Dienstag, 6. August 2013

Midi Festival, Hyères, letzter Tag, 28.07.13


Konzert: Midi Festival, Hyères, Südfrankreich
Ort: Park vor der Villa Noailles, Hyères
Datum: 28.07.2013
Zuschauer: hmm, 500 vielleicht
Konzertdauer: Christopher Owens, Swim Deep und Temples etwa 40, Onyl Real 30 Minuten 




Den Auftakt zum letzten Festivaltag beim wunderbaren Midi Festival machte der ex-Sänger der Band Girls, Christopher Owens. Vor der herrlichen Villa Noailles, in einem idylischen, römisch wirkendem Park, produzierte sich der blonde Barde ganz alleine mit seiner Akustik-Gitarre und seiner Mundharmonika vor etwa 500 szenigen, jungen Leuten, die aussahen, als seien sie einem Modeblog entsprungen. Es war noch sonnig, hell und warm als der Musiker sein Set begann und irgendwie schienen die Leute auch für ein Konzert noch nicht so richtig aufnahmebereit zu sein. Zumindest für ein solch ruhiges Konzert wie es hier geboten wurde. Viele plapperten während des Auftrittsvon Owens ungeniert rum und erwiesen sich als respektlose Zeitgenossen. Zumal die Musik mir ziemlich schnell unter die Haut ging. Alles klang äußerst fragil, fein und nahegehend. Mit wenigen Mittel schaffte es der Blondschopf mich zu fesseln. Von seiner verletzten, wehklagenden Stimme ging eine starke Anziehungskraft aus und das reduzierte Gitarrenspiel schuf eine wunderbar heimelige Atmosphäre. Ich musste spontan an Elliott Smith und Bright Eyes, zwei meiner Lieblings Singer-Songwriter denken. Erstaunlich, denn ich hatte im Vorfeld etwas ganz anderes erwartet. Wegen des Hypes um Christophers frühere Band Girls und auch um ihn selbst, habe ich nie mit seiner Musik beschäftigt und ging von irgendeinem belanglosen Chillwave Pop oder etwas ähnlich Scheußlichem wie Ariel Pink (Gott, wie gräßlich ich den finde!) aus. Das hier so reduziert und aufrichtig gespielt wurde, verblüffte und erfreute mich.


Jeder Song hatte etwas ganz Besonders an sich, in jedem konnte man sich verlieren und mitträumen.


Das erste Lied, das mich so richtig packte hieß Broken Dreams Club und kam an dritter Stelle. Wie quasi alle anderen Stücke im Set von seiner ex Band Girls stammend (mag denn Owens sein Soloalbum nicht?), bestach es durch seine simplen, aber unmittelbar ins Herz gehenden Lyrics. "I just want to geht high, but everyone keeps bring me down", jammerte er vor sich hin und irgendwie nahm man ihm jedes Wort ab. Sein Sinnieren über Isolation, Verlorensein, Schwermut und Herzschmerz hatte etwas Aufrichtiges und Ergreifendes. Schnell wurde klar, daß Owens kein Songwriter ist, der alles in komplizierte und metapherngetränkte Sätze packt. Seine Texte waren so schlicht, direkt und unverschlüsselt, wie sie einem x-beliebigen Teenager mit gebrochenem Herzen in den Sinn kommen  würden. Das gab dem Ganzen eine fast naive Note, wirkte aber so warmherzig und ehrlich, daß man sich dem Zauber nicht entziehen konnte. Wenn er bei dem großartigen Substance: "I take the key in my hand and it takes the pain away, hey hey" sang, konnte man förmlich spüren, wie der Schmerz nachlässt.



"I'm looking for meaning in my life" wehklagte er bei My Ma und auch dieser Gemeinplatz war so universell gehalten, daß man sich sofort damit identifizieren konnte. Schon die Buzzcocks sangen "I don't know what to do with my life" und anscheinend weiß auch die heutige Generation nicht, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen soll und warum man überhaupt auf dieser Welt ist. Vermutlich der Liebe wegen, selbst wenn Liebesbeziehungen immer so kompliziert sind, wie sie in dem herrlichen Laura von Owens besungen wurden. ("I dont want to fight anymore, I wanna be your friend forever").

Vieles schrammte knapp am Kitsch vorbei, aber jeder weiß, was man selbst für einen romantischen Käse brabbelt, wenn man unglücklich verliebt und einsam ist und neben dem Telefon liegend auf einen Anruf seiner Angebeteten wartet.



Knapp 40 Minuten schmachtete Owens in der Abendsonne so vor sich hin und gegen Ende wurde sogar das Publikum leiser und aufmerksamer. Es war,  als hätte der Sänger sich im Laufe des Sets Aufmerksamkeit und Respekt erspielt und die Leute dazu gebracht, zuzuhören.



