Konzert: Anna von Hausswolff
Ort: Mousonturm (Studio), Frankfurt
Datum: 24.09.2013
Dauer: 85 min
Zuschauer: knapp 100 (recht voller Raum)
Beim Haldern-Pop Festival Anfang August hatte ich mich vor allem auf den Auftritt der Schwedin Anna von Hausswolff gefreut. Ihre beiden Alben - vor allem das von mir oft gehörte Ceremony, das im Juni bei City Slang erschienen ist, begeistern mich immer wieder. Vor Haldern war ich trotz meiner Vorfreude aber skeptisch, ob die Musikerin den Kirchen-Sound, die schweren Orgel-Breitseiten live umsetzen könnte. Sie konnte - und wie! Manche Stücke waren mehr Postrock als Düsterpop und ließen nicht nur mich mit offenem Mund zurück. Das Konzert war noch eine gute Ecke besser als erhofft!
Seit heute ist die Schwedin mit ihrer Band auf Deutschland-Tour, Auftakt dazu war das Studio im ersten Stock des Mousonturms in Frankfurt. "Ich habe schon einmal in Frankfurt gespielt. Mein allererstes Konzert war in der Städelschule, das vergesse ich aber immer wieder, wenn ich nach meinem ersten Auftritt gefragt werde." Zu ihrem zweiten Frankfurter Konzert waren vielleicht 100 Zuschauer gekommen. Das Studio, das wie eine Mini-Ausgabe des Saals unten aussieht (und damit ein ebenso schöner Konzertort ist), war recht gut gefüllt, als Anna und ihre vier Begleiter (Gitarre, Bass, Schlagzeug und Synthesizer) um 21.15 Uhr auftraten.
Mit Mountains grave von Ceremony begann das Konzert - und damit mit einem der besten Stücke der aktuellen Platte. Irgendetwas war trotz aller Erhabenheit des Lieds anders als bei der Studioversion und als in Haldern. Ich glaube, es waren anders klingende Gitarren, ich weiß es aber nicht sicher. Aber ich habe es sehr angetan aufgenommen, weil es ein Zeichen besonderer Qualität ist, wenn gerade junge Künstler ihre Stücke live weiterentwickeln und variieren. Und natürlich nicht etwa, weil sie ein Lied nicht zweimal gleich hinbekämen sondern weil sie bewußt verändern. Ein Paradebeispiel dafür sind die fabelhaften Warpaint, die dies regelmäßig machen. Wegen des Frankfurter Anna von Hausswolff Konzerts hatte ich mich beim End Of The Road Festival vor ein paar Wochen bei paralleler Ansetzung gegen die Schwedin entscheiden müssen und für... Warpaint. So klein ist die Indiewelt.
Nach Mountains grave folgte etwas herrlich Skurriles. Es wurde dunkel, die Nebelmaschinen wurden angeworfen und die Band spielte dazu wummernde Geräusche. Anna erzeugte irgendwann Töne, die vermutlich ein Nebelhorn darstellen sollten (oder meine Phantasie hat sich treiben lassen). Diese "Nebel und dagegen Ankämpfen-Variationen" gingen nahtlos in Liturgy of light über, das eine weitere strahlende Perle des zweiten Albums ist, bevor mit Epitaph of Theodor der Star des Haldern-Konzerts angestimmt wurde. Im Gegensatz zu damals war das Lied über das Grabmal eines Theodor diesmal weit weniger lang und postrockig. Es war alles andere als schlecht, die Version in Haldern war allerdings noch viel beeindruckender.
Mit Deathbed folgte das nächste Stück von Ceremony, das ein düsteres Thema hat. Anna verarbeitet auf ihrer zweiten Platte u.a. den Tod ihres Großvaters, wobei die junge Schwedin den Tod pragmatisch zu sehen scheint. "Ceremony is a celebration of life and everything that it contains, especially death, because in death we will be truly one with nature again." Auch Deathbed hatte ein ewig langes Intro und schien mir abgewandelt zu sein. Und auch Deathbed ist eines der besten Lieder von Ceremony, aber das sind ja die meisten.
