Konzert: Giorgio Moroder / Klaus Fiehe DJ-Sets
Ort: Essen, Kreuzeskirche
Datum: 07.11.2015
Dauer: 60 + 90min
Zuschauer: 600
Zum 12. Geburtstag des "Hotel Shanghai" in Essen machte sich Veranstalter ein großzügiges Geschenk. 2 DJ`s die zusammen um die 134 Jahre alt sind. Wer dafür nach Essen kommen soll? Ganz schön viele, immerhin waren Radiolegende Klaus Fiehe als Support und der König der Producer Giorgio Moroder als Hauptakt engagiert worden. Das das Ganze auch noch in einer tollen Kirche mitten in Essen stattfand, machte die Entscheidung noch leichter.
Die Kreuzeskirche ist ein imposanter Bau, wohl noch nicht entweiht aber trotzdem Ort der Begegnung aller Arten von Kultur und Kunst. Komplett in weiss verputzt und ohne Bankreihen erinnert nur noch das schlichte Kreuz und die Orgel auf der Empore an klassische Gottesdienste.
Klaus Fiehe, einer der letzten Musikautoren des Formatradios und das Musik-Gehirn des zuletzt, nach erneuter Programmumstellung leider etwas verblichenen Jugendsenders 1LIVE in Nordrhein Westfalen, eröffnet den Abend mit seinen zunächst gewohnt sphärischen Beats, die meistens dem Dubstep und Trip-hop entliehen sind. Fiehe, dessen Sendung sich wie ein Radiokrimi um die locker gesponnenen Geschichten seiner Woche dreht, um von dort aus Fixpunkte für die Auswahl der Tracks herzustellen, kommt mit seiner Musikauswahl hier voll zur Geltung.
Nicht immer sind alle Übergänge und mutigen Wechsel gelungen, aber er präsentiert wie im Radio Musik die scheinbar zusammenhanglos ins Leere läuft um dann durch einzelne, prägnante Wendungen doch zu fesseln.. Kein Track wirkt verschenkt, auch wenn alle CD`s lose verstreut vor ihm liegen, hier zählt nur das Bauchgefühl, der richtige Moment, keine strategischen Überlegungen oder Anbiederung an seine Zuhörer. Daher ist seine Wahl als Support viel mutiger als gedacht. Denn Moroders Musik zielt nur auf den Effekt, den zufriedenen Kunden, und entlarvt ihn so später nachträglich als Rattenfänger im Rentenalter.
Er betritt winkend und lachend die Bühne und viel mehr wird auch in den nächsten 90 Minuten nicht mehr passieren. Der Mann ist 74 Jahre alt, hat nach eigener Aussage in Interviews in den letzten 20-25 Jahren mehr Kreuzworträtsel gelöst als Musik gemacht. Daher fehlt es natürlich an einigem technischen Verständnis. Ein Apple-Laptop steht natürlich bereit, ansonsten bleibt außer einem Fader für das Mikro für kurzen Ansagen nichts zu tun.
In dieser Hinsicht bewegt sich Moroder natürlich auf dem neuesten Stand der Auflegerszene. Seine jungen Nachfolger lassen sich ja zur Zeit auch nur in zwei Lager einteilen. Die reinen USB-DJ´s, die ebenfalls nichts anbrennen lassen und die Kollegen die über die erstgenannten lauthals schimpfen. Erfolgreicher ist natürlich die erste Kategorie.
Warum hat Moroder nun einen solchen Einfluss auf unsere Zeit, und warum war er seiner Zeit so weit voraus? Wenn man sein Set heute Abend hört ist es eigentlich ganz einfach. Moroder ist klarer Verfechter des "Megamixes", jener tollen Erfindung aus einer Zeit, in der es eigentlich noch gar keine Mixe gab.
Ich fand in der Plattensammlung meines Vaters nur drei Vertreter dieser Musik, die vielleicht mehr zur Entstehung unserer Generation beitragen haben als uns lieb ist. Herb Alpert und James Last brachten damals die Partys zum klingen, indem sie sämtliche Hits der noch kurzen Musikgeschichte verbanden um sie mit einem konstanten Beat tanzbarer zu machen. Moroder lieferte diesen Beat in seinen Songs der Disco Ära damals direkt mit und auch heute stampft der Megamixbeat breitbeinig, fast konstant durch das Kirchenschiff.
Daher ist es auch logisch das Daft Punk ihn, und nicht den verträumten Jean Michel Jarre als ihr Idol ins Studio einluden. Daft Punk sind ebenfalls dem perfekten Song verpflichtet, nicht dem Album. An "Get lucky" drei Jahre zu arbeiten ist für sie kein Problem, solange das Ergebnis herausragend ist. Moroder spielt in Essen keinen Song aus, er könnte ja dem einen oder anderen nicht gefallen. In der Tat sind Songs wie "Neverending Story" heute selbst für die Dauertänzer neben mir eher belustigend. Aber selbst das reicht ihm nicht, er webt unter seine gefühlten 50 Hits noch aktuelle Chartware, die den Set noch kommerzieller werden lässt.
Das ist perfekter Dienst am Kunden, nur Kunst ist es heute nicht mehr. Die aufgebaute Anlage macht das Ganze jedoch trotzdem zu einem Riesenspaß. Hier wurde nicht gespart, glasklar klingen die Höhen und Bässe, auf den Punkt macht die Musik genau den Druck, der in die Beine geht. Wer mehr erwartet hatte, war wohl von anderen Musikern in seinem Alter zu sehr verwöhnt worden. Moroder ist der Schelm und Charmeur des Pop, ein Auftragsproduzent und genialer Zuhörer am Puls seiner damaligen Fans. Heute war er nur zu Gast bei seiner eigenen Party.
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