Konzert: erster Tag des Haldern Pop Festivals mit Yuck, Anna Calvi und vielen anderen
Ort: Spiegeltent, Festivalgelände Rees-Haldern, Niederrhein
Datum: 11.08.2011
Zuschauer: volle Hütte
Der erste Festivaltag verlangte mir meine letzten Kraftreserven ab. Erst am Vortag war ich von Seattle nach Paris geflogen, hatte kein Auge in dem eklig heißen und engen Flugzeug zugedrückt und war am Donnerstag Jetlag geplagt mit dem Zug nach Köln gefahren, wo mich mein Freund Christoph am Bahnhof abholte. Gemeinsam brachen wir Richtung Haldern auf, standen aber mehr im Stau als wirklich zu fahren. Die ersten Konzerte konnten wir uns deshalb knicken und auch die vielgelobten Auftritte in der Kirche fanden ohne uns statt. Allzu gerne hätte ich mir den Norweger Moddi und seine Band angesehen, aber da dieser in etwa zeitgleich mit Yuck im Zelt loslegte, wurde daraus nichts.
Dann aber endlich Livemusik und mit Yuck ein guter Start ins Haldern Festival 2011.
Meine Eindrücke des ersten Tages in Kurzform:
Yuck: jung, unverbraucht und trotz des 90 er Jahre Retrosounds frisch klingend. Mal lieblich, mal noisig und fast immer catchy und ohrwurmig, hier sollte eigentlich jeder auf seine Kosten gekommen sein. Abzüge allerdings für die lahme Performance, das mangelnde Charisma des verträumt wirkenden Sängers und die nichtexistente Kommunkation mit dem Publikum. Ach ich vergaß: das ist ja beim Shoegaze leider immer so...
Julia Marcell: was war das denn? War ich hier wirklich beim Haldern Pop? Pluckernder Elektropop mit starkem 80ies Einschlag und eine folkloristische Bühnenperformance ließen mich statt des ansonsten immer so geschmacksicheren Festivals an eine Russendisko denken. Tatu wären mir allerdings lieber gewesen, aber die gibt es ja nicht mehr. Aber jetzt mal ehrlich: hat Julia Marcell wirklich Fans in der Indieszene? Leute, die nicht nur wegen ihres unverschämt attraktiven Aussehens zu ihren Konzerten kommen? Mit viel Wohlwollen konnte man Referenzen wie Bat For Lashes oder Björk heraushören, wenn man ehrlich war, klang das aber oft nach obskuren Sängerinnen der Achtziger, die ich eigentlich längst verdrängt hatte. Trotzdem sah (Betonung liget auf sehen nicht hören!) ich mir das Konzert bis zum Ende an und schoss gefühlte 3200 Fotos von dem brünetten Schnuckelchen...
Avett Brothers: "ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste was es gibt auf der Welt!". Christoph hatte Fußprobleme und schlug vor sich ins Auto zu setzen, um sich zu erholen. Eigentlich wollte ich ihm nur kurz Gesellschaft leisten und dann zurück ins Spiegel-Zelt zu den Avett Brothers gehen, aber weil wir uns sehr lange nicht mehr gesehen hatten, verplauderten wir die Zeit. Aus dem Mirror Tent drang unterdessen folkige Stimmungsmusik. Das Publikum schien begeistert mitzugehen, der Applaus wurde von Lied zu Lied frenetischer und am Ende fragten wir uns, ob wir nicht das beste Konzert des Tages verpasst hatten.
Anna Calvi: Dieses beste Konzert des Tages bot aber sicherlich die blonde Engländerin Anna Calvi. In lediglich 35 Minuten zog sie mich mit ihrer kraftvollen Stimme und ihrem virtuosen Gitarrenspiel in ihren Bann. Atemberaubend ihre Bühnenperformance, schwül, knisternd, erotisch aufgeladen die Stimmung im Zelt. Die Riffs kamen messerscharf, das Schlagzeug schepperte fetzig und das Harmonium sorgte für eine Prise Melancholie. Eleganter und stilvoller als die Calvi ist im Moment keine, aber im Gegensatz zu Julia Marcell ging es hier nicht nur um eine schöne Hülle. Anna hat sicherlich genug Talent, um die Musikszene über Jahre hinweg zu beleben. Suzanne And I oder Desire klangen fast schon wie moderne Klassiker.
Brandt Brauer Frick Ensemble:
Wäre der quälend lange Umbau nicht gewesen, hätte ich sicherlich deutlich mehr von diesem exquisten und innovativen Auftritt haben können. So hat sich vor allem ein Bild in mein Gedächtnis eingebrannt: die niedliche asiatische Geigerin bei Trockenübungen vor dem eigentlichen Beginn.
Irgendwann wurde dann doch noch richtig gespielt (und wie! so etwas hatte ich noch nie gehört!), aber meine Augen waren in der Zwischenzeit auf Halbmast gesunken. 9 Stunden Zeituntersscheid zu Seattle, wo ich noch am Vortag war und viel zu wenig Schlaf forderten ihren Tribut. Ich kackte förmlich ab und verließ nach drei bis vier Liedern das jazzige und sehr rhythmische Konzert, das mit vielen überraschenden Wendungen und dramatischen Verdichtungen aufwarten konnte.
Ich hoffe, daß das Brandt Brauer Frick Esemle auch mal nach Paris kommt, dann bin ich sicherlich dabei und auch wacher und aufnahmefähiger.
1 Kommentare :
Avett Brothers war für meinen Geschmack definitv das Beste Konzerte des Tages gewesen. Wurde nur noch von Matthew and the Atlas in der Haldern Pop Bar am Freitag getoppt. Von Julia Marcell war ich allerdings auch sehr enttäuscht. Das erste Album weiss sehr zu gefallen, wass sie sich bei ihrem zweiten gedacht hat, weiss wohl nur sie selber. Hier mal ein Auszug aus dem ersten Album, was zu gefallen weis: http://www.youtube.com/watch?v=DK2Q0GZq2Oo
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