Konzert: The Cure
Ort: Palais Omnisport de Paris - Bercy (POPB)
Datum: 12.03.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 3 Stunden 40 Minuten (!!)
Große Events in riesigen Hallen bieten ein erhebliches Enttäuschungspotential. Man bezahlt viel Geld (in diesem Falle 47 €), erwartet ein sensationelles Konzert einer Gruppe, die man immer schon einmal sehen wollte, und ist am Ende ernüchtert und frustriert, weil es steril, stimmungsarm und einfach Scheiße war. Man fragt sich dann, warum man überhaupt noch zu solchen Mega-Veranstaltungen geht. Weiß man nicht aus Erfahrung, daß es in kleinen Clubs viel intimer, netter und besser ist?
Bange fragte ich mich, ob es mir mit The Cure genauso ergehen würde. Sind die nicht zu alt und träge? Zu unmotivert? Zu unzeitgemäß, sprich einfach out?
Die letzte Frage beantwortete ich mir bereits vorher selbst. Wenn aktuelle Bands wie die Killers, The Bravery, Bloc Party, The Organ (die sich ja leider aufgelöst haben), Film School, She Wants Revenge, The Rapture, Cursive, Shout Out Louds, Electrelane, Interpol und sogar Foals mehr oder weniger stark nach The Cure klingen, dann können die gar nicht out sein. Im Gegenteil: Die Band ist so wichtig wie nie zuvor, der Strom junger Gruppen, die sich von Robert Smith inspirieren lassen, will einfach nicht abreißen.
Also blieb noch zu klären, ob sie nicht einfach zu alt und satt sind. Vielleicht ist The Cure ja eine Band, die zwar essentiell ist, aber heutzutage irgendwie Mainstream geworden ist, grübelte ich in der U-Bahn vor mich hin. Auf dem Gelände vor dem riesigen Palais Omnisport angekommen, schien sich mein Verdacht zu bestätigen. Die Typen, die vor den Toren noch ein Zigarettchen rauchten, oder sich bereits in die Schlange einreihten,waren ziemlich normal drauf. Wo waren die Waver, Gothik-Typen und andere ausgeflippte Leute? Fehlanzeige! Zumindest sah' ich auf den ersten Blick keine. Schade, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, besonders schrille Vögel abzulichten, um meine Berichterstattung aufzupeppen! Lediglich ein Trio lustiger Mädels, die eine davon in einem Leopardenmantel, waren einen Schuss wert.
Etwas enttäuscht begab auch ich mich dann in Begleitung von Philippe und Barry Richtung Eingang, der an mehreren Stellen erfolgte. Und schwupps, wir waren drinn und stießen die schwere Tür des Palais Omnisport auf! Auf der Bühne tobten gerade die Engländer von 65 Days Of Static, von denen ich bisher nur mal Am Rande etwas mitbekommen hatte. Zu Scherzen aufgelegt, stieß ich Barry an und lobte ihm gegenüber die vorzügliche Stimme des Sängers. Ich Witzbold! Das Set der Burschen war sehr melodiös, aber rein instrumental, ein bißchen so wie Explosions In The Sky, oder auch Mogwai. Circa eine halbe Stunde lang wurden wir mit den treibenden Beats bearbeitet, bevor das Licht anging und ein Päuschen angesagt war.
