Konzert: Birdeatsbaby
Ort: KOHI in Karlsruhe
Datum: 9. April 2016
Dauer: 65 min
Zuschauer: knapp 50
Manchmal geht das Leben ja lustige Wege. Vor ewigen Zeiten - 2005 - hatte mich ein Sampler (ein Direktimport aus den USA!) stark beeindruckt Projekt Presents: A Dark Cabaret. Sofortlieblinge wurden danach Jill Tracy und Pretty Balanced. Leider war es damals noch nicht so leicht, die darauf enthaltenen Bands und das Projekt zu verfolgen und so war es nach einiger Zeit von meinem Musikhorizont gekippt. Sonst hätte ich schon 2011 Birdeatsbaby auf dem zweiten Sampler gefunden. Aber zum Glück peppten sie Anfang 2016 ganz überraschend auf. Eine Anfrage für Konzerte im Frühjahr (Solo) und Herbst (mit Band) und die Tourdaten für den April landeten in meinem Postfach und ich bekam ganz weiche Knie. Neue/alte Helden - und sie waren in der Zwischenzeit nicht faul gewesen! Ich musst erst einmal den gesamten Backkatalog auf Bandcamp kaufen und beim durchhören abfeiern. Das war einfach nur GRANDIOS!
Selbstverständlich war es anschließend Pflicht, ein Konzert dieser Ausnahmeband in Karlsruhe im Kohi zu besuchen - auch wenn ich am gleichen Abend schon einen Wohnzimmerkonzert ausgemacht hatte. Und es würde gleichzeitig auch Treffen werden mit ähnlich Dark-Cabaret-Verrückten aus Der Nähe von Frankfurt und aus Mannheim, mit denen ich vorher schon lange Tipps getauscht hatte, die ich aber noch nie zuvor ad personam getroffen hatte. So fuhr ich - nachdem unsere Wohnzimmerkonzertbesucher alle lieber schnell nach Hause wollten und die Musiker ins Bett - zur "zweiten Schicht" in die Stadt und war schrecklich aufgeregt. Als ich ankam, war aber der Umbau von der Supportband noch in vollem Gange und es gab genug Zeit, sich noch einen Platz am Bühnenrand zu sichern und die beiden anderen zu finden (was beides gelang!).
Schließlich war alles gerichtet - der Platz reichte fast nicht - für Mishkin Fitzgerald am Keyboard, Hana Maria, die mit ihrer Geige ein ziemlicher Hingucker war, Garry Mitchell an Bass und Gitarre und Forbes Coleman an den Drums. Die Setlist enthielt viel vom 2014er Album The Bullet Within und zwei Songs die erst kurz danach veröffentlicht wurden, aber auch Klassiker. Das Set startete mit Tastes like sympathy eher ruhig/nachdenklich mit Mishkins Gesang bevor die Band kraftvoll einsetzte. Ich staune immer, wenn sich eine Band so etwas traut. Aber im Kohi war sofort Aufmerksamkeit da und alle genossen die besondere Rolle der Geige in diesem Song. Die zweite Nummer Spiders versetzte mich sofort in Tanzlaune und ließ meinen Kopf wippen, auch wenn, das Cold, Cold Cold so grausam einsam klingt schrie es doch in meinem Kopf mit.
Hands of orlac nahm auch erst nach etwas einschwingen Fahrt auf, hat aber diesen unwiderstehlich wippenden Rhythmus vom Klavier her und wird zwischendurch ganz hymnisch. Die Band ließ spüren, dass es für sie noch etwas aufregend war, die neuesten Babies zu präsentieren, zumal es auch Probleme mit dem Gesangsmikro gab, die noch schnell behoben werden mussten. No Mirror ist aber einfach großartig mit Schreiausbrüchen dazwischen ordentlich zum Frust herauslassen. Das hat schon etwas von Walpurgisnacht und wurde live natürlich ordentlich durchdekliniert. Zum Glück wurde die Live-Energie des Abends auch auf Video gebannt! Das zweite neue Lied Baby steps hat den wunderbaren groove eines eingängigen Rocksongs und herrliche Melodien zum sofort mitsingen (während im Text klammheimlich alles demontiert wird).
Weiter ging es mit The Lighthouse. Nicht rockig und dabei doch genauso intensiv durch die Stimme und eindrückliche Klavierbegleitung, die durch die Drums akzentuiert wurde. My arms will open wide hat Walzer-Schunkelcharakter und ist fast so etwas wie upbeat im Kosmos von Birdeatsbaby. Und wurde im Konzert von einem Rausschmeißer-Himmelfahrts-lautem Zwischenspiel scheinbar abgeschlossen. Das liess mich mit Gänsehaut zurück bevor es dann doch noch mit einer Strophe weiterging und beim zweiten Mal tatsächlich ein himmelhochjauchzendes Outro den Schlußpunkt setzte. Dunkel ging es anschließend weiter mit dem Muse-Song Muscle Museum, der in ihrer Bearbeitung noch viel unheimlicher und kraftvoller klang (man sehe sich den unten verlinkten Mitschnitt an!).
Drinking in the day klang danach fast wie ein romantisches Liebeslied - wenn man den Text ausblendete. Die herrliche Geigenlinien taten dabei das ihrige, aber alle Romantik ließ doch immer den Absturz irgendwie durchscheinen. Sehr gut schmiegte sich hier der Walzer Into the Black an, der aber von vornherein ganz schräg und derb daherkam (also gar nicht romantisch) und nur einen Nachteil hatte: er war viel zu schnell vorbei. Aber an diesem Abend diente er hervorragend zum Aufwärmen für den Rausschmeißer: The Bullet, der auch diesen Dreiertakt hat und dazu sehr expressiv - eben typisch Dark Cabaret - ist. Das Publikum jedenfalls war von der ersten Minute an aus dem Häuschen gewesen und klatschte wie wild um Zugaben.
Die erforderten aber eine längere Diskussion in der Band und schließlich entschieden sie sich für uns I always hang myself with the same rope zu spielen, das noch einmal die typischen Stärken der Musik von Birdeatsbaby ausspielte und als definitives Finale Ghosts zu setzen. Als der letzte Ton verklungen war, war die Band offensichtlich selbst überglücklich und musste die verrückte Menge fotographieren in der es nicht ein einziges Gesicht gab, das nicht irgendwie verschwitzt und überglücklich aussah. Ich war einfach nur total froh mir das Doppelkonzert zugemutet zu haben und darüber hinaus zu wissen: am 12. November sehen wir uns wieder und es wird sicher wieder so ein eindrückliches Erlebnis wie dieser Abend im KOHI, wenn auch gewiß auf etwas andere Art.
Setlist
01: Tastes like sympathy
02: Spiders
03: Hands of orlac
04: No mirror
05: Baby steps
06: The Lighthouse
07: My arms will open wide
08: Muscle Museum (Muse-cover)
09: Drinking in the day
10: Into the Black
11: The Bullet
12: I Always Hang Myself With the Same Rope (Z)
13: Ghosts (Z)
Dem Mann von der BNN hat es auch gefallen:
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