Donnerstag, 4. Dezember 2008

Wolf Parade, Köln, 03.12.08


Konzert: Wolf Parade
Ort: Luxor, Köln
Datum: 03.12.2008
Zuschauer: ca. 200
Dauer: Wolf Parade 90 min, Alter Me 40 min, Dag För Dag 30 min


Star des Abends war ein Weckmann, ein Hefegebäck*, das im Rheinland im November, Dezember sehr beliebt ist. Nicht so bei Wolf Parade Keyboarder und Sänger Spencer Krug. Der hatte nämlich offenbar Hunger und seinem Tourmanager angezeigt, daß er etwas essen wolle. Der brachte ihm dann den Weckmann. Spencer fragte uns ungläubig "you eat this?" und legte den Hefemann ab. Aber nicht lange, denn bevor Wolf Parade mit Grounds for divorce weitermachten, spielte Spencer mit dem Weckmann Keyboard und ließ die Hefebeinchen über die Tasten tanzen!

Ziemlich sicher hätte schon das gereicht, das Konzert der Kanadier zu einem der besten des Jahres zu machen. Aber das brauchte es nicht, denn auch musikalisch waren Wolf Parade herausragend.

Bis dahin war es aber ein mühevoller Weg, denn es gab zwei Vorgruppen, was mitten in der Woche wirklich nicht sein muß. Aber es ist in Köln ja üblich, daß Konzerte an Freitagen und Samstagen deutlich früher beendet sind als während der Woche. Es begannen Dag För Dag aus Stockholm, ein ziemlich exzentrisch aussehendes Trio. Kurz vor Beginn hatte noch jemand eine der Glitzerketten, die als Deko an den Mikroständern hing, abmontiert und hinter die Bühne gebracht. Dieses Ding trug dann Sängerin Sarah als Gürtel. Sie und ihr Partner Jakob hatten sich zusätzlich Glitzerstirnbänder gebastelt. Komplettiert wurde die Band von einem Schlagzeuger ohne Glitter.

Dag För Dag machen recht psychedelischen Indierock. Manches erinnerte aber auch ein wenig an Ipso Facto. Schlecht war das halbstündige Set der Schweden nicht, richtig umgehauen hat es mich aber auch nicht. Es waren gute Lieder dabei (aber auch an indianische Gesänge erinnernde Stellen, die so gar nicht mein Fall waren), richtig ist aber keines hängengeblieben, eher solche Sachen wie ihre nackten Füsse. Ich sollte mir noch einmal Lieder von ihnen anhören, denke ich.

Das unterscheidet Dag För Dag von den nachfolgenden Alter Me aus Dänemark, die bei mir glatt durchgefallen sind. Vierzig lange Minuten, die in meinen Augen absolut nicht notwendig waren (aber ich habe ja auch kein Label, das Künstler unterstützen muss). Die Dänen waren schrecklich belanglos und verstärkten meine Müdigkeit fatal!

Beim Umbau anschließend sah man, daß es stimmt, daß Wolf Parade ihre Europa Termine nur zu viert wahrnehmen. "Hadji couldn't make it," teilte uns Spencer mit. Die Gründe dafür seien aber zu kompliziert zu erklären. "Wenn ihr etwas hört, was nicht da ist, liegt das daran."

Die vier anwesenden Wolf Parade Mitglieder waren neben Keyboarder Spencer Gitarrist Dan Boeckner, Schlagzeuger Arlen Thompson und Gitarrist Dante DeCaro (der wie der junge Pete Sampras mit kanadischem Vollbart aussieht). Dan und Spencer, die beiden Gründer der Band, sangen abwechselnd, dabei ist Dans Stimme schon wirklich sehr gut und einprägsam, Spencers dagegen unglaublich charismatisch und dadurch ganz besonders. Dazu spielte der Mann trotz seines Hungers die Keyboards für mindestens anderthalb Musiker, wechselte dauernd eine oder zwei Hände zwischen den beiden übereinander aufgebauten Tastaturen. Obwohl er meist in irrem Tempo spielte, war die Präzision dabei verblüffend. Meine Lieblingsszene des Abends (bei der kein Hefegebäck beteiligt war), passierte bei irgendeinem Lied gegen Ende. Da klatschte Spencer ab und zu über seinem Kopf, um dann wieder schnell auf dem Keyboard weiterzuspielen. Der erste Griff nach dem Klatschen ging meist daneben, gleich die nächste Achtel- oder Sechzehntelnoten waren aber wieder genau die, die es sein sollten.

