Donnerstag, 8. April 2010

First Aid Kit & Laura Marling, Paris, 07.04.10


Konzert: First Aid Kit & Laura Marling

Ort: La Flèche d'or, Paris

Datum: 07.04.2010

Zuschauer: viele

Konzertdauer: First Aid Kit etwa 45 Minuten, Laura Marling ungefähr 1 Stunde




Was für ein Menschenauflauf! Vor der Türe des Pariser Clubs Flèche d'or stehen junge Menschen bis zur nächsten Straßenecke Schlange. Was war denn hier los? War etwa Peter Doherty wieder in der Stadt? Oder Beth Ditto? Nein, die beiden Medienphänome, die inzwischen regelmäßig in der Bild-Zeitung besprochen werden, hatten zwar dieses Jahr ebenfalls die Flèche d'or bespielt und dafür gesorgt, daß der Laden, der ein wenig unter Zuschauerschwund leidet, endlich mal voll war, aber um sie ging es heute nicht. Auslöser für den Andrang war vielmehr der Auftritt von drei jungen Damen, die sich dem Folk verschrieben haben. Die Schwestern Söderberg von First Aid Kit und die Engländerin Laura Marling. Mein Freund von Rockerparis konnte es kaum glauben: "Warum sind heute soviele Leute da? Für Folkmusik? "- Ja, für Folkmusik, ganz genau! Allerdings kam sicherlich begünstigend hinzu, daß die auftretenden Künstlerinnen jung, hübsch und trendy sind. Als Damien Jurado, seines Zeichens einer der besten seines Fachs, hier vor eineinhalb Jahren gespielt hat, war der Laden leer. Alte häßliche Männer, die traurige Lieder singen und dazu auf der Akustischen gratzen, will kaum jemand sehen. "C'est la vie", wie der Franzose sagt.

Stellte sich bloß die Frage, ob die Damen auch musikalisch etwas zu bieten hatten. Den Anfang machten die Schwestern von First Aid Kit. Eine große Dünne und eine kleinere Dicke standen bereit, Klara Söderberg am Keyboard und der Harfe und Johanna Söderberg an der Akustikgitarre. Sie legten los und schon nach kurzer Zeit machte sich ein Country-Feeling breit. Junge Schwedinnen, die klingen wie Dolly Parton, das ist schon recht verblüffend! Entsprechend schnell ging ihr Aufstieg von statten. Jeder wollte die neue Folk Sensation, die durch das tolle Fleet Foxes Cover Tiger Mountain Peasant Song bekannt wurde, sehen. Mein erster Eindruck war zunächst positiv. Dann ergriff Johanna das Mikro und ließ ein paar französische Sätze mit gutem Akzent vom Stapel. Das Publikum (darunter Herman Düne, Thos Henley und der Sänger von Revolver) johlte, hielt dann aber verdutzt inne, als Johanna kess (sinngemäß) hinterherschickte: "Klar, sprechen wir französisch, wir sind ja auch die Besten!" Keiner klatschte. Hoppla, reden so schüchterne Nachwuchsmusikerinnen, die gerade am Anfang ihrer Karriere stehen? Johanna wirkte regelrecht dreist und sarkastisch, Klara arrogant und gelangweilt. Als die beiden circa in der Mitte des Sets ihr Fleet Foxes Cover ansagten und seltsam ironisch erklärten: "Kennt ihr das? Das ist von einer Band, die 2008 so ein Album herausgebracht hat. Eigentlich ein schlechtes Album. Wir mögen diese Band nicht!", lachte wieder niemand. Auch das Cover selbst ging an mir vorbei. Die Mädels legten keine Inbrunst hinein, wie noch bei dem hochcharmanten, im Wald gedrehten Video. Es klang wie runtergeleiert und sorgte bei mir für keinerlei emotionale Regung. Der Auftritt von First Aid Kit: eine Enttäuschung. Als hinge ihnen das Konzerte geben jetzt schon zum Halse raus, so wirkten sie leider auf mich. Klara schien auf verstörende Weise abwesend und gelangweilt. Zwar sangen die Schwedinnen wirklich sehr schön, aber echte Gefühle kamen nicht rüber. Fast erleichtert war ich deshalb, als sie nach etwa 45 Minuten von der Bühne schlurften. Prädikat: Talentiert, aber bereits jetzt mit Allüren und divenhaften Zügen ausgestattet.

