Konzert: Matt Bauer, Frightened Rabbit, Departments Of Eagle
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 04.12.2008
Zuschauer: nicht ausverkauft
Konzertdauer: Matt Bauer: 30 Minuten, Frightened Rabbit 40 Minuten, Departments Of Eagle 50 Minuten
Matt Bauer scheint Paris zu mögen. Seitdem ich den deutschstämmigen Mann mit der Glatze und dem Vollbart als Banjospieler bei dem wunderbaren Konzert von Alela Diane in der Pariser Cigale kennengelernt habe, lässt er sich immer mal wieder in der Stadt der Liebe blicken. Ob es an den hervorragenden französischen Weinen liegt, die seine Weggefährtin Mariee Sioux kürzlich in einem MySpace-Bulletin überschwenglich lobte? Oder den über 300 (wahrscheinlich vielmehr, man weiß die genaue Zahl nicht!) Rohmilchkäsen, die nur in sehr begrenztem Umfang in die USA importiert werden? Oder den schönen und stilvollen französischen Frauen? Alles nicht auszuschließen, wahrscheinlicher ist aber, daß es mit der Booking- Agentur Zamora Productions zusammenhängt, die nicht nur Matt Bauer, sondern auch Mariee Sioux und Hanne Hukkelberg betreut. In Zusammenabeit mit dem vorzüglichen Label Fargo hat es Zamora Productions verstanden, hervorragende amerikanische Folkkünstler zu promoten und Spielstätten für sie zu organisieren. Star bei Fargo ist ohne jeden Zweifel Alela Diane, aus deren Schatten Matt Bauer nun langsam treten will. Kurz nach seiner Show mit der immens erfolgreichen Kalifornierin trat er auch solo zum ersten Mal in Erscheinung und spielte am 20. Aril 2008 in der kleinen Belushi's Bar.
Nach Gigs in Kanada und den USA kam er im November nach Frankreich zurück, trat zusammen mit Mariee Sioux im nordfranzösischen Lille auf, begleitete erneut Alela Diane während ihres Gigs im Pariser Olympia beim Festival des Inrocks und gab noch am gleichen Abend zu vorgerückter Stunde ein Konzert im Pop In zusammen mit den wunderbaren Franzosen Rum Tum Tiddles.
Letzten Sonntag ging es für ihn im Lucernaire weiter und am 3. Dezember zeigte er sein Können im atmosphärischen Café Charbon, das gleich neben dem Nouveau Casino liegt. Heute schließlich der letzte Paris- Termin für den sympathischen Mann mit den stahlblauen Augen, leider aber nur im Vorprogramm und entsprechend kurz. 30 Minuten wurden ihm in der Maroquinerie eingeräumt und davon verpasste ich auch noch die Hälfte, weil mir mein Bus 96, der den steilen Berg die rue menilmontant hochtuckert, vor der Nase weggefahren war. Sehnsüchtig schaute ich dem davonbrausenden Bus hinterher und wußte, daß ich zu spät kommen würde. Mist!!
Aber auch so konnte ich mir ein gutes Bild von der schönen, leicht rauchigen Stimme und dem spärlichen, aber gekonnten Gitarrespiel von Matt Bauer machen. Sein Banjo, mit dem er die ersten Lieder bestritten hatte, war leider schon bei Seite geräumt und lehnte einsam an den Backsteinmauern der Maroquinerie. Eines der verpassten Stücke war Sea Lion Woman, ein Titel, den auch Feist und Alela Diane im Programm haben, der aber weder von der einen noch der anderen stammt, da es sich ganz einfach um ein traditionelles Lied, ein sogenanntes Traditional, handelt. Ein bluesiger Song, dieses Sea Lion Woman, den man auf dem Minialbum Wasps and White Roses finden kann, das in Amerika bereits 2006, in Europa aber erst 2008 in die Läden kam. Neben Sea Lion Woman spielte Matt auch noch ein weiteres Lied von Wasps and White Roses und zwar Carve It Out. Der ganze Rest war Material von dem Neuling The Island Moved In The Storm, auf dessen Cover Mister Bauer eine ertrunkene Frau aus dem Wasser trägt (ob sie noch lebt oder nicht, ist nicht überliefert).
Hat Matt also die Kraft, Leben zu retten? Hmm, wahrscheinlich nur in begrenztem Maße, er ist ja schließlich nicht Jesus, obwohl er mit seinem Rauschebart fast so aussieht. Allerdings kann er Trost spenden, mit seinen ruhigen und warmen Liedern, die trotz der melancholischen Atmosphäre nicht düster sind. Ich habe die Viertelstunde mit dem sanftmütigen Künstler jedenfalls sehr genossen und kann nur jedem seine zwei Alben und einen Konzertbesuch empfehlen, wenn er 2009 wieder nach Europa kommt. Nächstes Jahr dürfte er deutlich bekannter werden und aus dem Schatten von Alela Diane und Mariee Sioux zumindest ein wenig heraustreten, da bin ich ganz sicher, denn allein das abschließende Don't Let Me Out war so berührend, daß man schon ein Herz aus Stein haben muß, um sich nicht von solch profunder Schönheit erweichen zu lassen. Am besten man legt sich The Island Moved In The Strom unter den Weihnachtsbaum, die Songs empfehlen sich ganz besonders für die besinnlichen Tage und klingen allemal besser als O(h) Tannenbaum oder Oh Du Fröhliche!
