Konzert: Soap & Skin & Ensemble
Ort: Le Trabendo, Paris
Datum: 17.04.12
Zuschauer: etwa 600, gut besuchte Veranstaltung
Wenn dir zu warm ist, trink ein heißes Getränk.
Diese Empfehlung kennt man ja und sie ist auch richtig. Und genauso richtig war es heute zu Soap& Skin zu gehen. Wenn du traurig, ja depressiv bist, hör dir depressive Musik an. Das war meine Devise an jenem verregneten 17. April und ich tat gut daran, entsprechend zu handeln.
War ein sehr schwieriger Tag für mich, einer an dem mir meine Schwermut übel mitspielte. Ängste, Grübelzwänge, schwarze Gedanken, viele Leute kennen diese fiesen Symptome ja nur zu gut.
Dennoch raffte ich mich auf und nahm die U-Bahn Richtung La Vilette, auf dessen weitläufigen Areal das kürzlich umgebaute und neu eröffnete Le Trabendo liegt. Eine Location, die etwa 700 Zuschauern Platz bietet und für den Auftritt von Soap & Skin nahezu ausverkauft war.
Als ich eintrat, fing gerade das Konzert an. Man hörte gruselige Klänge (zu Deathmental), die Bühne war pechschwarz und auch sonst gab es so gut wie kein Licht. Man konnte seine eigenen Hände nicht mehr sehen. Dabei wollte ich doch meine Hände benutzen, um Fotos zu schießen! Dies war aber zumindest am Anfang unmöglich. Bestenfalls war das Licht schummrig, die Bilder wären also alle nix geworden. Und Anja Plaschg sah ich die ersten 20 Minuten gar nicht. Ich stand genau im toten Winkel, konnte nur das Ensemble erspähen, nicht aber die Pianistin, die in der Mitte der Bühen zugange war. Aber hören konnte ich sie, ja, und wie! Mit einer geradezu animalischen Inbrunst schrie sie die Parolen, ihre Stimme hatte eine urwüchsige Kraft. Aber auch die stilleren, weicheren Töne beherrschte sie perfekt. Sie variierte herrlich Lautstärke und Intensität. Ihre stimmliche Leistung war das ganze Konzert über einfach sensationell, jede andere Einschätzung wäre unpassend.
Und ihr Ensemble (darunter ihre Schwester) unterstützte sie hervorragend. Die Instrumentierung war genau richtig dosiert, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Die klassischen Instrumente wie Celli, Violinen und Kontrabass passten einfach wie ein Handschuh zu den melancholischen Kompositionen der Österreicherin und auch die Trompete zu hören, war ein Genuß.
Die 600 Zuschauer erlebten ein sehr dichtes, intensives, emotionales Konzert. Selten habe ich es in Paris zuvor erlebt, daß eine solche Stille zwischen den Liedern herrschte. Niemand muckte, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören. Die Tatsache, daß Anja zwischen den Songs nichts sagte, trug interessanterweise zu dieser absoluten Ruhe entscheidend bei. Jeder fragte sich: "was kommt jetzt?" und hielt den Atem an.
Es kam natürlich eine ganze Menge. Viel Material vom neuen Album Narrow, gleich zu Beginn Deathmental, Cradlesong und das dämonisch-dramatische Wunderding Big Hands Nails Down, aber auch Stücke vom Debüt Lovetune for Vaccum wie Extinguish Me und vor allem Thanatos. Ein gewaltiges Lied, dieses Thanatos, live noch deutlich kraftvoller und beeindruckender als auf CD. Hinterher schickte Plaschg mit Fall Foliage (ich hätte jetzt auch das ähnlich gestrickte Cynthia nennen können) sofort eine jener sehnsüchtigen Pianoballaden, die ihr Werk so anziehend machen. Das Ende des Stückes wurde stark elektronisch und auch wahnsinnig laut. Zwei Lieder später sagte die Künstlerin zum ersten (und letztlich einzigen) Mal etwas Richtung Publikum: "désolée pour mon accent", wisperte sie und performte das Desireless Cover Voyage Voyage. Nicht ganz so mein Fall, da ich ihren Akzent wirklich etwas zu stark finde und auch das Cover selbst nicht sonderlich überaschend oder innovativ ausfällt.
Egal, wir steuerten jetzt langsam aber sicher dem Highlight entgegen. Lost war schon bewegend, aber Vater übertrumpfte alles. "Hindert den Hund daran, das Rad anzubellen", das war noch textlich neutral. Was dann kam, erinnerte mich sehr schmerzlich an die Beerdigung und den Verlust meines eigenen Vaters. Das war harter Tobak für mich ("wie halte ich den Graus aus?"), aber irgendwie auch sehr tröstlich. Sie sang mir oft aus dem Herzen, das tat gut.
Für den Rest des Sets war ich dann gar nicht mehr so richtig aufnahmefähig. Zu aufgewühlt war ich, bemerkte noch nicht einmal das kuriose Kelly Family Cover She's Crazy und wanderte wie ein angeschossenes Reh durchs Trabendo. Ich packte nun meine Kamera aus und machte von weit hinten ein paar Fotos. Soap & Skin hatte inzwischen ihr Piano verlassen, performte mit ausladenden Gesten im Stehen und wirkte fast wie eine Schauspielerin am Burgtheater. Ob das jetzt authentisch war oder nicht, sei dahingestellt.
Zu den Zugaben schaffte ich es noch einmal mich zu konzentrieren. Sometimes If feel so happy, sometimes I feel so sad"...., klar, es handelte sich um das Cover von Pale Blue Eyes von The Velvet Underground, das absolut wundervoll instrumentiert war. Zunächst sang Plaschg ohne musikalische Unterstützung, dann kam das Ensemble immer stärker mit hinzu und intensivierte die Stimmung enorm. Ein riesiges Highlight! "Linger on, you pale bue eyes", ach einfach schön!
Das The Doors Cover The End war hingegen weniger gelungen. Stimmlich schlug die Österreicherin zu harte Töne an, traf die Stimmung nicht so richtig und ihr Akzent klang seltsam. Viel lieber wäre mir Spiracle ("when I was a child") gewesen, aber dieser Hit wurde dem Publikum leider vorenthalten.
Dennoch, das Konzert war famos und die hochmelancholische Stimmung der Musik genau das Richtige für mich an diesem Abend. Gemeinsam weint sich's eben besser...
Setlist Soap & Skin, Le Trabendo, Paris
01: Deathmental
02: Cradlesong
03: Big Hand Nails Down
04: Cynthia
05: Extinguish Me
06: Surrounded
07: Pray
08: Thanatos
09: Fall Foliage
10: Meltdown (Clint Mansell Cover)
11: Voyage Voyage (Desireless Cover)
12: Lost
13: Vater
14: She's Crazy (The Kelly Family Cover)
15: Mr. Gaunt Pt 1000
16: Marche Funèbre
17: Sugarbread
18: Pale Bue Eyes (The Velvet Underground Cover)
19: The End (The Doors Cover)
Aus unserem Archiv:
Soap & Skin, Wien, 06.02.12
Soap & Skin, Wien, 10.02.12
Soap And Skin, Paris, 02.11.09
Soap And Skin, Köln, 30.09.09
Soap And Skin, Paris, 15.06.09
Diese Empfehlung kennt man ja und sie ist auch richtig. Und genauso richtig war es heute zu Soap& Skin zu gehen. Wenn du traurig, ja depressiv bist, hör dir depressive Musik an. Das war meine Devise an jenem verregneten 17. April und ich tat gut daran, entsprechend zu handeln.
War ein sehr schwieriger Tag für mich, einer an dem mir meine Schwermut übel mitspielte. Ängste, Grübelzwänge, schwarze Gedanken, viele Leute kennen diese fiesen Symptome ja nur zu gut.
Dennoch raffte ich mich auf und nahm die U-Bahn Richtung La Vilette, auf dessen weitläufigen Areal das kürzlich umgebaute und neu eröffnete Le Trabendo liegt. Eine Location, die etwa 700 Zuschauern Platz bietet und für den Auftritt von Soap & Skin nahezu ausverkauft war.
Als ich eintrat, fing gerade das Konzert an. Man hörte gruselige Klänge (zu Deathmental), die Bühne war pechschwarz und auch sonst gab es so gut wie kein Licht. Man konnte seine eigenen Hände nicht mehr sehen. Dabei wollte ich doch meine Hände benutzen, um Fotos zu schießen! Dies war aber zumindest am Anfang unmöglich. Bestenfalls war das Licht schummrig, die Bilder wären also alle nix geworden. Und Anja Plaschg sah ich die ersten 20 Minuten gar nicht. Ich stand genau im toten Winkel, konnte nur das Ensemble erspähen, nicht aber die Pianistin, die in der Mitte der Bühen zugange war. Aber hören konnte ich sie, ja, und wie! Mit einer geradezu animalischen Inbrunst schrie sie die Parolen, ihre Stimme hatte eine urwüchsige Kraft. Aber auch die stilleren, weicheren Töne beherrschte sie perfekt. Sie variierte herrlich Lautstärke und Intensität. Ihre stimmliche Leistung war das ganze Konzert über einfach sensationell, jede andere Einschätzung wäre unpassend.
Und ihr Ensemble (darunter ihre Schwester) unterstützte sie hervorragend. Die Instrumentierung war genau richtig dosiert, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Die klassischen Instrumente wie Celli, Violinen und Kontrabass passten einfach wie ein Handschuh zu den melancholischen Kompositionen der Österreicherin und auch die Trompete zu hören, war ein Genuß.
