Konzert: Jean Michel Jarre
Ort: ISS Dome
Datum: 22.10.2016
Dauer: 105min
Zuschauer: ca.4.500
Weit reichen die Erinnerungen an Jean- Michel Jarre bei mir zurück. Wenn ich mich heute an das gruselige Cover der damaligen Polydor-Best of.. "Musik aus Zeit und Raum" erinnere, werden wohl einige wieder das Bild der jungen Dame mit einer Muschel am Ohr und Kabelsträngen um den Hals vor Augen haben.
Das war 1983, und schon damals war Jarre ein Weltstar und seine meistverkauften Werke schon lange geschrieben. 68 Jahre ist er jetzt und wirkt auf der, zur Electri_City Konferenz in Düsseldorf angesetzten Talkrunde am Nachmittag, wie Mitte 40.
Sportlich gekleidet, höflich und überhaupt nicht gelangweilt beantwortet er alle gestellten Fragen mit langen, zum Teil intimen Antworten. 80 Zuhörer hatten somit die einmalige Gelegenheit, mehr von der Arbeitsweise und den privaten Ansichten eines echten Stars aus erster Hand zu erfahren.
Eines ist jedenfalls sicher, Jarre war seiner Zeit weit voraus. Einer Zeit in der sich seine Musikform zu einem Jahrzehnte andauernden Massenphänomen entwickeln sollte.
Er formte einen der zwei wichtigsten Stränge der elektronischen Musik. Seine Wurzeln entstammen klar dem französischen Erbe von Debussy und der Romantik und setzen sich, inspiriert durch ihn, in den Werken von Air, Phoenix oder Daft Punk fort. Es ist die "weichere", organischere Seite der Elektronik. Der sanfte, ruhigere und melodische Moment steht im Vordergrund und unterscheidet sich somit stark von der rhythmischen und beatlastigeren Variante, die sich in Deutschland und England zum Erfolg entwickelte.
Frühe Bands wie Kraftwerk oder in den letzen Jahren Apparat oder Mouse on Mars, sowie der gesamte Technobereich stehen dafür als Beispiele.
Jarre hat viele Alben in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht, natürlich mit unterschiedlichem kreativen Output, aber lächerlich gemacht hat er sich nie. So war es auch kein Wunder, dass die Liste der prominenten Gäste auf seinen letzen beiden Alben mit Kollaborationen (Electronica 1 und 2) lang war.
Die Bandbreite zwischen Julia Holter und Jeff Mills ist jedenfalls beeindruckend. Die Frage war, wie Jarre dieses Konzept auf der Bühne präsentieren würde.
Der erste Eindruck ist ernüchternd. Eine nicht mal im Unterrang vollständig gefüllte Halle lassen Zweifel aufkommen, ob das in die Jahre gekommene Publikum den aktuellen Projekten noch folgen kann.
Jarre jedenfalls ist auch beim Konzert bester Laune, immer wieder wird er sein riesiges Pult mit diversen Tasteninstrumenten und analogen Keyboards verlassen um sich am Bühnenrand persönlich zu bedanken.
Die Bühnenshow ist erwartungsgemäß groß und mächtig. Hinter sich ständig verschiebenden, bis zur Hallendecke reichenden LED-Wänden begleiten zwei "Schlagzeuger" das Konzert mit diversen Effekten.
Leider bilden die Herren auch die große Schwachstelle der Show. Ist auf den oben genannten CD`s trotz der Menge und Vielfalt der Gäste fast immer Jarre`s analoger und einzigartiger Stil prägend, wird live leider zu sehr dem Zeitgeist aktueller DJ Shows gehuldigt.
Stampfende Beats sind nicht das wegweisende Stilmittel seiner Musik und zerstören viele der magischen Momente, auf denen die leisen und melodiösen Tracks oft beruhen.
Manchmal, wie in dem das Publikum zum ersten Mal aus den Sitzen holende "Brick England" mit den Pet Shop Boys, gelingt dies auch mit den neuen Nummern, aber eben nur manchmal.
Und so wirken die Klassiker, von denen hier erstaunlich wenige präsentiert werden, fast frischer aber zumindest innovativer, als das aktuelle Werk.
Es ist Jean Michel Jarre hoch anzurechnen, dass er in diesen großen Hallen den Zeitgeist nicht verschlafen will und seinen Fans keine Best-of Show bietet. Leider geht der Versuch hier leider nicht auf. Die Zeit hat ihn eingeholt. Einen weiteren Vorsprung wird er nicht bekommen.
Vieles ist trotzdem toll, besonders wenn zu erkennen ist, wie viel hier wirklich noch live gespielt wird und der Künstler eben kein wahllos sampelnder DJ ist, der nebenbei noch seine E-mails abruft.
Am Ende dann noch die große Überraschung. Zum 30.Jubiläum wird es eine weitere "Oxygene" CD geben, und einer der neuen Songs wird als Zugabe bereits präsentiert. Es ist ein toller Song, der genau die Elemente aus seinen Klassikern mit der Moderne verbindet. Ein organischer Sound, klar und doch verspielt, melodisch und doch vertrackt.
Hier liegt die Zukunft für Jean-Michel Jarre, der mit Sicherheit freiwillig nie aufhören wird, Musik zu produzieren. "Die Musik ist überall, Regen am Fenster, ein flüchtiger Ton...alles ist Inspiration" sagte er am Nachmittag. Das ist sein Leben und sein Werk für die elektronische Musik. Er hat den Erfolg nicht vorhersehen können, aber er ist immer seinem Instinkt gefolgt.
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