Konzert: Luna
Ort: Teatro Lara
Datum: 20.04.2015
Dauer: Luna 90 min, Flowers ca. 30 min
Zuschauer: gut 300 (ausverkauft)
Im letzten Sommer deutete einiges darauf hin, daß es zu einer Reunion von Luna kommen würde. Dean Wareham spielte in seinen Soloprogrammen plötzlich Stücke seiner 2005 aufgelösten Band und postete Fotos von gemeinsamen Treffen mit Lee Wall und Sean Eden (und Ehefrau Britta natürlich). Zumindest im Rückblick macht das plötzlich Sinn. Damit gerechnet, die Nachfolger meiner heißgeliebten Galaxie 500 irgendwann einmal live zu sehen, hatte ich nicht mehr.
Galaxie 500 waren nicht nur meine erste (ernstzunehmende) Lieblingsband, sie waren auch die erste, deren Auflösung ich miterlebte. Danach war ich trotzig. Luna, die Nachfolge-Gruppe habe ich lange Zeit nicht beachtet. Vielleicht mußte ich erst erwachsener werden - so wie die Musik vielleicht auch erwachsener im Vergleich zu der der drei Schulfreunde Dean, Naomi und Damon war.
Gefragt, warum es jetzt die Reunion gab, antwortete Dean Wareham in einem Interview, es habe ein Angebot eines spanischen Bookers gegeben, der ihnen eine Tour buchen wolle und das habe nach zehn Jahren Bandpause nach großen Spaß geklungen. Die Comeback-Tour im April klang auch für uns nach einem großen Spaß und vor allem nach einem Muß!
In Madrid spielten Luna in einem 1880 eröffneten, wunderschönen Theater. Daß das Teatro Lara in einer Querstraße zur Calle de la Luna liegt und in diesem Viertel alles irgendwas mit "Luna" heißt, war nur ein Zufall, aber ein schöner. Wenn man zwei Tage immer wieder an Lunas vorbeigeht, ist das durchaus vorfreudewirksam.
Auch auf das Vorprogramm hatte ich mich sehr gefreut. Flowers aus London sind Sängerin Rachel und ihre beiden Kollegen Jordan und Sam. Das besondere Merkmal der Band ist Rachels wundervolle Stimme, die mich an die von Elena von Daughter erinnert. Flowers' Stücke sind oft sehr minimalistisch und manchmal erst auf den zweiten Blick echte Schönheiten - aber sie sind es alle!
Leider war der herrliche Theatersaal noch ziemlich leer, als Flowers loslegten. Sie hätten nicht viel Zeit, hatte der nette Merch-Mann uns vorher gesagt. Damit es eine halbe Stunde werden konnte, hatten Flowers bereits zehn Minuten vor der angesetzten Zeit anfangen müssen. Sie schafften immerhin zehn Lieder.
Mir gefielen Forget the fall und All over again am besten. Bei weitem nicht alle Lieder stammten von der Debütplatte Do what you want to, it's what you should do. Was ich tun sollte, ist Flowers demnächst noch einmal anzusehen. Mir gefiel die halbe Stunde mit den drei Briten sehr! Dummerweise wurde es danach aber so weltbewegend gut, daß die Erinnerung an Flowers viel zu schnell verblasste...
Setlist Flowers. Teatro Lara, Madrid:
01: Be with you
02: All at once
03: Ego loss
04: Everybody's dying
05: Forget the fall
06: All over again
07: I don't mind
08: Joanna
09: I love you
10: Stuck
... aber das ist beim Fußball eben auch so. Wenn du ein tolles Spiel hinlegst, der Mann neben dir aber fünf Tore macht, redet man nur über den. Luna haben an diesem Montagabend weit mehr als fünf Treffer gelandet!
Es begann noch ein wenig holprig. Chinatown, das ich als meinen Luna-Liebling bezeichnet hätte, war noch schlecht abgemischt. Sean Edens Gitarre war im Verhältnis zu den anderen Instrumenten und Dean Warehams Stimme viel zu laut. "It's been a dramatic evening already," sagte der Frontmann. Auch die Anreise nach Spanien war dies wohl. Brittas Bass ist irgendwo im Iberia-Nirvana verschwunden. Sie spiele jeden Abend mit einem anderen Instrument. Die Pedale hatten Flowers der Bassistin geliehen.