Die 600 Zuschauer erlebten ein sehr dichtes, intensives, emotionales Konzert. Selten habe ich es in Paris zuvor erlebt, daß eine solche Stille zwischen den Liedern herrschte. Niemand muckte, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören. Die Tatsache, daß Anja zwischen den Songs nichts sagte, trug interessanterweise zu dieser absoluten Ruhe entscheidend bei. Jeder fragte sich: "was kommt jetzt?" und hielt den Atem an.
Es kam natürlich eine ganze Menge. Viel Material vom neuen Album Narrow, gleich zu Beginn Deathmental, Cradlesong und das dämonisch-dramatische Wunderding Big Hands Nails Down, aber auch Stücke vom Debüt Lovetune for Vaccum wie Extinguish Me und vor allem Thanatos. Ein gewaltiges Lied, dieses Thanatos, live noch deutlich kraftvoller und beeindruckender als auf CD. Hinterher schickte Plaschg mit Fall Foliage (ich hätte jetzt auch das ähnlich gestrickte Cynthia nennen können) sofort eine jener sehnsüchtigen Pianoballaden, die ihr Werk so anziehend machen. Das Ende des Stückes wurde stark elektronisch und auch wahnsinnig laut. Zwei Lieder später sagte die Künstlerin zum ersten (und letztlich einzigen) Mal etwas Richtung Publikum: "désolée pour mon accent", wisperte sie und performte das Desireless Cover Voyage Voyage. Nicht ganz so mein Fall, da ich ihren Akzent wirklich etwas zu stark finde und auch das Cover selbst nicht sonderlich überaschend oder innovativ ausfällt.
Egal, wir steuerten jetzt langsam aber sicher dem Highlight entgegen. Lost war schon bewegend, aber Vater übertrumpfte alles. "Hindert den Hund daran, das Rad anzubellen", das war noch textlich neutral. Was dann kam, erinnerte mich sehr schmerzlich an die Beerdigung und den Verlust meines eigenen Vaters. Das war harter Tobak für mich ("wie halte ich den Graus aus?"), aber irgendwie auch sehr tröstlich. Sie sang mir oft aus dem Herzen, das tat gut.
Für den Rest des Sets war ich dann gar nicht mehr so richtig aufnahmefähig. Zu aufgewühlt war ich, bemerkte noch nicht einmal das kuriose Kelly Family Cover She's Crazy und wanderte wie ein angeschossenes Reh durchs Trabendo. Ich packte nun meine Kamera aus und machte von weit hinten ein paar Fotos. Soap & Skin hatte inzwischen ihr Piano verlassen, performte mit ausladenden Gesten im Stehen und wirkte fast wie eine Schauspielerin am Burgtheater. Ob das jetzt authentisch war oder nicht, sei dahingestellt.
Zu den Zugaben schaffte ich es noch einmal mich zu konzentrieren. Sometimes If feel so happy, sometimes I feel so sad"...., klar, es handelte sich um das Cover von Pale Blue Eyes von The Velvet Underground, das absolut wundervoll instrumentiert war. Zunächst sang Plaschg ohne musikalische Unterstützung, dann kam das Ensemble immer stärker mit hinzu und intensivierte die Stimmung enorm. Ein riesiges Highlight! "Linger on, you pale bue eyes", ach einfach schön!
Das The Doors Cover The End war hingegen weniger gelungen. Stimmlich schlug die Österreicherin zu harte Töne an, traf die Stimmung nicht so richtig und ihr Akzent klang seltsam. Viel lieber wäre mir Spiracle ("when I was a child") gewesen, aber dieser Hit wurde dem Publikum leider vorenthalten.
Dennoch, das Konzert war famos und die hochmelancholische Stimmung der Musik genau das Richtige für mich an diesem Abend. Gemeinsam weint sich's eben besser...
Setlist Soap & Skin, Le Trabendo, Paris
01: Deathmental
02: Cradlesong
03: Big Hand Nails Down
04: Cynthia
05: Extinguish Me
06: Surrounded
07: Pray
08: Thanatos
09: Fall Foliage
10: Meltdown (Clint Mansell Cover)
11: Voyage Voyage (Desireless Cover)
12: Lost
13: Vater
14: She's Crazy (The Kelly Family Cover)
15: Mr. Gaunt Pt 1000
16: Marche Funèbre
17: Sugarbread
18: Pale Bue Eyes (The Velvet Underground Cover)
19: The End (The Doors Cover)
Aus unserem Archiv:
Soap & Skin, Wien, 06.02.12
Soap & Skin, Wien, 10.02.12
Soap And Skin, Paris, 02.11.09
Soap And Skin, Köln, 30.09.09
Soap And Skin, Paris, 15.06.09
1 Kommentare :
trauriger aber dennoch tröstlicher konzertbericht.only live for today,past is gone,we all love you muttchen aus berlin
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