Montag, 3. Dezember 2018

Interpol, Paris, 29.11.18


Konzert: Interpol (Nilüfer Yanya)
Ort: Salle Pleyel, Paris
Datum: 29.11.2018
Konzertdauer. Nilüfer Yanya 30 Minuten, Interpol 2 Stunden
Zuschauer: etwa 2000, ausverkauft
Fotos: archive by Oliver Peel ©




"Interpol im Jahre 2018 interessieren mich nicht die Bohne." Das Statement meines Bekannten war schroff, aber immerhin offen und ehrlich. Ich hatte ihn zufällig beim Handzettelverteilen vor dem Eingang des eleganten Salle Pleyel in Paris getroffen, wo das Konzert der New Yorker Band stattfinden sollte. Er war nur zu Promozwecken dort, das Konzert selbst wollte er sich gar nicht ansehen.


Ich fragte mich, wie ich selbst bezüglich Interpol stehe. Ist das immer noch eine meiner Lieblingsbands, oder hat sich ihr immergleicher Dunkelrock über die Jahre abgenutzt ?



Hinsichtlich der Studioalben gehörte ich schon mal nicht zu denjenigen, die nur die ersten beiden Alben gemocht haben, sondern zu den Dauerfans die alle 6 Longplayer zu schätzen wissen. Auch der letzte Output Maurauder stiess bei mir auf Zustimmung, ich würde ihn mit 8/10 Punkten bewerten.



Mit diesem starken Album im Gepäck sollte eigentlich auch live nichts schiefgehen und so freute ich mich auf das Konzert im Salle Pleyel, ein Saal der eigentlich mehrheitlich für klassische Musik genutzt wird. Ab und zu gibt es hier aber auch Rockkonzerte.



In den Abend leitete die talentierte junge Britin Nilüfer Yanya ein. Ich hatte die dunkelblond gelockte Sängerin bereits im August bei dem Pariser Festival Villette Sonic im Freien gesehen. Wenn ich mich recht erinnere war sie dort alleine aufgetreten, im Salle Pleyel hatte sie nun eine mehrköpfige Band dabei, zu der eine Saxofonistin, ein Basser und ein Drummer gehörten.



Logischerweise klang ihr Sound gleich deutlich weniger folkig und reduziert als noch vor ein paar Wochen, teilweise wurde es fast richtiggehend rockig. Dabei ist die Dame eher eine Leisetreterin, die über ein wundervoll soulig angehauchte Stimme verfügt (die neue Sade?) und ihre Songs mit geschmackvoll minimalistischen Arrangements versieht. Mit der Musik von Interpol hat ihr Stil nicht allzu viel gemein, aber es gab ein paar Gitarrenmelodien, die dann doch nicht so weit von der Band von Daniel Kessler entfernt waren.



Sie spielte eigene Songs von ihren drei EPs aber auch ein Cover der Pixies (Hey), das kaum jemand erkannte.






Besonders mochte ich ihren spartanisch instrumentierten Song Baby Luv, aber auch HeavyWeight Champion of the world, zu dem es auch seit kurzer Zeit einen Clip gibt:



Dann erfolgte eine Pause, die länger dauerte als die von einer Stimme vom Band angekündigten 20 Minuten. Sicherlich 35 Minuten sassen wir rum und langweilten uns ein wenig. Quasi alle Leute die um mich herumsassen, kramten ihr blödes Smartphone heraus und fingen an wie die Bescheuerten im Internet zu surfen. Vor mir befand sich eine Familie: Mami, Papi und zwei Töchter im frühen Teenageralter, ich schätzte die beiden auf 12 und 14. Alle (!) beschäftigten sich nur mit ihrem Smartphone und redeten kein Wort miteinander. Das deprimierte mich, aber zumindest sah ich auf dem Display, wer das musikalische Idol eines der Mädchen war: Ariana Grande.



Interpol also inzwischen eine Band für instagrammsüchtige Teenager mit Mainstreamgeschmack? Mir wurde ganz mulmig zu mute, ich fragte mich fast, was ich hier zu suchen hatte.



Aber seien wir ehrlich, Interpol ist definitiv keine Indieband mehr und war es vielleicht noch nie. Was an sich kein Problem ist, weil es auch Mainstreambands gibt, die ich mag.





