Konzert: John Grant
Ort: Postbahnhof in Berlin
Datum: 26. November 2015
Dauer: 95 min
Zuschauer: etwa 1000
All die herrlichen Bilder sind von Markus.
John Grant ist ein musikalisches Schwergewicht. Trotzdem hatte ich vor diesem Abend meinen Fokus nie wirklich auf seine Musik gerichtet. Statt dessen war er am Rande meines Sichtfeldes mehrfach bedeutungsschwer vorbeigehuscht als überraschender Kollaborator. Und als eine Person, die selbstreflektiert und sympatisch redet. Ich musste nicht lange nachdenken, ob ich Lust hätte, mir ein Konzert von John Grant am Rande meines Berlinbesuches anzusehen. Auch wenn das Venue mit 1000 Leuten schon an der oberen Grenze meines eigenen Wohlfühlbereiches lag. Worauf ich mich schon im Vorfeld sehr freute war, dass ich dafür im erprobten Doppel mit Markus unterwegs sein würde und es deshalb endlich wieder einen Bericht mit seinen fantastischen Bilder geben würde.
Obenauf kam dann noch ein zufälliges Treffen mit Jana von Rockzoom, die ich bisher nur virtuell gekannt hatte.
Der Postbahnhof war ausverkauft, aber es gelang uns noch gut bis ganz vor die Bühne zu gelangen und ich war im Verlauf des Abends sehr erfreut darüber, dass ich dort recht unbehelligt das Konzert ganz und gar genießen konnte.
Es begann im Dunkeln mit einem vielsprachigen Text - fast wie eine Beschwörung oder ein Gebet. Diese Einleitung endete schließlich in einer Entladung mit ordentlich Lärm, was in meinem Kopfkino einen Flugzeugstart assoziierte. Hier meinte es wohl jemand sehr ernst... Später wurde in den Texten aber auch ordentlich geflucht und sehr zynisch und ironisch die Enttäuschungen des Lebens verarbeitet.
Was mir im ersten Stück Geraldine natürlich sofort ins Herz fiel, war diese unvergleichliche Stimme. Augenfällig daneben die äußere Erscheinung - da stand ein wahrhafter Hüne vor uns auf der Bühne. Beim weiteren umherschauen fanden sich für mich überraschend zahlreiche Minikeyboards, neben einer soliden Ausstattung an Keyboards/Pianos für zwei Personen am linken Bühnenrand. Gleich in der ersten Ansage war klar, dass John Berlin noch immer als eine heimatliche Stadt empfindet, in der er an diesem Abend sehr gern Station machte. Sein deutsch war souverän und wunderbar vieldeutig. Fast brachte es ihn selbst aus dem Konzept, dass er sich eine extra passende Setlist für diesen Tourstop zurechtgelegt hatte und nach zwei Stücken auf einmal nicht recht wusste, wie es nun weitergehen würde.
Zuvor hatte er uns seine Band vorgestellt: Den Briten Chris Pemberton an den Tasten, Jakob Smári Magnússon aus Island am Bass, das britische Urgestein Budgie am Schlagzeug und an der Gitarre (direkt vor mir) Pétur Hallgrímsson aus Island. Alle diese Männer haben schon ordentlich eigene Musikgeschichte geschrieben, aber am auffälligsten blieb für mich am Abend der Mann an den Drums, denn er hatte einen unvergleichlichen Stil, die Knie fast bis zur Brust federnd, die Schultern kurz unter die Ohren hochgezogen und mit einer Energie und dabei doch ganz leicht, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Mehrfach arbeitete er an dem Abend sogar im Stehen.
Tatsächlich war die kurze Frage an sich selbst - wie es nun weitergehen sollte - ganz berechtigt. Nachdem er für die ersten zwei Songs vorn gestanden und ins Mikro gesungen hatte, war sein Platz für It doesn't matter to him am Piano direkt gegenüber von Chris Pemberton. Eine besondere und intime Stimmung entstand so, die für mich zu den Stärken des Abends gehörte. Auch wenn später immer wieder lustige Tanzbäreinlagen zu Mayor-Tom-Raumschiffmusik und Glamrocknummern wie You and him diese Andacht brachen und aufmischten.
Im Herzen blieben mir doch am tiefsten Grey tickles, das er allein am Piano begann und in einer Klangorgie münden ließ und das unfassbar intensive Glacier, das auch ringsum textsicher mitgesungen wurde. Die Greatest motherfuckers waren dann uns allen gewidmet und es gab ein schmissiges Ende mit Disappointing bei dem im Text sogar schubidi schubidubabab nicht zu albern klang. Der Saal tobte und verlangte natürlich nach Zugaben. Davon gab es reichlich und für jeden Geschmack: erst zweimal funky und dann noch zwei Balladen. Beschwingt und froh, diesen besonderen Musiker nun auch live kennengelernt zu haben wandte ich mich gen Ostbahnhof mit seinen Zeilen im Kopf
This pain
It is a glacier moving through you
And carving out deep valleys
And creating spectacular landscapes
And nourishing the ground
With precious minerals and other stuff
So, don't you become paralyzed with fear
When things seem particularly rough
Setlist:
01: Geraldine
02: Down here
03: It doesn't matter to him
04: Pale Green Ghosts
05: Snug slacks
06: You and him
07: Guess how I know
08: Grey tickles
09: Glacier
10: Queen of Denmark
11: I wanna go to Marz
12: GMF
13: Disappointing
14: Voodoo doll (Z)
15: Black Belt (Z)
16: Drug (Z)
17: Caramel (Z)
Fünf Songs vom Berliner Konzert
Tourdaten John Grant
15.11. La Cigale, Paris
17.11. Botanique, Brüssel
20.11. Den Atelier, Luxemburg
21.11. Kaufleuten Klubsaal, Zürich
24.11. Bürgerhaus Stollwerck, Köln
25.11. Uebel & Gefährlich, Hamburg
26.11. Postbahnhof, Berlin
Aus unserem Archiv:
John Grant, London, 07.09.11
John Grant, Paris, 14.06.10
Bericht des Guardian zum Londoner Konzert am 13.11. 2015
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