"Welches ist Dein Lieblingslied von The Cure?", fragte ich in die Runde. - "M", sprudelte es aus Barry heraus. Was Philippe geantwortet hatte, weiß ich nicht mehr, ich persönlich legte mich aber auf "A Forest" fest. So plauderten wir eine Weile und überbrückten angenehm die Zeit. Circa gegen 20 Uhr 15 wurde es dann aber Ernst. Unter riesigem Jubel wurde die Halle abgedunkelt und sphärische, ja träumerische Klänge erfüllten den gigantischen Raum. Man sah über der Bühne einen wunderbaren Sternenhimmel, ein herrliche Lightshow begann, die auch für den Rest des sehr lang werdenden Abends für Atmosphäre sorgen sollte. Das Intro zog sich sehr lange hin, gesungen wurde zunächst nicht. Erst nach circa. 5 Minuten legte Robert Smith mit seinem wehklagenden Gesang los. Der "Plainsong" wurde gespielt und stellte wohl eine Art "Warmspielphase" dar, die sich auch noch bis zum Ende von "Prayers For Rain" erstreckte, obwohl Herr Smith schon dort mit einem "Tarzanschrei" für Aufhorcher sorgte. Stimmlich war es bestens aufgelegt, soviel war sicher! Mit "A Strange Day" wurde altes Songmaterial ausgepackt und ich erfreute mich vor allem an dem markanten Gitarrenriff. Das Publikum wurde langsam wach und obwohl es sehr voll, warm und ziemlich eng war, fingen die ersten Besucher an zu tanzen. Das war aber lediglich ein Vorgeschmack auf das, was bei "alt.end" abgehen sollte. Da wurde nämlich spontan Pogo getanzt und zwar flächendeckend! Ich hatte Angst um meine Kamera, war aber gleichzeitig sehr happy, daß das keine sterile, lahme Veranstaltung werden sollte. Hier ging was ab und zwar nicht zu knapp! In keiner Phase kam bei den Smashing Pumpkins vor ein paar Wochen an gleicher Stelle soviel Stimmung auf. Schon zu diesem Zeitpunkt wußte ich, daß der Abend denkwürdig werden würde. "Auch "The Walk" schlug ein wie eine Bombe und hielt selbst die Leute auf den Sitzplätzen nicht auf ihren roten Stühlchen. 2 Lieder später dann ein schwungvoll gebrachter "Lovesong", den ich schon immer mochte, genau wie den Klassiker Lullaby" (Lied 10), den ich mir als Jugendlicher auf Vinyl-Single gekauft hatte und dessen Video mit den ganzen Spinnweben und den Särgen damals exklusiv bei "Formel-Eins" lief. MTV und Viva gab es zu dieser Zeit ja noch nicht. " (And I realised with fright) that the Spiderman is having me for dinner tonight", diese Songzeile werde ich wohl mein ganzes Leben nicht vergessen...
Es folgte eine Phase, in der ein wenig Verschnaufen angesagt war. Der "Kyoto Song", schön und mysteriös, plätscherte beispielsweise ein wenig vor sich hin. Spätestens bei Lied 16, "Friday I'm In Love" war aber wieder Party-Stimmung angesagt. Das für The Cure-Verhältnisse ungewohnt heitere und beschwingte Lied ließ ganz Bercy die Gelegenheit mitzusingen. "In Between Days" und vor allem "Just Like Heaven" passten hierzu auch ganz wunderbar. Die alten Kerle da vorne hatten wirklich einen Hattrick erzielt und hielten die Spannung nach wie vor hoch. Zu diesem Zeitpunkt waren circa. 90 Minuten absolviert, die Dauer eines kompletten Fußballspiels. Hier und heute sollte es aber noch etliche Verlängerungen und auch noch ein Elfmeterschießen geben.
Normal, daß dann irgendwann einmal auch klitzekleine Hänger drin waren, obwohl Hänger eigentlich nicht passend ist, weil es lediglich in der nächsten halben Stunde eine Passage gab, in der kurzfristig der Fuß vom Gaspedal genommen wurde. Zeit für Robert einen "Chanson Nouvelle" (in Frankreich würde man eher Nouvelle Chanson sagen, aber das störte keinen) anzukündigen und zu testen: "A Boy I Never Knew", eine recht sentimentale Ballade, die nicht übel war und Lust auf ein neues Album gibt. Einer meiner persönlichen Favoriten kam dann ein paar Lieder später. "One Hundred Years" mit seinem dingel-dengel- Gitarrenriff, den pessimistischen Parolen ("It Doesn't Matter If We All Die", "Waiting For The Death Blow") und dem dramatischen Ende, zu dem Robert mehrfach aus voller Seele "A Hundred Years" greinte, ließen mich erschaudern. Ein etwas zähes und sehr langes "Disintegration" markierte dann die erste kurze Pause. Viele andere Bands sind dann schon längst mit ihrem Programm durch (es waren immerhin schon 2:10 gespielt), aber The Cure hatten noch sage und schriebe 16 (!) Lieder auf der Pfanne. Das wußte ich natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, mir war aber trotzdem schon klar, daß noch erhebliches Stehvermögen verlangt war. Aber wenn die Show so mitreißend ist wie an diesem Tage, ist das überhaupt kein Problem!
