Konzert: Herman Dune
Ort: Olympia, Paris
Datum: 02.12.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: gut 90 Minuten
An einem naßkalten und grauen Dezembertag kommt ein Konzert mit Herman Dune und seinem sonnigen Sound wie gerufen. Irgendetwas muß man ja schließlich unternehmen gegen den Winterblues und die chronisch schlechten Nachrichten von der Konjunkturfront. Entweder wir blasen jetzt alle Trübsal, bis sich im März oder April 2009 die Sonne mal wieder blicken lässt und die Wirtschaftsaussichten gebessert haben, oder wir pfeifen einfach auf die äußeren Umstände und lassen uns jetzt schon nicht die Laune verderben. Ich entschied mich für die zweite Variante und pilgerte mit ordentlich Vorfreude im Bauch Richtung Olympia, das im schnieken Viertel zwischen Madeleine und Opera liegt. Eine konservative Gegend, in der man Gefahr läuft, von forschen Junganwälten oder Unternehmensberatern mit Blackberry in der Westentasche über den Haufen gerannt zu werden, wenn sie von der Kanzlei zur Metro hetzen. Damals als ich noch in Deutschland Jura studiert habe, wäre das sicher mein Pariser Traumviertel gewesen, heute finde ich es hier eher spießig, versnobt und uninspirierend.
Da trifft es sich gut, wenn hier ein clochardhaft aussehender Typ wie Herman Dune spielt, der die Bobos von Paris anzieht wie ein Topf Honig die Bären. Bobos, was is'n das? Habe ich auf dieser Musikseite schon oft erklärt, aber für diejenigen, die uns nicht regelmäßig lesen: Bobo= Bohème-bourgeois (oder Bourgeois-bohème), übersetzt die bürgerlichen Künstler. Ein Menschenschlag, der in Paris weit verbreitet ist. Junge kreative Menschen, die oft bei Verlagen, Plattenlabels, oder in der Werbung tätig sind und bei ihren Klamotten Teile aus dem Secondhandladen mit Designerfummel mischen. Von Kopf bis Fuß mit Markenklamotten eingedeckt zu sein ist "bähh!", das überlässt man den Russen, oder den verpönten Neureichen im 8. Pariser Arrondissement, aber ein wenig Luxus soll es ja schon sein. Man nennt sie auch "La gauche caviar" = die Kaviarlinken, in wesentlichen Zügen vergleichbar mit der deutschen Toskanafraktion. Schwingen gerne Reden über die Probleme in der Pariser Banlieue, setzen in diese trostlosen Gegenden aber selten mal einen Fuß. Man kennt das ja alles. Sie lesen gerne Philippe Djian oder Houellebecq (man beachte, die beiden Schriftsteller haben auf ihrer Webseite immer elegant eine Kippe in der Hand, genau wie damals Camus und Gainsbourg) und ihr Lieblingsmagazin heißt "Les Inrockuptibles". Auch ich bin dort abonniert, weil ich vermutlich selbst Züge eines Bobos in mir trage. In den Inrocks, wie man abgekürzt sagt, kann man immer wieder interessante Kulturberichte lesen, man erfährt von neuen Bands, Kinofilmen und den in Frankreich sehr beliebten Comics für Erwachsene, BD- Bandes Dessinées, genannt. Es gibt auch einen Politikteil, in dem in jeder Ausgabe zu erfahren ist, was für ein dummer und inkompetenter Sack doch dieser Sarkozy ist, wie arrogant und doof seine Carla ist (die Heuchler vorher fanden sie die noch gut!) und dass Obama die gesamte zivilisierte Menschheit retten und Frieden, Gesundheit und Wohlstand für Amerika und die Welt bringen wird. Ich bin immer wieder verblüfft darüber, wie die Schreiberlinge dieses Blattes die Menschheit in Gut und Böse einteilt und welch einfältiger Formeln sie sich bedienen. Obwohl ich keineswegs Fan von Sarko bin und als Amerikaner höchstwahrscheinlich (nein sicher!) auch Obama gewählt hätte, würde ich mir doch eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema wünschen. Denn machen wir uns hier einmal nichts vor: Bobos und Yuppies sind im Grunde genommen der gleiche Menschenschlag. Beide Gesellschaftsgruppen kommen nämlich aus dem gleichen Lager, haben einen ähnlichen Werdegang hinter sich. Es handelt sich um Leute mit gehobener Bildung und angeschlossenem Studium und später dann auch dem entsprechend gehobenem Einkommen. Man definiert sich nur anders, "ich bin konservativ", "ich bin links", was bedeutet das heutzutage schon noch? Man guck' sich doch nur mal den ehemaligen Turnschuhminister Joschka Fischer an, wie er mit seiner Süßen zur Filmpremiere des neuen James Bond Filmes getigert ist! Meine Güte ist das ein Schicki-Micki-Pärchen! Minu mit Glitzer-Colt und Joschka mit langem Mantel, ein Bild für die Götter! (ich habe natürlich trotzdem nichts gegen die beiden, sondern nur laut gelacht als ich das Foto gesehen habe; zudem benutzt man für Neureiche in Frankreich im Moment gerne den Ausdruck "bling bling", womit man auf den Glitzerschmuck dieser Leute anspielen will...)
