Konzert: Gogol Bordello
Ort: Le Bataclan, Paris
Datum: 16.12.2008
Zuschauer: höchstwahrscheinlich ausverkauft!
Konzertdauer: ca. 85 Minuten
Gogol Bordello. Allein schon dieser Name!
Gogol kenne ich noch aus dem Deutschunterricht. Meine Lehrerin bestand damals darauf, daß ein Buch eines russischen Literaten durchgenommen werden müsse. Ich schlug Schuld und Sühne von Dostojewski vor, weil ein sehr guter Freund von mir das in seiner Klasse durchgenommen hatte und mir immer von Rodion Raskolnikow, der Hauptfigur des Romanes, vorschwärmte.
Die Deutschlehrerin mochte mich aber nicht sonderlich und bügelte den Vorschlag ab. Stattdessen schleimte sich ihre Lieblingsschülerin bei ihr ein und erzählte in den schillerndsten Tönen, wie gut doch Die Toten Seelen von Nikolai Gogol sei. Plötzlich leuchteten die Augen meiner Paukerin und Im Nu war die Sache entschieden. Gogol würde uns also in den kommenden Wochen beschäftigen. Worum es genau ging, weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich aber seltsamerweise noch daran, daß ich die Taschenbuchausgabe in dem dunkelgrünen Einband häßlich fand und nicht gern darin geschmökert habe...
Mit Gogol assoziiere ich also etwas (vor allem das Wechselspiel zwischen russischer Schwermut und ausgelassener Lebensfreude, ebenso das Schelmenhafte) und auch zu Bordello fällt mir natürlich etwas ein. Aber nicht was ihr meint. Ich denke jetzt nicht an das Bordell als das Freudenhaus, sondern deute, als in Frankreich lebender Germane, den Audruck im Sinne von unglaublicher Unordnung. Wenn ein Franzose sagt: "Je dois ranger mon bordel", meint er damit, daß er mal wieder in seinem Chaos aufräumen muss.
Also verbinde ich mit dem Namen Gogol Bordello folgendes: Schwermut und Melancholie, daraus resultierender Hang zum Besäufnis, was wiederum dazu führt, daß man hinterher ausgelassen auf den Tischen tanzt und ein regelrechtes Gelage mit Wein, Weib und Gesang veranstaltet und am Ende ein riesiges Chaso, ein Bordell eben, hinterlässt.
Und ohne mich wirklich damit beschäftigt zu haben, warum sich die heute im Bataclan aufspielende Band wirklich so genannt hat, muss ich konstatieren, daß vieles von dem was ich mir da zusammengereimt habe, tatsächlich so stattgefunden hat!
Kritiker mögen ihnen vorwerfen, daß sie mit Klischees spielen und mit dieser "Masche" versuchen, Geld zu machen, aber ich denke, ein Erfolg in dieser Größenordnung ist nicht wirklich planbar und am Anfang hätte die Band um den charismatischen Leader Eugene Hütz mit Sicherheit selbst am wenigsten damit gerechnet, einmal so bekannt zu werden. Und Erfolg haben sie ohne Zweifel, denn es war so voll wie selten zuvor im Bataclan! Bei den Dirty Pretty Things und auch bei Razorlight war die Nachfrage nach Tickets in den letzten Wochen so gering, daß sogar der obere Sitzplatzbereich auf dem Balkon abgesperrt wurde, heute aber platzte der Saal aus allen Nähten! Ein hart erarbeiteter Erfolg, denn immerhin besteht die Band seit 1999 und wurde mit Sicherheit am Anfang günstig für Festivals gebucht, damit endlich mal ein wenig Stimmung aufkommt. Ich kann mir genau vorstellen, wie Veranstalter solcher Festivals sich die Hände gerieben haben, als sie sahen, daß diese komischen Gypsy Punks, die sie für einen Appel und ein Ei verpflichet hatten, das Gelände zum Beben brachten! Frei nach dem Motto "bezahl' den Chaoten da ein paar Flaschen fuseligen Rotwein und Schnaps und dann machen die sich schon für dich zum Affen! Bestimmt hat man sie anfangs belächelt und sich gedacht, daß sich die Kerle eh mit den ersten verdienten Rubeln die Birne wegsaufen und spätestens nach zwei Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden. Aber das Gegenteil ist der Fall! Inzwischen steht sogar Madonna höchstpersönlich auf den wie einen Wikinger aussehenden Rotschopf Eugene Hütz! Und wenn sich eine solch professionelle und kühl rechnende Künstlerin mit so einem Kerl auf der Bühne blicken lässt, dann weiß sie haargenau, daß sie damit ihre Credibility (beschissener Ausdruck, passt aber hier!) beim Indiepublikum verbessern und noch mehr Zaster einfahren kann. Eugene Hütz wird es recht sein, der Typ ist ja auch als Schauspieler schon in Erscheinung getreten und ihm macht es mit Sicherheit nichts aus, der eitlen Diva so nahe zu sein, daß er ihr Luxusparfüm erschnüffeln kann.
