Dienstag, 1. Juni 2010

Joanna Newsom, Paris, 31.05.10


Konzert: Joanna Newsom

Ort: Grande Halle de La Villette, Paris
Datum: 31.05.10
Zuschauer: ausverkauft, also etwa 2000
Konzertdauer: 1 Stunde 50 Minuten


Résumé en français ci-dessous!

Aber das ist doch..., nein ist sie das wirklich?, doch, doch, das ist... Aleks Campesinos! Unglaublich, daß ich beim Konzert von Joanna Newsom auf die "Aussteigerin" treffe! Gerade eben hat Roy Harper seinen Auftritt als Support der Harpistin beendet und das verschafft mir Gelegenheit, ein wenig mit der unwahrscheinlich netten Aleks zu plaudern. Sie habe gerade ihr Examen hinter sich gebracht und warte nun angespannt auf die Ergebnisse. Dieses Konzert hier hat sie sich sozusagen zur Belohnung geschenkt. In Paris wohne sie aber nicht, sie sei nur zu Besuch hier. Sie ist ziemlich platt, daß sie jemand außerhalb von einer Bühne erkennt und dann auch noch in Frankreich. Ich erzähle ihr, daß ich sie bei den Gigs mit Los Campesinos! oft genug vor der Linse hatte, um mich genauestens an ihr Gesicht zu erinnern. Außerdem trägt sie stilvolle Schuhe. Also wie immer. Wir wünschen uns gegenseitig ein schönes Konzert.

Und natürlich wird es auch das erwartet traumhaft schöne Konzert. Wie soll es auch anders sein? Schließlich ist Joanna Newsom ein Wunderkind. Oder so. Auf jeden Fall besser als Lena. Zumindest ein bißchen. Und sie lächelt auch oft. Schon während des ersten Liedes bekommt sie einen kurzen Kicheranfall und muss sich konzentrieren, um nicht aus dem Takt zu geraten. Dann läuft alles wie am Schnürchen. Ihre kleinen Finger gleiten behende durch die Saiten ihres imposanten Instrumentes und die Backing Band (zwei Violinen, Posaune, Mandoline, Banjo, Flöte, Schlagzeug, insgesamt sind es fünf zusätzliche Musiker, 3 Männer zwei Frauen) begleitet sie auf das Harmonischste. Ein Hörgenuß ersten Grades und auch der Sound ist brillant und glasklar. Etwa 2000 kultivierte Mitbürger lauschen andächtig auf ihren Sitzplätzchen und verhalten sich mucksmäuschenstill. Oder sind sie eingeschlafen? Schließlich haben wir es hier mit nicht allzu leicht verdaulicher Kost zu tun und die einzelnen Lieder sind oft endlos lang. Aber das Publikum hat trainierte Ohren und genug Konzentrationsfähigkeit, die knapp 2 Stunden durchzustehen, ohne den Nachbarn durch sein lautes Schnarchen zu stören. Ok, die Frau neben mir pennt, oder meditiert sie etwa nur? Egal, jeder genießt auf seine Weise die Musik der engelsgleichen Joanna Newsom. Unfassbar, diese moderne Rapunzel! "Lass Dein Haar hinab" würde ich ihr manchmal gerne zurufen, aber ich glaube das würde nicht gut ankommen. Womöglich würde man mich rausschmeißen. Schließlich herrscht hier eine Atmosphäre, die man eher von Klassikkonzerten kennt. Aber Joanne guckt zum Glück nicht so streng wie dereinst Claudio Abbado bei den Konzerten, die ich in der Berliner Philharmonie in meiner Studentenzeit gesehen habe. Im Gegenteil, sie lacht sogar ständig zwischen den Liedern und dieses Lachen hat etwas Ansteckendes. "You are a really good looking audience, what are you gonna do after the show?", fragt die Harfenzauberin in einer Szene kess. Das Kompliment kann man ihr guten Gewissens zurückgeben. "Good looking" ist sie auf jeden Fall. Zwar hat ihr Mund etwas Nußknackerhaftes, aber das fällt bei soviel Anmut und Grazie nicht ins Gewicht. Wunderbar ihr Kleid, atemberaubend der Augenaufschlag und sie hat sogar hochhackige Schuhe an. Für eine Folkkünstlerin ziemlich ungewöhnlich. Die performen ja oft barfuß, um den Boden unter den Füßen zu spüren und den Kontakt zur Erde nicht zu verlieren. Joanna Newsom ist in künstlerischer Hinsicht sowieso weltentrückt und schwebt mit ihrem grandiosen Talent über den Wolken, da kann sie ruhig Stöckeschuhe tragen!

