Sonntag, 31. März 2013

Konzertankündigung Spectacular! Spectacular!

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Konzertankündigung: Spectacular! Spectacular!
Orte und Zeiten: siehe unten


Für Konzertjunkies wie uns haben die dramatisch zurückgehenden Plattenverkäufe der vergangenen Jahre wenigstens einen positiven Nebeneffekt: Bands gehen viel häufiger auf Tour, weil nur so zumindest etwas Geld verdient werden kann. Manche Lieblinge von Übersee kann man heute zweimal pro Jahr erleben, ein Luxus, der vor 20 Jahren vermutlich undenkbar war.

Die Masse an Konzerten, Tourneen und immer neuen Festivals macht aber auch neue Ideen erforderlich, zwischen all der Konkurrenz aufzufallen. Es entstehen neue Formen von Veranstaltungen, der große Wettbewerb kommt dem Verbraucher zugute, wie aus dem BWL Lehrbuch.

Die Mutter dieser Veranstaltungen sind sicher die All Tomorrow's Parties (ATP), bei denen eine Band als Kurator auftritt und ihre Lieblingskollegen einlädt - ein Leckerbissen für Musikfreunde! Eine andere Art der Konzerte, die in den letzten Jahren immer mehr Verbreitung findet, sind halbprivate Auftritte in Wohnzimmern - darüber schreiben wir regelmäßig, Gudrun, Oliver und Jens veranstalten sie bekanntlich auch. Man könnte also denken, wir haben hier schon alles gesehen.

Ab kommende Woche gibt es aber eine neue Konzertreihe, die
außerordentlich spannend klingt. Spectacular! Spectacular!, ... "der außergewöhnliche Plan einer neuen außergewöhnlichen Reihe: Es werden gezielt Theater, Schauhäuser und Clubs gesucht, die für rund drei Stunden ihren eigentlich Auftrag verlieren und zweckentfremdet Bühne für akustische, sphärische Musik werden. "

Spectacular! Spectacular! soll eine Reihe von Konzerten werden, Teil eins ist bei uns gesetzt, weil mit Rue Royale ein Konzerttagebuch-Liebling beteiligt ist! Gemeinsam mit dem englisch-amerikanischen Paar mit den wundervollen Melodien treten bei Spectacular! Spectacular! No. 1 der deutsche Singer-Songwriter Jonas David und das britische Model Josh Beech auf. Klingt spektakulär und kann auf folgenden Bühnen angeguckt werden:

05.04.13: Köln, Stadtgarten
06.04.13: Frankfurt, Zoom
07.04.13: Berlin, Heimathafen
08.04.13: Hamburg, Imperial Theater

Links:

- Rue Royale im Konzerttagebuch
 



Samstag, 30. März 2013

Stornoway Tour und Berlin Verlosung

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Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Folk-Pop Band Stornoway ihr zweites Album. Für mich ist es ein würdiger Nachfolger zu ihrem Debut vor drei Jahren.
Stornoway erinnern in äußerst positiver Art und Weise an The Decemberists. Die Stimmen der beiden Sänger Brian Briggs und Colin Meloy gleichen sich dabei in sehr angenehmer Art und Weise. Kein weiterer überflüssiger Mumford & Sons oder Belle And Sebastastian-Klon. Stornoway schaffen Hoffnung in einer Welt voller Zynismus. Dabei verzichten darauf sich an  einem Übermaß an Pathos oder Selbstverliebtheit zu ergötzen.

Wer live dabei sein will, bekommt im April dazu Gelegenheit. Für das Berliner Konzert am 12.4. können wir 1x2 Freikarten verlosen. Um am Gewinnspiel teilzunehmen reicht es eine Mail an stornoway@konzerttagebuch.de zu senden. Einsendeschluss ist der 10.4.13. Der Gewinner wird per E-Mail benachrichtigt.


Tourdaten:

09.4. Frankfurt / Main - Brotfabrik
10.4. Köln - Gebäude 9
11.4. Hamburg - Knust
12.4. Berlin - BiNuu

Wir sehen uns in Berlin!

Aus unserem Archiv:
Frankfurt 12.04.11

Stornoway play Sounds from a Room


Eikes Konzerttipps im April

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Ich wünsche mir ja immer einen regen Austausch, zumal ich selbst trotz weit aufgestelltem Radar noch erlebe, dass manchmal interessante Konzerte an mir vorbeigehen. Wie z.B. diese hier, auf die mich eike zum Glück noch rechtzeitig aufmerksam gemacht hat. Da sich vielleicht nicht alle die Zeit nehmen, die Kommentare zu meinem Beitrag mit den Konzerttipps im April zu lesen, hier sein Nachtrag zu meinen Tipps in epischer Breite und voller Schönheit.


stephen steinbrink

02.04. Potsdam - Waschhaus
03.04. Berlin - Monarch
04.04. Leipzig - Wärmehalle Süd
05.04. Berlin - secret location
06.04. Frankfurt - Plank!
07.04. München - innen.außen.Raum
08.04. Graz - Platoon
13.04. Wien - Rhiz
14.04. Dresden - private Matinee Show


golden void

09.04. Berlin - Jagerklause
10.04. Dresden - Ostpol
17.04. Paris, France - Point Ephemere
20.04. Siegen - Vortex





toby goodshank

12.04. Frankfurt - Die Fabrik w/ Susie Asado
14.04. Düsseldorf - Die Kassette
15.04. Köln - Die hängenden Gärten von Ehrenfeld
16.04. Utrecht - DB's
17.04. Brussels - Le Chaff
18.04. Paris - Les Balades Sonores
18.04. Paris - Le Motel
19.04. Paris - Oliver Peel Session
20.04. Nancy - Off Kultur
21.04. Zürich - Bar 3000
22.04. Wien - The Loft
23.04. Kraków - Piękny Pies
24.04. Warszawa - Cafe Kulturalna
25.04. Łódź - Owoce i Warzywa
26.04. Chemnitz - Lokomov
27.04. Leipzig - Wärmehalle Süd
28.04. Berlin - Pink Melon Joy*
29.04. Hamburg - tba


the deep dark woods

15.04. Südstadt w/ Dead Fingers München
16.04. Mousonturm Studio w/ Dead Fingers Frankfurt Am Main
17.04. Molotow w/ Dead Fingers Hamburg
18.04. Crystal Club w/ Dead Fingers Berlin
19.04. Blue Shell w/ Dead Fingers Köln 



barn owl

15.04. Hamburg - Hafenklang
16.04. Dresden - Beatpol
24.04. Paris - Espace B
03.05. Osnabrueck - Haus der Jugend
04.05. Freiburg - White Rabbit
07.05. Esslingen - Komma
08.05. Berlin - About Blank


eternal tapestry

20.04. Giessen - AK44
21.04. Leipzig - UT Connewitz
23.04. Berlin - White Trash



Freitag, 29. März 2013

Paul Weller, London, 25.03.2013

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Konzert: Paul Weller
Vorband: Palma Violets
Ort: Royal Albert Hall, London (Teenage Cancer Trust)
Datum: 25.03.2013
Zuschauer: etwa 5.000
Dauer: Paul Weller 117 Minuten / Palma Violets 35 Minuten


