Montag, 30. September 2019

Woog Riots & Hutch Harris, Wiesbaden, 28.09.19


Konzert: Woog Riots & Hutch Harris
Ort: Schlachthof, Wiesbaden (Kesselhaus)
Datum: 28.09.2019
Dauer: Woog Riots knapp 40 min, Hutch Harris knapp 55 min
Zuschauer: bis da ca. 100




Früher hatte ich für solche Gelegenheiten eine passende Konzerttasche. "Ich bin wegen der Vorgruppe hier", stand auf der. Die hatte ich mir irgendwann machen lassen, weil mein Verhalten, auch gerne mal nach dem Support zu gehen, bei vielen als verhaltensauffällig galt. Aber wenn Wolf Alice auf einer Tour eben nur vor alt-j spielen, bleibt einem doch nichts anderes übrig. Daher die Tasche. Keine Ironie.

Samstag war ich gleich wegen zwei Vorgruppen da, eigentlich war es also wieder ein normales Konzert. Unter anderen Umständen hätte ich mir International Music auch angesehen, nur ließen das die nichtanderen diesmal nicht zu. Wenn man eine Gruppe, die man liebt und den Sänger der besten Band der Welt gemeinsam an einem Abend sehen kann, ist es aber auch eigentlich egal, ob danach noch etwas kommt.


Daß die Woog Riots toll sind, habe ich schon häufig betont. Die "berühmteste Protestband aus Darmstadt" spielte schon die beiden wichtigsten Festivals meiner Indiepop-Welt, das Indietracks und ähm, das Cologne Popfest. Im März erschien das bereits sechste Album des Duos Silvana und Marc (Cut-up and paste), das durchweg großartig ist und - machte ich solche Listen - mit Tampere - Manchester of the North einen sicheren Kandidaten für eine Jahres-Top-5 enthält.

Das Konzert begann mit Alan Rusbridger, dem Lied über den ehemaligen Guardian-Chefredakteur, der eine wichtige Rolle bei der Veröffentlichung der Snowden-Dokumente gespielt hat, 2013, als sich gigantische Skandale noch lange in den Nachrichten hielten und nicht wie heute montags von noch viel größeren Skandalen wieder abgelöst und ins Vergessen geschickt werden. 

Daß Alan Rusbridger (Mensch) eine Rezension über Alan Rusbridger (Album) geschrieben hat, ist eine meiner Lieblingsmusikgeschichten. Es folgten - in Blöcke unterteilt (Protestsongs, Lieder über Städte...) - vor allem Lieder vom neuen Album Cut-up and paste. Und jede Menge Instrumente. Silvana spielt Keyboard, Otamatone, Stylophone und Melodica, Marc Gitarre und iPod. So entstehen diese fantastischen Elektropop-Songs über diese fiesen Kreuzfahrt-Giganten in Venedig, über Das Kapital oder den Busfahrer. Es war wie immer ein riesiger Spaß!



Zum letzten Stück To all you racists kamen die beiden von der Bühne und sangen unverstärkt. Ganz voll war das Kesselhaus des Schlachthofs noch nicht. Die, die mitbekommen hatten, daß es früh losgeht und die wie ich nicht supportphob sind, hatten großes Glück!

Setlist Woog Riots, Schlachthof, Wiesbaden:


01: Alan Rusbridger
02: Oxford
03: Last beat
04: Cut-up and paste
05: Hello bus driver
06: People reading Marx
07: Tampere - Manchester of the North
08: Tokyo plastics
09: Monstrous monsters
10: People working with computers
11: To all you racists



Nicht weit von Wiesbaden weg gab es früher das beste Festival, das Phono Pop in Rüsselsheim. Meine großen Lieblinge The Thermals aus Portland konnte ich da zweimal sehen, 2007 und 2013 und natürlich waren beide Konzerte herausragend, weil das alle Auftritte der Thermals waren.

