Mittwoch, 29. März 2017

Emily Millard, Karlsruhe, 16.03.2017


Konzert: Emily Millard
Ort: Tempel in Karlsruhe
Datum: 16. März 2017
Dauer: 100 min
Zuschauer: knapp 40


Ich habe mich verliebt: In die Stimme und das neuste Album By Heron & By Season von Emily Millard aus Kanada. Da das Konzert schon fast zwei Wochen her ist, hatte das dort gekaufte Album gründlich Gelegenheit, über die Zeit für mich immer größer und toller zu werden und die Lieder sind mir inzwischen Freunde und Begleiter. Warum das schon wieder so lang dauert, das im Tempel erlebte wunderbare Konzert in ein paar Worte zu fassen? Es ist zum einen der Wunsch, der poetischen Magie der Lieder und dem kongenialen Ensemble einigermaßen gerecht zu werden. Es ist aber auch das Wissen, dass sich der Abend so tief eingeprägt hat, dass ich keine Sorge zu haben brauche, dass ich mich nach ein paar Tagen nicht mehr gut genug erinnern könnte. Nein, ganz im Gegenteil - beim lesen der Setlist sind fast alle kurzen und längeren Ansagen wieder da und zaubern mir ein Schmunzeln ins Gesicht.


Ich hatte schon das Vergnügen einigen kanadischen Sängerinnen und Sängern ins Netz zu gehen und automatisch stellte sich im Konzert bei mir die Neugier ein, das "typisch kanadische" heraus zu hören. Was vielleicht ein Urimpuls des einordnens ist, aber der Originalität von Kunst irgendwie auch ziemlich entgegensteht. Trotzdem ist da etwas in meinem musikalischen Ausschnitt von Kanada, was eine ganz besondere Verbundenheit zu Natur und den großen Lebensfragen in zwar zugänglichen aber doch auffällig anderen Liedern ausdrücken. Emily Millard war mit zuerst unter diesem Namen begegnet im November 2016 als sie mit David Simard als Duo übers weite Kanda gezogen war und in Werkstätten Station gemacht hatte. Aber ihre Musik kannte ich auch schon als Remix-Beitrag zu Wooden Peak unter dem bis dahin gebrauchten Namen Miss Emily Brown.


Die Überraschung in der Ankündigung des Abends für mich war eigentlich die große (fast schon üppige) Besetzung:

  Emily Millard (Tenorgitarre, Flügel, Autoharp) 

  Martha Rose (Geige und Gesang) 
  Jan Frisch (Gitarren und Gesang) 
  Moritz Brümmer (E-Bass, Cello und Gesang)
  Ben Brown (Schlagwerk).

Freudige Überraschung sollte ich wohl sagen, denn dies versprach, eine Vorstellung zu werden, die den Liedern einen ganz besonderen Rahmen geben würde. Und ich musste still schmunzeln als ich beim durchgehen der Namen feststellte, dass ich zwei der Herren schon in bester Erinnerung hatte und Martha Rose nun endlich von der unbedingt-ansehen-Liste verschwinden würde. Ein einziger Name war noch mit keinerlei Emotionen für mich verbunden: der Mann am Schlagwerk. 
 

Das Konzert begann dann eher so, wie ich mir Emily Millard Konzerte bis dahin vorgestellt hatte: Sie allein, ihr Gesang beschwörend betörend im Raum, als stiller Glanzpunkt eine Spieluhr dazu. So etwas bleibt mir im Gedächtnis... Ohne Pause zum Klatschen ging das ganze Ensemble über zu Hunter, das auf mich ganz ähnlich bezaubernd wirkte, nur mit mehr Farben in der Klangpalette. Als Stück des aktuellen Albums ist es mir inzwischen sehr vertraut, aber auch schon in dieser ersten Begnung war da ein aufhorchen und mehr wissen wollen angeregt worden. Hatte Emily für die ersten Stück die Tenor-Gitarre genutzt, nahm sie sich anschließend für Falcon die Autoharp. Das gibt immer eine gewisse musikalische Sprödigkeit finde ich, wobei die Musizierhaltung eher erzählend wirkt.
 