Nein, nein, eine Spaltung der Gesellschaft in links und rechts, Bobo oder Yuppie ist mir zuwider und unzeitgemäß, ich plädiere ohnehin für die bunte Durchmischung und den Abgeodneten ohne Parteibuch. Ich plädiere, kommt da etwa der Jurist in mir hoch? Und warum erzähle ich das alles überhaupt? Hat das irgend etwas mit Herman Dune zu tun?
Nun, ich denke schon. Denn wenn das hübsche Lied Stanley Brinks von Stanley Brinks formerly known as André Herman Düne,, dem Bruder und ehemaligen Bandkollegen von David- Ivar Herman Dune (genannt Yaya) authentisch ist, dann war die Mutter eine gebildete und studierte Schwedin, die malte und gerne um die Welt reiste, irgendwann ihren späteren Mann, einen Arzt und passionierten Gitarrespieler, kennnenlernte und mit ihm (unter anderem) André und David-Ivar zeugte. Spannend dieses Hin - und Hergerissensein zwischen bürgerlicher Existenz und Künstlerdasein! Geradezu eine Klischeebeschreibung für die Herkunft von Bobos! Selbstverständlich kommt dies auch in der Person und der Musik von David-Ivar Herman Dune zum Ausdruck. Wenn man den hageren Mann mit seinem Hütchen und dem rasputinschen Bart so sieht, könnte man ihn ja glatt für einen Penner halten, aber man weiß ja, daß dem nicht so ist. Und so spiegelt sich sein Wesen und seine Art auch im Publikum wider. Wenn ich nach links schaute, sah ich einen Mitdreißiger, der kerzengerade mit Hemd, Anzugshose und geputzten schwarzen Schühchen dastand, das feine Näschen ziemlich hoch trug und wichtig etwas in seinen Blackberry tippte und wenn ich den Kopf nach rechts drehte, sah ich einen verwuschelten Typen mit wildem Bart und Parka. Äußerlich unterschiedlich, aber letztlich doch der gleiche Menschenschlag! Der eine hat wahrscheinlich Wirtschaft, Medizin oder Recht studiert und der andere Geschichte, Philosophie und Poltikwissenschaften (man verzeihe mir meine klischeehaften Beschreibungen, aber der Artikel würde viel zu lang, wenn ich tiefgründiger erörtern würde. Und außerdem: Was weiß ich schon, ob die Kerle überhaupt studiert haben?!) Von Herman Dune fühlen sich sich beide angezogen.
Aber jetzt schluß mit dem Fabulieren, kommen wir endlich zur Musik!
