Montag, 18. Juli 2011

Pitchfork Festival Chicago, 3. Tag, 17.07.11


Pitchfork Festival Chicago, 3. Tag, mit TV On The Radio, Deerhunter, Kurt Vile u.v.a.
Ort: Union Park, Chicago
Datum: 17.07.2011
Zuschauer: etwa 18.000 (ausverkauft)



Wahnsinn! Der helle Wahnsinn! War denn heut' schon Weihnachten? Oder bereits mein 40.Geburtstag?

Zumindest fühlte es sich so an. Bei dem Headliner des Festivals backstage auf der Bühne zu sein, war wirklich ein unglaubliches Erlebnis! TV on The Radio beschlossen drei Tage Pitchfork und am Ende ihres fulminanten Sets war ich mittendrin statt nur dabei. Aus nächster Naehe bekam ich mit, wie die Amis einen höllischen Druck machten und saumässig tight aufspielten. Sie schossen wirklich aus allen Rohren und gaben zum Schluss noch einmal alles. Die diabolische Lautstärke, die unzähligen jubelnden Fans unten und die bunten Lichter vermischten sich zu einem hochprozentigen Cocktail, der mich hemmunglos berauschte.

Als das letzte Lied verklungen war, trotteten die Helden des Abends von der Bühne, nicht ohne den etwa 20 Leuten im Backstage Bereich in Fussballer-Manier die Hände abzuschlagen. Und ich war der erste, dem diese Sympathiebekundung zu Teil wurde, weil ich zufällig gerade da rumstand. Abgefahren! Nur die Organisatoren des Festivals, die Familienangehoerigen der Band und ein paar andere hochrangige Medienleute waren hier oben. Und Olli vom Konzerttagebuch nebst Gattin steht neben diesen ganzen wichtigen Leuten! Unfassbar! Der Dame im Organisationsteam des Festivals kann ich gar nicht genug dafür danken, sich so rührend um den kleinen Blogger aus Paris gekümmert zu haben...

Aber auch ohne das abschliessende Backstage Erlebnis war es ein sagenhaftes Konzert von TV On The Radio und ein bärenstarker letzter Festivaltag.

Kurt Vile, Yuck, Superchunk, Deerhunter, die Creme de la creme der aktuellen Indierockszene, beballerten gnadenlos das Festivalgelände mit ihren schrammelig-melodischen Riffs und explosiven Schlagzeugsalven. Alle machten sie einen phantastischen Eindruck, so dass es schwer fällt, innerhalb dieser Topacts einen Favoriten auszumachen. Yuck begeisterten gleich zu Beginn (13 Uhr 45) mit ihrem zeitlosen Sound, der seine Wurzeln überwiegend in den 90 er Jahren hat. Mal softer, mal noisiger, die Englander beglückten mit verschiedenen Gangarten und beendeten unter lautem Jubel ihr gutes Set.

Kurt Vile und seine Violators waren etwas später auf der grünen Bühne sogar noch einen Zacken schärfer. Der nonchalante Sänger mit den langen, im Winde des Ventilators wehenden Locken, rechtfertigte auf ihn angestimmte Lobeshymen voll und ganz. Seine Songs waren voller Freiheitsliebe und jugendlichem Drang und vermittelten ein stark anziehendes Lebensgefühl. Ähnlich wie bei War On Drugs hatte man den Eindruck, einen modernen und elektrischen Bob Dylan zu sehen, der unbeschadet von klassischen Einflüssen munter, frisch und unverbraucht drauf los spielt. Keine Frage, Kurt und seine Band werden in den kommenden Jahren noch bekannter, noch wichtiger werden und das ist gut so!

