Dienstag, 20. Februar 2007

Guillemots, Paris, 19.02.07

Konzertbericht Guillemots
Datum: 19.02.2007

Ort: La Maroquinerie, Paris

Zuschauer: wahrscheinlich ausverkauft, trotz des Rauchverbots


Seit circa zwei Wochen herrscht in der Maroquinerie striktes Rauchverbot, so daß man den kleinen Kellerraum inzwischen auch ohne Gasmaske betreten kann. Eine zu begrüßende Maßnahme, wenn auch zum Unmut der Qualmer. Für frischen Wind war heute abend aber ohnehin gesorgt, denn die prickelnden, in London beheimateten Guillemots standen auf dem Programm. Zuvor hatte ich allerdings den Auftritt des nordirischen Rastafarians Duke Special erwartet. Statt des barocken Zöpfchenträgers erspähte ich aber eine junge Dame am Piano, die melancholische Lieder im Stile einer Cat Power vortrug. Auf meine Nachfrage hin, konnte mir keiner der Zuschauer sagen, wer das denn wohl war. Sei's drum!

Die Guillemots sollten ohnehin abendfüllend genug sein...

Los ging es ganz romantisch mit "Come away with me", mit der markanten
Songzeile "Will you recognize my face", welches, wie auf dem Debütalbum, irgendwann in das ungleich flottere "Through the windowpane" überging. Hier konnte man sofort die Stärken der Band erkennen, die da wären: spritzige, frische Popmelodien, eine überaus reiche Instrumentierung, prompte Tempo- und Stilwechsel und die mal sanfte, mal hysterische Stimme von Bandchef Ffyfe Dangerfield. Letzgenannter stellte sich dann auch dem Publikum vor und kramte dabei Reste seines Schulfranzösisch hervor. "Excuse me please for my bad French, but the English education system is so bad", stammelte er ein wenig verlegen.

Das war wohl auch ein wenig "Fishing for compliments", denn sein Französisch war eigentlich ganz passabel. Anbiedernd fand ich die Bemerkung aber nicht, sondern eher charmant und humorvoll. Und Humor hat er, der Fyfe: so führte er dem belustigten Publikum die Möglichkeiten seines riesigen Keyboards vor und drückte in bester Stefan Raab-Manier verschiedene Tasten, die dann mitunter obszöne Samplegeräusche von sich gaben. Da hörte man dann das Stöhnen einer Frau, gefolgt von den Balzgeräuschen eines erregten Mannes. Die Leute wieherten vor Vergnügen. Aber auch und vor allem musikalisch war es eine Freude den sechs Leuten auf der Bühne zuzusehen. Nach dem an dritter Stelle gebrachten "Go away", kamen hintereinander mehrere neue Songs unter anderem der "Lovesong", den er als einen "Sexy song" anpries. "Zumindest ist es das, was ich als sexy empfinde", schob er hinterher. Mit dem Thema "Sex" hatte Fyfe dann einen Aufhänger gefunden, weitere Scherze hierzu folgen zu lassen. "Damit ihr es wißt, wir haben untereinander immer Gruppensex!" Das ging der niedlichen Kontrabassistin Aristazabal Hawkes dann aber doch zu weit, denn sie schüttelte verneinend energisch ihr süßes Köpfchen. Ach, überhaupt diese Aristazabal, eine Augenweide, ich konnte gar nicht meinen Blick von ihr lassen! Besser jedenfalls als den ziemlich häßlichen Drummer anzusehen! Aber Schluß jetzt mit den Anzüglichkeiten! Zurück zur Musik! Nach den in der Setlist auffindbaren neuen Songs des Mittelteils kam mit "Annie, let's not wait" auch mal wieder ein Lied, das ich kannte. Auch "Annie" im übrigen wieder eine dieser spritzigen Pop-Perlen. Mein persönlicher Favorit auf dem Album ist aber "We're here", das dann auch energisch vom Publikum gefordert wurde. Nett, wie er ist, ging Fyfe dann auch auf den Vorschlag ein. "O.K., the next song is called: 'We're here'". Zu meiner kleinen Enttäuschung wurde dieser Titel dann aber vom Sänger allein in einer Unplugged-Version geboten. Andererseits ist das aber auch das Schöne an den Guillemots. Ich sah sie zum dritten Male und jedes Konzert hörte sich anders an. Immer interpretierten sie die Lieder ganz neu, ohne aber den roten Faden zu verlieren, wenn es auch das ein oder andere mal fast in Richtung Free-Jazz ging. Krönender Abschluß war dann, wie auf dem Album das fulminante Sao Paolo, welches immer wieder neue Überraschungen brachte. Das Publikum ragierte darauf mit einem langanhaltenden Applaus, der so energisch war, daß Fyfe schließlich mit einem kleinen Keyboard in der Hand noch einmal auf die Bühne kam und die Ballade "Blue would still be blue" vortrug. Danach war aber wirklich Schluß und ich ging in der Gewissheit nach Hause einer der interessantesten Bands aus England gesehen zu haben, mögen die Lästerer sagen, was sie wollen.

Setlist:
01: Come away with me
02: Windowpane
03: Go away
04: Lovesong
05: Sea out
06. Big dog
07: Words
08: 21st of May
09: She's evil
10: Annie
11: Lost star
12: We're here
13: Redwings
14: Trains
15: Sao Paulo

16: Blue would still be blue (Z)

von Oliver



5 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Ich oute mich als Lästerer! :-)

PS: Das Schulsystem als Grund für sein schlechtes Deutsch hatte auch schon Sufjan Stevens genannt. Das scheint aus dem Lehrbuch für Ansagen auf der Bühne zu stammen!

Oliver Peel hat gesagt…

Christoph,

Hast Du Dir eigentlich mal die MySpace-Seite der Guillemots angesehen?- Sie verwenden Lego-Männchen!

Christoph hat gesagt…

Natürlich! Daher habe ich gleich auf "Freund werden" geklickt!

Wie findest Du den Link zu "Annie"? Ich mußte sehr lachen, als ich den gefunden habe.

Oliver Peel hat gesagt…

Was? Aristazabal soll eine Romanze mit Johnny Borrell haben? Is ja n Ding!

Ach so, Link zu Pferdegesicht gefunden...

Oliver Peel hat gesagt…

Inzwischen habe ich herausgefunden, wer die Dame war, die am Piano das Vorprogramm bestritten hat. Es handelte sich um Marie Modiano, die singende Tochter des berühmten Schriftstellers.

 

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