Und als das gegen 21h15 dann endlich losging, waren meine Zweifel nach ein paar Takten von Pioneer To The Falls ohnehin wie weggeblasen. Ich war von Anfang an gepackt von dieser düsteren aber auch so poppigen Musik. Punk mit Lippenstift, so wurde die New Wave Bewegung einmal treffend beschrieben und das gilt auch für die Neo Post Punk Welle, die wir seit etwa 2003 erleben und mit der Interpol untrennbar verbunden ist. Irgend was ist süsslich an der scheinbar bitter-depressiven Klangwelt der Nachfahren von Joy Division und The Cure. Leute, die wie ich in den 80ern musikalisch sozialisiert wurden, können damit was anfangen, diejenigen die aber in den 90er Jahren geboren wurden, hören lieber psychedelischen Rock, das stelle ich immer wieder fest.





Auffällig an der Setlist war, dass die neuen Stücke nur sehr vorsichtig integriert wurden. Nie kamen zwei Neulinge hintereinander, oft folgte auf das Antasten eines Songs von Maurauder ein, zwei oder gar drei alte Sachen. Und das erste Album, dessen Erscheinen erst 2017 in eine langen Tour gewürdigt wurde, wurde auch diesmal wieder in den Vordergrund gerückt. Nicht weniger als 6 Lieder stammten von Turn On The Bright Lights. Recht überraschend fand ich es, das unscheinbare Stück Public Pervert darunter zu finden. Das haben Interpol zwischen 2017 eigentlich nie gespielt. Ein Irrtum wie sich herausstellen sollte, denn der Song kam wirklich ziemlich gut rüber.



Leider war das Publikum aber dennoch kaum zu begeistern, es blieb alles sehr ruhig, die meisten standen nur reglos rum und ein klein wenig getanzt wurde erst am Ende zu alten Klassikern wie Slow Hands, Evil oder Obstacle 1. Unverständlich aus meiner Sicht, denn Roland bzw. oder Say Hello To The Angels waren so fetzig, dass eigentlich jede Menge Bewegung die richtige Reaktion gewesen wäre. Die eher maue Atmosphäre lag m.E. nicht an der Band, sondern eher an den Fans. Wie sagte Uli Hoeness einmal so schön, als ihm von Bayern Fans bei der JHV 2007 vorgeworfen wurde, dass die Stimmung im Stadion so ruhig sei: "dass ist doch eure Schuld, wenn ihr nicht richtig mitgeht!"



Wobei selbst ich mich fragte, warum man einen zwar schönen, aber auch so lahmen Song wie NYC in die Mitte des Programms nahm. Solche Balladen lassen die Stimmung eher absacken und nehmen den Schwung raus. Schnelle Titel von El Pintor beispielsweise hätten hier ihren Platz gehabt, aber von dem Vorgängeralbum zu Maurauder spielten Interpol lediglich All The Rage Back Home, bedauerlich.



Von den neuen Sachen zog das eingängige The Rover am besten, meine Favoriten waren aber eher Stay in Touch und Flight of Fancy.





Stay in Touch hatte die Band am Vortag in Utrecht wohl zum allerersten Mal live gespielt. Dafür performten sie den mittelschnellen, nicht sonderlich melodischen Songs aber schon erstaunlich sicher, während sie den Start von Flight of Nancy noch einmal wiederholen mussten, weil sie sich verspielt hatten. Ein wundervolles Stück, dieses Flight of Fancy! "Who reigns in that silence when you sleep in the afternoon,you reach out to emptyness until the reaching out feels empty too", heisst es da in den ersten Zeilen. Keine Ahnung worum es wirklich geht, aber diese kryptischen Lyrics gehören auch irgendwie bei Interpol mit dazu.



Als dann Slow Hands geschmettert wurde, ging endlich bei den Leuten mal ein wenig die Post ab. Da wäre es fast besser gewesen, im Anschluss nicht von der Bühne zu gehen, sondern die drei Zugaben direkt hintereinander zu bringen, denn die waren mit Lights (einziger Song vom 4. Album), Evil und Obtacle 1 absolut hochkarätig.

Setlist



Pioneer To The Falls

C'mere
If You Really Love Nothing
Public Pervert
Roland
Complications
Say Hello To The Angels
NYC
The Rover 
Rest My Chemistry
NYSMAW
PDA
Stay in Touch
All The Rage Back Home
The New
Flight Of Fancy
Slow Hands


Lights

Evil
Obstacle 1





 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates