Mittwoch, 1. Oktober 2008

Adem, Paris, 30.09.08


Konzert: Adem

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 30.09.2008
Konzertdauer: 30 Minuten
Zuschauer: irgendwie nicht so viele



Kritikerlieblinge sollte man als Musikfan mit Vorsicht begegnen. Oft ist das was einem als nie vorher dagewesene Kunst angepriesen wird, eher eine nervtötende Angelegenheit als ein euphorisierender Geniestreich.

TV On The Radio gehören mit Sicherheit zu solchen Kritikerlieblingen denn immer wenn sie ein neues Album herausbringen, hagelt es Sterne und vollmundige Kommentare. Aber damit soll kein Urteil über die New Yorker gefällt sein, auch ich mag die Band gerne. Das neue Album Dear Science sorgte bei mir nach dem ersten Hördurchgang allerdings eher für Migräne als wohlige Glücksgefühle. Dennoch wollte ich mir die Amerikaner im recht kleinen Nouveau Casino ansehen. Es gab allerdings keine Chance mehr auf Einlass, denn der Laden war ausverkauft und auch sonst kursierten keine Einladungen oder überschüssige Karten.

Was tun? Nun, wenn man in Paris in der Rue Oberkampf ist, sind andere Musikclubs auch nicht so weit. Die Maroquinerie ist nur einen Katzensprung (den mein alter Kater allerdings nicht mehr vollführen könnte) entfernt und auch die Flèche d'or ist mit der U-Bahn nur 3 Stationen entfernt. Also, entschließe ich mich dorthin zu fahren!

Gegen 21 Uhr ist der Schuppen ungewohnt leer, kaum jemand hat sich heute in den ansonsten sehr gefragten Club verlaufen. Kate, die junge Frau hinter dem hübschen Folkprojekt This Is The Kit ist allerdings hier. Mit (vermutlich) selbstgehäkelten-und genähten Klamotten steht die Süße da und schaut belustigt auf die Bühne, wo sich ein junger Engländer zu 80er Jahre angehauchten Elektroklängen abmüht. Ich kann nicht ehrlich behaupten, dass ich davon sonderlich angetan bin. Leute, die auf die zitierte Stilrichtung stehen, hören aber mal auf der MySpace Seite des jungen Londoners rein. Er heisst übrigens Nic Nell und ist bei XL Recordings, also dem gleichen Label wie Vampire Weekend.

Bewegung kommt kaum rein in die Flèche d'or, die Leute stehen nur rum und nippen an ihren Getränken. Ich überlege kurz, ob ich die Fliege machen soll, denn ich bin müde und hungrig und Adem, der mich interessiert, spielt erst um kurz nach 23 Uhr. Letztlich bleibe ich aber doch, allerdings mehr aus Bequemlichkeit als aus überbordender Lebensfreude.

Nachdem der Vorhang zum ersten Mal gefallen ist, erwäge ich Kate von This Is The Kit anzusprechen, traue mich aber nicht so recht. Ich wollte meine Sätzchen loslassen, von wegen "dein Album Krulle Bol gefällt mir und ich habe Dich schon zwei Mal live gesehen", etc, was man halt so erzählt. Ich lasse das aber bleiben...

Eine gefühlte Ewigkeit später geht es endlich weiter. Zum Glück sehr schwungvoll, denn ansonsten wäre ich glatt im Stehen eingeschlafen! Das englische Duo Gentle Friendly hat ordentlich Dampf unter dem Kessel und beschleunigt gleich von null auf hundert. Die Drumsticks des Schlagzeugers wirbeln nur so durch die Luft und der Keyboarder spielt sein Instrument durchgängig auf dem Boden. Die beiden Heißsporne hauen vier punkpoppige Stücke raus und verbrennen dabei bestimmt ordentlich viele Kalorien. Auch die Lichtshow ist sehr hübsch und die Lieder erinnern an Bands wie Animal Collective, Fuck Buttons, Crystle Castles, Matt & Kim, The Automatic, aber auch entfernt an Los Campesinos! Insgesamt eine erfrischende, wenngleich kurze Angelegenheit.