Also weiter im Text. Wo waren wir stehengeblieben? Ach, richtig, es fehlten noch ein paar sehr frühe Hits. Bitteschön: Das Album "Seventeen Seconds" von 1980 war dran. 28 Jahre auf dem Buckel, aber unglaublich gut gealtert. Los ging die Serie mit "At Night", das kam schon mal gut. Aber es wurde von Song zu Song besser. "M" deutlich sichtbar gemacht, durch den riesigen rotleuchtenden Buchstaben, brachte Barry zum Jauchzen, bevor der Refrain von "Play For Today" im Chor mitgesungen wurde. Die Stimmung war sensationell, anders kann man das nicht nennen! Und dann wurde ich verwöhnt: Die an die Wand projezierten Äste machten es schon deutlich, "A Forest", mein Lieblingslied von The Cure wurde geschmettert. So gut hatte ich es noch nie gehört, sagenhaft! "I Hear Her Voice Calling My Name The Sound Is Deep In The Dark I Hear Her Voice And Start To Run Into The Trees Into The Trees", ich sang jede Zeile aus vollem Halse mit. Und auch hier wieder das Ende durch Mark Und Bein gehend: "Again And Again And Again", Robert gab alles! Und die Zuschauer auch, sie klatschten bei den finalen Gitarrenschleifen rhythmisch in die Hände und schrien irgendwann auch voller Euphorie "Hey, Hey", immer im Wechsel mit den Handclaps.
Danach war für ein paar Minuten Pause angesagt. The Cure hatten die Bühne verlassen und einige Zuschauer glaubten bereits, daß das Konzert gelaufen sei. Ich sprach mit Barry und wir zählten auf, was noch fehlte: "Killing An Arab" fiel ihm spontan ein, meine Reaktion war: "The Lovecats".
Und damit sollte es dann auch tatsächlich weitergehen. "Une autre chanson qu'on a écrite à Paris, je crois", versuchte sich Monsieur Smith in Landessprache und sein Akzent war gar nicht mal so schlecht. Ansonsten hatte er sich zum Großteil auf ein herzliches "Merci!" beschränkt. Anbiedern war nicht seine Sache, das hatte er aber auch überhaupt nicht nötig, die Musik reichte um die Halle zum Kochen zu bringen. Zu den Lovecats swingte ganz Bercy mit, "badadabbadadaba" (oder so ähnlich!), den Refrain kannten alle. Auch "Let's Go To Bed wurde euphorisch aufgenommen, "I Don't care If You Don't, And I Don't Feel If You Don't", dubdibidad-dubdibidad, erneutes Mitsingen.
"Frekshow" kannte ich nicht, dafür aber natürlich "Close To Me" eines der fröhlichsten Lieder von The Cure und das wehmütig fragende: "Why Can't I Be You?", das in einem unerhörten Tempo geschmettert wurde. Eine geniale Liveversion, die es hoffentlich bald auf DVD gibt. Die Chancen dafür stehen sehr gut, denn überall rotierten Kameras an diesem Abend...
Nach einer erneuten kurzen Pause kam die Band zurück und intonierte das melancholische "Three Imaginary Boys" den Titeltrack ihres allerersten Albums. 30 Jahre alt und immer noch sooo gut, wow! Vor allem auch, weil da unter anderem der folgende Kultsong drauf war: "Fire in Cairo", F-I-R-E I-N C-A-I-R-O, jeder Buchstabe wurde durchdekliniert und der Sound war erfreulicherweise sehr wavig und ursprünglich, so als sei der Hifi-Breitwandsound noch nicht erfunden. Auf verblüffende Weise schafften es die Engländer noch so wie früher zu klingen.
