Samstag, 9. Februar 2013

Amatorski, Wiesbaden, 07.02.13


Konzert: Amatorski mit Support Skirt
Ort: Kreativfabrik Wiesbaden (Ersatz für Schlachthof)
Datum: 07.02.2013
Zuschauer: ca. 50
Dauer: 35 min + 70 min


Die Ehrenbezeichnung Amateur kommt ja ursprünglich einer Person zu, die eine Sache so sehr liebt, dass sie ihr alle Zeit widmet, die sie irgend erübrigen kann. In slawischen Sprachen wird als Adjektivendung ein -ski angehängt.

Der Musikblog Nothing But Hope and Passion hatte mich vor Weihnachten auf die Tour und die Musik der flämischen Band Amatorski aufmerksam gemacht. Seitdem war in meinem Browser immer ein Tab geöffnet mit der Bandcamp-Seite. Den Termin in Wiesbaden hatte ich mir notiert. Anschließend habe ich das Wetter beobachtet und Varianten erwogen, wo ich in der Nacht bleiben könnte (und alle wieder verworfen). Ich habe mich gefragt, wie diese Musik wohl live präsentiert würde. Ob frickelige Beats gewinnen oder die Melodien (oder die Nervosität...). Es hat sich dann äußerst kurzfristig endgültig entschieden (mit einem hilfreichen Schubs von der Bedroomdisco), dass ich es wagte, dieser Frage höchstpersönlich nachzugehen. Wie ich den Zug nach Mainz geschafft habe, ist eine längere Geschichte und beim Umsteigen in die S-Bahn nach Wiesbaden hätte ich es fast noch versaut (die haben das Gleis 1 echt fies versteckt). Aber dann war ich kurz vor 21 Uhr in Wiesbaden auf dem Weg in den Schlachthof, um gegenüber die Kreativfabrik zu suchen. 

Ein bisschen mulmig wurde mir: Kein Mensch weit und breit in einer Industriebrache neben den Bahnschienen. Dafür ignorierten mich zahlreiche Kaninchen, die es in der Kälte besonders eilig zu haben schienen. Im Kellerclub angekommen gab es aber zur Belohnung eine nette Überraschung: Christoph hatte sich auch kurzfristig für Amatorski entschieden und so gab es ein überraschendes Treffen. Wie nett!



Da ich so knapp dran war, hatten wir auch nur gerade so Zeit uns zu begrüßen bevor Skirt die Bühne betrat und sehr pünktlich 21 Uhr ihr Set begann. Ich bin eigentlich nicht so sehr für den elektronischen Flügel der Indie-Musik begeistert, hatte aber hier Spaß daran, wie sich Stimme, Liveinstrumente und Playback zu einem ganzen fügten. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir The end and the start und Not counting trains. Sicher auch deshalb, weil durch die Einführung von Ursula Maurer ein nachvollziehbarer persönlicher Bezug zur Musik geknüpft wurde. Und das Thema Heimat ist auch für mich so ein blauer Fleck, der nicht abheilen will und in Resonanz zu dieser Musik trat und schmerzte.

Skirt spielt heut (Samstag, 9. Februar) im Berliner PlemPlem. Die Einladung des Ladens verrät mehr über die Musikerin und sei hiermit zur Lektüre empfohlen. Das Konzert und die Musik sowieso (*).

Nachdem die Bühne wieder frei war, wurde nur kurz umgeräumt - geradeso Zeit dafür ein Bier zu holen und zu leeren. Dann erklang als Teil der Pausenmusik schon das erste Instrumentalstück Fading von Amatorski und wir waren alarmiert: Es geht los!



An diesem Abend waren Amatorski:
Inne Eysermans  (songs, programming, vocals, piano, guitar)
Sebastiaan Van den Branden  (guitar, backing vocals)
Hilke Ros (upright bass, synth)

Laurens Van Bouwelen (drums, glockenspiel) 




Das Konzert entwickelte sich ab da zu einem still leuchtenden Juwel. Christoph hat vieles von dem beschrieben und ausgedrückt, was ich auch empfunden habe. Die Stimme von Inne ist wunderbar empfindsam und wurde im Duett mit Sebastiaan (leider noch zu selten) fast überirdisch beglückend. Es gab die ganz ganz leisen Töne und fast schon seichte Unterhaltung mit Come home (das jedem ein seliges Lächeln ins Gesicht malt) und so richtig wütenden Krach ohne Struktur. Die Ansagen machten uns die Truppe nur noch sympathischer. Mich faszinierte mal wieder der Drummer. Hinterher erst habe ich realisiert, dass er "nur" für die Tour eingesprungen ist. Aber er spielte sein Set häufig fast so, als würde er die Becken und Trommeln gesund-massieren. Und natürlich ist das für diese Art der Musik ein sehr wichtiger Aspekt, dass das Gefrickel im "Hintergrund" genau passt. Dass es im zweiten Lied ein Problem mit dem Mikro gab, hat die Truppe echt professionell gelöst und sich nicht verrückt gemacht. Sie haben uns dann im Zugabenteil das Stück noch einmal ohne Geknatter präsentiert. Die Instrumente wurden während des Sets häufig getauscht und mitunter haben drei Personen Keyboards beigesteuert. 

Im Anschluss an das Konzert hatten wir noch sehr nette Unterhaltungen mit allen Bandmitgliedern. Leider ist ihre Tour durch Deutschland ja schon wieder vorbei. Aber die CD tbc bekommt dieser Tage ein Deutschland-Release in dem die vier Lieder der ersten EP Same stars we shared beigelegt sein werden.





Erst hinterher zu Hause (ich verstehe mich manchmal selbst nicht, weil ich mich ja eigentlich schon lange mit der Musik beschäftigt hatte, aber eben kein bisschen mit den Personen oder der Band) habe ich dann verstanden, dass die Truppe in ihrer Heimat so richtig groß ist. Ich kann das nach dem Konzert gut verstehen und werde mich nun bis zum nächsten Liveerlebnis als Evangelistin versuchen und die gute Nachricht von Amatorski in Deutschland verbreiten helfen. Dieser Konzertabend in Wiesbaden war ein wunderschönes Erlebnis, wie ich es mir immer wieder wünsche: aufmerksames Publikum, Freunde die das Erlebnis teilen und der magische Moment, einer Band lauschen zu dürfen, die im wörtlichen Sinn amateurhaft ihre Musik liebt und lebt.

Setlist:
 
(Fading)
22 Februar
Soldier
Same Stars We Shared
The King
Come home
8 November
Warszawa (*)
Peaceful
How are you? (*)
Tiny bird (von Compilation)
Anthem

Soldier (Z)
Never told
(Z)


Aus unserem Archiv:
Bericht von Christoph

(*) wieso das Label gleichzeitig schreibt, sie spiele heut in Heilbronn, erschließt sich mir leider nicht.



2 Kommentare :

Ralf hat gesagt…

Sehr schöner Bericht! Ich bin erst vor ein paar Tagen durch das Interview bei Bedroomdisco auf die Band aufmerksam geworden und hab mir direkt das Album (inkl. EP) bestellt. Live hab ich sie leider noch nicht gesehen.

Gudrun hat gesagt…

Danke Ralf, das Interview hätte ich auch direkt verlinken sollen. Und danke auch für das Lob (höre ich nie genug... :) )

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates