Konzerte: Festival Ladyfest, Paris: Verity Susman (Electrelane); Laura J Martin & Diane Cluck
Orte: Espace B (Verity); La Loge (Laura J & Diane)
Daten: 13.10.2012 und 27.10.2012
Zuschauer: Verity: etwa 180; Diane und Laura J etwa 80
Konzertdauer: Verity: eine gute Stunde; Laura J etwa 35 Minuten, Diane eine Stunde
Das Festival Ladyfest ist eine feine Sache, nicht nur für Ladies. Im Jahre 2000 in Olympia, Washington zum ersten Male ausgetragen*, ist die Veranstaltung, die sich für die weibliche Musik- und Kunstszene, Frauenrechte, die DIY-Kultur und gegen Sexismus einsetzt, ein globaler Event geworden. Das Ladyfest gibt es nun in zahlreichen Städten in der ganzen Welt und natürlich auch in Paris. Wobei das mit dem "natürlich" für Paris gar nicht so richtig zutreffend ist, denn das Festival fand hier 2011 zum ersten Mal statt. Zum Vergleich: in England gab es ein Ladyfest bereits 2001.
Heuer nun also die zweite Pariser Edition und mit den zwei Konzertabenden, die ich hier beschreiben werde, habe ich mir sicherlich bereits die Rosinen herausgepickt, wobei ich keineswegs sagen würde, daß der Rest des mehrwöchigen Programms schlecht war, im Gegenteil*. Ich kann eben bloß nicht überall gleichzeitig sein, hätte vor allem natürlich gerne Sharon van Etten am 1.Oktober im Café de la Danse gesehen.
Aber jetzt genug der Einleitung und ran an den Speck, sprich die Berichte!:
Verity Susman, Espace B, 13.10.2012
Hoppla, hier brauche ich noch ein wenig Anlauf, um den extrem experientellen Auftritt der Electrelane-Frau in Worte zu fassen
Laura J Martin und Diane Cluck, La Loge, 27.10.2012
Kennt ihr Laura J Martin? Nein? Ich bis vor kurzem auch nicht. Erst das Line Up des Ladyfests Paris hat mich auf die junge, rothaarige Dame aus Liverpool aufmerksam werden lassen. Euphorische Medienberichte und jeweils 4 Sterne Ratings für ihr Debütalbum The Hangman Tree in Q und Uncut machten mich dann noch neugieriger. Die wollte ich nicht verpassen! Zu dumm nur, daß ich vorher zu lange auf dem MaMa Festival in Pigalle war und zu spät in La Loge erschien. Laura J Martin hatte bereits ohne mich (aber vor etwa 80 anderen Leuten) angefangen, mir aber glücklicherweise immerhin noch 3 Songs gegönnt, bei denen ich schnell erahnen konnte, was da für ein Talent unterwegs ist. Das recht dürre Mädel performte ohne Schuhe und ohne Bandunterstützung auf ihrer Querflöte und ihrer hübschen Mandoline. Oft hörte man in einem Lied aber beide Instrumente, die moderne und inzwischen sehr beliebte Looptechnik machte dies möglich. Flöten- und Madolinenklänge boten die passende Untermalung für die markante, stark an Kate Bush und Joanna Newsom erinnernde Kleinmädchenstimme. An ein Plagiat dachte man dennoch keine Sekunde, denn das gebotene Set war sehr eigen und originell. Den roten Faden verloren die Songs nie, ein inneres Band hielt die Stücke zusammen, verhinderte daß sie auseinanderdrifteten und zu experimentell wurden. Deshalb musste ich mir hinterher ihr oben erwähntes Album The Hangman Tree zulegen, von denen die meisten Stücke des gut halbstündigen Sets stammten. Lieder von einer bereits Ende 2012 erhältlichen EP gab es aber noch nicht, obwohl man das Artwork bereits im Netz genießen kann.
Von Laura J Martin werden wir zukünftig noch viel öfter hören und lesen, dessen bin ich mir sicher. Vielleicht sagen dann irgendwann Folkfans: "Laura Marling? Die kenne ich nicht! Ich kenne nur Laura J Martin!"
Spy by Laura J Martin
Diane Cluck:
Die Singer/Songwriterin aus den USA ist eine Künstlerin, die man in Europa nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Ihr letzter Pariser Auftritt fand 2008 statt und den Gig in einer mir unbekannten Galerie hatte ich verpasst. Ihren Namen jedoch, den hatte ich oft gelesen und immer äußerten sich die Schreiberlinge sehr positiv über die damals in die Freak Folk Ecke gestellte Sängerin. Kurzum, ich war neugierig, sehr neugierig sogar.
