Donnerstag, 2. Dezember 2010

dd/mm/yyyy, u.a.,Paris, 01.12.10


Konzert:dd/mm/yyy, Minor Sailor, Alexis Gideon, Shelley Short

Ort: Le Buzz, Paris
Datum: 01.12.2010

Zuschauer: 60 bis 70


So etwas habe ich auch noch nie erlebt! Ein Konzert wird abgebrochen, weil sich die Nachbarn wegen der enormen Lautstärke beschwert haben. Dabei wurde aber doch in einem staubigen Kellerverließ gespielt, wo man eigentlich die Sau rauslassen könnte. Nun gut, die heißspornigen Kanadier dd/mm/yyyy haben es mit zwei Schlagzeugern aber auch wirklich krachen lassen, meine Fresse!



Aber mal von vorne. Le Buzz, was is'n das? Nun, es handelt sich um eine neue Konzertlocation in Belleville, die vor ca. drei Monaten mit dem Ausrichten von Gigs begonnen hat. In Paris kann es auf Grund der regen Nachfrage gar nicht genug Venues geben, so daß man als Musikfan froh ist, wenn irgendwo wieder ein neuer Laden aufmacht. Zudem ist im Buzz der Eintritt frei. Heute wurde aber am Einlass auf eine milde Spende hingewiesen, denn es traten gleich vier Acts auf, die auch irgendwie bezahlt werden mussten.

Die Konzerte im Buzz finden unten im Keller statt, fast ein wenig wie im Pop In. Der Raum is saumäßig schmal, aber relativ lang, so daß man geschätzt 80 bis maximal 100 Leute unterbringen könnte. Ein ziemlich cooler Schuppen, der 100 Prozent indie wirkt, so herrlich ranzig und schmutzig wie er ist!



Leider, leider hatte ich die Amerikanerin Shelley Short verpasst, die als Erste ins Rennen gegangen war. Sie veröffentlicht auf dem glänzenden Hush Label, (u.a. Laura Gibson, Nils Frahm, Peter Broderick), allein dies sollte schon Qualitätsmerkmal. genug sein. Mein Freund Michael, der hier früher aufgekreuzt war, meinte hinterher nur augenzwinkernd: "die Dame wäre perfekt für eine Oliver Peel Session." Argh, da wurde der Finger in die offene Wunde gelegt!

Dann kam der Franzose Minor Sailor zum Zuge. Ein schönes Projekt von Jérémy und seiner Freundin Maia, die für die Videoprojektionen verantwortlich zeichnet. Jérémy ist ein veritabler Soundtüftler, der hinter einem Tisch mit vielen Kabeln und Steckverbindungen loopte und sampelte, was das Zeug hielt. Dreampop vom Feinsten, zu dem er auf einer Akustigitarre spielte, oder in eine Melodica blies. Das Ganze klang sehr isländisch, Sigur Ros scheinen ein möglicher Einfluss zu sein. So bombastisch wie bei der berühmten Truppe um Jonsi wurde es aber nie, sondern es blieb alles dezent, melancholisch, zart und hochcharmant. Perfekte Musik zum chillen (wie man auf neu-deutsch sagen würde), träumen, in Erinnerungen schwelgen. Einfach wunderschön!

Im Anschluß dann erneut ein Musiker, der eine Leinwand für seine Show benutzte. Bei dem aus Portland, Oregan stammenden Amerikaner Alexis Gideon bekamen wir einen richtigen Comicstreifen mit einer abgeschlossenen Handlung zu sehen. Die Geschichte spielte in Japan und im Mittelpunkt stand ein kleiner grüner Affe. Wundervolle Bilder wurden auf ein festes, weißes Laken projeziert und dazu spielte Alexis E-Gitarre, Glöckchen und Flöte und sang auch immer mal wieder. Wobei singen nicht so wirklich der richtige Ausdruck ist, denn der Kerl aus Portland rappte (!) die meiste Zeit. Abgefahren! Mitunter streute er aber auch bluesrockige Schweineriffs ein, je nach Dramaturgie der Handlung der animierten Geschichte. Eine halbe Stunde lang fühlte ich mich gut unterhalten, aber als die Performance die Marke von 60 Minuten überschritt, wurde es zäh und repetitiv. Gegen Ende war es fast eine kleine Qual, im Raume zu bleiben. Der Streifen und die dazuhörige Musik dauerte fast 80 Minuten!!

Ärgerlich vor allem für die als letzte Band anstehenden Kanadier dd/mm/yyyy. Es war bereits Mitternacht und um die letzten U-Bahnen zu kriegen, muss man sich spätestens um halb eins auf die Söckchen machen. Dass letztlich jeder noch seinen Zug bekam, lag daran, daß, wie oben geschildert , der Autritt nach lediglich 5 Songs abgebrochen wurde. Die wildwutzigen Kanadier hatten zuvor ein wahres Hauen und Stechen verantaltet und mit zwei Drummern pervers laut auf ihre Felle eingeprügelt. Die schrägen, völlig unkonventionellen Gesänge taten ein übriges hinzu. Eine völlig verrückte, experimentelle Indierockband (manche reden auch von Psych/Math/Art-Rock), die Foals oder Sky Larkin wie Mainstream-Fuzzis aussehen lässt. Vergleichbar mit ähnlich durchgeknallten Typen wie Abe Vigoda oder The Mae Shi.

Nur ein paar Zentimenter trennten sie von ihren Fans in den ersten Reihen, die in diesem knallengen Raum mitgingen wie Hölle. Nach nur vier Liedern kam aber dann ein Verantwortlicher des Ladens, deutete den Burschen an, ihre Lautstärke zu drosseln und nachdem diese genau so laut wie vorher weitermachten, schließlich komplett abbrechen ließ.

Fazit: Shelley Short wäre etwas für mein Wohnzimmer, dd/mm/yyyy eher weniger...

- Lesenswert: Das Klienicum zu Shelley Short klick!
- Hier gibt es jede Menge schöner Videos von Minor Sailor zu sehen und zu hören!


 

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