Konzert: Interpol
Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 21.11.2007
Zuschauer: ausverkauft, denke ich
Spielzeit: 90 Minuten (Zugaben eingeschlossen)
Um zu meiner Lieblingsband zu gelangen, mußte ich so einige Strapazen auf mich nehmen. Der Streik der öffentlichen Verkehrsbetriebe geht nämlich munter weiter und hat nichts von seiner Schärfe verloren. Ich mußte deshalb sehr früh von zu Hause los, denn der Parc de la Villette, wo der große Zénith liegt, ist von mir ewig weit entfernt. Er liegt wirklich am vielzitierten "Arsch der Welt -(Stadt)".
Eingepfercht wie ein Stück Vieh stand ich dann auch dicht an dicht in der Metro zwischen schwitzenden und stinkenden Menschen, die unfreiwillig an meiner Brust hingen. Auch mir rann ob dieser menschlichen Wärme der Schweiß von der Stirne. Noch nie waren sich Pariser unterschiedlichster Herkunft so nahe wie im Moment. Jetzt verstehe ich auch endlich, wo der Ausdruck "das schweißt zusammen herkommt"...
Im Zénith angekommen, war es erstaunlicherweise auch nicht viel leerer. Trotz der frühen Uhrzeit (kurz nach acht) und der Streiks hatten sich schon so einige Leutchen eingefunden. Das Konzert schien ausverkauft zu sein, anders kann ich mir nicht erklären, daß zahlreiche Schwarzhändler auf dem weiträumigen Gelände versuchten, Karten zu verscherbeln.
Das Licht ging aus und ein Computer verzerrtes Sample erröffnete das Konzert der Vorgruppe Blonde Redhead. Das Sample stammte von dem Stück "Heroine". "Tell me why, tell me why" schmachtete die hübsche Kazu Makino in ihr Mikro. Die langbeinige Dame japanischer Herkunft saß auf einem Stühlchen hinter ihrem Keyboard und griff beherzt in die Tasten, während die italienisch-stämmigen Pace Brüder Amedeo und Simone Gitarre und Schlagzeug beisteuerten. Zum dritten Lied des Abends "Misery Is A Butterfly" erhob sich die extrem schlanke Sängerin zum ersten Mal und tanzte lasziv und elegant. Ihr Kleid glich fast einem modern interpretierten Dirndl, bloß daß das Dekolleté nicht so üppig war, wie man das von Fußballerfrauen des FC Bayern kennt, wenn sie im Oktoberfest ihre Show abziehen. Bei "The Dress" schien man zu Beginn einen lauten Herzschlag aus den Boxen zu hören, bevor Kazu sinnlich stöhnte und wimmerte. Das glich irgendwie dem französischen Klassiker "Je t'aime, mois non plus", damals interpretiert von Jane Birkin und Serge Gainsbourg. Kein Wunder, das in New York ansässige Trio hat seine Liebe zu Serge und Jane oft bekundet. Nach der älteren Schmachtnummer "Melody" kam in der Folge nur noch neues Material, vom aktuellen Album 23. Am besten hiervon gefiel mir das treibende "Spring And By Summer Fall", das überwiegend von Amedeo gesungen wird. Kazu schnappte sich hierzu die Gitarre und rockte ihren Bandkollegen an, was durchaus erotisch knisternd war.
Setlist Blonde Redhead , Paris, Le Zénith:
01: Heroine
02: SW
03: Misery Is A Butterfly
04: The Dress
05: Melody
06: Spring And Summer By Fall
07: Dr. Strangeluv
08: 23
Nachdem das New Yorker Trio mit artigem Applaus verabschiedet worden war, mußte man sich erst einmal ein Weilchen gedulden, bis es endlich mit Interpol weiterging. Es war schon nach 21 Uhr 30 (ungewöhnlich spät für den Zénith), als die Gladiatoren endlich einmarschierten und einige spitze Schreie junger Mädchen in meiner Nachbarschaft mein Trommelfell strapazierten. Ein sehr langes, sphärisches Intro ließ zunächst offen, womit beginnen werden würde. Dann aber vertraute Klänge, sie stammten von dem melancholischen Stück "Pioneer To The Falls". Die Stimme von Paul Banks ist glasklar und jagt mir erste Schauer über den Rücken, vor allem wenn er singt "straight into my heart". Die andere Textzeile "here comes the flood" wird visuell durch ein Video untermalt, in der eine gewaltige Welle wütet. Nach dem getragenen Auftakt geht es aber mit ungleich höherem Temp weiter. "Obstacle 1" läßt erstmals Tanzwütige in Wallung geraten. Vorne wo ich stehe, geht einigermaßen die Post ab, auf den oberen Sitzrängen regt sich jedoch nicht viel. Ich frage mich, ob die Leute von ihrem Standpunkt aus das gleiche Konzert wie ich sehen. Bei