Die brünette Folkeuse erschien in einem roten Kleid und passend zu diesem steckte eine rote Rose in ihrem Haar und an ihrem Mikrofonständer. Diane war nicht alleine gekommen, hatte ihre niedliche Cellistin Isabel Catellvi dabei. Die beiden Musikerinnen agierten sehr harmonisch zusammen und die karge Seite der düsteren Musik wurde durch das angenehme Brummen des Cellos mit Leben erfüllt. Isabel trat mit ihrem Spiel hierbei nie in den Vordergrund sondern untermalte dezent die Songs von Miss Cluck. Die Grundatmosphäre der Lieder war sanft, dunkel und gefahrverheißend und erinnerte mich stark an die Stimmungen, die eine Nina Nastasia erzeugt. Man merkt da als Zuhörer immer, daß da vorne eine immens kluge und sprachgewaltige, aber auch vom Leben angegangene Person zu Werke ist, die ihre Gefühle in poetische, aber auch mit Bitterniß gefüllte Texte packt und gegen alle möglichen Ängste und Unbill ankämpft. Eine ernste Frau, diese Diane Cluck, aber keine humorlose. In einigen Szenen zwischen den Songs lächelte sie, ulkte mit ihrer Cellistin, ging dann aber wieder zu ihrem Werk über. Eun umfangreiches Werk, das inzwischen sieben Alben umfasst und auch eine aktuelle EP beinhaltet, die es wohl nur auf dieser Tour live zu erweben gibt. Davon stammten dann sehr viele Lieder, z.B. das schwermütige, wolkenverhangene Maybe A Bird, das eine leicht mittelalterliche Note besaß (man dachte auch an Meg Baird oder Sharron Kraus), oder das warmherzige Draw Me Out, bei dem ich irgendwie an die Decemberists oder REM dachten musste, sicherlich der Melodieführung wegen.
Content To Reform von der besagten EP war das einzige Lied, das Cluck am Piano vortrug und am Anfang ein wenig verpatzte, was aber nichts an der hohen handwerklichen Qualität des Vortrages änderte. Hier gab es keine Note zu viel, keine überfrachteten Arrangements, keine Affektierheit. Stattdessen einfach die unglaubliche Reinheit der Stimme, ihr schönes, trostspendendes Timbre, ein paar Gitarrenakkorde und natürlich das himmliche Cello. Ganz wundervoll klang auch Heatloose, bei dem Isabel ihr Cello zu Beginn nur anzupfte, später aber wieder zur Streichtechnik überging und ihr Instrument fast wie eine Geige ertönen ließ.
Ein Stück, Petite Roses, trugen Castellvi und Cluck gemeinsam a cappela am gleichen Mikro vor, wobei die deutliche größere Cluck ihre kleinere Mitmusikernin zärtlich in den Arm nahm.
Der Song, der mich aber spontan am meisten berührte war Pray Headaches Away. Er stammte von dem Album Monarcana und ging mir vor allem des Textes wegn unter die Haut: "when I Was A kid I used to pray headaches away layed awhile on the bed I did and prayed headaches away." Starke Kopfschmerzen schon als Kind? Beten als letzte Lösung? Da liegt die Vermutung nahe, daß in der Familie tragische Dinge passiert sind. Wobei ich nur spekuliere, aber der Gedanke bewegte mich und ließ mich das ganze Konzert über nicht mehr los. Schwere Kost letztlich also, aber mit seichtem Folk Pop, der bei Starbucks läuft, kann ich nichts anfangen, die tieschürfende Musik von Diane Cluck fasziniert mich da einfach deutlich mehr.
Etwa eine Stunde dauerte der brillante Auftritt und hinterher war ich sehr aufgewühlt, aber auch sehr dankbar, daß ich endlich die aus Pennsylvania stammende Musikerin einmal live erlebt habe. Diane geht ihren eigenständigen Weg konsequent weiter, arbeitet nun ohne Label und schickt Fans, die sich in Mailinglisten eintragen regelmäßig Songs zu.
Aus der Setlist Von Diane Cluck, Ladyfest, Paris (nicht in dieser Reihenfolge)
Grandma Say
Maybe A Bird
Draw Me Out
Content To Reform
Heartloose
Trophies
Easy To Be Around
Petite Roses
Pray Headaches Away
Red August (neu)
Why Feel Alone
A Phoenix & Doves
Sara
Wild Deer At Down
Stark! Lang lebe das Ladyfest!
* das erste Foto (von Christoph Konzerttagebuch) zeigt Carrie Brownstein, die im Jahre 2000 mit ihrer damaligen Band Sleater Kinney auf dem ersten Ladyfest spielte.
Spy by Laura J Martin
Diane Cluck:
Die Singer/Songwriterin aus den USA ist eine Künstlerin, die man in Europa nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Ihr letzter Pariser Auftritt fand 2008 statt und den Gig in einer mir unbekannten Galerie hatte ich verpasst. Ihren Namen jedoch, den hatte ich oft gelesen und immer äußerten sich die Schreiberlinge sehr positiv über die damals in die Freak Folk Ecke gestellte Sängerin. Kurzum, ich war neugierig, sehr neugierig sogar.