Die Thermals lösten sich im April 2018 auf, vorher machte einmal die Nachricht die Runde, die Band wolle nicht mehr touren. Mein letztes Konzert war 2013, viel zu lange her für eine Band, die ich so liebe und seit 2006 immer wieder gesehen habe. Ein paar Monate nach der Auflösung erschien neue Musik von Bassistin Kathy Foster und von Gitarrist Hutch Harris. Hutches Platte Only water kaufte ich sofort digital (die CD-Version - Auflage 50 - blieb wohl wegen der schrecklichen Portokosten amerikanischen Fans vorbehalten). Die Hoffnung auf ein Konzert hatte ich aber aufgegeben, denn dieses "keine Lust mehr auf Touren", war fest in meinem Kopf. Glücklicherweise nicht in Hutchs...  

Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Daß Hutch alleine und mit akustischer Gitarre auftreten würde, meine ich damit nicht, das schien mir klar zu sein. Aber was würde er spielen? Vor allem wohl Songs seiner gelungenen Solo-Platte. Und vielleicht something Thermals und ein, zwei Cover?


Schon die ersten vier Lieder waren Thermals-Songs. Seine Setlist lag nah vor mir, ich vermied aber Spoiler. Sie sah aber lang aus und war sehr einsilbig, immer nur ein Wort oder eine Abkürzung, so wie immer. Nach dem Thermals-Start folgten die ersten beiden Solo-Lieder von Hutch. I will try to forget you und No river left. Weil er die alten Band-Stücke in gleicher akustischer Form spielte, fiel kein großer Unterschied zwischen den neuen und alten Songs auf, also schiene die Solo-Platte wohl auch in Punkband-Arrangements zu funktionieren. Nur erscheinen mir die neuen Texte  trennungsbezogener. "Yesterday you held me lying on the bed. Now I know I’ll lie alone and hold you in my head." 

Auch wenn auch später noch einmal drei Solo-Lieder kamen, spielte Hutchs frühere Band die Hauptrolle. Als Thermals-Ultra mochte ich das sehr, seine eigene Platte ist aber auch so gut, daß der Sänger ruhig mehr davon hätte spielen wollen, es wäre kein schlechterer Abend werden können. Aber was jammere ich? Ich durfte noch einmal eine Zugabe aus 13 The-Thermals-Songs hören, darunter drei, die ich nie live gesehen habe und ganz viele der großen Hits (Test pattern, Back to grey, I let it go...).

Dummerweise vermisse ich die Thermals jetzt wieder ein Stück mehr. Aber die Aussicht, Hutch jetzt vielleicht ab und zu wieder auf einer Bühne singen und schreien zu hören, macht das erträglicher.

Setlist Hutch Harris, Schlachthof, Wiesbaden:

01: I let it go (The Thermals)
02: When I was afraid (The Thermals)
03: Faces stay with me (The Thermals)
04: The sunset (The Thermals)
05: I will try to forget you
06: No river left
07: Test pattern (The Thermals)
08: St. Rosa and the swallows (The Thermals)
09: Back to gray (The Thermals)
10: I hold the sound (The Thermals)
11: Anything is possible
12: You can believe me now
13: You and yesterday
14: The walls (The Thermals)
15: Thinking of you (The Thermals)
16: An endless supply (The Thermals)
17: God and country (The Thermals)
18: A pillar of salt (The Thermals)

Links:

- aus unseren Archiv:
- Woog Riots, Köln, 30.03.16
- Woog Riots, Darmstadt, 19.09.13
- Woog Riots, Berlin, 22.05.08
- The Thermals, Köln, 23.10.13
- The Thermals, Rüsselsheim, 13.07.13
- The Thermals, Dortmund, 30.07.11
- The Thermals, Frankfurt, 15.04.11
- The Thermals, Köln, 03.04.11
- The Thermals, Bochum, 23.10.09
- The Thermals, Haldern, 15.08.09
- The Thermals, Berlin, 08.08.09
- The Thermals, Rüsselsheim, 21.07.07
- The Thermals, Köln, 19.12.06
- The Thermals, Paris, 02.12.06


 

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