Eröffnet wurde der Wohlfühlabend für Akademiker von den niedlichen Baby Skins. Mit säuglinghaften Skinheads hatte das Ganze zum Glück nichts zu tun, sondern es handelt sich um das Projekt zweier Amerikanerinnen, Angela und Crystal, die beide sangen und Gitarre spielten. Eine Augenweide diese Schnuckelchen, mit ihren Kleidchen, den hübschen Schuhen und den schönen Beinen. Auch ihre Stimmen waren äußerst lieblich und charmant, wer etwas mit Kimya Dawson, Au Revoir Simone, oder Isobel Campbell anfangen kann, wird sicherlich seine Freude an ihrer CD haben, die man hinterher am Merchandising- Stand kaufen konnte. Die beiden Süßen haben bereits ihre Stimmen auf dem Album Giant von Herman Dune erklingen lassen und auch mit Lisa Li- Lund, der Schwester von Yaya haben sie bereits zusammengearbeitet. Logisch, daß dann am Ende auch David-Ivar Dune sich höchstpersönlich die Ehre gab, um die jungen Frauen zu unterstützen. Mit dabei war auch Ben, der ehemalige Gitarrist des famosen und sträflich unterschätzten Pariser Duos Cyann & Ben, das sich inzwischen aufgelöst hat. Aber Ben hat in der Zwischenzeit zahlreiche neue Betätigungsfelder gefunden. Wenn er nicht gerade in der Band von Herman Dune spielt, ist er mit seinem taufrischen Projekt Yeti Lane unterwegs, daß ich bereits im Januar 2009 begutachten werde.
Als ich Ben auf der Bühne erblickte, mußte ich sofort an Sylvain aka Ludomatic (ein Bobo, Lieblingsschriftsteller Houellebecq, nachzulesen auf seinem MySpace Profil, Treffer!) denken, der für Cyann und Ben schon Videoclips gedreht hat. Ich habe den sehr sympathischen jungen Mann in der Flèche d'or kennengelernt, er ist auch Dokufilmer und hat für die inzwischen aufgelöste Band Hopper eine 30 minütige Reportage während ihrer diesjährigen China (!)- Tournee gefilmt. Ich fragte mich schon, ob ich Sylvain heute auch noch sehen würde und siehe da: In der Pause zwischen Vorgruppe und Hauptact kam er mit Profikamera angelaufen, gab mir ein Küsschen auf die Wange (das machen in Frankreich auch Männer untereinander, wenn sie sich mögen) und begab sich in den Fotograben. Wich ich erfuhr, würde er das Konzert von Herman Dune komplett filmen. Eine tolle Sache!
Circa gegen 21 Uhr konnte Ludomatic dann mit seiner Arbeit beginnen. David-Ivar kam nämlich auf die Bühne, genauso wie sein Drummer Neman, eine ganze Sektion Blechbläser (Trompete, Klarinette, Horn), Ben spielte wieder Gitarre und die Baby Skins waren für die lieblichen Background- Vocals zuständig. Eine richtige Kapelle war das also und die Damen und Herren sollten dem Publikum einen wunderbaren Abend bereiten!
Alles war wunderbar harmonisch, die Musik schwung-und stimmunsvoll und die Künstler auf der Bühne motiviert und mit Spaß bei der Sache. Im Grunde genommen war es ja eine Art Heimspiel für Yaya Dune, der sich oft in Paris aufhält und die Seine-Metropole, genau wie Berlin und New York zu seinen drei Hauptwohnsitzen zählt. Dune ist trotz seiner inzwischen eingetretenen Erfolge natürlich und zugänglich geblieben, oft schon gab er kleine Sessions in dem hervorragend sortierten Indie-CD und Plattenladen Ground Zero, der von Frank Pompidor, dem Schlagzeuger der Band HushPuppies mit Liebe und Hingabe geführt wird. Als vor ein paar Monaten die neue CD Next Year In Zion herauskam, ließ sich Yaya wieder dort blicken, für einen richtigen Auftritt reichte aber der Platz nicht und so signierte er halt eben vor Ort die Scheibchen. Von seinem Bruder André (jetzt Stanley Brinks) gibt es in dem Laden übrigens die größte Auswahl Frankreichs, sie haben so gut wie jede der unzähligen Werke vorrätig. Und auch auf der Bühne des altehrwürdigen Olympia zeiget er sich bescheiden und zog keine Show ab. Wenn er mal ein paar Worte auf französisch an das Publikum richtete, dann war er in seiner Wortwahl sehr knapp und wenig ausschweifend: "On est content d'être ici ce soir, c'est bien que vous êtes venus"- "Wir sind froh, daß wir heute abend hier sind und ihr alle gekommen seit".
Schon ein skuriler Vogel dieser David Ivar Herman Düne, wenn er da mit seinem Anzug und Hütchen über die Bühne trippelt, mal einen Abstecher zu seinem Gitarristen Ben, oder dem Drummer Neman macht, um sich schließlich wieder in Ruhe hinter dem Mikro zu postieren. Seine Stimme ist sehr markant, schräg und außergewöhnlich, er trifft allerdings jeden Ton und schafft es, die Vocals von den Platten nahezu perfekt wiederzugeben. Bei den einzelnen Stücken wird allerdings immer ein wenig improvisiert, man hört nie ganz genau die gleiche Version, die man vom Album her kennt, was ich sehr lobenswert finde, weil man ja ansonsten auch bei sich zu Hause die Scheibe laut hören könnte.
Die meisten Titel stammten von dem Opus Giant und natürlich dem aktuellen Output, aber es gab auch Stücke von Not On Top, meinem Lieblingsalbum des Künstlers. Besonders cool kam der Titeltrack, bei dem nicht nur der Rhythmus flott ist, sondern auch die Texte herrlich zynisch und selbstironisch:
"I feel a little strange
Feels like I'll never get my shit together
27 and I'm fucked
Well, it's 10 years from teenage
and that's a freaking lot
I think I'm getting old
and I thought I'd never say
that I bought Nevermind
and it changed my life"...
Yaya stand auf Nirvana, interessant, oder? Nicht das man das heute noch hören würde, aber der Bursche hat eine solche Musikkultur, daß einem ganz schwindelig wird! Sie reicht von seiner Lieblingsband The Velvet Underground (ein Einfluß, den man auch kaum erkennt), über die Beatles und Bob Dylan bis hin zu...Harry Belafonte! Und von dem Calypso- Einfluss Belafontes ist eine Menge zu spüren, irgendwo schwirrte in vielen Liedern des heutigen abends Angelina oder der Banana Boat Song rum. Aber auch deutliche Ähnlickeiten zu Calexico und deren Mariachi- Trompeten waren festzustellen, gerade bei dem neuen Material wie On A Saturday oder dem dem Laune machenden Titeltrack Next Year in Zion. Natürlich wurde auch der größte Hit von Giant, I Wish I Could See You Soon geschmettert, genauso Take Him Back To New York City und wenn ich mich recht entsinne 123 Apple Tree, nicht allerdings Bristol.
Erstaunlich, daß trotz all dieser euphorisierenden Lieder das Publikum nur schwerlich in die Gänge kam. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis die Leute zum ersten Mal richtig mitklatschten. Ansonsten waren die meisten eher ruhig und hüftsteif, was allerdings auch damit zu begründen war, daß man ziemlich eingekesselt stand. Zu viele Menschen auf zu engem Raum, da blieb kaum Platz für Bewegung, schade, schade!
Aber wenistens den verdienten lauten Beifall spendeten die Leute nach jedem Lied. Den größten Szenenapplaus erntete Yaya allerdings, als er sich die winzige Ukulele schnappte, um darauf ein Liedchen anzustimmen und auch in dem Moment, wo ein älterer Herr hinzutrat, der in eine Mundharmonika blies. Man merkt es schon: An unterschiedlichsten Instrumenten wurde nicht gespart und so wurde auch gut die einzige kleine Schwäche im Programm kompensiert. Die Tatsache nämlich, daß die Stimme von David- Ivar auf Dauer etwas eintönig und nervig werden kann.
Auch zur besten unter etlichen Zugaben kam schließlich ein kurioses Instrument zum Einsatz. Neman spielte nämlich bei dem tollen My Home Is Nowhere Without You auf der singenden Säge, was seinen belustigenden Effekt bei den Zuschauern natürlich nicht vefehlte.
Nach gut neunzig Minuten und mindestens 5 Zugaben war dann allerdings Schluß und ein grauer, verregneter Wintertag in Paris wesentlich freundlicher gestaltet!
