Dienstag, 15. Dezember 2009

Editors & Maccabees, Paris, 14.12.09


Konzert: Editors & Maccabees & Wintersleep

Ort: Le Bataclan, Paris
Datum: 14.12.2009
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: Editors 100 Minuten, Maccabees & Wintersleep jeweils etwa 35 Minuten



Ich bin nur wegen der Vorgruppe hier, steht auf Christophs schicker Umhängetasche geschrieben*, die er ab und zu bei Konzerten mit sich trägt. Nicht unbedingt mein Motto. Nicht, weil ich Vorgruppen nicht mag, sondern weil es eine verfluchte Zwickmühle gibt. Gefallen mir die Einheizer, störe ich mich in der Regel daran, daß der Großteil der anderen Besucher mit Ignoranz und Teilnahmslosigkeit reagiert, mißfällt mir der Support, ärgere ich mich darüber, daß ich zu Hause noch Sinnvolleres hätte erledigen können, als einer Band zuzuhören, die ich nicht mag. Genau das Gegenteil einer win-win Situation. Egal was passiert, man ist immer gearscht!

Heute wollte ich aber dennoch beide Vorgruppen unbedingt sehen. Mit Wintersleep und The Maccabees standen schließlich zwei Kracher auf dem Programm. Um die mitzubekommen, musste ich mich gewaltig sputen, denn ich war zusammen mit meiner Frau um 18 Uhr 30 bei der lieben Uschi aus Dortmund zum Gulaschsuppe essen eingeladen. Eigentlich lagen wir gut in der Zeit, merkten aber plötzlich in der U-Bahn, daß wir die Tickets vergessen hatten. Also noch mal zurück und wieder rein in die Metro. Durch diese Kacke hatten wir am Ende 30 Minuten verloren! Ich schaute meine Frau ganz treudoof an und teilte ihr mit, daß ich sofort ins Bataclan gehen würde. Ich war traurig, denn gerne hätte ich gesehen, wie Uschi lebt und die Gulaschsuppe hätte mir bestimmt auch gemundet. Aber wie sagt der Franzose so schön: "C'est la vie." (und damit meint der Froschfresser genauer gesagt: das Leben ist scheiße! Er formuliert es aber höflicher).

Nun gut, ich also allein Richtung Bataclan, als plötzlich mein Magen grimmt und ich es nicht schaffe, an einer Dönerbude vorbeizulatschen, ohne mir mit diesem Gammelfleisch den Magen vollzuschlagen. Eigentlich war das Teil lecker, aber ich möchte nicht wissen, was drin war. Egal. Jedenfalls war der baumlange Bassist von den Maccabess (auf dem Foto rechts) lustigerweise auch da und wenn er dahin geht, muss es ja gut sein. Oder nicht? Ist doch schließlich bekannt, daß sich junge britische Musiker auf Tour äußerst gesund ernähren. Ähem, ja...

Vor dem Bataclan dann eine lange Schlange. Bibbernde Menschen, die in der Eiseskälte auf Einlass warten und sich den Arsch abfrieren. Ich dachte, ich sei schlauer als diese Schafherde und reihe mich ganz vorne, schon fast am Eingang, ein. Da tippt mir plötzlich eine Französin auf die Schulter und sagt, ich solle mich hinten anstellen. Ein sehr unfranzössicher Reflex eigentlich, denn hier erzieht man normalerweise seine Mitbürger nicht, sondern lässt sie gewähren und sich schlecht benehmen. Aber nun gut, ich hatte halt eben das Pech auf eine blöde Pissnelke zu treffen! Wie so ein Hammel stelle ich mich tatsächlich ganz hinten an und verpasse prompt den Anfang von Wintersleep. Die Kanadier spielen, als ginge es um ihr Leben, ernten aber nur die gewohnten ignoranten Reaktionen. Ein paar Leute klatschen gelangweilt, anderen saufen Bier an der Bar. Perlen vor die Säue geworfen! Wintersleep sind nämlich richtig gut und bieten einen rassigen Indierock, an dem wenigstens etwas Erde klebt. Eine Mischung aus typisch amerikanischen Gruppen wie My Morning Jacket, REM, Band Of Horses, Built To Spill, Pavement, Pixies und englischen Post Punk Bands. Ich mag sie wirklich gerne, sie sind melodisch ohne sich anzubiedern, catchy und höllisch laut. Schade, daß ich nur vier Lieder von ihnen mitbekommen habe. Leider kann ich noch nicht einmal Titel nennen, obwohl ich Wintersleep dieses Jahr schon einmal in Haldern gesehen hatte. Nächstes Mal bin ich besser vorbereitet, denn ich habe beschlossen, alle drei Alben der Band zu kaufen!

