Sonntag, 13. Dezember 2009

Julian Plenti, Paris, 13.12.09


Konzert: Julian Plenti
Ort: Theatre de l'Alhambra, Paris
Datum: 13.12.2009
Zuschauer: bei weitem nicht ausverkauft
Konzertdauer: etwa 60 Minuten



Stell Dir vor, der Interpol Sänger Paul Banks gibt unter dem Pseudonym Julian Plenti ein Konzert und keine Sau geht hin! Oder noch schlimmer: Stell Dir vor, Paul, der wohlgemerkt einer deiner Lieblingssänger ist, rauscht mit seinen Songs mindestens 30 Minuten komplett an Dir vorbei, ohne Dich in irgendeiner Weise emotional zu berühren!

Aber nun gut, wollen wir es nicht zu dramatisch darstellen. Gähnend leer war es im Pariser Alhambra nicht, wenngleich die Platzkapazität von 600 Plätzen nur zu ungefähr 2/3 ausgeschöpft wurde. Und wirklich mies war auch die erste Hälfte des Konzertes nicht. Dennoch, wenn ein bekannter Sänger einer erfolgreichen Rockband wie Interpol vor so wenigen Zuschauern spielt, ist das schon ein wenig befremdend. Wenn dann noch hinzukommt, daß die anwesenden Zuschauer durch die Bank weg durch Passivität, Ausdruckslosigkeit und Hüftsteifheit auffallen, wird es schon ein wenig gespenstisch. Ein solch maues Publikum habe ich seit langem nicht erlebt! Ob die Leute vorher Valium eingeworfen hatten? Oder steif vor Kälte waren, weil draußen frostige Temperaturen herrschten? Oder lag es doch an Julian Plenti und seiner Band? - Schwer zu sagen. Ich denke den Ami mit der Grabesstimme trift auch eine gewisse Mitschuld, denn er war gewohnt wortkarg und reserviert. Keine Frage, der Typ ist kalt wie eine Hundeschnauze, da beißt die Maus keinen Faden ab! Bloß, daß er bei Konzerten von Interpol die Chance hat, seinen Mangel an Strahlkraft und Kommunikationsvermögen durch etliche Killersongs zu kompensieren. Hier und heute aber blieben zumindest in den ersten dreißig Minuten die Stücke blass und ohne Biss. Julian Plenti, der zahnlose Tiger. Oder so. Abgesehen von einem kleinen Aufhorcher bei Fun That We Have rauschte das Programm an mir und höchstwahrscheinlich auch den meisten anderen Zuschauern vorbei. Sein Gitarrist, optisch eine Kreuzung aus dem jungen Willy Millowitsch und Charlie Chaplin, hampelte zwar unfassbar affig und theatralisch über die Bühne und sein Celllist fiedelte ebenfalls mit viel Engagement, aber Emotionen konnten sie dennoch nicht schüren. Es war enttäuschend! Da half es auch nichts, daß Julian stimmlich voll auf der Höhe war und sich kaum einen Patzer leistete. Die Sachen zogen nicht, das Konzert war lau und recht farblos.

Erst in der zweiten Hälfte schaffte es die Band, mehr zu überzeugen und den Funken wenistens ein bißchen überspringen zu lassen. Unwind hatte endlich mal mehr Bums und Only If You Run war mit seinem ausgeprägtem Streicherpart und der aggressiveren Darbietung definitiv stärker als auf dem Album. Die Ballade On The Esplanade nahm dann zwar wieder das Tempo raus, aber das Stück traf mit seiner zarten Melancholie voll in mein Herz. Gänsehaut. Endlich! So hatte ich mir das vorher eigentlich durchgängig erhofft, aber besser spät als nie. "I should have safed my energie", vielleicht hatte Julian den Text zu wörtlich genommen. Im ersten Teil Energie sparen, um dann am Ende Gas zu geben. Ganz nach dem Motto: Hinter wird die Ente fett! Und wie fett sie wurde! Fast so mastig wie die Wampe von Franck Black, dessen Pixies Song Into The White wirklich gelungen gecovert wurde. Skyscraper hielt dann den Spannungsbogen, was wenig verwunderte, da der Song auch einer der besten auf dem Album ist und das mir unbekannte Goodbye Toronto beendete äußert gelungen den offiziellen Teil.

Der Zugabenblock war schließlich absolut versöhnlich. Der psychdelische Sixties Klassiker A Horse With No Name folgte auf das instrumentale H und war deutlich besser als das Original von America. Wunderbar, wie harmonisch die Band zusammenspielte und den Oldie so richtig aufmöbelte. Nichts, aber auch gar nichts kam gegen das finale Games For Days an. Rasierklingenscharfe Gittarenriffs, ein gepeitschtes Schlagzeug und eine Stimme, die durch Mark und Bein ging, so wollte man Julian Plenti sehen! Ein veritabler Hammer zum Abschluß, der die maue erste Hälfte fast in Vergessenheit geraten ließ.

Dennoch eine Bitte an Paul: Begrab den Julian Plenti umgehend und geh' mit einem neuen, hoffentlich brillanten Interpol Album 2010 auf Tour!

Setlist Julian Plenti, Alhambra, Paris:

01: Mythsizer (J Dilla Cover)
02: Fly As You Might
03: No Chance Survival
04: Fun That We Have
05: Madrid Song
06: Girl On The Sporting News
07: Unwind
08: Only If You Run
09: On The Esplanade
10: Into The White (Pixies Cover)
11: Skyscraper
12: Goodbye Toronto

13: H
14: A horse with no name (America Cover)
15: Games for days

Fotos folgen!

Aus unserem Archiv:

Julian Plenti, Köln, 08.12.09
Interpol, Montreux, 16.07.08
Interpol, Brüssel, 23.11.07
Interpol, Paris, 21.11.07
Interpol, Köln, 19.11.07
Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
Interpol, Köln, 11.05.07
Interpol, Paris, 10.05.07

- Die wie immer granatenhaft tollen Fotos von Julian Plenti findet man bei Konzertfotografenzar Robert Gil. Klick!




2 Kommentare :

E. hat gesagt…

darf ich aus dem rückraum darauf hinweisen, dass bereits im ersten drittel einige rechtschreibfehler auffallen? passt natürlich zum konzert...

Oliver Peel hat gesagt…

Darfst Du, Eike! In der Tat hat sich der Fehlerteufel hier gleich mehrfach eingeschlichen. Beim flüchtigen Durchlesen fallen mir die Vertipper oft gar nicht auf. Hoffe, daß die Fehler nun ausgemerzt sind. Ich gelobe Besserung für 2010!

 

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