Ob des zuvor Dargebotenen recht irritiert, fragte ich mich, ob die ähnliche junge Laura Marling auch schon den Bodenkontakt verloren hatte. Der Presserummel,vor allem in ihrer Heimat England, ist ja schon recht groß, da kann man durchaus abdrehen. Schon nach kurzer Zeit zerstreute Laura aber sämtliche Bedenken. Sie präsentierte sich höflich, bescheiden und natürlich. Letztlich war sie einfach professionell, was man daran merkte, daß sie den Leuten in Paris genau den gleichen Kram erzählte, wie dem Kölner Publikum vor ein paar Tagen. Als sie das Neil Young Cover ankündigte, widerholte sie die Story, daß dieses der erste Song gewesen sein, den ihr ihr Vater auf der Gitarre beigebracht habe und daß ihre Mutter lange Zeit dachte, er stamme von Laura selbst. Und auch am Ende kam ein Sprüchlein, daß sie wohl bei jedem Konzert anbringt: sie verstehe das Konzept von Zugaben nicht und spiele deshalb für Freunde von Zugaben noch ein Stück, für allen anderen zwei und keine Zugabe. Laura hat also eine klare Linie bezüglich der Anekdoten und Statements, die sie preisgibt. Da macht sie von Stadt zu Stadt keine Unterschiede und konzentrieret sich statt improvisierter Sprüche und Storys auf ihr einstudiertes Ritual. Das gibt Sicherheit und lenkt nicht vom Wesentlichen ab: der Musik. Und auch da merkte man, daß alles gut geprobt und durchexerziert war. Laura und ihre Band spielten sehr harmonisch, rund und ausgewogen, dem Zufall überlassen wurde nichts. Ich kann mir vorstellen, daß die junge Lady in der Vorbereitung mit äußerster Akribie zu Werke geht und die einzelnen Stücke so oft wiederholt, bis sie perfekt sitzen. Strebertum, daß sich bezahlt macht, denn in jeder Hinsicht war das Konzert von Laura auf hohem Niveau. Stimmlich tadellos und im Gesang nuancenreich und fein austariert, hinsichtlich der Instrumentierung absolut ausgewogen, weder zu druckvoll noch zu lasch. Der Sound: brillant! Erstaunlich, daß Laura in ihrem jungen Alter schon so perfekt ist, so etwas sieht man selten. Aber sie weiß sicherlich, was sie will und das ist über kurz oder lang eine essentielle englische Folksängerinn werden, die eine wesentlich längere Halbwertszeit als Modephänomene wie Kate Nash oder Lily Allen hat. Beim Betrachten ihrer Konzertes mußte ich oft an ein Interview denken, daß sie einem englischen Fernsehsender gegeben hatte. Da fragte die Moderatorin, warum eine junge Frau wie Laura, denn so ernst und wenig fröhlich sei. Ob sie denn überhaupt wie ein normaler Teenager aufgewachsen sei, was Laura knapp mit: "of course" beantwortete.

Laura Marling also ein Wunderkind? Vorsicht, mit solchen Aussagen! Sie ist bereits gut, ja sehr gut, aber um sich wirklich mit ihren Idolen Joni Mitchell oder Neil Young messen zu können, muß sie noch etliche hochklassige Alben herausbringen und weiter an sich arbeiten. Bisher gibt es ja erst lediglich zwei Ouputs, von denen der neueste I Speak Because I Can noch gar nicht offiziell erschienen ist.* Highligts daraus sicherlich Blackbery Stone mit seiner unwiderstehlichen Melodie, den nahegehenden Lyrics ("you did always say that one day I would suffer") und dem dramatischen Finish und das früh gebrachte Hope In The Air, das mit einer Melancholie aufwartet, mit der man Steine erweichen könnte.

Alles in allem ein Konzert von Laura Marling, das unterstrich, daß hier ein riesiges Talent unterwegs ist, daß über kurz oder lang die großen Bühnen der Welt bespielen wird. Der Menschenauflauf war also durchaus gerechtfertigt!

Setlist Laura Marling, La Fléche d'or, Paris:

01: Devils Spoke
02: Hope In The Air
03: Rambling Man
04: Ghosts
05: Blackberry Stone
06: To Be A Woman
07: Failure
08: Night Terror
09: Rest In The Bed
10: Made By Maid
11: Goodbye England
12: Alpha Shallows
13: Alas I Cannot Swim
14: My Manic And I
15: I Speak Because I Can

* nach kurzer Recherche müsste es doch richtigerweise heißen: das neue Album I speak Because I Can, das gerade erst (Ende März) erschienen ist.



4 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich waer' auch gerne gekommen, stand aber so weit hinten in der Schlange, dass ich nach anderthalb Stunden aufgegeben habe.
Danke, Oliver, fuer Deinen Bericht!

Bises, Uschi

Christoph hat gesagt…

Das unterstreicht leider den Eindruck, den ich von First Aid Kit im Winter in Köln hatte. Schade, schade, schade!

Lauras Album ist zumindest digital bereits im März erschienen!

Anonym hat gesagt…

She also play a Neil Young cover " The needle and the damage done" which is not on the setlist
See Ya

Christoph W. hat gesagt…

Hmmm...sehr schade, dass sich First Aid Kit offenbar in eine ungute Richtung zu entwickeln scheinen.

Bleibt zu hoffen, dass die Konzerte in Köln und Paris nur kleine Aussetzer waren...

 

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