Datum: 06.06.2007
Ort: L'Élysée Montmartre, Paris
Zuschauer: ausverkauft (ce soir complet)
"Ce soir complet", also ausverkauft, verkündeten weiße Zettel am Eingang des Élysée Montmartre. Die Band Blonde Redhead aus New York, scheint in Frankreich ungemein populär zu sein und das nicht erst seit dem kürzlichen Erscheinen des neuen Longplayers "23", sondern spätestens seit der Vorgänger "Misery Is A Butterfly" 2004 auf den Markt kam. Woran liegt es eigentlich, daß eine Band, die andernorts noch relativ unbekannt ist, in Frankreich bereits mittelgroße Konzerthallen in Rekordzeiten ausverkauft? Nun, man könnte argumentieren, daß das Trio, bestehend aus der Japanerin Kazu Makino (Gesang, Gitarre, Piano), den beiden italienisch-stämmigen Brüdern Amedeo (Gesang, Gitarre) und Simone Pace (Schlagzeug, Percussion), sehr stylisch ist und daher den modebewußten Parisern gefällt. Entscheidender scheint mir jedoch der Umstand zu sein, daß die Musik der Band deutliche Ähnlichkeiten zum französischen Nationalhelden Serge Gainsbourg (längst verstorben) und seiner Frau Jane Birkin (ist noch sehr aktiv) aufweist. Der Sound von Blonde Redhead klingt für französische Ohren einfach vertraut. Da gibt es zum einen die unglaublich sinnliche und dahingehauchte Stimme von Kazu, die man glatt mit derjenigen von Frau Birkin oder ihrer Tochter Charlotte Gainsbourg verwechseln könnte und zum anderen diese süßliche Melancholie, die man auch von Kompositionen von Serge kannte, zumindest in bestimmten Phasen seines Schaffens.
Auf dem Gainsbourg-Trip ist die Gruppe aber anscheinend erst seit "Misery Is A Butterfly", ihrem damals bereits sechstem Album, dem ersten beim renommierten Label 4AD. Vorher machten sie eher noisige Musik im Stile von Sonic Youth, Yo La Tengo oder My Bloody Valentine. Von der frühen Phase war aber heute eher wenig zu spüren, es dominerte melancholischer Dream-Pop. Die hübsche Pariserin Constance Verluca hatte die Ehre, das Vorprogramm zu bestreiten, allerdings fand dies sehr frühzeitig und in meiner Abwesenheit statt.
Ich stieg gleich mit Blonde Redhead in den Abend ein. Positioniert hatte ich mich vorne links, um ein paar brauchbare Photos zu schießen, was aber gar nicht so einfach war, weil der Bereich vor der Bühne abgesperrt war und Profi-Photographen mit ihren dicken Köppen die Sicht versperrten. Kein Wunder allerdings, daß hier und heute heftig geknipst wurde, denn Kazu Makino ist dermaßen hübsch und photogen, daß sie auch als Model durchgehen könnte. Jedoch als "Mager-Model", aber gerade das ist ja im Moment und wahrscheinlich noch die nächsten Jahre sehr angesagt... Beine hat die Frau, ich sage Euch... bis zum Himmel und dazu noch das luftige Kleid und die trendigen Stiefel, die sie trug, hach... Dabei hatte sie wohl im Jahre 2000 einen schweren Unfall, ihr wurde von einem Pferd der Kiefer eingebrochen und sie konnte acht Wochen kein einziges Wort reden!
Davon merkte man heute abend aber wirklich gar nichts mehr, sie hauchte wunderschöne Töne ins Mikro, rockte grazil mit ihrer Gitarre und spielte immer mal wieder Piano. Amedeo Pace hingegen, der auch die Texte schreibt, begeisterte mit seiner fragilen Stimme, die Ähnlickkeiten zu derjenigen von Mercury Rev, aber auch zum Sänger von Windmill aufweist. Sein Zwillingsbruder an den Drums war eher unauffällig. Ich glaube das Set wurde von "Dr. Strangeluv" gestartet, aber ganz sicher bin ich mir leider nicht, weil ich das neue Album vorher noch nicht oft genug gehört hatte. Auf jeden Fall startete Kazu mit dem Gesangespart, soviel ist sicher. Man muß wissen, daß Amedeo und Kazu fast nie im Duett singen, sondern sich immer abwechseln, mal haucht sie ins Mikro, mal schmachtet er hinein...