Freut Euch also auf die Konzerte von Herman Dune in Deutschland! Hier sind die Termine:
04.12.2008: Feierwerk, München
05.12.2008: Fri Son, Fribourg, Schweiz
06.12.2008: Feuerwache, Mannheim
07.12.2008: Gloria, Köln
08.12.2008: Zeche, Bochum
09.12.2008: Columbiahalle, Berlin
11.12.2008: Fabrik, Hamburg
Da trifft es sich gut, wenn hier ein clochardhaft aussehender Typ wie Herman Dune spielt, der die Bobos von Paris anzieht wie ein Topf Honig die Bären. Bobos, was is'n das? Habe ich auf dieser Musikseite schon oft erklärt, aber für diejenigen, die uns nicht regelmäßig lesen: Bobo= Bohème-bourgeois (oder Bourgeois-bohème), übersetzt die bürgerlichen Künstler. Ein Menschenschlag, der in Paris weit verbreitet ist. Junge kreative Menschen, die oft bei Verlagen, Plattenlabels, oder in der Werbung tätig sind und bei ihren Klamotten Teile aus dem Secondhandladen mit Designerfummel mischen. Von Kopf bis Fuß mit Markenklamotten eingedeckt zu sein ist "bähh!", das überlässt man den Russen, oder den verpönten Neureichen im 8. Pariser Arrondissement, aber ein wenig Luxus soll es ja schon sein. Man nennt sie auch "La gauche caviar" = die Kaviarlinken, in wesentlichen Zügen vergleichbar mit der deutschen Toskanafraktion. Schwingen gerne Reden über die Probleme in der Pariser Banlieue, setzen in diese trostlosen Gegenden aber selten mal einen Fuß. Man kennt das ja alles. Sie lesen gerne Philippe Djian oder Houellebecq (man beachte, die beiden Schriftsteller haben auf ihrer Webseite immer elegant eine Kippe in der Hand, genau wie damals Camus und Gainsbourg) und ihr Lieblingsmagazin heißt "Les Inrockuptibles". Auch ich bin dort abonniert, weil ich vermutlich selbst Züge eines Bobos in mir trage. In den Inrocks, wie man abgekürzt sagt, kann man immer wieder interessante Kulturberichte lesen, man erfährt von neuen Bands, Kinofilmen und den in Frankreich sehr beliebten Comics für Erwachsene, BD- Bandes Dessinées, genannt. Es gibt auch einen Politikteil, in dem in jeder Ausgabe zu erfahren ist, was für ein dummer und inkompetenter Sack doch dieser Sarkozy ist, wie arrogant und doof seine Carla ist (die Heuchler vorher fanden sie die noch gut!) und dass Obama die gesamte zivilisierte Menschheit retten und Frieden, Gesundheit und Wohlstand für Amerika und die Welt bringen wird. Ich bin immer wieder verblüfft darüber, wie die Schreiberlinge dieses Blattes die Menschheit in Gut und Böse einteilt und welch einfältiger Formeln sie sich bedienen. Obwohl ich keineswegs Fan von Sarko bin und als Amerikaner höchstwahrscheinlich (nein sicher!) auch Obama gewählt hätte, würde ich mir doch eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema wünschen. Denn machen wir uns hier einmal nichts vor: Bobos und Yuppies sind im Grunde genommen der gleiche Menschenschlag. Beide Gesellschaftsgruppen kommen nämlich aus dem gleichen Lager, haben einen ähnlichen Werdegang hinter sich. Es handelt sich um Leute mit gehobener Bildung und angeschlossenem Studium und später dann auch dem entsprechend gehobenem Einkommen. Man definiert sich nur anders, "ich bin konservativ", "ich bin links", was bedeutet das heutzutage schon noch? Man guck' sich doch nur mal den ehemaligen Turnschuhminister Joschka Fischer an, wie er mit seiner Süßen zur Filmpremiere des neuen James Bond Filmes getigert ist! Meine Güte ist das ein Schicki-Micki-Pärchen! Minu mit Glitzer-Colt und Joschka mit langem Mantel, ein Bild für die Götter! (ich habe natürlich trotzdem nichts gegen die beiden, sondern nur laut gelacht als ich das Foto gesehen habe; zudem benutzt man für Neureiche in Frankreich im Moment gerne den Ausdruck "bling bling", womit man auf den Glitzerschmuck dieser Leute anspielen will...)
