Konzert: Dream Wife
Ort: Blue Shell, Köln
Datum: 15.03.2018
Dauer: ca. 60 min
Zuschauer: wohl (nahezu) ausverkauft
"Du bist groß. Die Leute hinter dir können nichts sehen. Du weißt, was das heißt?" Am Anfang wurde nur der Mann direkt vor der Sängerin gebeten, zur Seite zu gehen, vor Somebody ("this song is very special for us") der Rest. Alle Männer in den ersten Reihen sollten Platz für die "bad bitches" im Publikum machen - und einige taten sich damit sichtbar schwer. Es dauerte minutenlang, bis die nicht schrecklich komplizerte Vorgabe ("keine Männer in den ersten drei Reihen") umgesetzt war. Rücksichtslosigkeit ist bei Konzerten häufiger als gute Vorgruppen und meist ein männliches Problem. "It's not your time now. Thank you for being respectful but get the fuck away."
Obwohl Rakel Mjöll das Publikum gut sortierte ("ich wäre eine gute Schäferin"), erzeugte das Umverteilen einen Bruch im Konzert. Vorher war die Stimmung brillant, danach auch wieder, die fünf Minuten dazwischen waren zäh. Mich hätte die Rede der isländischen Frontfrau nur gestört, wenn sie mich auf Rücksichtslosigkeit angesprochen hätte, nur war das Timing nicht perfekt. Vor dem Konzert wäre es besser gewesen. Allerdings hätte sich dann wohl kein Mann dran gehalten. qed
Dream Wife hatte ich 2016 beim Iceland Airwaves schon sehen wollen, dort spielte die Londoner Band einige Male. Dummerweise waren all die Konzerte parallel zu anderen Pflichtterminen, also blieb uns nur der letzte Auftritt im ersten Stock einer Kneipe. Als wir da ankamen, war der Laden so voll, daß wir schon auf der Treppe scheiterten. Seitdem stehen Dream Wife auf meiner Wunschliste, umso glücklicher war ich, daß die Band im Blue Shell spielen würde. Mittlerweile sind Dream Wife auch fürs Indietracks bestätigt, da ich da aber nie weiß, welche zukünftige Lieblingsband da parallel spielen könnte, wollte ich kein Risiko eingehen und kaufte kurzfristig ein Ticket für Köln. Das erschien mir nicht riskant, voll würde es schon nicht werden.
Vermutlich hatte ich eine der letzten Karten bekommen, das Blue Shell war zum Start der Hauptgruppe knallvoll. Dream Wife wurden ursprünglich als Fakeband im Rahmen eines Kunstprojekts am Art College in Brighton gegründet. Für eine Ausstellungseröffnung, auf der die "90er Jahre Girlband aus Kanada" auftreten sollte, schrieben Rakel, Gitarristin Alice Go und Bassistin Bella Podbadec einige Songs. Das funktionierte so gut, daß Dream Wife eine echte Band wurden und... in Kanada tourten. 2018 erschien die Debütplatte - und die nächsten großen Touren.
Dream Wife sind eine unter sehr vielen jungen britischen DIY-Punkbands, sie sind aber trotz der vielen Referenzen, die ihre Musik sofort hervorruft, so besonders, daß sie hängenbleiben. Das Set war fantastisch, die Songs taugen viel. Gerade daß man in jedem Stück etwas anderes erkennt, ohne eine Coverband zu sehen, gefiel mir. Kaum erinnerte mich etwas an Blondie, spielten Dream Wife ein kurzes One way or another, als ich daran dachte, daß Spice Grrrls auch ein gute Bandname sei, bauten sie Wannabe (in F.U.U.) ein. Der Manifest-Charakter des Stücks erinnerte mich an Savages, es war viel Sleater-Kinney zu hören, Gitarre und Bass waren meist so herrlich postpunkig, wie ich das zuletzt bei Shopping gehört habe. Bei Lolita spielte die isländische Sängerin mit Björk-Vorurteilen, denen sie vermutlich oft begegnet und variierte den Beginn des Stücks im Vergleich zur Albumversion um einen björkischen Gesang am Anfang.
Ich hatte ganz andere Erwartungen an den Abend. Ich hatte mit einem netten punkige Konzert gerechnet. Aber die Vehemenz mit der die drei Frauen und ihr männlicher Schlagzeuger ihre ausgezeichneten Lieder spielten, war das, was hängenbleibt. Wie gut wären die erst, wenn sie schon seit zehn Jahren eine Band wären und sich nicht erst 2016 für eine Ausstellung gegründet hätten!
Setlist Dream Wife, Blue Shell, Köln:
01: Hey heartbreaker
02: Lolita
03: Fire
04: Spend the night
05: Everything
06: Love without reason
07: Kids
08: Somebody
09: Right now
10: Act my age
11: One way or another (Blondie Cover)
12: F.U.U.
13: Let's make out
3 Kommentare :
Sind Dream Wife nicht zu rockig für das Indietracks?
Nein, DIY-Punkbands spielen da schon immer.
Sind die wirklich so DIY? Ich sehe eine massive Promowelle, die eher dagegen spricht. Über die musikalischen Qualitäten kann ich freilich nichts sagen, habe sie noch nie live gesehen.
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