Obwohl schon über drei Sunden abolviert waren, wurde das Konzert immer besser, "Grinding Halt", "10.15 Saturday Night", die Hits vom Debüt wurden einem nur so um die Ohren gehauen. Und dann kam auch noch das famose "Killing An Arab" und es gab kein Halten mehr. Dann war aber wirklich Schluß. Scheinbar..., denn es ging imer noch weiter!!
Zu Faith wurde eine gothische Kathedrale auf die Leinwand projeziert und Robert lieferte sich mit dem etwas nach Dave "Depeche Mode" Gahan aussehenden Bassisten ein rockiges Duell. Der Song zog sich ewig lange hin, animierte die Zuschauer gegen Ende aber noch einmal, rythmisch mitzuklatschen.
Dann war endgültig Schluß.
Philippe erhoffte sich aber trotzdem noch eine x-te Zugabe. Seiner Meinung nach hätte "Charlotte Sometimes" noch unbedingt gespielt werden müssen. Ich warf ein, daß auch "The Hanging Garden" und "Siamese Twins" von "Pornography" ausgelassen wurden. Aber wir waren wohl nicht ganz bei Trost! Wer nach einem solch sensationellen Konzert noch ein Haar in der Suppe sucht, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Das war einfach grandios und nicht mehr zu toppen! The Cure haben Paris im Sturm erobert. Von diesem denkwürdigen Konzert wird man sich noch jahrelang erzählen, da bin ich ganz sicher. Und zum Schluß liefen mir dann tasächlich noch ein paar Waver über den Weg, die bereit waren, sich ablichten zu lassen. Krass, ey!
Setlist The Cure, Paris-Bercy (POPB):
01: Plainsong
02: Prayers For Rain
03: A Strange Day
04: alt.end
05: The Walk
06: The End Of The World
07: Lovesong
08: To Wish Impossible Things
09: Pictures Of You
10: Lullaby
11: From The Edge Of The Deep Green Sea
12: Kyoto Song
13: Please Come Home
14: Push
15: How Beautiful You Are
16: Friday I'm In Love
17: In Between Days
18: Just Like Heaven
19: Primary
20: A Boy I Never Knew
21: Shake Dog Shake
22: Never Enough
23: Wrong Number
24: One Hundred Years
25: Disintegration
1. Zugabenserie:
26: At Night
27: M
28: Play For Today
29: A Forest
2. Zugabenserie:
30: The Lovecats
31: Let's Go To Bed
32: Freak Show
33: Close To Me
34: Why Can't I Be You?
3. Zugabenserie:
35: Three Imaginary Boys
36: Fire In Cairo
37: Boys Don't Cry
38: Jumping Someone Else's Train
39: Grinding Halt
40: 10:15 Saturday Night
41: Killing An Arab
4. Zugabe:
42: Faith
Noch viel mehr Fotos von Robert Smith und The Cure gibt es hier
Ort: Palais Omnisport de Paris - Bercy (POPB)
Datum: 12.03.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 3 Stunden 40 Minuten (!!)
Große Events in riesigen Hallen bieten ein erhebliches Enttäuschungspotential. Man bezahlt viel Geld (in diesem Falle 47 €), erwartet ein sensationelles Konzert einer Gruppe, die man immer schon einmal sehen wollte, und ist am Ende ernüchtert und frustriert, weil es steril, stimmungsarm und einfach Scheiße war. Man fragt sich dann, warum man überhaupt noch zu solchen Mega-Veranstaltungen geht. Weiß man nicht aus Erfahrung, daß es in kleinen Clubs viel intimer, netter und besser ist?
Bange fragte ich mich, ob es mir mit The Cure genauso ergehen würde. Sind die nicht zu alt und träge? Zu unmotivert? Zu unzeitgemäß, sprich einfach out?
Die letzte Frage beantwortete ich mir bereits vorher selbst. Wenn aktuelle Bands wie die Killers, The Bravery, Bloc Party, The Organ (die sich ja leider aufgelöst haben), Film School, She Wants Revenge, The Rapture, Cursive, Shout Out Louds, Electrelane, Interpol und sogar Foals mehr oder weniger stark nach The Cure klingen, dann können die gar nicht out sein. Im Gegenteil: Die Band ist so wichtig wie nie zuvor, der Strom junger Gruppen, die sich von Robert Smith inspirieren lassen, will einfach nicht abreißen.
Also blieb noch zu klären, ob sie nicht einfach zu alt und satt sind. Vielleicht ist The Cure ja eine Band, die zwar essentiell ist, aber heutzutage irgendwie Mainstream geworden ist, grübelte ich in der U-Bahn vor mich hin. Auf dem Gelände vor dem riesigen Palais Omnisport angekommen, schien sich mein Verdacht zu bestätigen. Die Typen, die vor den Toren noch ein Zigarettchen rauchten, oder sich bereits in die Schlange einreihten,waren ziemlich normal drauf. Wo waren die Waver, Gothik-Typen und andere ausgeflippte Leute? Fehlanzeige! Zumindest sah' ich auf den ersten Blick keine. Schade, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, besonders schrille Vögel abzulichten, um meine Berichterstattung aufzupeppen! Lediglich ein Trio lustiger Mädels, die eine davon in einem Leopardenmantel, waren einen Schuss wert.
Etwas enttäuscht begab auch ich mich dann in Begleitung von Philippe und Barry Richtung Eingang, der an mehreren Stellen erfolgte. Und schwupps, wir waren drinn und stießen die schwere Tür des Palais Omnisport auf! Auf der Bühne tobten gerade die Engländer von 65 Days Of Static, von denen ich bisher nur mal Am Rande etwas mitbekommen hatte. Zu Scherzen aufgelegt, stieß ich Barry an und lobte ihm gegenüber die vorzügliche Stimme des Sängers. Ich Witzbold! Das Set der Burschen war sehr melodiös, aber rein instrumental, ein bißchen so wie Explosions In The Sky, oder auch Mogwai. Circa eine halbe Stunde lang wurden wir mit den treibenden Beats bearbeitet, bevor das Licht anging und ein Päuschen angesagt war.
"Welches ist Dein Lieblingslied von The Cure?", fragte ich in die Runde. - "M", sprudelte es aus Barry heraus. Was Philippe geantwortet hatte, weiß ich nicht mehr, ich persönlich legte mich aber auf "A Forest" fest. So plauderten wir eine Weile und überbrückten angenehm die Zeit. Circa gegen 20 Uhr 15 wurde es dann aber Ernst. Unter riesigem Jubel wurde die Halle abgedunkelt und sphärische, ja träumerische Klänge erfüllten den gigantischen Raum. Man sah über der Bühne einen wunderbaren Sternenhimmel, ein herrliche Lightshow begann, die auch für den Rest des sehr lang werdenden Abends für Atmosphäre sorgen sollte. Das Intro zog sich sehr lange hin, gesungen wurde zunächst nicht. Erst nach circa. 5 Minuten legte Robert Smith mit seinem wehklagenden Gesang los. Der "Plainsong" wurde gespielt und stellte wohl eine Art "Warmspielphase" dar, die sich auch noch bis zum Ende von "Prayers For Rain" erstreckte, obwohl Herr Smith schon dort mit einem "Tarzanschrei" für Aufhorcher sorgte. Stimmlich war es bestens aufgelegt, soviel war sicher! Mit "A Strange Day" wurde altes Songmaterial ausgepackt und ich erfreute mich vor allem an dem markanten Gitarrenriff. Das Publikum wurde langsam wach und obwohl es sehr