Etwa eine viertel Stunde später stiegen die Maccabees in den Ring. Wie gewohnt gaben sie von Beginn an Vollgas und nahmen gut dreißig Minuten lang den Fuß nicht vom Gaspedal. Eine rotzfreche, aber hochsympathische und liebenswerte Band, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und unbekümmert und frei von der Leber weg aufspielt und mich damit jedesmal euphorisiert. So auch heute. Schon nach dem Opener William Powers hatte ich ein Dauergrinsen in der Fresse und berauschte mich an dem zackigen Post Punk Sound und dem hibbeligen Beat der Rotznasen. So kernig auf den Punkt gebracht haben diesen Stil noch nicht einmal die ausgezeichneten Futureheads, mit denen man sie am ehesten vergleichen kann*. Kaum ein Song, der mich auf den ersten beiden Alben nicht begeistert hätte, im Gegenteil, so getrüffelt mit ohrwurmigen Knallern waren Alben junger englischer Bands in den letzten 10 Jahren sehr selten. Da verzeiht man ihnen auch, daß sie beim 2. Opus Wall Of Arms ein wenig bei Aracade Fire abgekupfert haben und man die ein oder andere Stelle schon einmal so ähnlich auf Funeral oder Neon Bible gehört hat. Ohnehin scheinen die Jungspunde um Sänger Orlando Weeks einen sehr ordentlichen Musikgeschmack zu haben. Wer covert schon die viel zu Unbekannten I Am Kloot? Kaum jemand! Die Maccabees trauen sich das, obwohl ihnen der Song Because eigentlich nicht sonderlich gut gelang und ich das Original von Bramwell bevorzuge. Das war aber auch schon das einzige Haar in der Suppe, denn der ganze Rest flutschte unglaublich gut. Das sonnig-heitere Can You Give It ist mit seiner kariös melodischen Gitarrenmelodie einer meiner Hits des Jahres und das deutliche düstere No Kind Words so schmissig und infektiös, daß ich jedesmal wild rumtobe ,wenn ich es höre. Und ich glaube sogar, daß ausnahmsweise recht viele Leute im Bataclan Gefallen an den unberechtigterweise lediglich als Vorgruppe an den Start gegangenen Maccabees gefunden haben.

Setlist Maccabees, Bataclan, Paris:

01: William Powders
02: One Hand Holding
03: All In Your Rows
04: Wall Of Arms
05: Young Lions
06: Can You Give It
07: Because ( I Am Kloot Cover)
08: No Kind Words
09: Love You Better

Und dann kamen die Editors, der Hauptact des heutigen Abends. Und hier kann ich es recht kurz machen: das Konzert war scheußlich! Ich fragte mich im Verlaufe des ekelhaft bombastischen, schwülstigen und unglaublich platten Sets, warum ich die einmal gut gefunden habe. Kein einziges Lied gefiel mir, die Hits von den ersten Alben hingen mir zu den Ohren raus und sind bei Licht betrachtet um ein oder zwei Ideen herum gebastelt und die neuen Sachen waren eine Zumutung. Allein die Assoziationen zu schauderhaften Bands aus den 80 er Jahren, die mir in den Sinn kamen, reichten aus, um mir Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. You Dont Know Love klang nach Abba (Lay All Your Love On Me), The Boxer nach Bronski Beat ( Smalltown Boy) und die erste Zugabe Walk The Fleet Road nach A-ha (The Sun Always Shines On TV) Hinzu kam ein glattgeschmirgelter Sound wie aus der Konserve, ein wie immer nervig rumhampelnder Tom Smith und eine grellbunte Lightshow, die eigentlich nur an Silvester, sprich sturzbetrunken, zumutbar gewesen wäre. Einzig allein die Tatsache, daß meine Frau an mir unbekannter Stelle im Saale zugegen war, hielt mich davon ab, fluchtartig das Batclan zu verlassen. So blieb ich also bis zum bitteren Ende.

Das feiste Publikum hatte trotzdem seine Freude, klatschte mit, als sei es in einer Disco auf dem Ballermann und berichtete hinterher von einem tollen Konzert. Auch meine Freunde und Bekannten mochten das. Ich sagte lieber gar nichts, denn ich wollte nicht als Spielverderber dastehen, hatte aber dennoch meine liebe Mühe und Not, nicht mit der Wahrheit rauszuplatzen und zu bekennen, daß ich dieses Jahr noch kein schrecklicheres Konzert erlebt hatte.

Bei den Editors gehe ich hiermit von Bord. Mögen sie mit ihrem pathetischen Bombastsound die Stadien dieser Welt beschallen und genug Kohle scheffeln, um sich eine Wohnung in London kaufen zu können. Oder was auch immer.

Setlist Editors, Paris, Bataclan 2009:

01: In This Light And On This Evening
02:An End Has A Start
03:Blood
04: You Don't Know Love
05: Bones
06: The Boxer
07: The Big Exit
08: Escape The Nest
09: Eat Raw Meat Blood Drool
10: All Sparks
11: The Racing Rats
12: Like Treasure
13: Camera
14: Bullets
15: You Are Fading
16: Smokers Outside The Hospital Doors
17: Bricks and Mortar

18: Walk The Fleet Road
19: Munich
20: Pappilon
21: Fingers In The Factories


Pour nos lecteurs français:

- Wintersleep: bien. À ranger entre les groupes indé us (Pixies, My Morning Jacket, REM) et les groupes post punk anglais, sans les copier. La voix du chanteur est remarquable.

