ abknutschte und damit auch gegen den Wechsel in der kalifornischen Gesetzgebung, die neuerdings wieder Homo-Ehen verbietet, protestierte.

Alles in allem war es ein tolles Spektakel, an dem auch Heteros ihre helle Freude hatten, selbst wenn das heutige Konzert einen Tick schwächer war, als das vorhergehende in der Boule Noire. Denjenigen, die von den Soloeskapaden von Amanda die Nase voll haben, kann ohnehin eine gute Nachricht überbracht werden: Die Dresden Dolls werden 2009 auf Tour gehen!

Und auch Brian liebt Paris. Und das Highfield...

Setlist Amanda Palmer, Le Divan Du Monde, Paris:

01: Assistant
02: Backstabber (Dresden Dolls)
03: Favorite Things
04: Astronaut
05: Slide
06: Guitar Hero
07: Blake Says
08: Coin Operated Boy (Dresden Dolls)
09: Oasis
10: Traut Heart Replica
11: Ne Me Quitte Pas (Jacques Brel)
12: Runs In The Family
13: Have To Drive

14: I Kissed A Girl (Kate Perry Playback)
15: Girls On Film (Duran Duran Playback)

16: Creep (Radiohead)

Links:
- Amanda Palmer, Assistant,
Paris, Divan Du Monde, 06/02/2009.
- Amanda Palmer, Blake Says zusammen mit Marie Darling an der singenden Säge
- Amanda Palmer, Runs In The Family, + Pantomimeperformance
- Amanda Palmer performt Creep von Radiohead auf der Ukulele und auf dem Balkon zwischen den Leuten. Paris, Divan Du Monde, 06/02/2009.
- Amanda Palmer spielt Astronaut zusammen mit ihrem Violinisten, Paris, Divan Du Monde, 06/02/2009.
- Kate Perry - I Kissed A Girl, Playback
- Duran Duran- Girls On Film Playback, Vorstellung der Artisten
- Jede Menge Photos von Amanda Palmer, klick!





6 Kommentare :

E. hat gesagt…

spektakel! kunststoffpimmel hätte ich doch gern gesehen. mensch, oliver, 21. jahrhundert, da hätte auch flickr nichts dagegen...
überdeckt das gewaltige drumherum eigentlich die musikalie der dame? ich werde nicht wirklich warm damit.

Oliver Peel hat gesagt…

Unterschätz die Prüderie von flickr und anderen amerikanischen Communites nicht, Eike!

Du musst nur mal den Blog von Amanda lesen, was neulich sogar in England mit ihrem Video Oasis passiert ist:

"All our TV outlets have refused to play the video due to it "making light of rape, religion and abortion"

Das Drumherum bräuchte ich persönlich nicht, mir würde Amandas tolle Stimme reichen...

Christoph hat gesagt…

Blond? Das Küssobjekt sieht mir doch arg dunkelblond aus?

Oliver Peel hat gesagt…

Eine schwarze Perücke auf blondem Kopf, Christoph, Schlaumeier!

Christoph hat gesagt…

Gut! Mein Fehler!

Den Schlaumeier nehme ich aber gerne an! :-)

Anonym hat gesagt…

Hi,

I'm sorry I don't speak German,

However I landed on your page and thought you may be interested in my comment.

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