Nein, nein, eine Spaltung der Gesellschaft in links und rechts, Bobo oder Yuppie ist mir zuwider und unzeitgemäß, ich plädiere ohnehin für die bunte Durchmischung und den Abgeodneten ohne Parteibuch. Ich plädiere, kommt da etwa der Jurist in mir hoch? Und warum erzähle ich das alles überhaupt? Hat das irgend etwas mit Herman Dune zu tun?
Nun, ich denke schon. Denn wenn das hübsche Lied Stanley Brinks von Stanley Brinks formerly known as André Herman Düne,, dem Bruder und ehemaligen Bandkollegen von David- Ivar Herman Dune (genannt Yaya) authentisch ist, dann war die Mutter eine gebildete und studierte Schwedin, die malte und gerne um die Welt reiste, irgendwann ihren späteren Mann, einen Arzt und passionierten Gitarrespieler, kennnenlernte und mit ihm (unter anderem) André und David-Ivar zeugte. Spannend dieses Hin - und Hergerissensein zwischen bürgerlicher Existenz und Künstlerdasein! Geradezu eine Klischeebeschreibung für die Herkunft von Bobos! Selbstverständlich kommt dies auch in der Person und der Musik von David-Ivar Herman Dune zum Ausdruck. Wenn man den hageren Mann mit seinem Hütchen und dem rasputinschen Bart so sieht, könnte man ihn ja glatt für einen Penner halten, aber man weiß ja, daß dem nicht so ist. Und so spiegelt sich sein Wesen und seine Art auch im Publikum wider. Wenn ich nach links schaute, sah ich einen Mitdreißiger, der kerzengerade mit Hemd, Anzugshose und geputzten schwarzen Schühchen dastand, das feine Näschen ziemlich hoch trug und wichtig etwas in seinen Blackberry tippte und wenn ich den Kopf nach rechts drehte, sah ich einen verwuschelten Typen mit wildem Bart und Parka. Äußerlich unterschiedlich, aber letztlich doch der gleiche Menschenschlag! Der eine hat wahrscheinlich Wirtschaft, Medizin oder Recht studiert und der andere Geschichte, Philosophie und Poltikwissenschaften (man verzeihe mir meine klischeehaften Beschreibungen, aber der Artikel würde viel zu lang, wenn ich tiefgründiger erörtern würde. Und außerdem: Was weiß ich schon, ob die Kerle überhaupt studiert haben?!) Von Herman Dune fühlen sich sich beide angezogen.
Aber jetzt schluß mit dem Fabulieren, kommen wir endlich zur Musik!
Eröffnet wurde der Wohlfühlabend für Akademiker von den niedlichen Baby Skins. Mit säuglinghaften Skinheads hatte das Ganze zum Glück nichts zu tun, sondern es handelt sich um das Projekt zweier Amerikanerinnen, Angela und Crystal, die beide sangen und Gitarre spielten. Eine Augenweide diese Schnuckelchen, mit ihren Kleidchen, den hübschen Schuhen und den schönen Beinen. Auch ihre Stimmen waren äußerst lieblich und charmant, wer etwas mit Kimya Dawson, Au Revoir Simone, oder Isobel Campbell anfangen kann, wird sicherlich seine Freude an ihrer CD haben, die man hinterher am Merchandising- Stand kaufen konnte. Die beiden Süßen haben bereits ihre Stimmen auf dem Album Giant von Herman Dune erklingen lassen und auch mit Lisa Li- Lund, der Schwester von Yaya haben sie bereits zusammengearbeitet. Logisch, daß dann am Ende auch David-Ivar Dune sich höchstpersönlich die Ehre gab, um die jungen Frauen zu unterstützen. Mit dabei war auch Ben, der ehemalige Gitarrist des famosen und sträflich unterschätzten Pariser Duos Cyann & Ben, das sich inzwischen aufgelöst hat. Aber Ben hat in der Zwischenzeit zahlreiche neue Betätigungsfelder gefunden. Wenn er nicht gerade in der Band von Herman Dune spielt, ist er mit seinem taufrischen Projekt Yeti Lane unterwegs, daß ich bereits im Januar 2009 begutachten werde.
