Donnerstag, 13. September 2018

Luna, Hamburg, 09.08.18


Konzert: Luna
Ort: Nachtasyl, Hamburg
Datum: 09.08.2018
Dauer: gut 80 min
Zuschauer: vielleicht knapp 200 (nah an ausverkauft)



Wenn ich doch noch wüsste, wie ich Galaxie 500 kennengelernt habe! 1988 erschien das Debüt der amerikanischen Band, irgendwann tauchte sie in meinem Leben auf und seitdem liebe ich sie abgöttisch. Die Zeit vor dem Mauerfall wirkt heute ähnlich weit weg wie der Dreißigjährige Krieg. Als Today erschien, war Boris Becker noch kein Tennis-Experte, Influencer kein Beruf und Europa zwölf Länder kleiner als heute. Unverändert ist meine Liebe zu dieser Band, die mich sogar Saxophon-Soli ertragen lässt. 

Live hatte ich die originalen Galaxie 500 1990 beim Bizarre Festival gesehen, ich erinnere mich aber leider nicht an das Konzert. Ich mochte die Band vorher, ich mochte sie nachher, es kann also nicht schlimm gewesen sein. Sänger Dean Wareham sagt, Galaxie 500 sei keine gute Liveband gewesen, vielleicht verdränge ich da also auch einiges. 1991 löste Dean Galaxie 500 auf, kurz nachdem Rough Trade Records pleite gegangen war. Allerdings war die schwierige Bandkonstellation (ein Paar - Naomi und Damon und eine Einzelperson) und nicht der Labeltod der Grund dieses Endes. Ich mochte nicht, daß meine Lieblingsband verschwinden sollte und ignorierte deshalb alles, was danach kam. Außerdem waren mit Lush und den Pale Saints zwei neue Herzensbands aufgetaucht, den Galaxie-500-Nachfolger Luna konnte ich also guten Gewissens ausblenden.

Erst Jahre später bemerkte ich, was das für ein Quatsch war. Luna fehlt zwar das Unfertig-Schrammelige, das ich an Galaxie 500 so geliebt habe, Dean Warehams Stimme und Songwriting machten aber auch Luna zu einer Band, die ich von Beginn an hätte lieben müssen. Dann hätte ich sie auch in den 90er Jahren in Köln sehen können. Habe ich nicht, also musste ich bis 2015 warten, als Luna erstmals seit zehn Jahren wieder Konzerte spielten. Alle drei 2015 (Madrid, Brighton und London) waren euphorisierend gut!

Als die 2018er Tour angekündigt wurde, tauchte nur ein Deutschland-Termin auf, Hamburg. Daß sich nicht mehr örtliche Veranstalter fanden, ist eine Schande, leider aber auch nicht weiter verwunderlich in einem Land, in dem diese schrecklichen Gitarren-Heinis aus dem Radio als Künstler gelten. 

Also Hamburg (all the way).

Das Nachtasyl ist Teil des Thalia-Theaters und befindet sich unmittelbar unter dessen Dach. Der Raum, der meist für Lesungen genutzt wird, hat an einer Seite eine Bar, an der nächsten ein großes Fenster, an der dritten einen Glaskasten mit Lüftung (den Raucherraum) und an der letzten die Bühne.


Als Luna vorgruppenlos um 21 Uhr auftraten, war der Saal sehr gut gefüllt. Luna sind seit ihrer Reunion Dean Wareham, Britta Phillips (Bass), Sean Eden (Gitarre) und Lee Wall (Schlagzeug), also die Mannschaft, die auch die letzten Jahre vor der Trennung 2005 zusammen war.

Luna-Konzerte - das kann ich mit der Erfahrung von mittlerweile vieren sagen - sind nie gleich. Die Band verfügt nicht nur über ein riesiges eigenes Repertoire, es gibt neben sieben Studio Alben auch alleine zwei Cover-Platten. Ich mag originelle Cover, ich wäre aber vermutlich verstört, wenn eine Band mehr als zwei am Abend spielte. Bei Dean Warehams Gruppen ist das ganz anders. Seine Cover klingen komplett eigen und sind ausnahmslos toll. Jüngestes Beispiel: Fire in Cairo von The Cure, eines dieser Lieder, die niemals gecovert werden dürften. Außer von ihm. Gottseidank stand Fire in Cairo auf dem Programm, ebenso wie das häufig gespielte Indian summer (Beat Happening), Lonesome Cowboy Bill von The Velvet Underground und One fine summer morning (Evie Sands), von Britta Phillips gesungen. Nicht zufällig heißt die erste Luna Cover-Platte Lunafied, wüsste man es nicht besser, könnte man all diese Stücke für Luna-Songs halten.

Dazu kamen zwei Galaxie-500-Lieder, darunter mein Liebling Strange, der Rest war Luna-Luna. Obwohl der Luna-Part ein Best-of war (vielleicht empfinde aber auch nur ich das so, weil ich so viele Stücke liebe) mit Hits wie Moon palace, 23 minutes in Brussels, Sideshow, Chinatown, gab es zumindest für mich eine große Überraschung: Still at home, das Sean Eden singt. Das ist zwar nicht das beste Luna-Lied, es ist aber mein seltenstes.

Ich bereue sehr, nicht mehr Konzerte der Tour gesehen zu haben. Dean Wareham versprach zwar, bald wieder nach Deutschland zu kommen, vermutlich wird es dann aber eine Solo-Tour. Was nicht schlimm ist, da ich wohl auch einen Abend, an dem er nur Flippers-Songs spielte, gut fände.
 
Setlist Luna, Nachtasyl, Hamburg:

01: Chinatown
02: Sideshow by the seashore
03: Fire in Cairo (The Cure Cover)
04: California (all the way)
05: 23 minutes in Brussels
06: Still at home
07: Malibu love nest
08: Bewitched
09: Tracy I love you
10: Moon palace
11: One fine summer morning (Evie Sands Cover)
12: Strange (Galaxie 500)
13: Indian summer (Beat Happening Cover)

14: Lonesome Cowboy Bill (Velvet Underground Cover) (Z)
15: Tugboat (Galaxie 500) (Z)
16: Friendly advice (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Luna, Paris, 12.10.16
- Luna, Brighton, 30.07.15
- Luna, Madrid, 20.04.15
- Dean Wareham, Köln, 29.07.14
- Dean Wareham, Ripley, 26.07.14
- Dean Wareham, Paris, 07.12.13
- Dean Wareham plays Galaxie 500, Barcelona, 28.05.11
- Dean Wareham plays Galaxie 500, Paris, 19.02.11
- Dean Wareham plays Galaxie 500, Minehead, 11.12.10



 

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