voll, warm und ziemlich eng war, fingen die ersten Besucher an zu tanzen. Das war aber lediglich ein Vorgeschmack auf das, was bei "alt.end" abgehen sollte. Da wurde nämlich spontan Pogo getanzt und zwar flächendeckend! Ich hatte Angst um meine Kamera, war aber gleichzeitig sehr happy, daß das keine sterile, lahme Veranstaltung werden sollte. Hier ging was ab und zwar nicht zu knapp! In keiner Phase kam bei den Smashing Pumpkins vor ein paar Wochen an gleicher Stelle soviel Stimmung auf. Schon zu diesem Zeitpunkt wußte ich, daß der Abend denkwürdig werden würde. "Auch "The Walk" schlug ein wie eine Bombe und hielt selbst die Leute auf den Sitzplätzen nicht auf ihren roten Stühlchen. 2 Lieder später dann ein schwungvoll gebrachter "Lovesong", den ich schon immer mochte, genau wie den Klassiker Lullaby" (Lied 10), den ich mir als Jugendlicher auf Vinyl-Single gekauft hatte und dessen Video mit den ganzen Spinnweben und den Särgen damals exklusiv bei "Formel-Eins" lief. MTV und Viva gab es zu dieser Zeit ja noch nicht. " (And I realised with fright) that the Spiderman is having me for dinner tonight", diese Songzeile werde ich wohl mein ganzes Leben nicht vergessen...
Es folgte eine Phase, in der ein wenig Verschnaufen angesagt war. Der "Kyoto Song", schön und mysteriös, plätscherte beispielsweise ein wenig vor sich hin. Spätestens bei Lied 16, "Friday I'm In Love" war aber wieder Party-Stimmung angesagt. Das für The Cure-Verhältnisse ungewohnt heitere und beschwingte Lied ließ ganz Bercy die Gelegenheit mitzusingen. "In Between Days" und vor allem "Just Like Heaven" passten hierzu auch ganz wunderbar. Die alten Kerle da vorne hatten wirklich einen Hattrick erzielt und hielten die Spannung nach wie vor hoch. Zu diesem Zeitpunkt waren circa. 90 Minuten absolviert, die Dauer eines kompletten Fußballspiels. Hier und heute sollte es aber noch etliche Verlängerungen und auch noch ein Elfmeterschießen geben.
Normal, daß dann irgendwann einmal auch klitzekleine Hänger drin waren, obwohl Hänger eigentlich nicht passend ist, weil es lediglich in der nächsten halben Stunde eine Passage gab, in der kurzfristig der Fuß vom Gaspedal genommen wurde. Zeit für Robert einen "Chanson Nouvelle" (in Frankreich würde man eher Nouvelle Chanson sagen, aber das störte keinen) anzukündigen und zu testen: "A Boy I Never Knew", eine recht sentimentale Ballade, die nicht übel war und Lust auf ein neues Album gibt. Einer meiner persönlichen Favoriten kam dann ein paar Lieder später. "One Hundred Years" mit seinem dingel-dengel- Gitarrenriff, den pessimistischen Parolen ("It Doesn't Matter If We All Die", "Waiting For The Death Blow") und dem dramatischen Ende, zu dem Robert mehrfach aus voller Seele "A Hundred Years" greinte, ließen mich erschaudern. Ein etwas zähes und sehr langes "Disintegration" markierte dann die erste kurze Pause. Viele andere Bands sind dann schon längst mit ihrem Programm durch (es waren immerhin schon 2:10 gespielt), aber The Cure hatten noch sage und schriebe 16 (!) Lieder auf der Pfanne. Das wußte ich natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, mir war aber trotzdem schon klar, daß noch erhebliches Stehvermögen verlangt war. Aber wenn die Show so mitreißend ist wie an diesem Tage, ist das überhaupt kein Problem!