Als ich Ben auf der Bühne erblickte, mußte ich sofort an Sylvain aka Ludomatic (ein Bobo, Lieblingsschriftsteller Houellebecq, nachzulesen auf seinem MySpace Profil, Treffer!) denken, der für Cyann und Ben schon Videoclips gedreht hat. Ich habe den sehr sympathischen jungen Mann in der Flèche d'or kennengelernt, er ist auch Dokufilmer und hat für die inzwischen aufgelöste Band Hopper eine 30 minütige Reportage während ihrer diesjährigen China (!)- Tournee gefilmt. Ich fragte mich schon, ob ich Sylvain heute auch noch sehen würde und siehe da: In der Pause zwischen Vorgruppe und Hauptact kam er mit Profikamera angelaufen, gab mir ein Küsschen auf die Wange (das machen in Frankreich auch Männer untereinander, wenn sie sich mögen) und begab sich in den Fotograben. Wich ich erfuhr, würde er das Konzert von Herman Dune komplett filmen. Eine tolle Sache!
Circa gegen 21 Uhr konnte Ludomatic dann mit seiner Arbeit beginnen. David-Ivar kam nämlich auf die Bühne, genauso wie sein Drummer Neman, eine ganze Sektion Blechbläser (Trompete, Klarinette, Horn), Ben spielte wieder Gitarre und die Baby Skins waren für die lieblichen Background- Vocals zuständig. Eine richtige Kapelle war das also und die Damen und Herren sollten dem Publikum einen wunderbaren Abend bereiten!
Alles war wunderbar harmonisch, die Musik schwung-und stimmunsvoll und die Künstler auf der Bühne motiviert und mit Spaß bei der Sache. Im Grunde genommen war es ja eine Art Heimspiel für Yaya Dune, der sich oft in Paris aufhält und die Seine-Metropole, genau wie Berlin und New York zu seinen drei Hauptwohnsitzen zählt. Dune ist trotz seiner inzwischen eingetretenen Erfolge natürlich und zugänglich geblieben, oft schon gab er kleine Sessions in dem hervorragend sortierten Indie-CD und Plattenladen Ground Zero, der von Frank Pompidor, dem Schlagzeuger der Band HushPuppies mit Liebe und Hingabe geführt wird. Als vor ein paar Monaten die neue CD Next Year In Zion herauskam, ließ sich Yaya wieder dort blicken, für einen richtigen Auftritt reichte aber der Platz nicht und so signierte er halt eben vor Ort die Scheibchen. Von seinem Bruder André (jetzt Stanley Brinks) gibt es in dem Laden übrigens die größte Auswahl Frankreichs, sie haben so gut wie jede der unzähligen Werke vorrätig. Und auch auf der Bühne des altehrwürdigen Olympia zeiget er sich bescheiden und zog keine Show ab. Wenn er mal ein paar Worte auf französisch an das Publikum richtete, dann war er in seiner Wortwahl sehr knapp und wenig ausschweifend: "On est content d'être ici ce soir, c'est bien que vous êtes venus"- "Wir sind froh, daß wir heute abend hier sind und ihr alle gekommen seit".
Schon ein skuriler Vogel dieser David Ivar Herman Düne, wenn er da mit seinem Anzug und Hütchen über die Bühne trippelt, mal einen Abstecher zu seinem Gitarristen Ben, oder dem Drummer Neman macht, um sich schließlich wieder in Ruhe hinter dem Mikro zu postieren. Seine Stimme ist sehr markant, schräg und außergewöhnlich, er trifft allerdings jeden Ton und schafft es, die Vocals von den Platten nahezu perfekt wiederzugeben. Bei den einzelnen Stücken wird allerdings immer ein wenig improvisiert, man hört nie ganz genau die gleiche Version, die man vom Album her kennt, was ich sehr lobenswert finde, weil man ja ansonsten auch bei sich zu Hause die Scheibe laut hören könnte.