Vor Sova und Harmonica beklagte Anna zu wenig Effekt auf ihrem Mikrophon. "I'm an effect maniac!" Von zu wenig Effekt vorher oder anderem schlechtem Klang konnte aber während des Konzerts überhaupt keine Rede sein. Das einzige, das das Konzertvergnügen deutlich verringerte, war die Bullenhitze im Studio. Die Saunatemperaturen im großen Saal sind ein Running gag, da war es offenbar nur konsequent, daß es auch oben heiß war. Ein komplett durchgeschwitztes Hemd wie das vor mir habe ich jedenfalls noch nicht oft Ende September gesehen. Schade, daß sich Klimatisierung von Konzertsälen in Deutschland nie durchgesetzt hat. Vermutlich sind wir dazu viel zu gutmenschlerisch. Leiden für die Umwelt, und so.
Harmonica ist wieder eines dieser persönlichen Lieder der Schwedin. Das besungene Instrument schenkte der Großvater, der ein Tüftler war und unter anderem einen Würstchenautomat erfand, den Anna uns beschrieb ("hier laufen die Würste her und da treffen sie aufs Brot..."), der Musikerin kurz vor seinem Tod. Harmonica beginnt mit Handklaschen des Synthesizer-Spielers Filip Leyman (der Ceremony produziert hat), in das glücklicherweise niemand im Publikum einstieg.
Das vorletzte reguläre Stück war das einzige bis dahin, das nicht von Ceremony stammt. Es war das Cover Come wander with me von Jeff Alexander, das sie schon in Haldern gespielt hatte, das aber diesmal in Funeral for my future children überging. Vermutlich 15 Minuten hatten diese beiden Lieder gedauert, mit vielen Rhythmus-Wechseln und viel Orgeltönen und einer immer lauter werdenen Sängerin.
Es war zwar wirklich unerträglich heiß und die Fluktuation aus dem Saal war groß (der Wasserhaushalt...), trotzdem war die Erleichterung groß, daß Anna zu Zugaben zurückkam. Die erste (Sun rise) ist auf dem Album. Anna von Hausswolff stand dazu in der Mitte der Bühne und hatte ihren Platz rechts hinter der Mini-Orgel verlassen. Sie wurde nur von Filip und ihrem Gitarristen Karl Vento begleitet. Die beiden anderen Musiker kamen danach zurück, um ein neues Lied zu spielen. Das Stück hat noch keinen Titel ("actually we call it 'new song'), das einen schwedischen Text und einen dramatischen Lautstärke- und Spannungsanstieg hat. Karl spielte dabei seine Gitarre mit einem Geigenbogen, was zur Dramaturgie des Titel schön passte. Auch New song war wundervoll und herrlich erhaben.
Das Konzert hat meine hohe Meinung von der Schwedin mit der hohen Stimme noch einmal bestätigt. Wir können uns da ganz sicher noch auf viele gute Lieder und Auftritte freuen. Wobei das mit dem Freuen auf traurige Lieder ja immer so eine Sache ist.
Setlist Anna von Hasswolff, Mousonturm (Studio), Frankfurt:
01: Mountains grave
02: Liturgy of light
03: Epitaph of Theodor
04: Deathbed
05: Sova
06: Harmonica
07: Come wander with me (Jeff Alexander Cover)
08: Funeral for my future children
09: Sun rise (Z)
10: neu (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Anna von Hausswolff, End Of The Road Festival, 31.08.13
- Anna von Hausswolff, Haldern Festival,10.08.13
Tourdaten:
26.09.13: Berlin, Volksbühne
27.09.13: Hamburg, Reeperbahn Festival
28.09.13: Kiel, Alte Pumpe
30.09.13: Köln, Gebäude 9
01.10.13: Leipzig, Werk 2
02.10.13: Nürnberg, Muz
03.10.13: Heidelberg, Enjoy Jazz Festival
04.10.13: Basel, Parterre
05.10.13. Lyon, Le Sonic
06.10.13: Bern. Dampfzentrale
07.10.13: Freiburg (i.Br.) Café Atlantik
09.10.13: Wien, Arena
11.10.13: München, Feierwerk
12.10.13: Graz, Steirischer Herbst
14.10.13: Paris, La flèche d'or
* dieser Artikel ist den beiden Orgellehrern meiner Kindheit gewidmet, die mir ermöglicht haben, erst 25 Jahre später zu erkennen, was für ein wundervolles Instrument eine Orgel ist
- mehr Fotos gleich
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