Unter seine roten Achselhaare hätte ich allerdings nach dem heutigen Konzert nicht gerne meine Nase gesteckt! Der Typ hat nämlich geschwitzt wie ein Iltis, was daran lag, daß er fast ein Fußballspiel lang wie ein Geistesgestörter über die Bühne gewirbelt ist! Wahnsinn wie der Kerl sich verausgabt hat, so etwas sieht man ganz selten! Ein Hansdampf in allen Gassen ist das nämlich dieser Eugene und ein glänzender Entertainer obendrein. Seine Performance hatte auch etwas von den glorreichen deutschen Fuballrecken aus den 70er und frühen 80er Jahren. Typen, die noch die Ärmel hochgekrempelt haben und am Ende ohne Schienbeinschoner spielten. Kerle, die wenn es hart auf hart kam, nicht davor zurückschreckten, den Gegner zu foulen oder zumindest hart ranzunehmen. Namen wie Paul Breitner, Horst Hrubesch, oder Peter Briegel kamen mir in den Sinn, aber am Ende dachte ich im Zusammenhang mit Eugene fast auschließlich an Toni Schuhmacher. Prolliger Mantafahrer-Schnauzbart und eine lange, lockige Matte auf dem Kopf, ja, genau so sah Toni damals aus. Unglaublich wie er den kleinen Franzosen Battiston damals mit diesem Beckencheck unsanft zu Fall gebracht hat, so daß dieser einen Kieferbruch und noch einige andere Blessuren erlitt! Die Franzosen nehmen uns diese Geschichte immer noch übel. (Hier die Szene in einem Doku-Youtube-Video) Schuhmacher, die Verkörperung des brutalen, grobschlächtigen Deutschen, der den kleinen, technisch versierten Franzmann auf übelste Weise ummetzelt. Gut, daß die Pariser im Bataclan nicht an Schuhmacher denken mussten, was auch daran lag, das viele einfach zu jung waren, um sich an ein Spiel zu erinnern, daß mir im Jahre 1982 den Atem stocken ließ...
Aber Toni war ja eigentlich kein unfairer Spieler, sondern ein sehr engagierter und bis in die lockigen Haarspitzen motivierter Keeper, wie wir ihn mit Olli Kahn erneut erlebt haben. Und genau wie Toni damls war Eugene heute mit Leib und Seel bei der Sache! Er rockte neunzig Minuten wie Hölle, spielte Kick and Rush, um noch einmal mit einem Vergleich aus der Fußballersprache zu kommen.
