Dienstag, 20. März 2007

Bonnie "Prince" Billy, Paris, 19.03.07


Konzert: Bonnie "Prince" Billy
Datum: 19.03.2007
Ort: Le Trianon, Paris
Zuschauer: complet (ausverkauft)
Spielzeit: 100 (!) Minuten

Folk-Konzerte haben ja oft etwas von Lehrerversammlungen, so war zumindest bisher meine klischeehafte Vorstellung. Gestresste Pauker, die sich in Gesellschaft ihrer Kollegen bei Lagerfeuerklängen ihre Abende versüßen, bevor sie am nächsten Tag wieder ihre Schüler drangsalieren.

Als ich mich in dem charmanten, aber etwas heruntergekommenen Theater Le Trianon umsah, stellte ich aber erfreut fest, daß das Publikum doch jünger und szeniger war, alte Birkenstocklatschenträger waren eher die Ausnahme. Natürlich waren keine Kids da, es handelte sich schließlich um kein Mando Diao-Konzert, aber der Alterdurchschnitt lag so um die dreißig.

Für mich war es heute eine zweifache Premiere, denn zum einen war ich noch nie im Trianon, zum anderen hatte ich Bonnie "Prince" Billy noch nie live gesehen. Entsprechend gespannt war ich auf den Auftritt des kauzigen Amerikaners. Zunächst aber bekam ich noch die letzten Klänge eines Sängers namens Sir Bishop mit, ohne daß ich mir aber ein ausreichendes Bild machen konnte, um über dessen Qualitäten zu urteilen.

In der Pause zwischen den Auftritten dämmerte ich unter dem fuseligen Licht der schönen Lüster dann fast weg, aber zum Glück wurde es irgendwann endlich ganz dunkel und die Spots waren nur noch auf den bärtigen Kauz auf der Bühne gerichtet.
Nur mit seiner Klampfe in der Hand und leider ohne seine kongeniale Gesangespartnerin Dawn McCarthy von den Faun Fables, mit der er das letzte Album "The Letting go" in Island eingespielt hatte, nahm Bonnie "Prince" Billy gemächlich auf seinem Stühlchen Platz, daß er auch bis zur Zugabe nicht mehr verließ.

Von dem melancholischen Meisterwerk "The Letting go" stammten dann auch die ersten drei Lieder des Abends. Wie auf dem Longplayer ging es los mit dem fabelhaften "Love comes to me", gefolgt von "Strange form of life". Für mich war das gleich ein Einstieg nach Maß, denn gerade das erste Liede mag ich sehr. Von der ersten Strophe an war ich gefesselt von der Stimme des Amerikaners. Sie war so melancholisch, sentimental, weinerlich, aber doch auch kraftvoll und - trotz des dunklen Einschlags - voller Hoffnung.

Die Abwesenheit von Dawn McCarthy hatte ich schnell verschmerzt. Überraschend für mich war, daß Will Oldham, wie er eigentlich heißt, sehr redselig und humorvoll war. Ich hatte eher mit einem stoischen, depressiven Eigenbrötler gerechnet. Stattdessen erzählte er nach jedem Lied kleine Anekdötchen, die ich, weil er schnell sprach und manchmal sogar ein wenig stotterte, leider nicht immer verstand. Der sprachbegabte Teil des Publikums (wahrscheinlich die anwesenden Amerikaner) schmunzelte oft, wenn er da so rumscherzte. Sein Humor schien mir aber eher schwarz und ziemlich zynisch zu sein, also keine effektheischenden, platten Scherze.

Besonders amüsant fand ich, daß er sich des öfteren für sein schlechtes Gitarrenspiel entschuldigte, wobei ich nicht den Eindruck hatte, daß das "Fishing for compliments" war.

In diesem Zusammenhang erzählte er eine Geschichte von einer alten TV Show, in der wohl ein Musiker mit gebrochener Hand Gitarre spielte. Mit diesem verglich er sich und sein Gitarrenspiel, sprach aber die Hoffnung aus, nicht wie dieser (ich glaube es handelte sich um Phil Ochs) zu enden.

An anderer Stelle faselte er auch mal von Klaus Kinski, Lawrence von Arabien, Killervideospielen und Jesus Christus. Ein Titel des Sets hatte dann auch ein biblisches Thema, nämlich "John The Baptist", Johannes der Täufer. Das war auch eines der vielen Highlights des Abends. Bedauerlicherweise kannte ich nicht jedes Lied, denn von seinen zahlreichen Platten, die er unter verschiedenen Namen aufgenommen hat (u.a. Place Brothers, Palace Music und Palace Songs), besitze ich nicht alle. Das will ich nachholen!

Mir und dem Publikum bestens bekannt war aber seine Single "I see a darkness", von dem gleichnamigen Album aus dem Jahre 1999, das das Rolling Stone Magazine zu den besten Alben aller Zeiten zählt. Auch "Lift us up", welches eine der vier (!) Zugaben bildete, und von dem Album Superwolf stammt, war mir vertraut.

Zwischenzeitlich hatte Will übrigens Verstärkung von einer bildhübschen, jungen Violinistin bekommen, die ihn bei drei bis vier Liedern begleitete, u.a. bei "The Seedling". Die Anwesenheit einer Frau schien ihm sehr zu gefallen, als die Süße die Bühne verließ, sagte er nämlich schelmisch, daß er immer lieber mit Frauen zusammenarbeite, daß sei angenehmer als mit Männern.

Nach hundert Minuten Spielzeit war dann aber leider Schluß, obwohl der Theaterapplaus gar nicht abreißen wollte. Ich klatschte ebenfalls lange in die Hände und war mir sicher, heute einen der allerbesten Singer/Songwriter unserer Zeit gesehen zu haben.

Auszüge aus der Setlist Bonnie "Prince" Billy:

- Love comes to me
- Strange form of life
- Big friday
- Lay and love
- Wai
- The Seedling
- I see a darkness
- Lift us up (Z)

von Oliver



1 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Der Link zu Phil Ochs ist ja sehr interessant.
Sollte jeder lesen!

Jetzt kann ich verstehen, warum Will Oldham nicht so enden will.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates