Dienstag, 3. November 2015

Best Coast, Köln, 02.11.15


Konzert: Best Coast
Ort: Luxor, Köln
Datum: 02.11.2015
Dauer: Best Coast 70 min, PINS 30 min
Zuschauer: vielleicht 200 (nicht ausverkauft) 



Die meisten der obskuren kleinen Bands, über die ich schreibe, sind nur in unserem kleinen Indie-Reservat überhaupt bekannt. Die durchschnittliche Zuschauerzahl meiner Konzerte eines Jahres wird irgendwo zwischen 200 bis 400 liegen. In Deutschland sind die meisten dieser Bands kleiner als in ihrer Heimat (mit Ausnahme von Adam Green und solchen Phänomenen wie Katzenjammer - vermutlich) aber es bewegt sich alles in den gleichen Sphären. Best Coast - das wurde mir erst in den vergangenen Tagen klar - sind da eine große Ausnahme. In seiner Heimat wird das kalifornische Duo als Pop-Band, die durchaus im Mainstream stattfindet, wahrgenommen. Best Coast Stücke laufen im Radio - und zwar in dem, in dem auch Madonna oder Taylor Swift laufen. Vor gut zwei Wochen erst hatte die Band alt-j in der ausverkauften Hollywood Bowl supportet. Vor 17.000 Zuschauern.*


Bei uns ist Best Coast in meiner Wahrnehmung eine der vielen kleinen, sehr liebenswerten Indiebands, die in viel zu kleinen Clubs spielt. Oder genauer: die gar nicht erst nach Deutschland kommt, weil der Aufwand für die paar Zuschauer einfach zu groß ist. Zuletzt hatten Bethany und Bobb nur in Berlin gespielt. Ihr einziges Köln-Konzert bisher fand 2010 im mtc statt. Warum ich das verpasst habe (zumal die wundervollen Sky Larkin Support waren), kann ich mir nicht mehr erklären. Eines meiner beiden Best Coast Konzerte bisher fand aber ein paar Tage später beim ATP von Belle & Sebastian (Bowlie 2) statt, für eine weitere Gelegenheit, das ungleiche kalifornische  Duo zu sehen, mussten wir nach Brüssel fahren.

Ich war also sehr euphorisch, Best Coast endlich in Köln zu sehen. Als der Support bekanntgegeben wurde, stieg meine Vorfreude noch weiter. PINS aus Manchester sind eine der tollsten Bands, die ich im vergangenen Jahr kennengelernt habe. Aus Verlegenheit hatte ich die punkige Frauenband beim Best Kept Secret Festival gesehen und war angetan. Als Vorgruppe von Sleater-Kinney überzeugten mich PINS mit vielen neuen Songs und einer deutlich krachigeren Ausrichtung endgültig. Da auch PINS so eine Band sind, die eigentlich groß sein müsste, die es aber vermutlich nicht wird, ist die Chance gering, die Britinnen regulär, also mit einer eigenen Show bei uns zu sehen (uns: außerhalb Berlins). Perfekt also, sie auf diesem Wege nach Köln zu schicken.


PINS begannen um Punkt acht. Wie zuletzt bei Sleater-Kinney besteht die Band mittlerweile aus fünf Musikerinnen, zwei Gitarristinnen, einer Bassistin (der ursprünglichen - bei der Sleater-Kinney Tour fiel sie wegen eines Unfalls aus, dafür sprang Becky von Fear Of Men ein), einer Keyboarderin und einer Schlagzeugerin. Auf Platte sind die Stücke der Gruppe vielleicht manchmal brav und popig, live sind es ausnahmslos Kracher! Die halbe Stunde, die PINS hatten, war atemberaubend gut, Oh Lord mit Abstand das beste Live-Lied seit Ewigkeiten! 

PINS wirken auf der Bühne ein wenig wie die Long Blondes. Irgendetwas (vermutlich die Sängerin) löst bei mir immer wieder diese Assoziationen aus. Sobald aber die Schlagzeugerin die Stücke anzählt, ist da nichts mehr von gekünsteltem Casting-Quatsch. Die Musikerinnen mögen sehr jung und sehr cool sein, sie sind aber vor allem sehr gut. Und sie haben verflucht gute Lieder.


Neben Oh Lord waren Dazed by you, Too little too late und Girls like us (mit souveränem und vollkommen unpeinlichen Cindy Lauper Ende) besonders brillant. Das kleine herrlich punkige Misfits-Cover Hybrid moments bildete einen treffenden Schlußpunkt. 

Setlist PINS, Luxor, Köln:

01: Get with me
02: Young girls
03: Oh Lord
04: Too little too late
05: Molly
06: Dazed by you
07: Waiting for the end
08: Girls like us
09: Hybrid moments (Misfits Cover) 

Auch Best Coast klingen live ganz anders als auf Aufnahmen. "Wir verstehen uns als Rockband" hatte mir Bethany Cosentino am Nachmittag bei einem kurzen Interview gesagt. Best Coast sind eigentlich nur Bethany und Gitarrist Bobb Bruno. Zu den Aufnahmen des im Mai erschienenen dritten Albums California nights stieß Schlagzeuger Brady Miller dazu. Live komplettieren ein Bassist und ein weiterer Gitarrist (Brett Mielke und Joe Bautista** von den tollen Whirr) die Band. Joe Bautista spielt zwar auch Keyboard, allerdings nur bei einem Lied. Bei neun der ersten zehn Stücke kamen also drei Gitarren zum Einsatz. Da von "Rockmusik" zu sprechen, ist also nicht weit hergeholt. Ich mag das dritte Album ohnehin sehr gerne, durch die gitarrigere Instrumentierung gewannen Stücke wie Heaven sent noch einmal kräftig dazu. Ausgerechnet das Shoegaze-Lied der Platte (der Titelsong) war mir aus Gitarrenperspektive etwas zu schwach auf der Brust, da spielte Joe Keyboard.

In der zweiten Konzerthälfte legte Bethany ihre Gitarre oft ab. Meist bei den schwächeren Stücken des Abends. Was nun Ursache und Wirkung ist, weiß ich nicht. I don't know how zum Beispiel oder Our deal gehörten zu den Liedern, die nicht gegen die Knüller wie When will I change, In my eyes (trotz fehlender Bethany Gitarre) oder Feeling ok ankamen. Da hatte das Konzert ein paar Längen. 

Leider standen wir auf der falschen Seite. Wir konnten nämlich Bobb leider zu schlecht beobachten. Der introvertiert wirkende Gitarrist ist, wenn ich das als Laie richtig beobachten kann, ein grandioser Musiker. Die beiden, Bethany und Bobb, sind nach eigenen Aussagen grundverschieden. Ihr Songwriting funktioniert so, daß Bethany Lieder schreibt, sie Bobb schickt und der sie überarbeitet. Eine Band aus der selben Stadt stellt man sich anders vor, ich wenigstens. Aber auch das Best Coast Modell scheint ausgezeichnet zu funktionieren. Auf der Bühne steht Bobb auch ganz am Rand. Erst als Bethany nach dem letzten Stück When will I change die Bühne verließ, stand der Gitarrist mehr im Mittelpunkt und ließ mit seinen Kollegen einen herrlichen Gitarrenkrach entstehen. Irgendwann gingen auch sie von der Bühne, der Krach blieb, bis Best Coast wieder zu den Zugaben zurückkamen. 



Nach dem wundervollen Boyfriend, der zweiten Zugabe, ging die Sängerin wieder als erste. Bobb und Joe blieben und machten Lärm, ganz herrlich! Ganz zu Schluß bastelte Bobb die Gitarre an die Decke. 



Trotz des Jammerns über ein paar Längen gefiel mir auch der Hauptteil des Abends sehr gut. Der Saal hatte sich nach der Vorgruppe auch noch recht gut gefüllt. Aber leider nicht gut genug, daß solche tollen Bands häufiger nach  Deutschland kommen. Das ist die doppelte Bestrafung für den kollektiven Musikgeschmack bei uns. Wir werden der miesen Musik im Radio ununterbrochen ausgesetzt und dürfen dann gute Musik auch seltener und seltener live sehen, weil zu wenige hingehen. 

Setlist Best Coast, Köln:

01: Heaven sent
02: The only place
03: Fine without you
04: Crazy for you
05: Goodbye
06: So unaware
07: California nights
08: When I'm with you
09: Do you love me like you used to?
10: Dreaming my life away
11: I don't know how
12: Fade away 
13: Fading fast
14: In my eyes
15: Feeling ok
16: Our deal
17: Jealousy
18: When will I change

19: Bratty B (Z)
20: Boyfriend (Z)

Links: 

- aus unserem Archiv:
- Best Coast, Brüssel, 22.09.12
- Best Coast, Paris, 23.04.11
- PINS, Antwerpen, 21.03.15
- PINS, Hilvarenbeek, 21.06.14 





* warum auch immer alt-j die anlocken!  
** ich hoffe, das waren sie auch wirklich! 



 

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