Schon beim allerersten Lied, war die Stimmung so euphorisch und ausgelassen, daß Crowdsurfer über die Hände der Meute glitten und den bulligen Ordnern Schweißperlen auf die Stirne trieben. Eine schweißtreibende Sache für alle Beteiligten, denn die geschätzte bzw. gefühlte Temperatur in dem Saal dürfte bei 50 Grad Celsius gelegen haben. Schnell fiel deshalb bei Eugene die Oberbekleidung und schon nach ein paar sensationell gut aufgenommenen Songs fiel das Hemdchen und gab den Blick auf einen sehr dünnen, aber auch unglaublich durchtrainierten Oberkörper frei. Physisch erinnerte Spargeltarzan Eugene deshalb eher an Rockstars aus den 70 ern wie z.B. Mick Jagger oder Jimi Hendrix, die ebenfalls spindeldürr waren. Namen, die auch von Gogol Bordello als Einfluß genannt werden. Der Aufkleber auf der Akustikgitarre des Frontmannes verriet aber noch eine andere Referenzband: The Ramones! Musikalische Wurzeln aus den Glanzzeiten des Rock und des Punk, zu denen sich auch noch die ganzen slawischen Elemente gesellen. Die Fiedel, gespielt von einem grauhaarigen Typen mit urkomischer Mimik und Gestik war eine sehr wichtige Komponente, aber auch das Akkordeon gab dem Ganzen seine spezielle Note. Hinzu kanem dann noch Saxofon, ein polternder Bass und eine elektrische Gitarre und fertig war der Punk englisch-amerikanischer Prägung mit Zigeunersoße! Musikalisch wertlos wurde es dadurch aber freilich nicht! Zwar hatte man nach kurzer Zeit den Eindruck, daß es völlig egal war, welches Lied gerade gespielt wurde, da jeder einzelne Song eben granatenmäßig abräumte, aber man muß Gogol Bordello zumindest ein Händchen für eingängige Melodien und Refrains, die sich bestens zum lauten Mitgröhlen eignen, attestieren. Dogs Were Barking war zum Beipiel großartig, aber auch Sachen wie Mishto! oder der glänzende Abschluß mit Baro Foro zogen gewaltig. Die Band hätte dabei jedes Lied nach Belieben verlängern oder abkürzen können. Immer, wenn man dachte, ein Stück sei gerade beendet worden, setzte erneut die Fiedel ein und die Gruppe galoppierte los wie ein Rennpferd, dem man die Sporen gegeben hat. Szenisch erinnerte das dann manchmal an einen wilden Ritt mit einer imaginären Kutsche. Eugene Hütz schwebte irgendwie über den anderen Musikern drüber und trieb eine Art Viergespann neben sich her.
Viel zum Gelingen des Spektakels trugen auch die beiden wunderschönen Trommlerinnen bei. Aufgemacht wie Cheerleader (oder Kellnerinnen bei Hooters, ganz wie man will!) versprühten sie mit ihren knappen Hotpants und den überaus knackigen Hinterteilen jede Menge Sexappeal und hielten sowohl die Jungs in der Band als auch die Männer im Publikum bei Laune. Aber auch ohne diese Bunnies hätte jeder männliche Zuschauer seinen Spaß gehabt, denn sich den gesamten Winterfrust von der Seele zu schreien, tat auch einmal richtig gut!
Bei der ersten Zugabe Start Wearing Purple gröhlten wie zum Beweis meiner Worte alle lauthals den "Lalala-Refrain" mit. Im Grunde genommen hätten die in New York lebenden Gogols es damit beenden können, denn sie hatten auch so schon auf ganzer Linie abgeräumt. Weil sie aber noch genug Energie und Spielfreude hatten, setzten sie immer noch einen obendrauf. Am Ende trommelte Eugen wie ein Derwisch auf einen bemitleidenswerten roten Eimer drauf und irgendwann flog auch die Rotweinfalsche, die der Heißsporn zuvor immer in der Hand gehalten hatte in hohem Bogen durch die Luft. Der Gerstensaft spritzte in alle Richtungen und nun endlich war das Werk vollbracht!
Um an die Setlist zu gelangen, musste ich mich schließlich an zahlreichen schweißgebadeten Leibern vorbeischlängeln. Die meisten Leute sahen aus, als seien sie mit ihren ganzen Klamotten endlos lange Zeit in einer Sauna verblieben. Aber wie das nach einem Saunagang nun einmal so ist: Hinterher fühlt man sich großartig und innerlich gereinigt!
So war es auch heute! Danke Gogol Bordello!!!
Gogol kenne ich noch aus dem Deutschunterricht. Meine Lehrerin bestand damals darauf, daß ein Buch eines russischen Literaten durchgenommen werden müsse. Ich schlug Schuld und Sühne von Dostojewski vor, weil ein sehr guter Freund von mir das in seiner Klasse durchgenommen hatte und mir immer von Rodion Raskolnikow, der Hauptfigur des Romanes, vorschwärmte.