Bei Song zwei war der Herr mit den grauen Locken an der Reihe. Das treibende "Spring And By Summer Fall" wurde nämlich angestimmt. Man kann es sich auf der MySpace Seite der Amerikaner anhören, was ich hiermit empfehle. Dort findet man auch nachfolgend gespielten Song, den Titeltrack des neuen Albums, "23", ein wunderbar melodisches Lied, welches ein wenig an die Band Lush erinnert. Meinem Mitblogger dürfte es gefallen, es gibt eine "Lallala"-Passage... Die Gitarren haben hier durchaus was von My Bloody Valentine, das ist nicht zu leugnen. Davon abgesehen, hat das Trio aber einen eigenständigen Sound entwickelt, die von mir zitierten Bands sind deshalb auch nur als Orientierungshilfe zu verstehen, falls einem Blonde Redhead noch nicht so viel sagen.
A propos "einem etwas sagen": bei "Falling Man", welches nach "23" kam, war das bei mir der Fall. Es entstammte "Misery Is A Butterfly" und wurde von Amedeo gesungen: "I am just a man, still learning how to fall" winselte die Grauschläfe da in seiner unverkennbar weinerlichen Art. Eine Packung Kleenex hatte ich nicht dabei, um ihn zu trösten, aber ich stand auch zu weit entfernt, um zu ihm durchzudringen... Das berührte mich irgendwie, aber ich war wohl nicht der Einzige, denn man sah im Publikum viele andächtig blickende Gesichter, oder Leute mit geschlossenen Augen. Allerdings war nicht ständiges Schmachten angesagt, sondern manchmal wurde auch ordentlich Krach gemacht, vor allem, wenn sich Kazu die Gitarre elegant um die Schultern legte und mit Amedeo im Duo rockte. Eine perfekt arrangierte Licht-Show unterstrich die Bewegungen der Musiker hierbei sehr schön. Von Zeit zu Zeit, legte die hübsche Brünette aber wieder ihre Gitarre zur Seite und setzte sich hinter ihr elektrisches Piano. Hierdurch bekam das Set eine synthetische Note und brachte das Ganze in musikalische Nähe zu Au Revoir Simone.
Das letzte Lied des offiziellen Konzerts war dann sehr getragen, fast psychedelisch. Sie sang und machte träumerisch anmutende Bewegungen dabei, unterstützt durch ein bläulich schimmerndes Licht, bis das Stück irgendwann ausklang. Als das Trio anschließend zum ersten Mal die Bühne verließ, brandete langanhaltender Applaus auf, der die Publikumslieblinge schnell zurückkommen ließ. Kazu schnappte sich das Mikro und sagte auf englisch (französisch beherrscht sie nur häppchenweise): "Ich glaube das war emotional heute zu viel für mich, ich hatte mich dermaßen darauf gefreut, in Paris zu spielen und wollte es deshalb besonders gut machen"... Ich verstand das nicht so richtig, wollte sie etwas damit sagen, daß sie keine Zugabe mehr geben könnten, weil sie mit den Nerven am Ende war?
Zum Glück war das mitnichten so, denn es ging noch munter weiter. Die erste Zugabe hatte wieder einen elektronischen Touch, während die zweite das bisher rockigste Stück war und das Elysee Montmartre erbeben ließ. Danach schien Schluß zu sein, die Gruppe verließ nämlich erneut die Bühne. Das Publikum harrte der Dinge,die da kommen würden, aber ich persönlich rechnete mit keiner weiteren Zugabe mehr, denn dies ist in dieser Location eher selten.
Heute war es aber anders, denn Blonde Redhead kamen noch einmal zurück und verzückten mit "Misery Is A Butterfly" und "Melody". Damit hatten sie endgültig auch bei mir gewonnen, das Pariser Publikum hatten sie ja eh von Anfang an auf ihrer Seite.
Wer sich von den Livequalitäten ein Bild machen möchte, kann das demnächst in Deutschland und den Benelux-Ländern tun:
Konzerttermine Blonde Redhead:
23.06.07 Heidelberg (Karlstorbahnhof)
24.06.07 München (Feierwerk)
25.06.07 Berlin (Postbahnhof)
28.06.07 Köln (Gebäude 9)
29.06.07 Groningen (Vera)
30.06.07 Werchter-Festival, Belgien
02.07.07 Amsterdam (Melkweg)
Kurzer Auszug aus der Setlist Blonde Redhead Paris*:
- Dr. Strangeluv
- Spring And By Summer Fall
- 23
- SW
- Falling Man
- Equus
- Misery Is A Butterfly
- The Dress
- Melody
* werde diese in Kürze hoffentlich noch etwas ergänzen können.
von Oliver
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