Im September 2007 wollte ich als 15-jähriger Möchtegern-Mod unbedingt zu Paul Weller und Steve Cradock im Frankfurter Mousonturm. Niemand erklärte sich jedoch bereit, mich zu fahren, sodass ich das Akustikkonzert mit der damals noch gänzlich unbekannten Amy MacDonald im Vorprogramm verpasste. Ich tröstete mich mit dem Gedanken Paul Weller, mein großes Idol, würde in nicht allzu langer Zeit wieder in erreichbaren Gefilden touren. Dass es fast sechs Jahre dauern sollte, bis sich dieser Wunsch erfüllen sollte, konnte ich damals nicht absehen. Doch die sporadischen Tourneen des immer stilbewussten Modfathers machten immer einen großen Bogen um das Rhein-Main-Gebiet und nach meinem Umzug auch um Stuttgart: Köln, Berlin, Hamburg. Andere Städte waren seit 2007 nicht drin. So wuchs mein Verlangen Weller endlich zu sehen, während ich Amy MacDonald letztes Jahr auf einem kostenlosen Festival im schwäbischen Outlet-Städtchen Metzingen vor zehntausenden Zuschauern angekommen im glitzerndem Mainstream sah und Steve Cradock bereits zweimal erleben durfte: Solo im Nachtleben in Frankfurt und mit Ocean Colour Scene in der Royal Albert Hall. Kurz nachdem ich bei Via-NO-go die Karten für das Teenage Cancer Trust – Konzert von Noel Gallagher erstanden hatte, wurde für den letzten Abend der diesjährigen Konzertreihe der legendäre „Godfather of Britpop“ angekündigt – diesmal machte mir die Technik keinen Strich durch die Rechnung und ich hatte meine Karten Minuten nach Vorverkaufsstart, außerdem war da ja noch dieser Gastauftritt am Samstag bei Noel Gallagher, Damon Albarn und Graham Coxon.
Zum Ärgernisse wurden technische Umstände erst beim Konzert selbst. Die Akustik, die zwei Tage zuvor keine Wünsche offen ließ, war heute unglaublich mies. Es hallte, war zu laut, dröhnte, schepperte. Die ersten Songs erkannte ich nur an Wortfetzen und Rhythmik, obwohl ich mich als Kenner des Weller'schen d'oeuvre bezeichnen würde. Warum es dann doch noch ein unvergessliches, erstklassiges Konzert werden sollte, das sich aller Wahrscheinlichkeit nach, auch in meiner Jahresbestenliste finden lassen wird, versuche ich nun der Reihe nach zu erklären.


Auch bei der Wahl der Vorbands bewies Gastkurator Noel Gallagher ein gutes Händchen für vielversprechende Bands. Bei Paul Weller sollten das die Palma Violets sein, der wohl größte Hype auf der Insel neben dem mittlerweile 19 Jahre alten Jake Bugg, den man im letzten Herbst auf Tour mit Noel Gallagher's High Flying Birds begutachten durfte.

„180“, das Debütalbum der vier Londoner Jungs erschien standesgemäß beim renommierten Label Rough Trade, das seit jeher ein Gespür für die richtige Band zur richtigen Zeit zu haben scheint. Man denke hierbei nur an die Veröffentlichungen der Debütalben der Smiths, Strokes und Libertines. In den Medien ständig heraufbeschworen besteht der Vergleich mit den Libertines den Livetest. Ich bin bereits nach dem ersten Song begeistert, auch wenn der Sound zu wünschen übrig lässt und sich im weiteren Verlauf des Abends nur unwesentlich verbessern sollte.
„Best of Friends“ wurde vom New Musical Express zur besten Single des vergangenen Jahres gekürt – zu einem Zeitpunkt als weder viele Songs noch ein Album fertig waren. Natürlich sind solche Vorschusslorbeeren grundsätzlicher Indikator eines klassischen Hypes, aber gleichzeitig immer eine beträchtliche Gefahr für die Zukunft einer jungen Band, die an den Erwartungen zu zerbrechen droht. Ein gutes Album wurde „180“ dann doch, wenn auch kein Meilenstein wie die Erstlinge der Libertines oder Strokes.
Der Support-Slot für Weller ist der bisher größte Auftritt von Samuel Thomas Fryer (Gesang und Gitarre), Chilli Jesson (Gesang und Bass), Jeffrey Peter Mayhew (Keyboards) und William Martin Doyle (Schlagzeug). Den jungen Männer aus dem Stadtteil Lambeth sieht man die Nervosität förmlich an, wobei es sich vor allem in dem kraftvollen Anspielen dagegen zeigt. 
 
Betrachtet man die beeindruckende Bühnenpräsenz Fryers und Jessons und ihre Interaktion wird schlagartig klar, woher die ewigen Libertines-Vergleiche herrühren. Es scheint fast so, als stünden Carl Barât und Pete Doherty zu ihren Glanzzeiten auf der Bühne. Der Auftritt wird immer hitziger und intensiver. Jessons springt auf das Schlagzeug, „Best of Friends“ schlägt wie erwartet voll ein, bei „Last of the Summer Wine“, dem meines Erachtens besten Song der aufstrebenden Band, hebt Jesson im schwarzen Hemd die Hände in die Luft und wackelt mit den Fingern. Das Publikum folgt der Aufforderung es ihm gleichzutun. Fryer in beigen Hemd und verschwitzten Haaren sieht aus wie der junge Doherty und spuckt die Worte ganz ähnlich aus wie der letzte große Barde Albions.
Chicken Dippers“ und „Rattlesnake Highway“ brillieren ebenfalls, besonders der zweite Song gefällt mir besonders gut mit seinen deutlichen The Clash – Anleihen. Überhaupt ist der Bezug zu den Pionieren des englischen Punks immer spürbar, er zieht sich durch die einzelnen Titel, die Performance und selbst als Intro wählte das Quartett mit „New Rose“ einen Klassiker einer der ältesten britischen Punkbands, The Damned. Mit „14“ endet nach zwölf Songs – es werden alle Lieder des Debüts inklusive Hidden-Track gespielt – eine intensive, berauschende Show einer aufstrebenden Formation, von der wir noch eine Menge zu erwarten haben. Es muss nicht die Zukunft des Pops gewesen sein, die ich 35 Minuten lang gesehen habe, dazu ist die Musik zu redundant und die Zitate zu offensichtlich, aber vermutlich war es die Rettung des britischen Gitarrenrocks, die sich uns im großen Rund der Royal Albert Hall zeigte. Nicht mehr, aber auch auf keinen Fall weniger als das. 
 
Wie schon am Samstag führt Radiomoderator John Holmes mehr schlecht als recht durch das Programm und so ist es für die 5000 Zuschauer in der nicht ganz ausverkauften Albert Hall eine große Wohltat, als nach dem bereits bekannten Video-Einspieler, in dem das krebskranke Mädchen Charlotte über das Wirken des Teenage Cancer Trust berichtet, Noel Gallagher die Bühne betritt. Begleitet wird er diesmal von Kate, die ebenfalls an Krebs erkrankt ist und wie Charlotte zwei Tage zuvor einen kurzen Einblick in die Arbeit des Trusts gibt. Daraufhin bittet Noel weitere Jugendliche auf die Bühne, bevor er augenzwinkernd anmerkt, man habe „We are the World“ spielen wollen, es aber nicht geprobt. „Very unprofessional.“ 
Er habe eine der besten Wochen seines Lebens gehabt, betont der Oasis-Star, bevor er seinen „good friend and neighbour“ Paul Weller ankündigt, der das abschließende Konzert der diesjährigen Reihe geben sollte.

Im blau, weiß, rot gestreiften, enganliegenden Poloshirt betritt die sportliche 54-jährige Modikone lächelnd die Bühne mit seinen fünf erstklassigen Begleitmusikern. Ohne ein Wort zu verlieren eröffnet der The Jam – Klassiker „Private Hell“ die Show. Es ist ohrenbetäubend laut und ich kann den Song, obwohl ich ihn sehr liebe, erst spät identifizieren. Mit aus Taschentüchern provisorisch gebastelten Ohrschützern ist das ganze erträglich, wenn auch klangtechnisch alles andere als berauschend.
Wären da nicht die zwei dutzend durchweg großartigen Songs heute Abend und die brillierende, harmonische Band, es wäre nicht auszuhalten gewesen. So wurde es letztlich doch ein Konzert allererster Güte. „Kling I Klang“, die Krautrock-infizierte Nummer, steht den großen Glanzleistungen, die Weller in seiner langwierigen Karriere en masse vollbrachte in nichts nach. „Blink and you'll miss it“ vom 2005er Album „As is now“ zum Beispiel ist eine elektrifizierende Modrocknummer mit Northern Soul Einflüssen.


Der elder statesman of Britpop, von vielen als unwichtiger Second Generation Mod gescholten, ist in seiner Bedeutung für die heutige Popmusik nicht zu unterschätzen. Seine Meisterwerke mit The Jam sind die Initialzündung des modernen Britpops und die richtungsweisende Neujustierung des englischen Punks in Personalunion. Unglaublich, dass Weller mit Anfang 20 Songs in der Klasse von „English Rose“ oder „Butterfly Collector“ schrieb. Nostalgie allerdings ist keine Weller'sche Tugend, sodass man heute nur drei Songs aus der Jam – Ära erleben darf, was bei dem riesigen Kanon an Songs allerdings auch nichts ausmacht. Faszinierend ist es, rückblickend anerkennen zu müssen, dass Weller in seiner gesamten Schaffenszeit immer die Personifikation der Coolness war. Als junger Mod mit The Jam, als distinguierter Soulsänger mit The Style Council und eben ab den 90ern solo als Modfather, der heute so etwas wie die graue Eminenz des englischen Indies ist.
Man neigt gerne das 80er Schaffen mit The Style Council etwas zu vernachlässigen, doch gelangen Weller und Mick Talbot damals nicht nur eine Reihe erstklassiger Alben, sondern auch Hitsingles wie „Walls come tumbling down“ oder „My everchanging moods“, das der einzige Song aus dieser Zeit heute bleibt.


Steve Cradock, seit Wellers ersten Soloalben andauernde Weggefährte, glänzt als begnadeter Gitarrist, kein Wunder, dass er häufig als bester Gitarrist seiner Generation und des Britpops bezeichnet wird. Er hält die Gitarre wie Pete Townshend, lässt seine Arme wie dieser windmühlenartig kreisen, während seine beiden Soloalben dagegen wie die Post-Beatles-Platten George Harrisons klingen. Doch ist der Ocean Colour Scene – Veteran beileibe nicht der einzige herausragende Musiker in Wellers Band. Vor allem die beiden Mitglieder der relevanten Retroband The Moons, die mit Weller spielen, sind besonders zu erwähnen. Ben Gordelier, Schlagzeuger der Northamptoner Mod-Band, erweitert den perkussiven Spielraum der Band, indem er als zweiter Drummer Steve Pilgrim unterstützt. Es mag seltsam erscheinen, dass Weller für seine Musik zwei Schlagwerker benötigt – bewusst habe ich so etwas selbst bisher nur bei Radiohead, Massive Attack und Ringo Starrs All Starr Band gesehen -, doch verleiht es dem Auftritt weitere Dynamik und Intensität. Andy Crofts, Frontmann der Moons, spielt bei Weller Keyboards und zeigt sich im Backroundgesang als begnadeter Vokalist. An gleicher Stelle sah ich ihn 2010 mit seiner Band im Vorprogramm von Ocean Colour Scene. Damals wurde ich sofort Fan. Solo eröffnete er zudem das Konzert von Cradock, in dessen Band er Bass spielt, im Nachtleben. Dort wird es am 19. April ein Wiedersehen mit den Moons geben. Allerdings ohne James Edward Bagshaw und Thomas Edison Warmsley, die 2010 noch dabei waren. Seit einiger Zeit sorgen die Beiden mit ihrem neuen Projekt, Temples, selbst für Furore, denen manch einer eine noch rosigere Zukunft prognostiziert als Palma Violets. Noel Gallagher bezeichnete sie wiederholt als interessanteste aktuelle britische Band. Christoph wird sie Morgen im Vorprogramm von Suede in London sehen. Man darf auf sein kritisches Urteil gespannt sein.

Doch zurück zum eigentlichen Konzert: „Fast Car / Slow Traffic“ vom 2010er Meisterwerk „Wake Up The Nation“, das aus guten Gründen für den Mercury Prize nominiert war, ist der bislang härteste Song des Abends. Härter als der punkige Garagenrock der Palma Violets. Eine atemberaubende Nummer, bei der es kaum einen weiter in den Sitzen hält. Steve Cradock läuft wild auf der Bühne umher, Andy Lewis' Bass wabert über allen und Weller zeigt seine Shouter-Qualitäten.
Vom aktuellen Album folgen starke Songs wie „The Dangerous Age“, das Weller letztes Jahr akustisch mit Cradock und Crofts bei Harald Schmidt vorstellte und „Dragonfly“ , eine gute Nummer mit deutlichen Elektroniceinflüssen, bei der er wohl kompositorische Unterstützung seiner Tochter bekam, die sich jedoch nicht traue, auf der Bühne mit ihm Klavier zu spielen. Kinder hat Weller bekanntlich einige. So ist sein ältester Sohn, Nat, Model und mit der gerade volljährigen Gossip Girl Schauspielerin und Pretty Reckless - Röhre Taylor Momsen liiert. Seine jüngsten Kinder sind gerade etwas über ein Jahr alt. Zwillinge, die auf die Namen John-Paul und Bowie hören. Manchmal ist eben auch ein Modfather ganz Fan. Warum ich das erzähle? In einer der Logen fallen Zwillinge im Kleinkindalter und riesigen Ohrenschützern auf. Es werden wohl die Jungs mit den großen Namen gewesen sein.

Sea Spray“ von „22 Dreams“ gefällt mir sehr. Eine gute Folkpop-Nummer, mit entspannten Text. Ich fand Wellers laid back Songs häufig noch besser als seine Punksongs. Das hier ist ein guter Beleg dafür.
Erstes große Highlight ist dann „Wild Wood“, einer meiner liebsten Weller-Songs auf alle Zeit. Sich mit der Akustikgitarre begleitend, unterstützt von seiner genuinen Band, beschert er mir in diesem Augenblick einen der wunderbarsten Momente meiner Konzertlaufbahn, den er aber selbst noch heute zu toppen vermag. Der weißhaarige Sänger, den ich noch nie auf Bildern mit so langer Mähne sah, singt mit unvergleichbarer Eleganz aussichtslose Zeilen. Es wird eine Spannung erzeugt, die an ein Frösteln an einem schwülen Sommertag erinnert. „Climbing forever trying / Find your way out - of the wild wild wood / Now there's no justice / There's only yourself - that you can trust in“. Für mich ist „Wild Wood“, Wellers zweites Soloalbum, sein bestes, umso mehr freute ich mich über „The Weaver“, das es direkt im Anschluss gab. Ein rares Lied, das Weller zuletzt vor acht Jahren spielte.


„Stanley Road“ ist als Album sicherlich auch nicht zu verachten, immerhin ist „Changing Man“ darauf, dass Weller überraschend auslässt. Stattdessen gibt es das reizende „Porcelain Gods“ und es wird deutlich, dass der Modfather heute Abend seine treuen Fans belohnen möchte.
Brand New Start“, ein beliebter Song, den Weller wohl viel zu selten spielt, wird zurecht frenetisch aufgenommen und von meiner Freundin als Konzerthighlight bezeichnet. Alles stimmt hier, Weller singt fantastisch.  
Wider Erwarten gibt es heute auch keine Special Guests. Abgesehen von seiner halb so alten Ehefrau Hannah, die im schwarzen Abendkleid beim sphärischen „Study in Blue“ wie auf dem aktuellen Album „Sonic Kicks“ als Duettpartnerin fungiert, während die Modelfreundinnen Gordeliers und Crofts', wie während des gesamten Konzerts, am rechten Bühnenausgang tanzen.

7 &3 Is The Strikers Name“, der Klassiker „Peacock Suit“ erhöhen die Schlagzahl noch einmal, bevor das reguläre Set mit ruhigeren – nicht minder guten – Stücken wie „Woodcutter's Son“ und „Whirlpool's End“ endet.
Ein enttäuschendes Bild zeigen zahlreiche Zuschauer, die nach Ende des regulären Sets, die Halle verlassen. Unverständlich, auch wenn man die Soundprobleme berücksichtigt.
Reich an Raritäten bleibt auch der erste Zugabenblock: „Dust and Rocks“ von „Heliocentric“ und der ungewöhnliche The Jam – Song „Just Who Is The 5 O'Clock Hero?“ begeistern mich, während die Soundprobleme erneut zunehmen und es fiese Rückkopplungsgeräusche gibt. Noch eine „Wild Wood“ - Perle, „Foot of the Mountain“ gibt es. Dann verlassen Weller, Cradock, Pilgrim, Crofts, Lewis und Gordelier die Bühne zum vorletzten Mal. Den absoluten Höhepunkt erreicht das Konzert schließlich mit dem letzten Song, dem unsterblichen The Jam – Klassiker „That's Entertainment“, das Morrissey oft coverte. Trotz Rückkopplungen beweist Weller, dass er den wohl besten Song schrieb, mit dem man ein Konzert in London beenden kann. Stärker als „The Universal“ oder „Don't Look Back In Anger“ und meines Erachtens auch besser als „Twist and Shout“ in der Version von Bruce Springsteen und Paul McCartney, auch wenn mir ein guter Freund der letztes Jahr im Hyde Park dabei war, jetzt sicherlich widersprechen würde. Einen besseren Abschluss für die traditionsreiche Charity-Konzert-Reihe kann man sich jedenfalls nicht vorstellen. In den kommenden Jahren werde ich sicherlich wieder einmal dabei sein.

Am Bühnenausgang treffen wir diesmal Wellers Mitmusiker. Steve Pilgrim, die Mitglieder der Palma Violets, Andy Crofts und das Model Tara Griffin, Miles Kane und Steve Cradock mit Ehefrau Sally und den gemeinsamen Kindern, die dann mit dem familienfreundlichen hellblauen Citroen davonfuhren. Von Gallagher und Weller keine Spur. Letzterer musste sich wohl um Lennon-McCartney und David kümmern, oder so.

Setlist, Paul Weller, London:

01: Private Hell
02: Kling I Klang
03: Blink And You'll Miss It
04: My Ever Changing Moods
05: Fast Car/Slow Traffic
06: That Dangerous Age
07: Sea Spray
08: The Attic
09: Wild Wood
10: The Weaver
11: Porcelain Gods
12: Dragonfly
13: When Your Garden's Overgrown
14: Brand New Start
15: Study In Blue
16: 7&3 Is The Striker's Name
17: Peacock Suit
18: From The Floorboards Up
19: Woodcutters Son
20: Whirlpool's End

21: Dust And Rocks (Z)
22: Just Who Is The Five O'Clock Hero? (Z)
23: Foot Of The Mountain (Z)

24: That's Entertainment (Z)


Tourdaten The Moons:

18.04.2013 in Paris
19.04.2013 in Frankfurt am Main, Nachtleben
20.04.2013 in St. Poelten, Cinema Paradiso
22.04.2013 in Wien, Wuk
24.04.2013 in Graz, PPC
25.04.2013 in Köln, Underground
26.04.2013 in Hamburg, Indra
 


Noel Gallagher's High Flying Birds & Special Guests, London, 23.03.2013

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Konzert: Noel Gallagher's High Flying Birds (mit Damon Albarn & Graham Coxon)
Vorband: Gruff Rhys
Ort: Royal Albert Hall, London (Teenage Cancer Trust)
Datum: 23.03.2013
Zuschauer: 5.250 (ausverkauft)
Dauer: Noel Gallagher's High Flying Birds 93 Minuten / Damon Albarn & Graham Coxon knapp unter einer halben Stunde / Gruff Rhys 25 Minuten



Damon Albarn dreht sich schnell um die eigene Achse, tänzelnd auf Noel Gallagher in der Bühnenmitte zu, legt seinen Kopf für den Bruchteil einer Sekunde auf seine Schulter, beide lächeln. Es ist der Höhepunkt eines unvergesslichen Abends, eines Konzerts, das in meiner Erinnerung immer einen gesonderten Status einnehmen wird, über allem schwebend. 
Dass sich Noel und Damon letztes Jahr mit großen Gesten bei den Brit-Awards versöhnt haben, erschien mir damals wie ein plumper Seitenhieb gen Bruder Liam, zu unüberwindbar schien mir immer die zur Feindschaft entartete Rivalität zwischen Oasis und Blur, zwischen den Fangruppen und den Musikern. Noel trieb es mit seinem unter anderem an Damon Albarn gerichteten "catch AIDS and die" auf die Spitze. Umso irrealer, umso viel wertvoller erschien Anfang Dezember letzten Jahres die Ankündigung eines gemeinsamen Konzerts für den Teenage Cancer Trust in der Royal Albert Hall. Da musste ich hin. Ohne wenn und aber. Zunächst machte mir aber die Technik einen Strich durch die Rechnung und ich musste meine bereits im Warenkorb liegenden Tickets verwerfen. Natürlich war die Veranstaltung nach wenigen Minuten bereits ausverkauft, so dass nur noch der Weg durch die verhassten Ticketbörsen blieb. Bei Viagogo kaufte ich wütend letztlich Karten für Stehplätze in der Galerie zu gerade noch vertretbaren Preisen, wobei dieser legalisierte Schwarzmarkt mir gerade bei einer Charity-Veranstaltung in seiner Gier und dem neoliberalen Kalkül wie eine Perversion des Wohltätigkeitsgedankens erscheint. Gleichzeitig muss sich der Veranstalter in so einem Fall überlegen, ob es tatsächlich sinnvoll ist, ein Ticketlimit von sechs Karten bei einem derart exklusiven Event vertreten zu können.

Seit ich begonnen habe mich intensiver mit Popmusik auseinanderzusetzen, war es mein festes Ziel einmal zur Teenage Cancer Trust – Woche nach London zu reisen, schließlich erschien mir zum einen die Kinderkrebsstiftung unterstützenswert, während andererseits natürlich Jahr für Jahr ein unglaublich gutes Line-Up aufgezogen wurde. Ausgelöst wurde dieser Wunsch wohl, als ich vor Jahren die Live-DVD des ersten Rockkonzerts für den Trust in der Royal Albert Hall sah. The Who brillierten – damals noch mit dem inzwischen verstorbenen John Entwistle am Bass – mit einer formidablen Rockshows, unterstützt von Gaststars wie Geiger Nigel Kennedy, Stereophonics – Sänger Kelly Jones, den unvermeidlichen Eddie Vedder und eben Paul Weller – und selbstredend Noel Gallagher.

Da Roger Daltrey, Frontmann von The Who, mit der großen „Quadrophenia“-Tour seiner Band in Nordamerika beschäftigt war, übergab er für dieses Jahr erstmals die Rolle des Kurators an seinen Freund Noel Gallagher, dem ein beeindruckendes Line-up gelang: Ryan Adams mit Beth Orton, Primal Scream mit Echo & The Bunnyman, eine Comedynight mit Russell Brand und Noel Fielding, Kasabian und zum Abschluss Paul Weller, für dessen Konzert mit Palma Violets im Vorprogramm ich ganz regulär an Karten kam.


Dass es bereits an diesem Samstag zu einer Begegnung mit dem Modfather kommen sollte, war bestenfalls zu erhoffen, als ich meine liebste Konzertlocation, die Royal Albert Hall, mit meiner Freundin betrete. Andererseits ließ bereits ein Shopping-Spaziergang durch die weltberühmte Mod-Gasse „Carnaby Street“ daran glauben, dass der Tag unter einem guten Omen steht. Während der traditionelle Laden des ehrwürdigen Labels „Merc“ nicht mehr existiert, lief einem hier Bobby Gillespie, Frontmann von Primal Scream über den Weg. Eine kurze Begegnung, die als perfekte Einstimmung auf einen perfekten Abend nur so gelegen kam.

Als wir unsere Plätze ganz oben in der Mitte der Galerie der Albert Hall einnehmen liegt eine nahezu greifbare Spannung in der Luft. Das Publikum ist dabei äußerst gemischt: Gallagher-Lookalikes in Lederjacken, Mods, bebrillte Blur-Anhängerinnen im „Modern life is rubbish“-T-Shirt. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt genau, was einen erwarten wird.

Radiomoderator John Holmes betritt als erster die Bühne der ehrwürdigen Halle, in der ich bereits ein durchwachsenes John Fogerty – Konzert besuchte, das regulär auf DVD erschien, eine klassisches Weihnachtskonzert sah und einen brillanten Auftritt der Britpop-Heroen Ocean Colour Scene beiwohnte. Offenbar funktioniert Britpop hier besonders gut.

Holmes, „breakfast man“ beim präsentierenden Radiosender XFR spricht wiederholt von der Einzigartigkeit des Events, lobt den Teenage Cancer Trust, bevor er den Support Act des Abends ansagt: Gruff Rhys, Sänger der formidablen walisischen Band Super Furry Animals, den man wohl Griff Ries ausspricht und der schon vor einigen Jahren ein Konzert für den Trust spielte, überzeugt als Solokünstler restlos. Wenig verwunderlich ist sein Auftritt auch, wenn man beachtet, dass er mit einem Gastbeitrag auf dem letzten Gorillaz-Album vertreten ist, wo er bei „Superfast Jellyfish“ einen netten Gesangspart übernimmt. Alle Titel des sechs Song starken Sets bestechen als erstklassige Popnummern, die dem All-Time-Klassiker „Run-Away", meinem wohl auf alle Zeit meist geliebten Super Furry Animals Lieds, in nichts nachstehen. 
Besonders die Harmonien, die der bärtige Sänger selbst mit einer Loop-Station aufnimmt und direkt verwendet, sind kaum zu übertreffen. Bisher habe ich keinen Künstler erlebt, dem dies besser gelang. Quasi die Ein-Mann-Folk-Version der Beach Boys. Grandios. Vor allem „Sensations in the Dark“ wird wohl als echte Perle im Gedächtnis bleiben, ebenso wie die großen Schilder, mit denen er ironisch mit dem Publikum kommuniziert und auf denen  "Applause", "Louder" oder schlicht "Thank You" und abschließend "The End" stand.

Danach läuft ein Videoüber den großen Bildschirm hinter der Bühne, in dem die Teenagerin Charlotte ihre Krebserkrankung schildert und beschreibt, wie die Arbeit des Teenage Cancer Trust jungen Menschen in ihre Situation hilft. Es sind bewegende Minuten, die einem die Tränen in die Augen steigen lassen, während die junge Frau erzählt, wie sie den Krebs bekämpfte, wie sie am eigenen Leib erlebte, wie wohltuend das Wirken des Trusts ist, der Teenager und Kinder im Krankheitsfall unterstützt, aufbaut und betreut. Der dafür sogt, dass neuer Mut die jungen Körper erfüllt, Hoffnung entsteht, Freundschaften begründet werden – und auch verloren werden. Nach dem aufrichtigen Spendenaufruf betritt Charlotte, die – wie sie selbst sagt – Dank des Trusts eine Zukunft hat und an der „School of Law“ studieren kann, eingehakt bei Noel Gallagher die Bühne. 
Tränen werden aus den Augen gewischt, während sie wiederholt die Kernaussagen des Videos betont, bevor Noel den nächsten Auftritt des Konzerts ankündigt: Damon Albarn, in blauer Jeansjacke und Graham Coxon mir roter Hose und Nadelstreifenjacket, die, wie er eher beiläufig erwähnt noch Unterstützung von Dichter Michael Horovitz, einen Zeitgenossen Allen Ginsbergs, und Paul Weller erhalten würden. Als Wellers Name fällt, tobt die Halle. Die ersten stehen auf, Weller-Rufe werden laut, doch den Anfang machen die beiden wichtigsten Blur – Mitglieder als Duo. Wer mit einem kurzen Blur – Best – Of – Set gerechnet haben mag, wird enttäuscht. Statt „Beetlebum“, „Parklife“ und „Coffee & TV“ gibt es „May I?“, ein eher unbekannter Song des Soft Machine – Gründers Kevin Ayers, der in dieser Version in jeder Hinsicht wie ein guter Blur – Song klingt. Albarn spielt Synthesizer, Coxon spielt Gitarre. Alles passt und der geschmackvolle Tribut an den im Februar verstorbenen Musikpionier ist der perfekte intellektuelle Gegenpart vor dem „Wir-hatten-erst-4-Bier“-Mitgrölpathos von Noel Gallaghers Evergreens.
Weller und Horovitz betreten nun die Bühne.  Der Jubel im Publikum nimmt ohrenbetäubende Formen an, als sich der Modfather hinter den Synthesizer auf der rechten Seite setzt. Horovitz, der den meisten wohl unbekannte in Frankfurt geborene Dichter, ist ein guter Freund Wellers, der diesen sehr bewundert. Öffnet man das Booklet von „Sonic Kicks“, dem aktuellen Weller – Album, das dem deutschen Rolling Stone zu Unrecht missfiel, liest man als erstes ein Gedicht Horovitz', Weller gewidmet, das Zeitgeist – und Kapitalismus – kritische „Bankbusted Nuclear Detergent Blues“. Als rare One-Off-Peformance spielt das Quartett aus Britpop-Legenden und 78-jähriger Poetengröße.
 Zusammen mit „Ballade Of The Nocturnal Commune“ macht es den gut 20-minütigen Auftritt der ungewöhnlichen Kombination aus. 

Coxon spielt Gitarre, Saxophon und Schlagzeug und wird für mich als der einzige Mann in Erinnerung bleiben, der gerne rote Hosen tragen darf, Albarn Gitarre und Klavier, Weller Synthesizer, während der Baseball-Cap-tragende Horovitz sich bald seines Hemds entledigt und in einem aus der Entfernung verdächtig nach Tank-Top aussehenden mit Bäumen verzierten Pullunder und Hemd in bester Lou Reed – Manier seine Texte rezitiert.

Das ist zum einen ungewöhnliche Spoken Word – Perfomance, gleichzeitig ist es musikalisch faszinierend und in den Momenten, in denen Albarn eine Art Refrain singt bezaubernd schön. Im Rahmen des Record-Store-Days werden drei Songs auf Vinyl veröffentlicht. Ein absolutes Must-Have für Blur- und Weller-Fans und jeden Liebhaber avantgardistischer Popmusik. Ich bin dankbar an dieser einmaligen Kollaboration anwesend gewesen zu sein.