Im Anschluß ging es mit den Schotten Frightened Rabbit stürmischer zu. Die bärtigen und zum Teil etwas kräftigeren Burschen, hätten eigentlich schon vor ein paar Wochen an gleicher Stelle auflaufen sollen, aber da fielen sie - als Headliner gebucht - aus mir nicht bekannten Gründen aus. Vor kurzem gab es dann eine neue Gelegenheit die Band unter die Lupe zu nehmen, als sie in Paris im Vorprogramm von Death Cab For Cutie auftraten, da war ich allerdings mit einer Oliver Peel Session bei mir zu Hause über beide Ohren beschäftigt!
Heute aber gab es kein Entrinnen für die verängstigten Hasen (Frightened Rabbit, übersetzt man das so?), die Tür war zu und die Karnickel wären schnell wieder eingefangen worden. Statt Hasen erblickte ich aber zu meiner Belustigung Nessie, das legendäre Ungeheuer aus dem Loch Ness, welches das T-Shirt des schlaksigen Keyboarders zierte. "Witzig, da war ich auch schon", dachte ich mir und war kurzfristig mit meinen Gedanken bei einer unserer beiden wunderbaren Schottland-Reisen. Die Weite und urwüchsige Schönheit dieses grünen Landes hatten es mir und meiner Frau außerordentlich angetan und auch an die offenen und gastfreundlichen Menschen hatten wir sehr gute Erinnerungen. Am tollsten war ein schottischer Herbergsvater, der sein kleines Häuschen als Bed & Breakfast vermietete und uns schon frohgelaunt mit einer Whiskey-Fahne begrüßte. Seine gute Stube war voller Nippes und kleinen Dekofigürchen - grauenvoll kitschig- aber er war so liebenswürdig und authentisch, das wir spontan entschieden, zu bleiben. Wir sollten es nicht bereuen. Er zauberte uns am nächsten morgen, das beste und ausgiebigste Frühstück, das wir je genießen durften. Zunächst legte er mit Porridge los, dann haute er unzählige Eier, Speck, Tomaten und Champignons in eine Pfanne und zum Schluß wollte er uns noch mit Pancakes beglücken (wir lehnten dankend ab, denn es wäre unhöflich gewesen, alles der Toilette zurückzugeben). In allen Details schilderte er uns dann, wo wir überall hin müssten, welche Sehenswürdigkeit es noch so gäbe und wo genau das beste schottische Wasser für den vorzüglichen Whiskey flösse. Das Ganze war unglaublich preiswert, - wir dürften nicht mehr als umgerechnet 20 Euro für Übernachtung und Frühstück bezahlt haben- und stand in krassem Gegensatz zu dem kühlen Empfang und den gepfefferten Preisen, die wir zuvor in London erlebt hatten.
Menschliche Wärme, ja das war es, was er uns bot, dieser hochsymphatische schottische Gastvater, dem seine Frau wahrscheinlich weggelaufen oder früh verstorben war. Konsequenterweise sangen Frightened Rabbit dann in ihrem Song The Twist dann auch von " I need human heat", als wäre dies ein Grundbedürfnis von Schotten. Aber wer braucht sie nicht, die menschliche Wärme in diesen anonymen (Highlight des Tages oft: eine neue Freundschaft bei MySpace, mit Leuten, die man nie in seinem Leben wirklich kennenlernen wird) und krisengeschüttelten Zeiten? Auch in ihrem abschließenden Hit Keep Yourself Warm ging es erneut um diese Wärme. "You won't find love in a hole , it takes more than fucking someone to keep yourself warm", sang Bandleader Scott Hutchison voller Inbrust und klang dabei am Anfang als er sein Falsett einsetzte, ein wenig wie Jónsi, der Sänger von Sigur Ros. Ansonsten aber waren vielmehr Ähnlichkeiten mit Okkervil River festzustellen, desweiteren auch mit Aracde Fire, My Latest Novel und den Decemberists. Im Grunde genommen klingen Frightened Rabbit nach amerikanischem Collegerock mit schottischem Akzent. Keine schlechte Mischung wie ich finde und die Kumpels der von mir ebenfalls geschätzten The Twilight Sad dürfen gerne wiederkommen und ihre melancholischen Geschichten, die irgendwo in der Weite der einsamen schottischen Landschaften entstanden sind, zum Besten geben.
Seit dabei, wenn die Jungs nach Deutschland kommen und wie heute euphorisiernde Songs wie The Modern Leper, I Feel Better oder Old Old Fashioned schmettern!
Auch Department Of Eagles, die Band aus Brooklyn, die heute den musikalischen Abend beschloß, kann ich empfehlen, obwohl ein paar meiner Freunde und Bekannten hinterher äußerten, sich gräßlich gelangweilt zu haben. Vielleicht muß man sich, wie ich, zuvor mit der Band Grizzly Bear beschäftigt haben, um die Musik der Department Of Eagles zu mögen. Zu Grizzly Bear besteht nämlich eine sehr enge Verbindung, denn Daniel Rossen, der Department Of Eagles zusammen mit Fred Nicolaus während seiner Studienzeit an der New York University gegründet hatte, schrieb Songs, sang und spielte Gitarre für Grizzly Bear während ihrer Tour für das famose Album Yellow House. Fred ging in der Zwischnezeit einem 9 to 5 Job nach, aber irgendwie fand man dank moderner Kommunikationstechniken die Zeit, Stücke für das zweite Album (das 2003 er Debüt hieß The Cold Nose) In Ear Park fertigzustellen. Gut so, denn die Lieder sind voller schöner Melodien und Chorgesänge und zu dem beatlesken No One Does it Like You sang auch Sigrid, ein Mädchen, das zum Blogotheque- Umfeld gehört, laut mit. Die Blogothèque? Was is'n das? Das sind die Typen, die aufstrebende Bands immer auf der Straße oder in Hinterhöfen abfilmen und logischerweise auch schon mit Department Of Eagle gearbeitet haben. Das Ergebnis dieser Session kann man hier sehen.
Die Blogothèque ist immer an sehr spannenden Bands dran, DOE bilden da keine Ausnahme! Wunderschön das gefühlvolle Zusammenspiel von elektrischer und akustischer Gitarre, die glänzenden Harmonien, die warme, zeitweise an Scott Matthew erinnernde Stimme von Daniel Rossen. Keine Frage, ich habe dieses Konzert genossen, obwohl Daniel immer wieder sich selbst kritisierte, sich oft als sehr unprofessionell bezeichnete und sich wunderte, daß das Publikum am Ende noch eine Zugabe wollte: "That's nice of you, after all what happened before!", murmelte er schmunzelnd. Dies schien mir auch kein "fishing for compliments" zu sein, ich glaube wirklich, daß er mit seiner Leistung -völlig zu Unrecht - nicht ganz zufrieden war.
Ich persönlich bleibe auf jeden Fall bei Department Of Eagles am Ball. Das Gleiche gilt für Matt Bauer und Frightened Rabbit. Ein gelungener Konzertabend!
Setlist Matt Bauer. La Maroquinerie, Paris:
01: Rose & Vine
02: Florida Rain
03: Sealion Woman
04: Blacksnake In The Carport
05: Carve It Out
06: As She Came Out Of The Water
07: Don't Let Me Out
Links:
- Das Klienicum war bei Matt Bauer auch schon wieder früh dran. Hier der Beweis!
2 Kommentare :
matt ohne banjo wäre eine enttäuschung für mich gewesen. im vorprogramm dieser zwei formationen allerdings auch. ich merke außerdem, dass die beschäftigung mit "abseitiger" musik dazu führt, dass die erwartungen bezüglich öffentlicher wahrnehmung nicht mehr der realität entsprechen. nein, vielmehr weit darüber hinaus gehen. matts album ist ein ähnlich sensationelles ding wie zuletzt j. tillmanns wurf. aber es wird auf diesem stumpfsinnigen planeten kaum jemand hören. / die rabbits höre ich, aber sie können mich nicht begeistern. der grizzly bear ableger ist dagegen spannender. / meine frau beknie ich seit einige zeit, dem umzug nach paris zuzustimmen. denn da steppt der bär!
Klar steppt in Paris der Bär! Du hättest Dein helle Freude, zumal auch Herr Tillman bei Fargo ist und deshalb wohl öfter hier zu sehen sein wird. Also nichts wie rübergemacht von Bayern an die Seine! :)
Ob mir Sarko eine Verdienst- Medaille umhängt, wenn ich die ganzen deutschen Musikfans heiß auf die Pariser Szene mache? Die möchte ich dann aber von Carla umgehangen bekommen, hahahaha!
Bei Matt und Josh gilt es gelassen zu bleiben, die Promotour für die Alben ist noch gar nicht richtig in die Gänge gekommen. Da wird 2009 noch einiges darüber geschrieben werden, zumindest von guten Musikseiten. Also vom Klienicum und vom Konzerttagebuch :-) Oder so. Nein, ich meine jetzt auch Rolling Stone, Musikexpress, Les Inrockuptibles und wie sie alle heißen...
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