Sonntag, 17. März 2013

Kaizers Orchestra, Berlin, 7.3.2013

Konzert: Kaizers Orchestra
Ort: Postbahnhof Berlin
Datum:07.3.2013
Zuschauer: fast ausverkauft
Dauer: ca. 2 Stunden


Im Postbahnhof war ich zuletzt beim fast vorhersehbar professionellen Konzert der First Aid Kit. Es bleibt an diesem Abend skandinavisch. Statt Schweden waren die Gastgeber Norweger. Statt seichte Folkrhythmen von zwei süßen Schwestern lud gleich eine ganze "Spasskapelle" ein.
Ein wenig angeschlagen vom Winterwetter, wurde ich von einem Elektrokünstler als Vorband begrüßt. Der war weniger spaßig - eher unfreiwillig komisch. Dessen Auftritt zog sich so elend lange hin, dass schon Ungeduldige ihre leeren Becher auf die Bühne warfen. Ein trauriger Anblick.

Es war mein erstes Konzert von Kaizers Orchestra und vielleicht auch mein letztes, denn nach der Tour dieses Jahr werden sich die Herren Kaizer auf unbestimmte Zeit trennen. Ob es dafür auch Grund zum trauern gibt, wollte ich gerne überprüfen.

Zuerst betrat Mr. Helge "Omen" Kaizer die Bühne. Stilecht und dramaturgisch perfekt inszeniert mit Gasmaske und Aktentasche machte er sich auf den Weg an "seine" Orgeln. Die Menge im Saal tobte. Dann betrat auch der Rest der Band die Bühne. Die morbid skurile Bühnendeko mit alten Tischlampen und atmosphärischer Beleuchtung schuf den perfekten Rahmen an diesem Abend. Wie soll ich die Musik umschreiben? Fun-Punk, Ska, Rockabilly, Gypsi? Toy Dolls meets The Meteors meets Shantel. Eine ganze eigene und spezielle Mischung. Mit viel Selbstironie ohne lächerlich zu werden. Mit viel Lust ohne sich plump aufzudrängen.

Der Sänger Mr. Janove Kaizer ist ein wahres Energiebündel. Eine Mischung aus der Bühnenpräsenz von Robbie Williams und der Optik von Dave Gahan. Kaizers Orchestra sind keine alternative Teenie-Pop-Band - auch wenn das Publikum zuweilen so zu agierte. Anfänglich ist nur der vordere, "jugendliche" Teil der Halle wirklich in den Bann gezogen, applaudiert, johlt, kreischt und ist voller Euphorie. Das überträgt sich  im Laufe des Konzerts immer mehr auch auf die gesamte Halle, die in ein angenehmes Kochen gerät. Eine kontrollierte Extase, die wohl auch der Durschmischung des Publikums geschuldet ist. 

Zwischen 15 und 60 Jahren ist alles vertreten, und alle können sich an diesem Abend wohlig fühlen. Die Band ist perfekt aufeinander eingespielt. Ihre Mitglieder agieren routiniert, aber nicht gelangweilt miteinander. Vor allem Janove und der Gitarrist Garry führen durch die Show. Im Laufe des Konzerts "darf" Helge auch irgendwann sich seiner Gasmaske entledigen. Er sieht darunter erstaunlich frisch aus. Im Gegensatz dazu haben sind die Hemden der restlichen Band schon vom reichlich geflossenen Schweiß vollgesogen. 

Es wird auf große Trommeln geschlagen, auf Alufelgen mit Brechstangen herumgekloppt, und das mit einer Energie und Spielfreude, die mitzuerleben großartig ist.

Es sind auch die spaßigen Geschichten, die die Band sympathisch machen. Sei es der Schuhkauf in Berlin, bei dem sich gleich die gesamte Band versorgte oder die Abfrage der Herkunft des Publikums. Immer mit einer angenehmen Note. 

Kaizers Orchestra: Wie konnte ich Dich die vergangenen Jahre nur übersehen? Jetzt wo es vielleicht schon zu spät ist, um noch weitere gemeinsame Erlebnisse zu sammeln.
Eine tolle Band, die an diesem Abend in Höchstform für ihre treuen Fans aufgespielt hat. Und das aus vollem Herzen.

Setlist:

Aldri vodka, Violeta
Det polaroide liv 
Tusen dråper regn 
Din kjole lukter bensin, mor 
En for orgelet, en for meg 
Støv og sand 
I ett med verden 
Ompa til du dør 
Bøn fra helvete 
Sigøynerblod 
Forloveren 
Kontroll på kontinentet 
KGB 
Dr. Mowinckel 
Hjerteknuser 
Svarte katter & flosshatter 
Maestro
———– 
Begravelsespolka 
Dieter Meyers Inst.

Aus unserem Archiv: 
Sounds Nordic, Sounds Good!, Zürich, 22.01.12 


 

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