Also weiter im Text. Wo waren wir stehengeblieben? Ach, richtig, es fehlten noch ein paar sehr frühe Hits. Bitteschön: Das Album "Seventeen Seconds" von 1980 war dran. 28 Jahre auf dem Buckel, aber unglaublich gut gealtert. Los ging die Serie mit "At Night", das kam schon mal gut. Aber es wurde von Song zu Song besser. "M" deutlich sichtbar gemacht, durch den riesigen rotleuchtenden Buchstaben, brachte Barry zum Jauchzen, bevor der Refrain von "Play For Today" im Chor mitgesungen wurde. Die Stimmung war sensationell, anders kann man das nicht nennen! Und dann wurde ich verwöhnt: Die an die Wand projezierten Äste machten es schon deutlich, "A Forest", mein Lieblingslied von The Cure wurde geschmettert. So gut hatte ich es noch nie gehört, sagenhaft! "I Hear Her Voice Calling My Name The Sound Is Deep In The Dark I Hear Her Voice And Start To Run Into The Trees Into The Trees", ich sang jede Zeile aus vollem Halse mit. Und auch hier wieder das Ende durch Mark Und Bein gehend: "Again And Again And Again", Robert gab alles! Und die Zuschauer auch, sie klatschten bei den finalen Gitarrenschleifen rhythmisch in die Hände und schrien irgendwann auch voller Euphorie "Hey, Hey", immer im Wechsel mit den Handclaps.
Danach war für ein paar Minuten Pause angesagt. The Cure hatten die Bühne verlassen und einige Zuschauer glaubten bereits, daß das Konzert gelaufen sei. Ich sprach mit Barry und wir zählten auf, was noch fehlte: "Killing An Arab" fiel ihm spontan ein, meine Reaktion war: "The Lovecats".
Und damit sollte es dann auch tatsächlich weitergehen. "Une autre chanson qu'on a écrite à Paris, je crois", versuchte sich Monsieur Smith in Landessprache und sein Akzent war gar nicht mal so schlecht. Ansonsten hatte er sich zum Großteil auf ein herzliches "Merci!" beschränkt. Anbiedern war nicht seine Sache, das hatte er aber auch überhaupt nicht nötig, die Musik reichte um die Halle zum Kochen zu bringen. Zu den Lovecats swingte ganz Bercy mit, "badadabbadadaba" (oder so ähnlich!), den Refrain kannten alle. Auch "Let's Go To Bed wurde euphorisch aufgenommen, "I Don't care If You Don't, And I Don't Feel If You Don't", dubdibidad-dubdibidad, erneutes Mitsingen.
"Frekshow" kannte ich nicht, dafür aber natürlich "Close To Me" eines der fröhlichsten Lieder von The Cure und das wehmütig fragende: "Why Can't I Be You?", das in einem unerhörten Tempo geschmettert wurde. Eine geniale Liveversion, die es hoffentlich bald auf DVD gibt. Die Chancen dafür stehen sehr gut, denn überall rotierten Kameras an diesem Abend...
Nach einer erneuten kurzen Pause kam die Band zurück und intonierte das melancholische "Three Imaginary Boys" den Titeltrack ihres allerersten Albums. 30 Jahre alt und immer noch sooo gut, wow! Vor allem auch, weil da unter anderem der folgende Kultsong drauf war: "Fire in Cairo", F-I-R-E I-N C-A-I-R-O, jeder Buchstabe wurde durchdekliniert und der Sound war erfreulicherweise sehr wavig und ursprünglich, so als sei der Hifi-Breitwandsound noch nicht erfunden. Auf verblüffende Weise schafften es die Engländer noch so wie früher zu klingen.
Obwohl schon über drei Sunden abolviert waren, wurde das Konzert immer besser, "Grinding Halt", "10.15 Saturday Night", die Hits vom Debüt wurden einem nur so um die Ohren gehauen. Und dann kam auch noch das famose "Killing An Arab" und es gab kein Halten mehr. Dann war aber wirklich Schluß. Scheinbar..., denn es ging imer noch weiter!!
Zu Faith wurde eine gothische Kathedrale auf die Leinwand projeziert und Robert lieferte sich mit dem etwas nach Dave "Depeche Mode" Gahan aussehenden Bassisten ein rockiges Duell. Der Song zog sich ewig lange hin, animierte die Zuschauer gegen Ende aber noch einmal, rythmisch mitzuklatschen.