- Maccabees: très bien, ultra rapide et diabloquement remuant. Leur concerts sont toujours euphorisants et trouffés des tubes incroyablement catchy.

- Editors: affreux. Grandiloquent, lisse et sans âme. Les nouveaux morceaux sonnent so eighties et m'ont fait penser à des groupes kitsh comme Abba, A-ha et Visage. Leur tubes des deux premiers albums (Blood, Munich, The Racing Rats, Smokers Outside The Hospital Doors...), que j'ai écouté trois millions de fois, me soûlent. Le public a adoré par contre. À chacun son goût.


*Wo Christoph hier Ähnlichkeiten zu der Indie- Folk Szene um Noah & The Wahle sieht, müsste er mir einmal erklären.

Aus unserem Archiv:


- Interview mit den Editors
- Editors, Köln, 12.11.2009
- Editors, Haldern-Festival, 08.08.08
- Editors, Ferropolis, 18.07.08
- Editors, Reims, 30.05.08
- Editors, Paris, 07.04.08
- Editors, Krefeld, 14.03.08
- Editors, Paris, 11.11.07
- Editors, Köln, 08.11.07
- Editors, Paris, 06.07.07
- Editors, London, 17.06.07
- Editors, Köln, 13.06.07
- Editors, Paris, 26.08.06

* auf dem Foto links seht ihr eine von Christophs tollen Legoarbeiten. Abgebildet sind die Blood Red Shoes und die waren oft Vorgruppe von Maximo Park. Da wäre ich auch wegen der Vorgruppe gekommen...



7 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich fand auch, dass das ganze ins Prollige abgedrifet ist,
"c'est plouc", hab ich gedacht.
Zuhause angekommen, hatte ich das Gefuehl, aus einer Zeitmaschine auszusteigen, die mich nach 1985 auf's Simple Minds-Konzert in die Westfalenhalle transportiert hat.

War mein erstes und letztes Editors-Konzert.

Die Pavement-Tickets fuer Mai 2010 im Zenith sind uebrigens schon im Vorverkauf - ich hab' meins :-)

Uschi aus Dortmund

Sara hat gesagt…

Also, man kann ja vom neuen Album der Editors und auch von ihrer Show halten, was man will. (Ich fand in München gerade den "glatten" Sound in Verbingung mit der Lichtshow irgendwie.. klinisch und deswegen schauderhaft gut.) Aber der Stadionrock-Vorwurf ist doch ein wenig arg hämisch. Ich nehme denen voll und ganz ab, dass es einfach das ist, was sie momentan machen wollen. Wenn sie richtig Geld scheffeln wollten, könnten die das doch viel einfacher haben! Die Songs sind ja nun nicht gerade eingängig.

Oliver Peel hat gesagt…

Aber Du magst ja auch Muse, Sara, oder?

Zuviel Pathos stößt mir einfach übel auf, das ist nun einmal so.

Sara hat gesagt…

Ja, ich mag Muse, auch wenn die letzten beiden Alben stellenweise selbst mir zu pathetisch sind. ;)

Wie gesagt, ist ja wirklich Geschmackssache! Aber Dein (im Übrigen sehr guter) Artikel hörte sich halt an der Stelle so vorwurfsvoll an, als würden die das machen, weil sich damit besser Geld scheffeln ließe. Und das glaube ich eben nicht. Die Editors sind für mich eine der bodenständigsten, glaubwürdigsten Bands in der Größenordnung (im Gegensatz zu Muse, diesen geldgeilen, größenwahnsinnigen Schweinen ^^) und haben es sich mit ihrem "neuen" Stil sicher nicht leicht gemacht.

Oliver Peel hat gesagt…

Kommerzielle Erfolge vorweisen zu können, ist für mich in Ordnung, da mache ich keiner Band einen Vorwurf. Und nette Jungs sind die Editors natürlich auch.

Nur von ihrer Musik bin ich nicht mehr so begeistert. Leider.

E. hat gesagt…

wie ist in diesem zusammenhang "das feiste publikum" gemeint? satt? nicht mehr neugierig genug?

Oliver Peel hat gesagt…

@ Eike:

Mit "feist" ist in diesem Zusammenhang ein Publikum beschrieben, das auf plattes Entertainment aus ist. Prollig, wie es Uschi treffend sagte. Bier saufend, mitgröhlend-und klatschend und sich an der bombastischen Musik und der feuerwerkartigen Lightshow berauschend. Ein Stadionpublikum eben, das ansonsten auch gerne zu Muse und den Killers geht. Nichts für mich.

Allerdings muss man festhalten: Noch nie kamen die Editors beim Publikum so gut an wie im Bataclan. Die Leute gingen richtig mit! Das war vorher nicht so und ich habe die Editors ja über 10 mal gesehen.

 

Konzerttagebuch © 2010

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