Alle Bandmitglieder halten es so, wie das in ihrer kanadischen Heimat üblich ist, sie spielen in vielen anderen Gruppen und Projekten. Dan und seine Freundin sind die Handsome Furs, Spencer hat Sunset Rubdown, Arlen spielte schon bei Arcade Fire mit.

Die gespielten Lieder im Luxor sind schnell beschrieben. Sie waren einfach alle großartig! Ohne Ausnahme. Wolf Parade haben bisher zwei Alben (Apologies to the Queen Mary - dem Schiff - 2005 und At Mount Zoomer 2008) und ein paar EPs veröffentlicht. Mir haben
You are a runner and I am my father's son, Kissing the beehive, das irre lange Lied am Ende, Grounds for divorce, This heart's on fire und The grey estates besonders gefallen. Die Stücke stammten ausnahmslos von beiden Alben, wobei Wolf Parade vom aktuellen bis auf Bang your drum alle Titel spielten.

The grey estates war eine der drei Zugaben. Die letzte war dann ein Knockin' on Heaven's Door Cover, das durch Wolf Parade an Fiesigkeit verlor. Die Guns N' Roses Version spielten Dan, Spencer und Co., weil es ihr letzter gemeinsamer Abend mit Dag För Dag war. Die schwedische Band sei nämlich nett, aber auch vollkommen irre und habe einen kranken Humor. Ihre Musik sei so lala, hatte Spencer vorher irgendwann gesagt, und es war nicht rauszuhören, ob es vielleicht nicht doch ironiefrei gemeint war. Zur letzten Zugabe durften die Dag För Dags dann jedenfalls mit auf die Bühne und schmetterten alle gemeinsam "Knock, knock, knockin' on Heaven's Door". Auch der zweite Keyboarder, der Weckmann, durfte wieder mitmachen, verlor dabei aber ein Bein! Haifischbecken Musik!

Anderthalb ganz ausgezeichnete Stunden mit wahnsinnigen Liedern und einer Band, die mehr Zuschauer und Aufmerksamkeit verdient! Und Wachheit. Das war nämlich mein Problem. Ich konnte Wolf Parade leider nicht so genießen, wie ich es mir gewünscht hätte, weil Alter Me meiner Müdigkeit den Rest gegeben hatte. Daher habe ich es mir ein gutes Stück selbst versaut. Also nicht meine besten 90 Minuten, aber immerhin noch ganz hervorragende - nicht das Konzert des Jahres, aber wahrscheinlich Top 5.


Setlist Wolf Parade, Luxor, Köln:

01: You are a runner and I am my father's son
02: Soldier's grin
03: Call it a ritual
04: It's a curse
05: Dear sons and daughters of hungry ghosts
06: Language City
07: An animal in your care
08: Shine a light
09: Grounds for divorce
10: Fine young cannibals
11: California dreamer
12: This heart's on fire
13: Kissing the beehive

14: The grey estates (Z)
15: I'll believe in anything (Z)
16: Knockin' on Heaven's Door (Guns N' Roses Cover**) (Z)

Links:

- Fotos folgen (hier schon mal ein Vorgeschmack)

* 100 gr. Mehl wie einen Vulkan formen, etwas Hefe reinbröseln, lauwarme Milch drauf, und das mit einem Teil des Mehls verkneten. 20 Minuten warmstellen, abdecken und gehen lassen. Ein Ei, zerlassene Butter, etwas Zitronenaroma oder -abrieb, das restliche Mehl, Salz und Zucker und den lauwarmen ersten Teig verkneten und wieder gehen lassen. Einen Mann formen, eine schöne Tonpfeife in den Arm geben, zwei Rosinen als Augen reindrücken, mit Eigelb anpinseln und bei 200 Grad etwa 12 bis 15 Minuten backen.

** Ich weiß, daß auch die Guns N' Roses Version ein Cover ist. Aber die haben sie gecovert.



6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

In der Zwischenzeit kann ich ja schon mal berichten, dass das die besten 90 Minuten meines Lebens waren :)

:)

:)

Anonym hat gesagt…

dem kann ich nur sowas von zustimmen! :)

Christoph hat gesagt…

Tut mir leid, daß ich so lahm bin. Aber jetzt dann.

Gelobe Besserung, es ging aber nicht mehr, ich war zu platt.

E. hat gesagt…

mensch, leute, die neugier forciert und dann im vollen lauf innegehalten. so geht das nicht! her mit den besten 90 minuten in christinas leben, ich bin "irre-interessiert"!

E. hat gesagt…

der bericht konnte meine neugier um ein sensationelles konzert nicht befriedigen. ich bitte um ergänzungen. vielleicht setzt christina mal an, uns das besondere dieses abends zu erklären. :-)

E. hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
 

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