Danach lümmel ich mich ein wenig im Café neben dem Eingang rum und glotze Löcher in die Luft. Doch plötzlich sehe ich Erica Buettner, die charmante amerikanische Folksängerin mit der sanften Stimme und ihren Multiinstrumentalisten Stefanos, zur Türe reinspazieren. Die beiden erkennen mich sofort und kommen zu mir rüber. Ich bin hocherfreut sie wiederzusehen und komme - da sich Erica und Kate von This Is The Kirt kennen - plötzlich mit drei Personen gleichzeitig ins Gespräch. Ich frage die anderen, was ich von Adem zu erwarten haben. Bisher hatte ich nämlich nur den Namen des Künstlers aufgeschnappt.

"He plays a kind of freakish folk thing", meint Kate und weiß auch zu berichten, daß der Kerl bei der Postrockband Fridge den Bass gehalten hat. Ich bin gespannt...

Circa 10 Minuten später weiß ich zumindest wie Adem aussieht. Klein bis mittelgroß gewachsen, Dreitagebart, Brille und spärliches Haupthaar. An den Füßen trägt er Sneakers wie sie in den 80er Jahren populär waren. Solche bunten Treter sind auch heutzutage bei den sogenannten Fluokids, bzw. New-Raver und Technofreaks wieder tierisch angesagt. Elektronisch wird es aber trotzdem nicht, denn Adem spielt zunächst nur ganz alleine auf einer Akustikgitarre. Der Bursche hat eine schöne Stimme, die ein wenig nach Chris "Coldplay" Martin klingt. Der Stil ist aber natürlich weniger glattgebügelt und auf Charttauglichkeit getrimmt als bei Chris, der neulich noch Christoph Tränen der Begeisterung in die Augen getrieben hat (wie hat er das hingekriegt?). Das verspielte und vertrackte Element der Kompositionen, welches man bei einem Besuch der MySpace Seite von Adem, aber beim Einlegen seiner CDs heraushören kann, kommt so allerdings kaum zu tragen. Man kann fast von klassischem Folk reden. Zumindest bis ein Drummer hinzukommt, der im Stehen nur auf die Kanten seines Gerätes klöppelt und somit freakfolkige Töne ins Spiel bringt, die man von Animal Collective oder auch den Dodos kennt. Leider kann ich keine einzelnen Lieder des ehr kurzen Sets benennen, denn ich bin wie bereits erörtert bei Adem noch jungfräulich. Nach kurzer Recherche habe ich mir aber einen Überblick über die Diskografie des türkischstämmigen Mannes gemacht und weiß nun, daß er drei Alben herausgerbacht hat. Dem hochgelobten Debüt Homesongs von 2004 folgte 2006 Love And Other Planets und 2008 Takes, ein Album, welches ausschließlich aus Coverversionen besteht. Davon erzählt er dann auch kurz und fragt in die Runde, ob er lieber einen gecoverten Song von Björk oder von Radiohead spielen solle. Das Votum im Publikum fällt einstimmig aus, von einem solchen Ergebnis kann die CSU in Bayern zur Zeit nur Träumen: 100 % für Radiohead! Like Spinning Plates heisst der Song von Amnesiac, der es textlich in sich hat: "You feed me to the lions"...

Spannender ist aber für mich die Frage, ob er das wundervolle Tears Are In Your Eyes von Yo La Tengo auch gespielt hat. Mist, ich weiß es nicht!

Genausowenig weiß ich hinterher, was ich grundsätzlich von Adem zu halten habe. Seine Stimme ist schön, keine Frage, aber augenblicklich gepackt hat mich das Ganze noch nicht. Ich bin da wirklich noch unentschieden, müßte mir seine Alben mal in Ruhe anhhören. Man muss bedenken, daß auch Adem zu den oben beschriebenen Kritikerlieblingen gehört. Da dauert es oft eine Weile, bis man sich über seine Gefühle im Klaren ist....

Links:

- Videoclip Adem Launch Yourself
- Adem Ringing In My Ear
- Love And Other Planets live
- These Are Your Friends live
- Everything You Need live
- God Only Knows live mit Ukulele (schon wieder verliert Björk beim Publikum ,hier gegen die Beach Boys)
- Spirals live
- Let It Burn live mit Cello
- You And Moon live mit Band
- One In A Million live mit Band, sehr schön!

- Gentle Friendly live @ Upset The Rhythm





3 Kommentare :

E. hat gesagt…

da bin ich sehr auf die setlist gespannt.

Oliver Peel hat gesagt…

Ich auch, Eike. Ich habe nämlich diesmal leider keine zu bieten :(

E. hat gesagt…

verflixt!

 

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