Konzert: Piroshka
Ort: Vega, Kopenhagen (Ideal Bar)
Datum: 28.04.2019
Dauer: ca. 75 min
Zuschauer: ca. 60
Als ich in der schönen kleinen Ideal Bar, die zum Vega in Kopenhagen gehört stand und der unterhaltsamen in England lebenden italienischen Vorgruppe Malihini zuhörte, hatte ich klare Erwartungen, wie der Rest des Abends sein würde. Ich kenne das Debütalbum von Piroshka sehr gut, ich hatte aber vor allem 3/4 der Band bereits gemeinsam auf der Bühne gesehen.
Als Lush 2016 zurück waren, habe ich die Band einige Male, unter anderem bei ihrem letzten Konzert in Manchester gesehen. Kurz vorher hatte Bassist Phil King die Band verlassen, er wurde für das letzten Konzert von Mick Conroy von Modern English ersetzt, während der kompletten Reunion war Justin Welch (Elastica, Suede) Schlagzeuger. Piroshka ist das Projekt von Miki Berenyi, ihrem Mann Moose (K.J. McKillop), von Mick und von Justin. Und genau die vier hatte ich auf der Bühne erwartet. Als es um kurz nach zehn losging, kamen aber sechs Musiker auf die Bühne, zusätzlich eine Keyboarderin und eine zweite Sängerin (Sukie Smith von der Londoner Band Madam). "Wir wollten, daß die Background-Gesänge von der Platte live nicht verloren gehen", sagte Miki nach dem Konzert.
Anders als bei mir stand der Auftritt aus Sicht der Band unter keinem guten Stern. Der Nudeltopf am Vortag (Berlin!) habe ihrem Magen zugesetzt, sagte Miki gleich am Anfang. Es müsse damit gerechnet werden, daß sie irgendwann plötzlich von der Bühne rennen müsse. Später fiel das Schlagzeug mehrfach auseinander. Allerdings war Justin auch so weit vom Rest der Band weg, daß er irgendwann rumpelte, er spiele in einem anderen Raum.
Musikalisch war das Konzert nicht schrecklich überraschend. Piroshka spielen das gleiche Set bei ihren Auftritten. In Kritiken zum Alben werden oft zwei Punkte herausgestellt (neben dem dämlichen Begriff "Supergroup"), die fehlenden bleibenden Momente und die Fusion aus Shoegaze (Lush, Moose) und Postpunk (Modern English). Vergleiche zu Lush liegen auf der Hand, dafür sorgt alleine Mikis Stimme, mit der alle, die vor 2000 musikalisch sozialisiert wurden, immer ihre letzte Band verbinden werden. Aber Brickbat ist trotz der Stimme kein Lush-Album, es ist eine Platte über den Brexit, über das Elternsein, über Schulmassaker, verpackt in shoegazige Elemente, in Postpunk, elektronische Sounds, Streicher. Vielleicht ist Hated by the powers that be (inspiriert durch einen "Hated by the Daily Mail"-Button) das typischste Piroshka-Lied, es ist zumindest gerade mein großer Liebling.
Trotz des Magens und des Schlagzeugs war das Konzert exzellent. Natürlich merkt man in jedem Moment, welch musikalische Kompetenz da auf der Bühne steht. Ich achte viel zu selten auf Schlagzeuger, mir war aber schon bei meinem ersten Lush-Konzert aufgefallen, was für ein fantastischer Schlagzeuger Justin ist (Elastica habe ich leider nie gesehen, er machte mir anschließend auch keine Hoffnung, daß sich das einmal ändern wird). Moose stand meist mit dem Rücken zum Publikum, Miki spielte ihre 12-saitige Gitarre, die Keyboarderin, deren Namen ich nicht kenne, sang, erzeugte elektronische Klänge und spielte Drumpads, alles perfekt klingend und so, als spielten alle bereits seit Jahren zusammen. Das sei allerdings bei den ersten Konzerten bei weitem noch nicht so gewesen.
Der Auftritt hätte viel mehr Zuschauer verdient, es waren vielleicht 60 da, davon einige aus dem nahen Malmö. Aber dieses Gefühl, massiv unterschätzt zu werden, kennen wohl alle (außer Justin) aus den früheren Phasen ihrer Karriere.
Nachdem Miki zwischendurch gefragt hatte, ob es wirklich stimme, daß es da "dieses Ding" zwischen Dänen und Schweden gebe (und ein paar Schweden bestimmt mit "ja! Gibt es!" antworteten), nutzte Moose eine Songpause für eine andere Herzensangelegenheit. "Ist Christian Eriksen heute zufällig da? Oder Freunde von Christian Eriksen? Ich brauche dringend ein Ticket für Dienstag!" Heute abend spielt Eriksen mit Tottenham das Champions League Halbfinale gegen Ajax Amsterdam. Hoffentlich mit dem richtigen Ergebnis, denn ich sehe Piroshka morgen wieder und wünsche mir gute Laune beim Gitarristen.
Obwohl Mikis Nudel-Geschichte dies nicht unbedingt nahegelegt hatte, kam die Band noch einmal für eine Zugabe zurück und coverte It's obvious von den Au Pairs (und das war brillant!).
Setlist Piroshka, Ideal Bar, Kopenhagen:
01: This must be Bedlam
02: Run for your life
03: Hated by the powers that be
04: Blameless
05: April
06: Village of the damned
07: Heartbeats
08: She's unreal
09: Never enough
10: Everlastingly yours
11: What's next
12: We told you
13: It's obvious (The Au Pairs Cover) (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Lush, Manchester, 25.11.16
- Lush, Berlin, 18.07.16
- Lush, Barcelona, 03.06.16
- Lush, London, 07.05.16
- Lush, London, 06.05.16
- Lush, London, 11.04.16
- Interview mit Lush