Dass das Highlight des Abends noch vor dem eigentlichen Auftritt von Noel Gallagher's High Flying Birds folgen sollte, war am Anfang des Abends noch nicht zu erahnen, doch als Geburtstagskind Damon Albarn Noel Gallagher ankündigt, nachdem Horovitz die Bühne verließ, ahnt man Großartiges, was sich in den folgenden Minuten als Britpop-Himmel entpuppen sollte.
Mit Paul Weller am Schlagzeug spielen zwei Blur Mitglieder gemeinsam mit Noel Gallagher den von Albarn und Coxon geschriebenen Song „Tender“. Jedem ist klar, dass es ein historischer Moment in der Popgeschichte ist. Die gesamte Albert Hall steht, ausnahmslos wird der Gospel-Refrain mitgegrölt, während kaum einer fassen kann, was sich da auf der Bühne abspielt. Bis zum heutigen Moment habe ich Schwierigkeiten zu realisieren, dass tatsächlich Paul Weller an den Drums saß. Die Version ist tadellos, Noel meinte ja in einem ironischen Interview, er habe „Tender“ vorgeschlagen, weil die Akkorde einfach seien. Selbst wenn es so wäre, jeder weiß den Moment zu schätzen und wohl jeder hätte sich über weitere Blur – Songs gefreut. Blur in voller Bandbesetzung beim Berlin - Festival im September wiederzusehen, bleibt auch für mich einer der schönsten Konzertausblicke dieses Jahres.

 

Setlist: Damon Albarn & Graham Coxon , London

01: May I? (Kevin Ayers - Cover)
02: Ballad Of The Nocturnal Commune (mit Michael Horovitz und Paul Weller)
03: Bankbusted Nuclear Detergent Blues (mit Michael Horovitz und Paul Weller)
04: Tender (mit Paul Weller und Noel Gallagher)

Nach 25-minütiger Pause sollte es mit dem eigentlichen Hauptact des Abends weitergehen, Noel Gallagher's High Flying Birds. Die Wartezeit überbrückte ich mit der Frage, ob das eben erlebte jemals zu toppen sein wird und mit dem schweifenden Blick durch die Halle nach prominenten Konzertbesuchern. Seitdem mir Morrissey 2009 beim Konzert der Pretenders im Shepherd's Bush Empire über den Weg gelaufen ist, gehe ich mittlerweile mit offeneren Augen in Konzerte in der britischen Hauptstadt. Hinter mir sprechen ein paar Mitdreißiger in Fred-Perry-Polos darüber, Pete Townshend vor der Halle gesehen zu haben. Mitglieder meiner Lieblingsband The Who erblicke ich hingegen nicht, heute sollte es lediglich auf Bürgermeister Boris Johnson hinauslaufen, der sich nach dem Konzert mit selbstgefälligen Grinsen mit Kindern fotografieren ließ. Ob Noel und Damon das gefallen hätte. Wohl kaum, gerade Albarn zeigte ja gerne offen seinen Hass gegen die Tories und bezeichnete sich mal in einem Brief an Tony Blair als Kommunisten, der von New Labour enttäuscht sei. Paul Weller ließe sicherlich auch kaum ein gutes Haar am pseudo-punkigen Selbstinszenierer Johnson.

Doch zurück zum Konzert. Wie zu erwarten eröffnet Noel sein Set mit „It's Good To Be Free“, jener Oasis-B-Seite, die heute gerne als zynischer Seitenhieb in Richtung des kleinen Bruders interpretiert wird, was sicherlich auch der Wahrheit sehr nahekommen dürfte, warum sonst sollte Noel seit der Oasis – Trennung seine Konzerte damit eröffnen.

Die drei folgenden Songs von seinem Solodebüt kamen wenig überraschend, schließlich ändert Noel grundsätzlich wenig bis gar nichts an seiner Setlist und spielte „Everybody's on the run“, „Dream on“ und „If I had a Gun“, bisher bei allen drei Konzerten, die ich von ihm besuchte. Erstklassige Nummern sind sie natürlich ohnehin. Dass ich das Soloalbum als Meisterwerk feierte, muss hier nicht weiter ausgeführt werden, schließlich sprechen die Songs für sich. „Dream On“ wird mit drei Blechbläsern performt, was dem Lied live gut bekommt, während es in der Studioversion etwas überproduziert erscheint. Gott sei Dank wird heute auf Streicher und den fast schon obligatorischen „Hausfrauenchor“, wie es ein guter Freund von mir nannte, verzichtet.
Fade Away“, in einer entschleunigten Fassung, ist dann die erste Überraschung im regulären Set. Mit jenem fantastischen Song aus der Glanzzeit von Oasis hat heute Abend wohl kaum einer gerechnet, umso impulsiver ist das Mitsingen der Fans. „While we're living the dreams we had as childern fade away“. So einfach die Lyrik Gallaghers ist, so groß ist auch ihre klassenumgreifende Wirkung. Hooligan-Arbeitertypen singen Arm in Arm mit der verhassten Middle-Class unsterbliche Songs. Es ist Stadionrock von seiner schönen Seite, perfekter Britpop, ja perfekter Pop. Die aufgekommene Energie nimmt auch bei „The Death Of You And Me“, wieder mit Bläsern, nicht ab. Kein Wunder immerhin findet man auch hier die arrogant-aufrichtige Haltung des großen Aufsteigers, den George Martin aus vollkommen angebrachten Gründen als größten Songwriter seiner Generation ehrte, wie man sie schon 1994 in „Whatever“ bewundern konnte. „You and me / Forever we'd be free / Free to spend our whole lives running / From people who would be / The death of you and me / 'Cause I can feel the storm clouds / Sucking up my soul.“