mir ist es jedenfalls gut, keine Frage. Gleich vor mir greift Daniel Kessler in die Saiten seiner Gitarre. Elegant wie immer, ist er auch heute wieder Aktivposten der Band. Er bewegt sich mit Abstand am meisten und wenn er seinen Standort wechselt, bewegt er sich wie ein Tänzer. Im Tennis würde man sagen, er hat eine gute Beinarbeit. Aus seiner schönen Gitarre scheint süßester Honig zu fließen, so melodisch sind seine Riffs. Nach "Obstacle 1" gibt es leichte Tonprobleme, die aber behoben werden können. "C'mere" donnert glasklar durch die Boxen, die Massen tanzen, das Konzert hat Fahrt aufgenommen. Bei "Pace Is The Trick" hat sich der ultracoole Bassist Carlos "D" Dengler sein erstes Zigarettchen angezündet. Es sollen etliche weitere folgen. Die Fluppe bändigt er ganz lässig mit seinen Lippen. Seine Hände braucht er zum Spielen. Er verzieht während des gesamten Auftritts keine Miene, hat aber seine Bandmitglieder mit der Raucherei angesteckt. Später gönnt sich nämlich auch Paul Banks ein Kippchen und der huttragende Drummer Sam Fogarino läßt sich auch nicht lumpen. Es qualmt unter seinem Hut. Bloß Daniel und der zusätzliche Keyboarder brauchen kein Nikotin. Daniel benötigt eh die Puste für seine kurzen Sprints über die Bühne. Zu dem postpunkigen "Say Hello To The Angels" springt er mehrfach die Stufe zu seinem Drummer hinauf und rockt ihn an. Gegen Ende nimmt Herr Kessler sogar Kontakt zum Publikum auf, indem er auf eine vor der Bühne gelagerte Box steigt und von dort aus weiterspielt. Die anderen sind hingegen gewohnt cool, aber das ist nun einmal ihr Stil. Anstatt den Hampelmann zu machen, verläßt sich Paul Banks sowieso viel lieber auf seine ins Mark und Bein gehende Stimme. Verbüffend ist, mit welcher Präzision gespielt wird, manchmal habe ich fast das Gefühl, daß Interpol fast zu gut, zu perfekt sind. Aber kann man ihnen das ernsthaft vorwerfen? Bei "The Lighthouse" werden sie zum ersten Mal deutlich langsamer. Die Ballade gefällt mir sehr und verfehlt auch live nicht seinen Effekt. Die tolle Lightshow unterstreicht hierbei sehr schön das dramatische Element. Aber Interpol können natürlich auch tanzbarer und flotter. Bester Beweis hierfür ist "Evil", das begeistert aufgenommen wird. Die Stimmung hat seinen Höhepunkt erreicht, das Stimmungspegel schlägt auch in der Folge nicht mehr höher aus. Am ehesten vielleicht noch bei dem abschließenden "Not Even Jail", meinem persönlichen Lieblingstitel der Band. Enthalten auf dem glänzenden Vorgängeralbum "Antics" wurde es interessanterweise nie als Single ausgekoppelt.
Natürlich gibt es Zugaben, drei an der Zahl. Das eher lahme "Untiteld vom Debütalbum "Turn On The Bright Light" hätte ich persönlich nicht gebraucht. Viel eher schon den Knüller "Leif Erikson", der aber nicht mehr kommt. Die einzige kleine Enttäuschung eines ansonsten hervorragenden Konzerts...
Setlist Interpol, Paris, Le Zénith (die Ziffern in Klammern geben an, auf welchem Album die Lieder enthalten sind):
01: Pioneer To The Fall (3. Album)
02: Obstacle 1 (1.)
03: C'mere (2.)
04: Narc (2.)
05: Pace Is The Trick (3.)
06: Hands Away (1.)
07: Say Hello To The Angels (1.)
08: Mammoth (3.)
09: No I In Threesome (3.)
10: Slow Hands (2.)
11: Rest My Chemistry (3.)
12: The Lighthouse (3.)
13: Evil (2.)
14: The Heinrich Maneuver (3.)
15: Not Even Jail (2.)
16: Untitled (1.)
17: Stella Was A Diver And She Was Always Down (1.)
18: PDA (1.)
Vergleicht die Setlist mal mit Köln, ganz anders! So etwas finde ich immer toll!
Meine Kamera ist kaputt, deshalb konnte ich heute keine Bilder schießen. Vom Highfield Festival habe ich aber ziemlich ordentliche Pics.
Ansonsten hoffe ich auf Photos meines Bekannten Robert Gil, der auch da war. Er ist Profi, seine Bilder auf der Seite www.photosconcerts.com sind immer spitze!
3 Kommentare :
also das sie nicht immer das gleiche programm abnudeln finde ich auch sehr gut. ich hätte aber "take you on a cruise" vermisst.
Hallo Omitz, "take you on a cruise" hätte ich auch gerne gehört, mir fehlte aber vor allem "Leif Erikson".
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