Deerhunter sind heute schon dort, wo Kurt Vile vielleicht mit seinem nächsten Album sein wird: in der Championsleague der amerikanischen Indierockbands. Die Band um Bradford Cox legten bei herrlicher Abendsonne ein sensationelles Konzert aufs Parkett. Die Kracher vom letzten Album Halcyon Digest wurden mit einer unwiderstehlichen Vehemenz abgefackelt und in manchen Phasen spielte sich der Sonnenhut tragend Cox in einen regelrechten Rausch. Die mitunter sehr ausgedehnten Instrumentalpassagen hatten teilweise hypnotische Wirkung, waren allerdings auch fordernd für den Zuhörer/Zuseher. Aber immer wenn es experimentelle Passagen gab, wurden diese irgendwann von packenden Phasen mit catchy Refrains abgelöst. My Bloody Valentine, The Velvet Underground, The Strokes, Interpol, Pavement, Built To Spill, all diese famosen Bands hört man irgendwo im Sound von Deerhunter raus, ohne allerdings an ein billiges Plagiat erinnert zu werden. Im Gegenteil, die Amerikaner sind definitiv eine essentielle Gruppe, an der wir noch langfristig Freude haben dürften.

Aber nicht nur diese ganzen jungen Formationen wussten, wie man Gitarrenrock spielt, sondern auch die alten Haudegen von Superchunk. Die Veteranen agierten druckvoll wie die Thermals und bewegten sich auch so ähnlich auf der Bühne: nach hinten hüpfend. Und bei beiden Bands gibt es eine charismatische Bassistin...

Charismatisch und voller allem photogen war die Sängerin von Twin Sister sicherlich auch. Die junge Frontlady hatte sich eine kuriose Perücke mit langen grasgrünen (!) Haaren übergestülpt und sorgte auch mit ihren zahlreichen Tattoos fuer Hingucker. Leider aber flachte das Set nach gutem Beginn im weiteren Verlaufe immer weiter ab. Teilweise wurde es richtiggehend fies, da gab es dann kitschige Plastiksongs mit 80 er Jahre Parfüm und dubiosen Funk oder Loungeeinflüssen. Ganz schön cheap dieser Synthiepop!

Noch wesentlich beknackter waren allerdings Cut Copy, die um 19 Uhr 25 auf der roten Bühne antraten. Sie erinnerten mich in den schlimmsten Momenten fast an Modern Talking oder die Thompson Twins, kamen aber beim Publikum hervorragend an. Nun ja, es gibt halt eben komische Leute. Es soll ja auch Fans von Bayer Leverkusen geben, oder Menschen, die gerne Matjes essen oder Gruenkohl mit Pinkel...

Spätestens beim ersten Song der danach auf der grünen Bühne startenden Headliner TV On The Radio waren allerdings die furchterregenden Cut Copy vergessen. Von nun an gab es einen flirrenden, schwülen Rock-Sound, der in der aktuellen Musikszene seines Gleichen sucht. Wenn man bedenkt, dass ich kein sonderlich grosser Fan von Jazz, Blues und Rap bin, grenzt es schon fast ein Wunder, dass ich TV On The Radio mag. Die farbigen Amerikaner schaffen es wie keine zweite Band, diese Einflüsse absolut gekonnt in ihre treibenden, fetzige Indirockmusik einzubinden und sind live einfach unfassbar! Allein der Hit Starring At The Sun hätte schon fast die Reise nach Chicago gerechtfertigt, mit dieser Nummer spielten mich die Burschen regelrecht an die Wand.

Kurzum: Lang lebe das Pitchfork Festival! Bald schon soll es ja nach Paris kommen und hoffentlich bin ich dann auch wieder dabei und so gut platziert!

Demnächst berichte ich dann auch noch vom Rahmenprogramm, von den Bedingungen auf dem Gelande (Hitze!!!, Essen, Trinken, Merchstände, Organisation, Tätowierungsgrad der Frauen), schaut als bald wieder hier rein! Dann auch Fotos und ein paar Setlisten.



1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Bayer Leverkusen Fans? Jetzt übertreibst Du aber wirklich!

 

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