Für ein paar Lieder begibt sie sich hinters Piano und man hat die Gelegenheit,
sie besser zu sehen. Hinter der riesigen Harfe verschwindet das zierliche Persönchen immer ein wenig, wenn sie aber klimpert, sieht man ihr hübsches Profil. Ihr Drummer vorne rechts (vom Publikum aus), spielt sensationell toll mit ihr zusammen und ihr Mandolinenmensch (oder auch Banjo- und Flötenspieler) links zupft die feinsten Melodien raus, die man sich vorstellen kann. Manchmal stößt dann auch noch von hinten eine Posaune (Trombone?) mit hinzu und dann streichen auch die Violinistinnen mit den Bögen durch ihre Saiten. Der Instrumentierung wird es mir dennoch nie zuviel (Puristen mögen das anderes sehen, die alten Nörgler!), da es immer wieder Passagen gibt, in denen man nur Joannas kindliche Stimme und ihre Harfe hört. Eigentlich singt sie weitestgehend noch wie früher, genauso knatschig, schrill und hoch, eben wie Kate Bush, obwohl ich in letzter Zeit immer mal wieder aufgeschnappt habe, daß sie sich das Infantile in der Stimme abgewöhnt hätte. Zum Glück ist das trotz eines weicher gewordenen Kehlchens nicht ganz so, denn kleinmädchenhaft singend habe ich sie mit dem ersten Album The Milk-Eyed Mender kennen- und lieben gelernt. Das neue Werk, die Tripple CD Have One On Me kannte ich hingegen vorher noch gar nicht. Irgendwie scheint es mir, daß auch das Publikum das zweite Album Ys am besten kennt, denn immmer wenn davon ein Stück ertönt ( Monkey & Bear) brandet der stärkste Applaus auf. Aber eigentlich ist es egal, aus welcher Schaffensphase die jeweiligen Stücke stammen, denn jedes einzelne ist an sich ein Kunst-, nein mehr, ein Meisterwerk! Zwar habe ich keine Ahnung von Harfen, aber irgendwie klingt das doch alles sehr fein, was die Kalifornierin da aus dem grobrahmigen Dingsbums rauskitzelt. Bei meinem Lieblinsglied des Abends lege ich mich aber dennoch fest, es ist Peach, Plum, Pear und bildet den vorläufigen Abschluß des famosen Konzertes. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Joanna und ihrer Band ist hier nicht zu überbieten. Da stimmt bis auf das letzte I-Tüpfelchen alles und dennoch wirkt das Ganze nicht steril, oder glatt. Das sehen wohl auch die anderen Leute so und spenden begeistert Standing Ovations. 5 Minuten später geht es mit der Ballade Baby Birch weiter, aber das ist für mich kein wirkliches Highlight. Dennoch scheint dies der endgültige Abschluss zu sein. Joanna zieht zum zweiten Mal Leine, wird aber überraschenderweise doch noch einmal zurückgeklatscht. Ich bin inzwischen nah an die Bühne vorgedrungen und sehe die Newsom nun aus nächster Nähe. Wie gebannt schaue ich zu, wie ihre kleinen Händchen auf das Filigranste die Saiten bearbeiten. Sie singt Sawdust And Diamonds ein Kleinod wie es im Buche steht. Keiner im Publikum wagt zu plaudern, obwohl sich die Sitzordnung längst aufgelöst hat. Minutenlang glozten Leute wie unter Hypnose auf die Bühne und versuchen mit ihren Iphons Erinnerungsfotos zu schießen. Aber kein Iphon und keine Applikation dieser Welt kann die Grazie, die Eleganz und die Fingerfertigkeit von Joanna Newsom einfangen. Man muss sie live gesehen haben, um das Ganze zu kapieren.

