Montag, 30. September 2024

Reeperbahn Festival Hamburg - 18.-21.09.2024

 


Konzert: Reeperbahn Festival
Ort: div. Orte/Hamburg
Datum: 18.-21.09.2024
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: div.


Die Veranstaltung sei eine "bewusste Überforderung" las ich in einem Vorbericht zum Reeperbahn Festival. Selten traf es eine Formulierung besser. 

Dabei waren die Rahmenbedingungen dieses Jahr fantastisch. Strahlender Sonnenschein an fast allen vier Tagen im September. Dazu selbst in der Nacht noch fast T-Shirt artige Temperaturen. Ansonsten waren jedoch wieder alle Arten von Kompromissen erforderlich. 

Auch wenn sich der begeisterte Indie-Gitarrenfan natürlich komplett im Molotow einschließen könnte. Hier gibt es von ca. 12.00 Uhr mittags bis 06.00 Uhr am Morgen schon genug zu erleben ohne das abbruchreife Gebäude verlassen zu müssen. Im Dezember ist an dieser Stelle der Reeperbahn ja dann auch endgültig Schluss und das Molotow zieht wenige Meter nach rechts. 


Bis dahin gab es Thementage einzelner Länder (Australien, Niederlande), Showcases einzelner Bands und Künstler/innen sowie eine Disco im kultigen Hinterhof zu bestaunen. Highlights boten in diesem Jahr besonders die Bands aus den Niederlanden, die zum Teil mehrfach die Bühnen stürmten. 

Marathon und Personal Trainer waren bei kleineren Festivals dieses Jahr ja schon positiv aufgefallen. Hier eroberten sie alle Herzen im Sturm und werden in der nächsten Festivalsaison sicher noch größere Ausrufezeichen setzen können. 

Australien punktete mit den energetischen Girl and Girl, dem dunklen und intensiven Auftreten von RVG und dem klassischen Pop der noch jungen Asha Jefferies. 


Die deutschsprachige Fraktion wurde von International Music (hier als Secret Act The Hi Hats in der Skybar), den Österreichern von Endless Wellness und Easy Easy aus Köln bestens vertreten. Publikumslieblinge waren außerdem die tanzbaren Kapa Tult und die sperrigeren Klänge von Zahn. Dazu noch To Athena aus der Schweiz mit ihrem orchestralen Kammerpop, der schon beim Maifeld Derby begeistern konnte. 


Besonders herausragend waren aber die Auftritte von Jule, die auf einer kleinen Acoustikbühne für Aufsehen sorgte (merkt euch diesen Namen) und die großartig aufspielenden Voodoo Beach aus Berlin, bei denen schwerer, "mystisch durchhauchter Post-Punk" ganz leicht klingt.

Von der Insel überzeugten Antony Szmierek (wer mag The Streets ?) aus Manchester und der catchy Hiphop von Master Peace, der sogar schon um 14.00 Uhr alle umstehenden in einen tanzenden Flashmob verwandelte. 


Vor dem Aufbruch in die Nacht dann noch ein köstliches koreanisches Chicken an  einer neuen Bude am Beatles-Platz. Manchmal reicht es eben, nur ein Gericht auf der Karte zu haben.

Danach lohnte sich ein Abstecher in die wunderschöne St. Pauli Kirche. Hier gab es ein besonderes Highlight: Bess Atwell. Schon als Support von The National konnte sie ihr Album präsentieren, aber hier passte der Rahmen noch besser zu ihrem träumerischen, fast nach Americana klingenden Songs. 


Da traf es sich gut, das Emily Kokal (Warpaint) nicht nur in der Jury des Festivals aktiv war, sondern am Folgetag ebenfalls in der Kirche auftrat. Neue und ältere Solosongs und ein Joni Mitchell Cover bot sie wechselweise an E-Gitarre und weißem Flügel. Ein Genuss. 


Zu erwähnen bleiben noch Efterklang, die mit neuem Album ihre erste Live-Show seit Jahren im wunderschönen Mojo-Club spielten, und natürlich Geordie Greep. Der Mastermind der gerade implodierten Black Midi präsentierte etwas abseits im Knust eine Lehrstunde in komplexem und intelligentem Rock. Trotzdem sicher nicht jedermanns Sache. 


Am Ende gingen die eigentlich vier langen Tage dann doch wieder viel zu schnell vorbei. Einige Kritikpunkte gab es sicher auch, doch insgesamt präsentiert sich das Festival trotz seiner unübersichtlichen Struktur wesentlich aufgeräumter und besser organisiert als noch vor wenigen Jahren. 


Und dann gibt es ja immer noch diesen einen Moment, den man einfach nicht auf der Rechnung hatte: Beharie, ein junger, schlacksiger Wuschelkopf aus Norwegen spielt im wunderschönen Krimi-Theater (Imperial) modernen Soul mit wahnsinnigem Charisma und einer  Perfektion, die einen einfach nur staunend zurücklässt. Ein beeindruckender Auftritt.

Und so überwiegen die positiven Eindrücke und es bleibt zu hoffen, das sich die Branche auch am unteren Ende der Nahrungskette im nächsten Jahr wieder etwas erholen kann. Die Probleme sind vielfältig und nicht einfach zu lösen. Unterstützt eure lokalen Clubs und Veranstalter und besucht junge, aufstrebende Künstler. Es lohnt sich. 

Early Bird Tickets für 2025 sind bereits erhältlich: Reeperbahn Festival Ticket 2025



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