Die Deutschlehrerin mochte mich aber nicht sonderlich und bügelte den Vorschlag ab. Stattdessen schleimte sich ihre Lieblingsschülerin bei ihr ein und erzählte in den schillerndsten Tönen, wie gut doch Die Toten Seelen von Nikolai Gogol sei. Plötzlich leuchteten die Augen meiner Paukerin und Im Nu war die Sache entschieden. Gogol würde uns also in den kommenden Wochen beschäftigen. Worum es genau ging, weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich aber seltsamerweise noch daran, daß ich die Taschenbuchausgabe in dem dunkelgrünen Einband häßlich fand und nicht gern darin geschmökert habe...
Mit Gogol assoziiere ich also etwas (vor allem das Wechselspiel zwischen russischer Schwermut und ausgelassener Lebensfreude, ebenso das Schelmenhafte) und auch zu Bordello fällt mir natürlich etwas ein. Aber nicht was ihr meint. Ich denke jetzt nicht an das Bordell als das Freudenhaus, sondern deute, als in Frankreich lebender Germane, den Audruck im Sinne von unglaublicher Unordnung. Wenn ein Franzose sagt: "Je dois ranger mon bordel", meint er damit, daß er mal wieder in seinem Chaos aufräumen muss.
Also verbinde ich mit dem Namen Gogol Bordello folgendes: Schwermut und Melancholie, daraus resultierender Hang zum Besäufnis, was wiederum dazu führt, daß man hinterher ausgelassen auf den Tischen tanzt und ein regelrechtes Gelage mit Wein, Weib und Gesang veranstaltet und am Ende ein riesiges Chaso, ein Bordell eben, hinterlässt.
Und ohne mich wirklich damit beschäftigt zu haben, warum sich die heute im Bataclan aufspielende Band wirklich so genannt hat, muss ich konstatieren, daß vieles von dem was ich mir da zusammengereimt habe, tatsächlich so stattgefunden hat!
Kritiker mögen ihnen vorwerfen, daß sie mit Klischees spielen und mit dieser "Masche" versuchen, Geld zu machen, aber ich denke, ein Erfolg in dieser Größenordnung ist nicht wirklich planbar und am Anfang hätte die Band um den charismatischen Leader Eugene Hütz mit Sicherheit selbst am wenigsten damit gerechnet, einmal so bekannt zu werden. Und Erfolg haben sie ohne Zweifel, denn es war so voll wie selten zuvor im Bataclan! Bei den Dirty Pretty Things und auch bei Razorlight war die Nachfrage nach Tickets in den letzten Wochen so gering, daß sogar der obere Sitzplatzbereich auf dem Balkon abgesperrt wurde, heute aber platzte der Saal aus allen Nähten! Ein hart erarbeiteter Erfolg, denn immerhin besteht die Band seit 1999 und wurde mit Sicherheit am Anfang günstig für Festivals gebucht, damit endlich mal ein wenig Stimmung aufkommt. Ich kann mir genau vorstellen, wie Veranstalter solcher Festivals sich die Hände gerieben haben, als sie sahen, daß diese komischen Gypsy Punks, die sie für einen Appel und ein Ei verpflichet hatten, das Gelände zum Beben brachten! Frei nach dem Motto "bezahl' den Chaoten da ein paar Flaschen fuseligen Rotwein und Schnaps und dann machen die sich schon für dich zum Affen! Bestimmt hat man sie anfangs belächelt und sich gedacht, daß sich die Kerle eh mit den ersten verdienten Rubeln die Birne wegsaufen und spätestens nach zwei Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden. Aber das Gegenteil ist der Fall! Inzwischen steht sogar Madonna höchstpersönlich auf den wie einen Wikinger aussehenden Rotschopf Eugene Hütz! Und wenn sich eine solch professionelle und kühl rechnende Künstlerin mit so einem Kerl auf der Bühne blicken lässt, dann weiß sie haargenau, daß sie damit ihre Credibility (beschissener Ausdruck, passt aber hier!) beim Indiepublikum verbessern und noch mehr Zaster einfahren kann. Eugene Hütz wird es recht sein, der Typ ist ja auch als Schauspieler schon in Erscheinung getreten und ihm macht es mit Sicherheit nichts aus, der eitlen Diva so nahe zu sein, daß er ihr Luxusparfüm erschnüffeln kann.