Hinterher war mir jedenfalls klar, daß ich einen ganz wunderbaren Musiker für mich entdeckt hatte, der versprach, in der Zukunft wieder beim Midi Festival aufzutreten. Dies wäre dann bereits seine fünfte (!) Teilnahme! Sie mögen ihn wohl hier an der Cote d'Azur...


Setlist Christopher Owens, Midi Festival Hyères 2013

01: Solitude 
02: Summertime (Girls)
03: Broken Dreams Club (Girls)
04: My Ma (Girls)
05: Substance
06: Jamie Marie (Girls)
07: Laura (Girls)
08: Life In San Francisco
09: Oh My Love
10: Darling (Girls)


22 Uhr, Zeit für die aus Birmingham stammende Band Swim Deep. Die hatten 2013 bereits ein Clubkonzert in Paris gespielt, das ich allerdings verpasst hatte. Somit gab es in Hyères die Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen und selbst zu überprüfen, ob an dem mittleren Hype um die Truppe etwas dran ist.


Mir fiel schon gleich zu Beginn das wahnsinnig häßliche Hemd des Sängers auf. So ein Fummel war sicherlich in den 1970ern Jahren der letzte Schrei und gilt in den Second Hand Läden in London und Los Angeles noch immer als hip, aber ätzend war der golden glitzernde Lappen trotzdem. Egal, die wavige, surfpoppige Gitarrenmusik von Swim Deep war ziemlich toll. Schon sehr bald wurde in der Mitte der Bühne wie wild zu den prickelnden Popnummern abgetanzt. Besonders positiv fiel mir das abschließende King City auf, ein Titel, der neben einem polternden Bass mit einem flotten Schlagzeug Rhythmus, einer einprägsamen Melodie und einem fetzigen Singalong-Part glänzte. Ein alternativer Sommerhit, der freilich mit Loug Bega und Mambo Number Five wenig gemein hatte. Vielmehr erinnert das Ganze ein wenig an The Smiths oder auch Shoegaze-Bands wie Ride.



Ungefähr 40 Minuten lang wurde den Leuten ordentlich eingeizt und neben den Songs des am 5. August erscheinenden Debütalbums namens Where The Heaven Are We auch ein Cover von Cyndy Lauper's Girls Just Want To Have Fun gebracht. Das Cover taugte aber nicht viel und hätte ruhig ausgelassen werden können. Den Auftritt von Swim Deep hätte ich aber trotzdem nicht verpassen wollen, die guten Songs wie das recht düstere und gefahverheißende Red Lips I Know und das poppig beschwingte She Changes The Weather waren hier klar in der Überzahl. Wenn die Gruppe nicht solchen häßlichen Glamrockfummel tragen würde (die Klamotten des Bassisten, ein Albtraum!), der sie in gewisser Weise als modische Mitläufer outete (sie damit aber perfekt als Lieblinge der hier in großer Menge anwesenden Hipster qualifizierte), hätte ich sogar noch mehr Spaß an dem Gig gehabt.

Setlist Sweem Deep Midi Festival Hyères 2013:


01: Francisco
02: Honey
03: Stray
04: Red Lips I Know
05: The Sea
06: Girls Just Want To Have Fun
07: She Changes The Weather 
08: King City



Um 21 Uhr, also eine Stunde vor Swim Deep hatte die Bühne einem kreidebleichen Rotschopf aus England und seiner Begleitband gehört. Der Name des Typen mit den weißen Tennissocken: Only Real.

Der Bursche sah genauso aus wie die armen Kerle, die in der Schule wegen ihres Aussehens und ihrer Uncoolheit immer gehänselt werden. Ich vermute mal, daß sein Musikprojekt eine Art Rache an seinen ehemaligen Mitschülern ist, denn wer Musik macht, gilt schnell als extrem lässig und kriegt im besten Falle sogar ein paar scharfe Weiber ins Bett.

Nun, er gefiel mir ziemlich gut, dieser Only Real, obwohl er neben Britpop mir normalerweise verhassten Rap bzw. Hip Hop spielte  und musikalisch irgendwo zwischen The Streets und Bur anzusiedeln war. Seine Lieder waren einfach fetzig, passten zu dem guten Wetter perfekt, klangen frisch und unverbraucht. Zwei der auf dem Midi Festival gespielten Highlights kann man sich auch auf der Soundcloud Seite des jungen Musikers anhören: Blood Carpet und Backseat Kissers, beide catchy, sonnig, tanzbar und Laune machend.




Es war inzwischen 23 Uhr, als sich die letzte Band des prima besetzten Midi Festivals in Hyères bereithielt. Temples hießen die lockenköpfigen Youngster aus England, denen die Ehre zufiel, hier an der Côte d'Azur die Feierlichkeiten zu beenden. Ihr erster Auftritt im Süden Frankreichs wie sie selbst verlauten ließen und sicherlich einer, an denen sich die Besucher noch gerne und lange erinnern werden.

