Dienstag, 8. Dezember 2009

Julian Plenti, Köln, 08.12.09


Konzert: Julian Plenti
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 08.12.2009
Zuschauer: leider bei weitem nicht ausverkauft
Dauer: Julian Plenti gut 60 min, I'm In You 40 min


Wäre Köln heute abend von einer großen Flutwelle verschluckt worden, die amerikanische Indieszene hätte viele ihrer großen Namen verloren. In verschiedenen Clubs der schönsten Stadt Deutschlands spielten nämlich Josh Homme, Dave Grohl, Mark Lanegan und Julian Plenti, der als Paul Banks Frontmann von Interpol ist. Im Fall des jüngsten der Liste war es allerdings kein Club, sondern eine Kirche, in der das Konzert stattfand, obwohl auch Julian sich da offenbar nicht ganz sicher war ("it's nice to be at this ... venue again!").

Daß die Konkurrenz der neuen super Supergroup Them Crooked Vultures (im ausverkauften Palladium) und der Soulsavers mit Mark Lanegan im Gebäude 9 so groß sein würde, daß die KulturKirche nicht voll sein würde, hatte ich vollkommen unterschätzt. Aber vielleicht ist das Soloprojekt unseres Manns bei Interpol auch einfach nicht bekannt genug, um genügend Leute zu finden, die den sehr happigen Eintrittspreis dafür bezahlen würden. Wir jedenfalls waren wegen des erwarteten Ansturms früh da und hatten viel Zeit für Spekulationen. Dabei waren wir uns bei ein paar Sachen absolut sicher: Paul-Julian würde kurz spielen, maximal 45 Minuten, definitiv nichts von Interpol und aus Eitelkeit auch nichts von fremden Künstlern. Wir kennen doch schließlich unsere Pappenheimer.

Vor der noch sehr leeren Kirche begannen zunächst aber andere New Yorker. I'm In You hieß die fünfköpfige Band, die Julian Plenti supporten durfte. Die Band besteht
aus zwei abwechselnd singenden Gitarristen, einer Geigerin, einem Bassisten und einem Schlagzeuger. Unsere Assoziationen, wem die Musik der Amerikaner glich, waren unterschiedlich. Ich hörte Pavement, die Pixies und die Talking Heads raus, wir waren uns aber darüber einig, daß sie nicht originell und schnell langweilig waren.

Aber I'm In You waren pünktlich. Sie begannen um acht und räumten nach vierzig Minuten die Bühne.

Julian Plenti dagegen ließ uns ein paar Minuten warten. Auch das war zu erwarten. Ein divenhafter Ex-Supermodel-Freund (oder Supermodel-Exfreund?) macht das
eben so. Nachdem ihn der Gemeindepfarrer Thomas Diederichs angekündigt hatte, kamen irgendwann Julian mit Schlagzeuger, Bassist, zweitem Gitarristen und Cellisten auf die Bühne. Der Sänger trug eine große Brille und einen Kapuzenpulli, wenig divenhaft schon einmal.

Es begann ohne den großen Trumpf seiner Musik, seine überragende, immer etwas nörgelnd klingende Stimme. Stattdessen wurde ein Cover gespielt, das Julian Plenti später als Stück des verstorbenen J Dilla benannte. Erst danach kam seine eigene Musik, Stücke vom Album Julian Plenti is... Skyscraper.

Die KulturKirche gehört vermutlich zu den am schwersten zu beschallenden "Venues" in Köln. Als Julian mit Interpol vor drei (?) Jahren hier aufgetreten ist, war der Sound wohl je nach Standort alles andere als gut. Heute klang alles brillant, Julians Gesang und die Instrumente seiner Band waren sehr ordentlich aufeinander abgestimmt und waren komplett und deutlich definiert zu hören. Auch wenn ich es sehr mochte, wie der
Bass klang, wie das Cello zum Gesamteindruck beitrug, ist natürlich die Stimme das einzigartige Element seiner Musik. Auch wenn sie an ein, zwei Stellen etwas brüchig klang (bei einem Lied war mir das aufgefallen; das einzige Wimpernhaar in der Suppe), fesselte sie mich sofort wieder. Sagenhaft, wie der Musiker Zeilen wie "you must be my rival, I remember your face" singt!

Seine Soloplatte ist wegen seiner Stimme zwar klar als Paul-Banks-Interpol-Krams zu identifizieren, unterscheidet sich ansonsten aber schon deutlich von den Stücken seiner Hauptband. Auf Julian Plenti is... Skyscraper gibt es wenige Interpolmomente, Lieder, die auch da Verwendung finden könnten. Fun that we have ist einer von denen. Aber obwohl mir das Stück heute mit am besten gefiel, sind eben auch die nur stimmlich an die große Bürde erinnernden Titel durchweg überragend, da muß man nichts herausheben, wirklich nicht!