Unter seine roten Achselhaare hätte ich allerdings nach dem heutigen Konzert nicht gerne meine Nase gesteckt! Der Typ hat nämlich geschwitzt wie ein Iltis, was daran lag, daß er fast ein Fußballspiel lang wie ein Geistesgestörter über die Bühne gewirbelt ist! Wahnsinn wie der Kerl sich verausgabt hat, so etwas sieht man ganz selten! Ein Hansdampf in allen Gassen ist das nämlich dieser Eugene und ein glänzender Entertainer obendrein. Seine Performance hatte auch etwas von den glorreichen deutschen Fuballrecken aus den 70er und frühen 80er Jahren. Typen, die noch die Ärmel hochgekrempelt haben und am Ende ohne Schienbeinschoner spielten. Kerle, die wenn es hart auf hart kam, nicht davor zurückschreckten, den Gegner zu foulen oder zumindest hart ranzunehmen. Namen wie Paul Breitner, Horst Hrubesch, oder Peter Briegel kamen mir in den Sinn, aber am Ende dachte ich im Zusammenhang mit Eugene fast auschließlich an Toni Schuhmacher. Prolliger Mantafahrer-Schnauzbart und eine lange, lockige Matte auf dem Kopf, ja, genau so sah Toni damals aus. Unglaublich wie er den kleinen Franzosen Battiston damals mit diesem Beckencheck unsanft zu Fall gebracht hat, so daß dieser einen Kieferbruch und noch einige andere Blessuren erlitt! Die Franzosen nehmen uns diese Geschichte immer noch übel. (Hier die Szene in einem Doku-Youtube-Video) Schuhmacher, die Verkörperung des brutalen, grobschlächtigen Deutschen, der den kleinen, technisch versierten Franzmann auf übelste Weise ummetzelt. Gut, daß die Pariser im Bataclan nicht an Schuhmacher denken mussten, was auch daran lag, das viele einfach zu jung waren, um sich an ein Spiel zu erinnern, daß mir im Jahre 1982 den Atem stocken ließ...
Aber Toni war ja eigentlich kein unfairer Spieler, sondern ein sehr engagierter und bis in die lockigen Haarspitzen motivierter Keeper, wie wir ihn mit Olli Kahn erneut erlebt haben. Und genau wie Toni damls war Eugene heute mit Leib und Seel bei der Sache! Er rockte neunzig Minuten wie Hölle, spielte Kick and Rush, um noch einmal mit einem Vergleich aus der Fußballersprache zu kommen.