Dann war endgültig Schluß.
Philippe erhoffte sich aber trotzdem noch eine x-te Zugabe. Seiner Meinung nach hätte "Charlotte Sometimes" noch unbedingt gespielt werden müssen. Ich warf ein, daß auch "The Hanging Garden" und "Siamese Twins" von "Pornography" ausgelassen wurden. Aber wir waren wohl nicht ganz bei Trost! Wer nach einem solch sensationellen Konzert noch ein Haar in der Suppe sucht, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Das war einfach grandios und nicht mehr zu toppen! The Cure haben Paris im Sturm erobert. Von diesem denkwürdigen Konzert wird man sich noch jahrelang erzählen, da bin ich ganz sicher. Und zum Schluß liefen mir dann tasächlich noch ein paar Waver über den Weg, die bereit waren, sich ablichten zu lassen. Krass, ey!
Setlist The Cure, Paris-Bercy (POPB):
01: Plainsong
02: Prayers For Rain
03: A Strange Day
04: alt.end
05: The Walk
06: The End Of The World
07: Lovesong
08: To Wish Impossible Things
09: Pictures Of You
10: Lullaby
11: From The Edge Of The Deep Green Sea
12: Kyoto Song
13: Please Come Home
14: Push
15: How Beautiful You Are
16: Friday I'm In Love
17: In Between Days
18: Just Like Heaven
19: Primary
20: A Boy I Never Knew
21: Shake Dog Shake
22: Never Enough
23: Wrong Number
24: One Hundred Years
25: Disintegration
1. Zugabenserie:
26: At Night
27: M
28: Play For Today
29: A Forest
2. Zugabenserie:
30: The Lovecats
31: Let's Go To Bed
32: Freak Show
33: Close To Me
34: Why Can't I Be You?
3. Zugabenserie:
35: Three Imaginary Boys
36: Fire In Cairo
37: Boys Don't Cry
38: Jumping Someone Else's Train
39: Grinding Halt
40: 10:15 Saturday Night
41: Killing An Arab
4. Zugabe:
42: Faith
Noch viel mehr Fotos von Robert Smith und The Cure gibt es hier
8 Kommentare :
220 Minuten? Unfassbar. Da wäre ein Sitzplatz für Sonntag in Oberhausen vielleicht doch keine schlechte Idee gewesen... Ach, ich nehme eben einen Klappstuhl mit :-)
Und Herr Smiths Frisur sass auch noch nach über 200 Minuten? ;-)
Da freu ich mich ja schon auf Oberhausen.
@Christoph: Falls du alter Sack (darf ich als ca. gleichaltriger das so sagen? ;-)..okay, die Frage war rhetorisch) das nicht mehr packst, ich tausche liebend gerne meine Sitzplatzkarte gegen deinen Stehplatz!
Thomas sitzt gerade mit feuchten Augen vor dem Rechner und denkt über Schwarzmarkt am Sonntag nach!
41 Lieder! Das ist wirklich Wahnsinn! Machen die das immer, oder war das jetzt auch ein Paris-Bonus?
Frank: Du darfst! :-) Aber ich denke, ich muß Dein Angebot ablehnen, ich versuche es stehend!
Thomas hätte eine Mitfahrgelegenheit. In Hamburg und Berlin haben sie auch so lange gespielt. Auf faz.de war wohl ein Bericht, suche den gleich mal.
Da hatte ich das noch nicht gelesen, man kann aber ahnen, daß es in Berlin ähnlich lang war:
http://www.faz.net/s/RubE219BC35AB30426197C224F193F54B1B/Doc~EFE90D61E482D4915AC8AF993522A1CE2~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Und jetzt suche ich den anderen Bericht. Vielleicht war das auch Hamburg...
http://www.zeit.de/online/2008/08/the-cure-konzert
also in zürich haben sie "nur" 3h gespielt.
42 Lieder, Christina, ich hatte "Fire In Cairo" unterschlagen!
Kommentar veröffentlichen