Ab dem zweiten Lied wurde alles perfekt. Die Setlist war es, der Sound, die Spielfreude. Perfekt und nicht anders. Ich habe Dean Wareham jetzt einige Male gesehen, keines der Konzerte war schlechter als hervorragend*, immer wurde er von tollen Musikern begleitet. Aber Luna - und das war die große Überraschung für mich - waren noch einmal deutlich brillanter. Sie waren viel besser als die Summe ihrer Einzelteile, würden Journalisten sagen. Ich weiß nicht, ob sie vor zehn Jahren ähnlich mitreißend aufgespielt haben.
Dean Wareham ist ein fabelhafter Gitarrist. Bei Luna hat er aber in Sean Eden einen Kollegen an seiner Seite, der vielleicht der beste Gitarrist ist, den ich je gesehen habe. Ihm auf die Finger zu gucken, war atemberaubend. Spätestens nach seinem Spiel bei Friendly advice müsste eigentlich jeder im Saal den Wunsch verspüren, selbst Gitarre lernen zu wollen.
Lieder, die ich bisher nett aber nicht umwerfend fand (Bewitched, Outdoor miner), waren Sensationen! Lieblinge wie Tiger Lily, 23 minutes in Brussels, Moon palace oder Lost in space noch deutlich besser als auf den Alben. Im Saal war niemand zufällig. Das ausverkaufte Konzert hatte nicht nur uns anreisen lassen. Irgendwer machte einen Spruch über das Bierwerbeschild über der Bühne. "David, bist du extra aus Boston angereist, um das zu sagen?" fragte Dean Wareham. Wenn ich mal nicht auf Sean Edens Hände oder die scheinbar nicht alternde Britta Phillips guckte, sah ich im Publikum nur Leute mit staunend-offenem Mund.
Warum sind Luna nicht unendlich viel größer? Konzerte in Deutschland wird es wohl nicht geben, sagte der Sänger nach der Show. Also muß man reisen, um California (all the way) oder Bobby Peru sehen zu können. Warum man die sehen sollte? Weil denen nichts das Wasser reichen kann.
Nach dem faszinierenden Friendly advice kam die Band zur Zugabe zurück und erfüllte einen Pulikumswunsch, Ride into the sun, das Velvet Underground Cover. 23 minutes in Brussels danach wäre ein großartiger Abschluß gewesen, der Klatsch-Krach danach war aber so laut, daß Luna noch einmal erschienen und Outdoor miner ("nicht Outdoor minor," wie Sean klarstellte) und Time to quit spielten.
Es waren anderthalb Stunden, die umwerfend waren! Ach, umwerfend... weltbewegend! Eines der britischen Konzerte im Juli wird als Teil der Luna "Farewell-Tour" angekündigt. Neues Material scheint jedenfalls ausgeschlossen zu sein. "What about a new album?" rief irgendwer rein. Nach langer Pause antwortete Dean "what?"
Ich bereite mich also wieder auf die nächste Auflösung einer Lieblingsband vor. Denn spätestens nach diesem Auftritt sind auch die Galaxie 500 Stiefgeschwister Luna dies!
Setlist Luna, Teatro Lara, Madrid:
01: Chinatown
02: Sideshow by the seashore
03: Malibu love nest
04: California (all the way)
05: Cindy tastes of barbeque
06: Tracy I love you
07: Pup tent
08: Bobby Peru
09: Tiger Lily
10: Lost in space
11: Bewitched
12: Moon palace
13: Friendly advice
14: Ride into the sun (The Velvet Underground Cover) (Z)
15: 23 minutes in Brussels (Z)
16: Outdoor miner (Z)
17: Time to quit (Z)
* an mein erstes 1990 erinnere ich mich leider nicht. Laut Dean Wareham waren Galaxie 500 aber keine gute Liveband.
- mehr Fotos folgen!
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