Schon beim allerersten Lied, war die Stimmung so euphorisch und ausgelassen, daß Crowdsurfer über die Hände der Meute glitten und den bulligen Ordnern Schweißperlen auf die Stirne trieben. Eine schweißtreibende Sache für alle Beteiligten, denn die geschätzte bzw. gefühlte Temperatur in dem Saal dürfte bei 50 Grad Celsius gelegen haben. Schnell fiel deshalb bei Eugene die Oberbekleidung und schon nach ein paar sensationell gut aufgenommenen Songs fiel das Hemdchen und gab den Blick auf einen sehr dünnen, aber auch unglaublich durchtrainierten Oberkörper frei. Physisch erinnerte Spargeltarzan Eugene deshalb eher an Rockstars aus den 70 ern wie z.B. Mick Jagger oder Jimi Hendrix, die ebenfalls spindeldürr waren. Namen, die auch von Gogol Bordello als Einfluß genannt werden. Der Aufkleber auf der Akustikgitarre des Frontmannes verriet aber noch eine andere Referenzband: The Ramones! Musikalische Wurzeln aus den Glanzzeiten des Rock und des Punk, zu denen sich auch noch die ganzen slawischen Elemente gesellen. Die Fiedel, gespielt von einem grauhaarigen Typen mit urkomischer Mimik und Gestik war eine sehr wichtige Komponente, aber auch das Akkordeon gab dem Ganzen seine spezielle Note. Hinzu kanem dann noch Saxofon, ein polternder Bass und eine elektrische Gitarre und fertig war der Punk englisch-amerikanischer Prägung mit Zigeunersoße! Musikalisch wertlos wurde es dadurch aber freilich nicht! Zwar hatte man nach kurzer Zeit den Eindruck, daß es völlig egal war, welches Lied gerade gespielt wurde, da jeder einzelne Song eben granatenmäßig abräumte, aber man muß Gogol Bordello zumindest ein Händchen für eingängige Melodien und Refrains, die sich bestens zum lauten Mitgröhlen eignen, attestieren. Dogs Were Barking war zum Beipiel großartig, aber auch Sachen wie Mishto! oder der glänzende Abschluß mit Baro Foro zogen gewaltig. Die Band hätte dabei jedes Lied nach Belieben verlängern oder abkürzen können. Immer, wenn man dachte, ein Stück sei gerade beendet worden, setzte erneut die Fiedel ein und die Gruppe galoppierte los wie ein Rennpferd, dem man die Sporen gegeben hat. Szenisch erinnerte das dann manchmal an einen wilden Ritt mit einer imaginären Kutsche. Eugene Hütz schwebte irgendwie über den anderen Musikern drüber und trieb eine Art Viergespann neben sich her.
Viel zum Gelingen des Spektakels trugen auch die beiden wunderschönen Trommlerinnen bei. Aufgemacht wie Cheerleader (oder Kellnerinnen bei Hooters, ganz wie man will!) versprühten sie mit ihren knappen Hotpants und den überaus knackigen Hinterteilen jede Menge Sexappeal und hielten sowohl die Jungs in der Band als auch die Männer im Publikum bei Laune. Aber auch ohne diese Bunnies hätte jeder männliche Zuschauer seinen Spaß gehabt, denn sich den gesamten Winterfrust von der Seele zu schreien, tat auch einmal richtig gut!
Bei der ersten Zugabe Start Wearing Purple gröhlten wie zum Beweis meiner Worte alle lauthals den "Lalala-Refrain" mit. Im Grunde genommen hätten die in New York lebenden Gogols es damit beenden können, denn sie hatten auch so schon auf ganzer Linie abgeräumt. Weil sie aber noch genug Energie und Spielfreude hatten, setzten sie immer noch einen obendrauf. Am Ende trommelte Eugen wie ein Derwisch auf einen bemitleidenswerten roten Eimer drauf und irgendwann flog auch die Rotweinfalsche, die der Heißsporn zuvor immer in der Hand gehalten hatte in hohem Bogen durch die Luft. Der Gerstensaft spritzte in alle Richtungen und nun endlich war das Werk vollbracht!
Um an die Setlist zu gelangen, musste ich mich schließlich an zahlreichen schweißgebadeten Leibern vorbeischlängeln. Die meisten Leute sahen aus, als seien sie mit ihren ganzen Klamotten endlos lange Zeit in einer Sauna verblieben. Aber wie das nach einem Saunagang nun einmal so ist: Hinterher fühlt man sich großartig und innerlich gereinigt!
Setlist Gogol Bordello, Le Bataclan, Paris:
01: Illumination
02: Ultimate
03: Not A Crime
04: Dogs Were Barking
05: Wonderlust King
06: Mishto!
07: Tribal Connection
08: 60 Revolutions
09: American Wedding
10: Sacred Darling
11: Baro Foro
12: Start Wearing Purple
13: Cynic
14: Mala Vida
15: Think Locally, Fuck Globally.
Links:
- Guckt Euch unbedingt die Fotos an! Da sind so viele irre Sachen auf der Bühne passiert. Selten hat die Knipserei soviel Spaß gemacht!
- Auch Christoph bloggte bereits über ein äußerst wildes Konzert von Gogol Bordello. Seinen Bericht aus Köln von Ende 2007 findet ihr hier
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