Die meisten Titel stammten von dem Opus Giant und natürlich dem aktuellen Output, aber es gab auch Stücke von Not On Top, meinem Lieblingsalbum des Künstlers. Besonders cool kam der Titeltrack, bei dem nicht nur der Rhythmus flott ist, sondern auch die Texte herrlich zynisch und selbstironisch:
"I feel a little strange
Feels like I'll never get my shit together
27 and I'm fucked
Well, it's 10 years from teenage
and that's a freaking lot
I think I'm getting old
and I thought I'd never say
that I bought Nevermind
and it changed my life"...
Yaya stand auf Nirvana, interessant, oder? Nicht das man das heute noch hören würde, aber der Bursche hat eine solche Musikkultur, daß einem ganz schwindelig wird! Sie reicht von seiner Lieblingsband The Velvet Underground (ein Einfluß, den man auch kaum erkennt), über die Beatles und Bob Dylan bis hin zu...Harry Belafonte! Und von dem Calypso- Einfluss Belafontes ist eine Menge zu spüren, irgendwo schwirrte in vielen Liedern des heutigen abends Angelina oder der Banana Boat Song rum. Aber auch deutliche Ähnlickeiten zu Calexico und deren Mariachi- Trompeten waren festzustellen, gerade bei dem neuen Material wie On A Saturday oder dem dem Laune machenden Titeltrack Next Year in Zion. Natürlich wurde auch der größte Hit von Giant, I Wish I Could See You Soon geschmettert, genauso Take Him Back To New York City und wenn ich mich recht entsinne 123 Apple Tree, nicht allerdings Bristol.
Erstaunlich, daß trotz all dieser euphorisierenden Lieder das Publikum nur schwerlich in die Gänge kam. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis die Leute zum ersten Mal richtig mitklatschten. Ansonsten waren die meisten eher ruhig und hüftsteif, was allerdings auch damit zu begründen war, daß man ziemlich eingekesselt stand. Zu viele Menschen auf zu engem Raum, da blieb kaum Platz für Bewegung, schade, schade!
Aber wenistens den verdienten lauten Beifall spendeten die Leute nach jedem Lied. Den größten Szenenapplaus erntete Yaya allerdings, als er sich die winzige Ukulele schnappte, um darauf ein Liedchen anzustimmen und auch in dem Moment, wo ein älterer Herr hinzutrat, der in eine Mundharmonika blies. Man merkt es schon: An unterschiedlichsten Instrumenten wurde nicht gespart und so wurde auch gut die einzige kleine Schwäche im Programm kompensiert. Die Tatsache nämlich, daß die Stimme von David- Ivar auf Dauer etwas eintönig und nervig werden kann.
Auch zur besten unter etlichen Zugaben kam schließlich ein kurioses Instrument zum Einsatz. Neman spielte nämlich bei dem tollen My Home Is Nowhere Without You auf der singenden Säge, was seinen belustigenden Effekt bei den Zuschauern natürlich nicht vefehlte.
Nach gut neunzig Minuten und mindestens 5 Zugaben war dann allerdings Schluß und ein grauer, verregneter Wintertag in Paris wesentlich freundlicher gestaltet!
Freut Euch also auf die Konzerte von Herman Dune in Deutschland! Hier sind die Termine:
04.12.2008: Feierwerk, München
05.12.2008: Fri Son, Fribourg, Schweiz
06.12.2008: Feuerwache, Mannheim
07.12.2008: Gloria, Köln
08.12.2008: Zeche, Bochum
09.12.2008: Columbiahalle, Berlin
11.12.2008: Fabrik, Hamburg
1 Kommentare :
schön, dass du "giant" betonst. ein album, das leider etwas untergegangen ist, nachdem die ersten kritiken ein eher negatives bild gezeichnet hatten. ich liebe seine herausragenden melodien. dagegen bräuchte ich wohl für das neue werk nachhilfe. kommt irgendwie nicht in die gänge.
ein schöner artikel, oliver, mit persönlichen ein- und ansichten, wie ich es liebe.
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