Beim Rausgehen treffe ich noch einmal kurz Aleks Campesinos. "Incredible. unbelievable, amazing!", so ihr Urteil. Dem ist nichts mehr hinzufügen.

Pour nos lecteurs français:


Sublissime Joanna Newsom! Le jeune prodige californien a donné à la Grande Halle de la Villette un concert de rêve. Frôlant la perfection, l'harpiste et pianiste a impressionné pendant presque deux heures les 2000 spectateurs avec son jeu filigrane et habile et son chant infantile à la Kate Bush. Son groupe, composé de deux violonistes, d'un trompetiste, d'un multiinstrumentaliste (banjo, mandoline, flûte) et d'un batteur fabuleux, l'accompagna à merveille. Le public écoutait solennellement et calmement les chansons qui venaient dans la plupart des cas du nouveau triple album Have One On Me, mais s'exprima par des applaudissements nourris après la fin de chaque morcaeux époustoufflants. Malgré son immense talent Joanna paraissait naturelle, souriante, attachante et coquine. "You're a really good looking audience" disait-elle dans une scène, mais en fait c'était bien sûr elle "la best looking" avec ses cheveux longs (une sorte de rapunzel moderne?), sa robe simple, mais chic et ses talons hauts. Et surtout avec son sourire! Mais quel beau sourire!

Difficile parmi toutes ses compositions qu'on pourrait qualifier de chef d'oeuvres de choisir le meilleur morceau de la soirée.
J'ai eu une petite préference pour Peach, Plum, Pear qui finit la partie officielle du concert. Le premier rappel n'était pas forcément à mon goût, mais le deuxieme Stardust and Diamond m'a complétement épaté! De tout près je voyais ses petites mains traverser cet instrument imposant et chanter avec tout son coeur. Avec des frissons dans le dos je quittais la salle et je crois je ne suis pas le seul qui trouve que c'était très probablement le meilleur concert de l'année. Comment égaler cette prestation incroyable?


Aus unserem Archiv:

Joanna Newsom, Paris, 16.04.07

- j'ai plus de photo de ce concert sublime de Joanna Newsom sur mon flickr, click!
-die besten Fotos dieses Konzertes von Joanna Newsom hat der ebenfalls überwältigte (er verteilt rekorverdächtige vier Herzchen) Fotografenzar Robert Gil. Klick!

Setlist Joanna Newsom, Grande Halle de la Villette, Paris: siehe Zettel, den die charmante Blondine hochhält. Es fehlt darauf aber das letzte Lied Sawdust and Diamonds.




7 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Wie kann man mit solchen Schuhen Klavier spielen? Erstaunlich!

Toll, die Episode mit Aleks Campesinos!

Zum Thema unnützes Musikwissen: Owen Pallett covert gerne mal Peach, Plum, Pear. Das habe ich aber leider auch in seiner Version noch nicht live gehört!

Christina hat gesagt…

Aleksandra! Welch angenehme Überraschung beim morgendlichen Bloglesen :)

E. hat gesagt…

so schöne (foto-) treffer!

Anonym hat gesagt…

Pas de photos de Roy Harper , il assurait la premier partie
Patrice

Oliver Peel hat gesagt…

I don't care about old grey men with acoustic guitars, I prefer young charming ladies playing the harp, Patrice ;-)

No just kidding, j'ai peut-être deux photos de Roy Harper que je pourrais mettre.

Anonym hat gesagt…

This old grey man has sung with the Pink Floyd and did a record with Jimmy Page (Led Zeppelin)
Na !

Oliver Peel hat gesagt…

Bof, Led Zep et Pink Floyd c'est gentil. On est en 2010 maintenant, pas dans les années 70. En tennis c'est Nadal et Federer aujourd'hui et pas Nastase et Connors, tu sais?

 

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