Temples spielten nämlich eine wirklich erfrischende Mischung aus 60 ies Pop, Britpop, Shoegaze, Psychedelic, Glam und Stoner Rock und verblüfften mit einer geradezu enervierenden Lässigkeit und Kaltschnäuzigkeit. Eine typisch englische Band also, denn die Briten lieben es nun einmal, sich cool und phlegmatisch zu geben. Glücklicherweise war die Musik der jungen Burschen sehr abwechslungsreich, melodieseelig und erlesen und dabei keine Spur bombastisch. Sie verstanden es wirklich, ihren Retrosound dezent und nicht zu dick aufgetragen zu versprühen und waren somit eine wunderbare Alternative zu dem tollpatschigen Miles Kane, der eine ähnliche Musik viel schlechter, anbiedernder und breitbeiniger darbietet.

Wer die muskalischen Vorbilder von Temples sind, konnte man schnell erahnen. Man dachte sofort an alte Bands wie die Kinks, die Beatles (und George Harrison solo), Scott Walker, T-Rex (der Sänger von Temples sah aus wie der Sohn von Marc Bolan) aber auch Britpopgrößen der 90er wie Oasis, die Beta Band, oder Pulp und aktuelle Formierungen wie Queens Of The Stone Age, BRMC, Arctic Monkey, Toys, The Horrros, The Last Shadow Puppets und eben Miles Kane.


Die Songs waren mal heiter sonnig wie z. B. The Golden Throne, aber auch düster und schwül wie Sand Dance, mal poppig, luftig und psychelisch wie Prisms, mal rockig, trocken, schwer und glam wie Keep In The Dark. Alles äußerst kurzweilige Nummern, die dazu führten daß die Zeit wie im Fluge verging. Kaum hatte man sich versehen, waren auch schon 40 Minuten um. Das Konzert der Temples und das ganze Festival waren beendet. Einfach so. Keiner machte noch eine Ansage, von jetzt an hörte man nur noch die Unterhaltungen der Hipster untereinander. Ein paar Pärchen hatten sich auch im Laufe des lauschigen Sommerabends gefunden und die überlegten  sich sicherlich nun, wie man auf die Schnelle ein passendes Gebüsch findet. Ich selbst blieb brav und trottete den steilen Graben hinunter, wo mich meine Frau und meine Schwiegermutter mit dem Auto abholten.

Setlist Temples, Midi Festival 2013, Hyères:

01: The Golden Sun
02: Sun Structures
03: Colours ToLife
04: Sand Dance
05: Prisms 
06: Keep In The Dark
07: Shelter Song


Midi Festival 2013, du warst toll, ich komme 2014 wieder. Inschallah!



3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Auffallend und mittlerweile echt etwas abstoßend, wie oft in den Berichten von Oliver Bilder von wahllos geknipsten, offensichtlich den Autoren erregenden Damen gezeigt werden. Sexistisch ist das lange nicht, eher ziemlich kindisch, aber es wirft die Frage auf: Ist die Schabracke zuhause denn so hässlich?

E. hat gesagt…

ich habe bislang keine kompromittierenden fotos entdecken können, anonym. mein gradmesser für solcherart beurteilung. ganz weit weg von "abstossend" also.

den blick ins publikum schätze ich sehr, weil er verdeutlicht, wen der jeweilige künstler so anzuziehen in der lage ist.
dass sich junge, hübsche mädchen dabei vor der kamera besser machen als schmerbäuchige alterslose steht zudem außer frage. mag man kindisch finden, rechtfertigt aber deine nachfolgende frage in keinster weise. zudem: wortwahl!

Oliver Peel hat gesagt…

Leute, die meine Frau schon gesehen haben bezeichnen sie als sehr huebsch, insofern: Entwartung :)

Im Uebrigen ist es doch auch kindisch zu glauben, dass man nach Eheschluss keine anderen Frauen mehr wahrnimmt. An dieser unrealistischen Erwartungshaltung scheitern wohl die meisten Ehen, wir sind hingegen 18 Jahre treu und gluecklich zusammen.

Meine Frau unterstuetzt es zudem, wenn ich attraktive Damen im Publikum abknipse. Genau wie ich ist sie der Meinung, dass vor allem zu einem Festivalbericht auch das Publikum dazugehoert, es ist wichtiger Teil des Spektakels und manchmal interessanter als die Band auf der Buehne. Natuerlich lichtet man da eher die Hingucker ab.

Dein Kommentar zeigt allerdings, dass wir in ziemlich prueden Zeiten leben. Dieser Pruederie gilt es entgegenzutreten, schliesslich gilt auch heute noch (zumindest ein wenig): " Sex, Drugs & Rock"n Roll. Wer das abstossend findet, gehe lieber gleich in die Kirche oder ins Kloster.

 

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