Für das nächste Stück Chainbreaker wechselte sie an den Flügel. Im warmen Ton des Instruments erschien das Stück tatsächlich wunderbar wiegend und tänzerisch. Mein erster richtiger WOW-Moment folgte beim ähnlich anschmiegsamen Stück Toxic town, das sich inzwischen auch als Lieblingslied der Platte für mich etabliert hat. Es schmeichelt und treibt und ist doch im Text so ganz und gar grau und herb.


Direkt vor mir spielte Jan Frisch abwechselnd auf der neben der Tenorgitarre groß wirkenden Akustikgitarre und einer E-Gitarre sehr virtuos auf. Bei Snake chamer  war ich ganz besonders fasziniert von den vielen Klangfarben, die er in aller Selbstverständlichkeit den sechs Saiten entlocken konnte.  Aber alle Musiker auf der Bühne steuerten auch immer wieder Gesangsparts bei.
 

Für As a cloud im herrlischsten Satzgesang fast acapella (nur mit etwas Rhythmus unterstrichen) wurde es auch für den letzten klar, dass sie auch das aufs Beste beherrschten - was für ein Fest! Danach leerte sich die Bühne und Emily spielte allein oder im Duo mit Martha einige ruhige Stücke. Zum Beispiel Timothy field, in dem vom Wind gestreicheltes Timothygras ganz nachfühlbar verbildlicht wurde. Ihre Nachfrage, wer gern Origami macht, wurde nicht sehr enthusiastisch beantwortet, aber ihr Origamilied ist doch ein ein wirklich hübscher Bonustrack mit einem kleinen Augenzwinkern. Im Konzert erinnerte er mich an Because the Origami vom Album Nightynight in seiner ruhigen Erzählhaltung.


Ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist mir die Erläuterung zum Lied Where is god. Es nimmt Gesprächsfetzen mit einer zweijährigen auf, die so wunderbar hellsichtig ins Zentrum treffen. Die Musik ist dabei sehr melancholisch und voller interessanter harmonischer Verschiebungen. Geige und Cello gaben mit Trillern einen Schimmer auf mein inneres Bild dazu. Für die letzten beiden Songs des regulären Sets wechselte Emily wieder an den Flügel. Bei Promise of spring wurde es ganz unheimlich und geheimnisvoll - für Eisblumen fast feierlich. Mit Satzgesang und beschwörender Percussion wurde noch einmal ein toller Höhepunkt inszeniert.
 

Die Stimmung und die Zustimmung im Publikum war bis dahin grandios gewesen. Zwei Stücke als Zugabe rundeten den Abend schließlich wunderbar ab: Granma's hands und World traveller. Das letzte Stück im Angedenken an die Urgroßmutter hat mich noch einmal ganz besonders angerührt und den Abend für mich für immer ins Herz gesenkt als wunderbare Erinnerung zum zehren und hegen und pflegen:
  By a thread of a dream my great-grandmother wove
  when she dreamed me and you up. She dreamed up our souls.
  She went hard through the night against men with machines
  against living and dying, what all of it means.

  She taught us to travel, she taught us to dream
  and here we are in great cities attempting great things



Setlist:
01: Ate the world
02: Hunter
03: Falcon (Soap)
04: Chainbreaker
05: Toxic town
06: Snake charmer
07: Paradise
08: As a cloud
09: Timothy field
10: Origami Valentine (Bonus)
11: The diary of Amy Briggs (T)
12: Where is God
13: Flashlight
14: Hourglass
15: Lonely spider (Lhasa de Sela) 
16: Promise of Spring
17: Eisblumen

18: Grandmother's hands (Bill Withers)
19: World traveller (T)

Showaufzeichnung in der aktuellen Besetzung aus Weimar
 

Deutschlandtour 2017
20.02. Berlin, Auster Club
01.03. Leipzig, Horns Erben   
02.03. Trier, Tuchfabrik
04.03. Weimar, Lichthaus  
05.03. Erfurt, Franz Mehlhose  

07.03. Jena, Café Wagner
08.03. Hamburg, Kukuun
09.03. Rostock, Peter-Weiss-Haus  
10.03. Einbeck, Kultur im Esel

11.03. Fulda, Backstage
12.03. Ulm, Sauschdall
14.03. München, Lebenslust
15.03. Stuttgart, Galao
16.03. Karlsruhe, Tempel
17.03. Aachen, Raststätte  
18.03. Düsseldorf, House Concert  
19.03. Plaidt, Wohnzimmer

23.03. Greifswald, Boddenhus  


 

Konzerttagebuch © 2010

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