Die brünette Folkeuse erschien in einem roten Kleid und passend zu diesem steckte eine rote Rose in ihrem Haar und an ihrem Mikrofonständer. Diane war nicht alleine gekommen, hatte ihre niedliche Cellistin Isabel Catellvi dabei. Die beiden Musikerinnen agierten sehr harmonisch zusammen und die karge Seite der düsteren Musik wurde durch das angenehme Brummen des Cellos mit Leben erfüllt. Isabel trat mit ihrem Spiel hierbei nie in den Vordergrund sondern untermalte dezent die Songs von Miss Cluck. Die Grundatmosphäre der Lieder war sanft, dunkel und gefahrverheißend und erinnerte mich stark an die Stimmungen, die eine Nina Nastasia erzeugt. Man merkt da als Zuhörer immer, daß da vorne eine immens kluge und sprachgewaltige, aber auch vom Leben angegangene Person zu Werke ist, die ihre Gefühle in poetische, aber auch mit Bitterniß gefüllte Texte packt und gegen alle möglichen Ängste und Unbill ankämpft. Eine ernste Frau, diese Diane Cluck, aber keine humorlose. In einigen Szenen zwischen den Songs lächelte sie, ulkte mit ihrer Cellistin, ging dann aber wieder zu ihrem Werk über. Eun umfangreiches Werk, das inzwischen sieben Alben umfasst und auch eine aktuelle EP beinhaltet, die es wohl nur auf dieser Tour live zu erweben gibt. Davon stammten dann sehr viele Lieder, z.B. das schwermütige, wolkenverhangene Maybe A Bird, das eine leicht mittelalterliche Note besaß (man dachte auch an Meg Baird oder Sharron Kraus), oder das warmherzige Draw Me Out, bei dem ich irgendwie an die Decemberists oder REM dachten musste, sicherlich der Melodieführung wegen.
Content To Reform von der besagten EP war das einzige Lied, das Cluck am Piano vortrug und am Anfang ein wenig verpatzte, was aber nichts an der hohen handwerklichen Qualität des Vortrages änderte. Hier gab es keine Note zu viel, keine überfrachteten Arrangements, keine Affektierheit. Stattdessen einfach die unglaubliche Reinheit der Stimme, ihr schönes, trostspendendes Timbre, ein paar Gitarrenakkorde und natürlich das himmliche Cello. Ganz wundervoll klang auch Heatloose, bei dem Isabel ihr Cello zu Beginn nur anzupfte, später aber wieder zur Streichtechnik überging und ihr Instrument fast wie eine Geige ertönen ließ.
Ein Stück, Petite Roses, trugen Castellvi und Cluck gemeinsam a cappela am gleichen Mikro vor, wobei die deutliche größere Cluck ihre kleinere Mitmusikernin zärtlich in den Arm nahm.
Der Song, der mich aber spontan am meisten berührte war Pray Headaches Away. Er stammte von dem Album Monarcana und ging mir vor allem des Textes wegn unter die Haut: "when I Was A kid I used to pray headaches away layed awhile on the bed I did and prayed headaches away." Starke Kopfschmerzen schon als Kind? Beten als letzte Lösung? Da liegt die Vermutung nahe, daß in der Familie tragische Dinge passiert sind. Wobei ich nur spekuliere, aber der Gedanke bewegte mich und ließ mich das ganze Konzert über nicht mehr los. Schwere Kost letztlich also, aber mit seichtem Folk Pop, der bei Starbucks läuft, kann ich nichts anfangen, die tieschürfende Musik von Diane Cluck fasziniert mich da einfach deutlich mehr.
Etwa eine Stunde dauerte der brillante Auftritt und hinterher war ich sehr aufgewühlt, aber auch sehr dankbar, daß ich endlich die aus Pennsylvania stammende Musikerin einmal live erlebt habe. Diane geht ihren eigenständigen Weg konsequent weiter, arbeitet nun ohne Label und schickt Fans, die sich in Mailinglisten eintragen regelmäßig Songs zu.
Aus der Setlist Von Diane Cluck, Ladyfest, Paris (nicht in dieser Reihenfolge)
Grandma Say
Maybe A Bird
Draw Me Out
Content To Reform
Heartloose
Trophies
Easy To Be Around
Petite Roses
Pray Headaches Away
Red August (neu)
Why Feel Alone
A Phoenix & Doves
Sara
Wild Deer At Down
Stark! Lang lebe das Ladyfest!
* das erste Foto (von Christoph Konzerttagebuch) zeigt Carrie Brownstein, die im Jahre 2000 mit ihrer damaligen Band Sleater Kinney auf dem ersten Ladyfest spielte.
*einen Überblick über sämtliche Veranstaltungen gibt es hier