Also kümmere ich mich mehr um die musikalisch überraschenden Momente ("
und aus Eitelkeit auch nichts von fremden Künstlern"). Als nach dem wundervollen On the esplanade "and there ain't no day" genörgelt wurde, brauchte ich einen Moment, um die Pixies zu erkennen. Julian Plenti interpretierte das von Kim Deal gesungene Into the white grandios! Vor einigen Wochen hatte ich das Original in Frankfurt live gesehen, das Cover stand dem aber in nichts nach, etwas, daß bei Pixies-Titeln eigentlich nicht geht. Das nächste Cover war ein kurzes. Nächste Woche soll es kalt werden. Der in England geborene New Yorker zog das vor und stimmte ein kurzes Let it snow an, das in einem Lied namens Goodbye Toronto mündete, das ich nicht kannte, vermutlich ein neuer Song? Let it snow passte auch so gar nicht in mein Bild der Interpoldiva, ich sollte dringend an meinen Vorurteilen arbeiten! Goodbye Toronto gefiel mir übrigens sehr gut!

Das Stück beendete das reguläre Set nach etwa 45 Minuten. Recht schnell erschienen Julian und seine vier Begleiter, deren genuschelten Namen ich leider nicht verstanden habe, aber wieder. Wie schon zu Beginn wurde auch der Zugabenblock mit einem Instrumentalstück eröffnet, H vom Album. Danach
folgte schon wieder ein Cover, diesmal eines, dessen Original ich nicht mag, Horse with no name (von der Fetenhits "Oldies"). Immerhin wussten wir hinterher nicht, von wem das Original noch einmal stammte. Mein Tip "Eagles" war schnell als blödsinnig geoutet ("die hatten nur einen Hit"). Jedenfalls gut für die Credibility, daß wir uns so unsicher waren. Fies beim Original finde ich das "La la la", ein Stilelement, das ich eigentlich bei Musik liebe. Julian scheint das auch nicht zu mögen, der Refrain wurde durch Gitarren ersetzt...

Etwas Eigenes zum Abschluß (Games for days), und das Konzert war nach gut einer Stunde beendet ("
würde kurz spielen, maximal 45 Minuten"). Die einzige meiner Erwartungen, die erfüllt wurde, war die an die Güte des Auftritts. Genauso hatte ich mir das erhofft, als ich die Platte liebengelernt habe. Da nutzt jemand nicht bloß seinen guten Namen, um auch solo noch ein paar Dollar extra zu verdienen.

Nur eines war ein wenig fies: das Gepose des ansonsten ganz bestimmt hervorragenden Gitarristen. Ich vermute, er hat einen Heavyhintergrund, er ließ zumindest kaum eine Chance aus, albern durch den Altarraum zu laufen. Eigentlich fehlte nur ein theatralisches Aufdiekniefallen. Aber auch er schaffte es nicht, trotz aller Bemühungen, den tollen Gesamteindruck zu versauen! Julian Plenti is... unbedingt sehenswert!

Setlist Julian Plenti, KulturKirche, Köln:

01: Mythsizer (J Dilla Cover)
02: Fly as you might
03: No chance survival
04: Fun that we have
05: Girl on the sporting news
06: Madrid song
07: Unwind
08: Only if you run
09: On the esplanade
10: Into the white (Pixies Cover)
11: Skyscraper
12: Goodbye Toronto (mit Let it snow)

13: H (Z)
14: A horse with no name (America Cover) (Z)
15: Games for days (Z)



7 Kommentare :

Christina hat gesagt…

Horse with no name ist doch super!

Ex-Freund? Habe ich was verpasst? Habe in den letzten Wochen keine InTouch gekauft...

Christoph hat gesagt…

Ich mag das nicht, ich mag aber auch keine Pferde.

Das habe ich hier aufgeschnappt: http://blogs.lesoir.be/festivals/2009/09/16/paul-banks-s%E2%80%99eclipse-d%E2%80%99interpol-sous-le-nom-de-julian-plenti/

Christina hat gesagt…

Ich doch auch nicht, aber ich mag Pferdelieder!

Tatsächlich findet man im Internet öfters sowas wie "was romantically linked...". Ich dachte, eine Trennung der beiden wäre zumindest mal eine Meldung auf der gmx Startseite oder so Wert gewesen. Mmmmh.

Christoph hat gesagt…

Am Ringfinger der rechten Hand trug er einen goldenen Ring. Daher habe ich das im Text auch sehr vage gehalten mit "Ex". Wir brauchen bessere Quellen!

Christina hat gesagt…

google-Suche nach Paul Banks Helena Christensen Split brachte keine definitiven Ergebnisse. Irgendwo wird er als ihr on/off Boyfriend bezeichnet.

Nelle hat gesagt…

@Christina:
In der BBC Introducing-Sendung von Huw Stephens ging es vor kurzem um Lieder von und mit Pferden. Leider ist die Sendung nicht mehr online verfügbar. Hätte nur noch die Podcastversion im Angebot, die aber stark gekürzt ist.

oliver s. hat gesagt…

im uebrigen auch die soulsavers (das xyz'ste projekt vom untriebigen herren) waren riesig, zumindest als support vor DM. wesentlich besser als auf platte. sehr stimmig und duester.

 

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