Freaky Teeth“ wiederum, bis heute in keiner Studioversion veröffentlicht, ist, wie Noel gerne erwähnt, so etwas wie der ideale Bond-Titelsong. Eine bizarre Geschichte packend erzählt mit ungewöhnlicher Rhythmik und starken Refrain. Ein Gallagher'sches Meisterwerk, auch wenn man es in den letzten Oasis – Jahren kaum glauben konnte, der Mann ist Genie mit großen Händchen für unsterbliche Hits.
Bestes Beispiel dafür ist das mittlerweile wohl tot gehörte „Wonderwall“, das er auch nur ungern live spielte. In Offenbach bluffte er im Oktober geschickt, als er „Supersonic“ mit den Akkorden des Welthits beginnen ließ. Heute jedoch gibt Noel den Fans das was sie wollen, eben jenen zeitlosen Popsong. Reduziert, sich selbst auf der Akustikgitarre begleitend beweist er nebenbei, warum „Wonderwall“ eben doch so viel mehr ist, als eine nervige Radionummer. Im Ryan Adams – Arrangement bezirzt die minimalistische Fassung in ihre schlichten Schönheit. Tausende Kehlen singen mit, es darf wieder geweint werden. Wie bei „Tender“ sind es Tränen des puren Glücks. Nie wieder möchte ich „Wonderwall“ live hören. Weder von Noel noch von Liam bei einem Beady Eye Konzert oder bei einer – hoffentlich niemals Realität werdenden – Oasis-Reunion. Zu perfekt sind die viereinhalb Minuten reinsten Pop. Ich könnte noch ewig über die unprätentiöse Performance schreiben und könnte ihr doch nie gerecht werden. Wer einen Beweis sucht, warum Noel niemals wieder ein Konzert mit seinem Bruder spielen muss, findet ihn hier. Der bessere Songwriter war er immer diskussionslos, dass er auch der bessere Sänger ist, steht spätestens jetzt für mich fest, wobei auch der Mitschnitt des MTV-Unplugged-Konzerts 1996 dies bereits erahnen ließ.
Besser als mit „Supersonic“ kann man an dieser Stelle nicht weitermachen. Ebenfalls auf die akustische Fassung reduziert, führt Noel einen vor Augen, was bei Oasis genervt hat – und das schon in den Anfangstagen -, nämlich das Johnny-Rotten-singt-John-Lennon-Songs-Gehabe von Liam Gallagher. Wie sinnlos der Text ist, ist dabei vollkommen egal, wenn die gesamte Halle Zeilen wie „Can I ride with you in your BMW / You can sail with me in my Yellow Submarine“ mitsingt, ist es magisch – und nichts sonst. 

Neben Songs des Soloalbums steht der Abend ganz im Zeichen echter Raritäten. Den harten Oasis-Song „Lord Don't Slow Me Down“ spielt Noel mit Ausnahme eines Warm-Up-Konzerts für den Londoner Gig in Dubai zum ersten Mal überhaupt live, bevor es mit „Alone on the rope“ , einer starken Ballade, in der Gallagher auch als fähiger Sänger besteht, zu einer echten Weltpremiere kommt. Erstaunlich, betonte Gallagher doch noch bei seinem ersten Auftritt als Solokünstler - ebenfalls für den Teenage Cancer Trust - 2010, er würde keine neuen Songs bei Charity Konzerten spielen. Schön, dass er diese Ansicht geändert hat. Auf die nächste Platte darf man sehr gespannt sein. Die Emanzipation von Oasis schreitet weiter fort, die bessere Band hat er ohnehin schon um sich geschart. Besonders Drummer Jeremy Stacey ist an seinem Instrument ein echter Meister. Der bärtige ehemalige Lemon Trees – Schlagzeuger dürfte das Durchschnittsalter der Formation zwar deutlich erhöhen, doch sorgt er auch für qualitative Gewinne. Mit Russell Pritchard den Bassisten der Zutons in der Band zu haben, spricht als weiteres Indiz für die musikalische Integrität der High Flying Birds, so dämlich der Name auch sein mag. Mike Rowe und Tim Smith als weitere Mitglieder an Gitarre und Klavier sind fraglos fähigere Musiker als alle übrigen Oasis-Gründungsmitglieder neben ihrem Komponisten.
Als Zugaben gibt es später nur noch Oasis – Songs, nachdem Noel von Damon Albarn schwärmte und ihm einen Song widmete. „Shout it out loud“, eine weitere rare Oasis-Perle feiert hier umjubeltes Europa-Debüt, bevor „Digsy's Dinner“ gespielt wird, dass, wenn ich mich nicht verhört habe, Liam gewidmet wird („I dedicate this one to the singer of my old band“), den heute wohl keiner vermisst haben dürfte, was ihn später zu Twitter-Pöbeleien verleiten sollte, die es nicht verdienen kommentiert zu werden.
Dann kehren wir mit „Don't Look Back In Anger“ in den Britpop-Himmel zurück, während dieser historischen Abend perfekt gemacht wird. Tränen. Schon wieder. Noel wirkt dankbar, wirft seine Picks ins Publikum und verneigt sich artig, jedem wird wieder ins Gedächtnis gerufen, warum man den kleinen Mann in der Lederjacke, der seit Jahren die gleiche Frisur trägt, so unglaublich verehrt. „I wanna be adored“ sang Ian Brown einst auf dem ersten Track des ersten Stone Roses Album. Ein ehemaliger Roadie der Band hat diesen Status längst hinter sich gelassen. Die ihm berechtigterweise entgegengebrachte Verehrung lässt sich nicht in Worte zu fassen. Dann ist Schluss.


Wäre nicht die Kälte, würde man gerne am Bühnenausgang verweilen, wo Jeremy Stacey rauchend steht und Taxis mit Zetteln an den Fenstern warten, auf denen „Coxon“ und „Paul We“ steht. Es wäre sicherlich interessant gewesen, einen der beiden persönlich zu treffen. Aber bei leichten Schneefall Ende März machen wir uns auf den Weg zur U-Bahn-Station South Kensington, wo ein Straßenmusiker „Here Comes The Sun“ spielt. Zum Glück nicht „Wonderwall“. Es hätte den Abend zerstören können.

Setlist: Noel Gallagher's High Flying Birds, London

01: (It's Good) To Be Free
02: Everybody's On The Run
03: Dream On
04: If I Had A Gun...
05: Fade Away 
06: The Death Of You And Me
07: Freaky Teeth
08: Wonderwall
09: Supersonic
10: (I Wann Live My Dream In My) Record Machine
11: Aka... What A Life!
12: Lord, Don't Slow Me Down
13: Alone On The Rope
14: Half The World Away
15: Aka... Broken Arrow
16: A Simple Game Of Genius
17: (Stranded On) The Wrong Beach

18: Shout It Out Loud (Z)
19: Digsy's Dinner (Z)
20: Don't Look Back In Anger (Z)              


 

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