Dienstag, 30. April 2013

Les concerts de la semaine à Paris du 29 avril au 5 mai 2013

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Les concerts de la semaine à Paris du 29 avril au 5 mai 2013


Semaine de concerts pas particulièrement chargée, mais le 1 mai il y aura une spectaculaire Oliver Peel Session avec les magnifiques américains Arborea (photo)! (Dites moi si vous voulez venir). Puis le 2 mai au Point FMR Conquering Animal Sound, groupe de l'Ecosse qui avait également joué une chouette Oliver Peel Session dans le passé.. 



29.04.2013: Arborea, Espace B
30.04.2013: Boy, Trabendo
30.04.2013: Tom McRae, Café de la Danse

Mai

01.05.2013: Arborea, Oliver Peel Session
02.05.2013: Plants & Animals & Conquering Animal Sound, Point Ephémère
02.05.2013: Hold Your Horses, International
03.05.2013: The Jim Jones Revue, La Cigale
03.05.2013: Walking Papers, La Flèche d'or 
03.05.2013: Lumerians, La Maroquinerie
03.05.2013: And Also The Trees, Point Ephémère 
03.05.2013: British Sea Power, Divan Du Monde, annulé :(
03.05.2013: Le Réveil des Tropiques, Le Lapin Blanc
04.05.2013: Stone Jack Show (avec Ryan Norris de Lambchop et Ben McConnell (Beach House, Marissa Nadler etc.) à la batterie, Glass
04.05.2013: The Knife, La Cité de la Musique, complet 
05.05.2013: Showcase Every Man Has Your Voice, Fabrique Balades Sonores



Montag, 29. April 2013

Ben Schadow Band, Mannheim, 25.04.13

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Konzert: Ben Schadow Band
Ort: Raumzeitlabor in Mannheim
Datum: 25. April 2013
Dauer: etwa 90 min Musik
Zuhörer: rund 20



Kennt hier jemand die Bücher von Cory Doctorow? Er schreibt in seinen Geschichten packend über so Leute, wie ich sie am Abend im Raumzeitlabor treffen durfte. Macher und Bastler, die nicht nur im stillen Kämmerlein bleiben, sondern sich zusammen so etwas wie ein Paralleluniversum einrichten. Damit es spannend wird (und weil die Welt so ist - das lernt man beim lesen nebenbei mit), treffen Überwachungsstaat und freiheitsliebende Bastler bzw. große Marken und innovative Neulinge heftig aufeinander (alle Bücher kann man übrigens unter CC-Lizenz in vielen verschiedenen Formaten von der Seite des Autors laden).



So dramatisch wie die Geschichten von Cory Doctorow war der Abend in Mannheim zum Glück nicht, mehr wie eine der warmherzigen Episoden aus seinen Büchern, die erzählen, warum es wert ist das Hackeruniverse zu erhalten. Wir durften all die tollen Maschinen sehen und die Sofas probesitzen, uns aus dem Kühlschrank bedienen und das hat mich zusammen mit der Freundlichkeit wirklich fasziniert. 

In seinem größten Raum hatte das Gemeinschaftsprojekt Raumzeitlabor für den Abend Ben Schadow mit Band und alle eingeladen, die wegen der Musik kommen wollten.



Es war ein wunderbarer Sommertag im April gewesen und Mannheim ist ja nun von Karlsruhe nicht aus der Welt. Die Züge fahren fast an unserem Haus vorbei und die Regionalbahn hält sogar in meiner Nähe an. Also die besten Voraussetzungen für eine entspannte Anreise mit ÖPNV. Alles war auch wunderbar bis ich dann in Mannheim rüde auf den Boden der Tatsachen geholt wurde: Der ganze Nahverkehr dort wurde bestreikt.  Und ausgerechnet diesmal war ich nicht perfekt mit einem Ausdruck des Stadtplans oder wenigstens einem Smartfon ausgestattet, um die 5km schnell auch zu Fuß zu finden... 

Aber für solche Katastrophen stehen ja am Bahnhof stets Taxis bereit und mit einer Beschreibung, in der Nähe welcher Straßenbahn-Station die Adresse liegt, fand der Fahrer auch den Weg ganz gut. Trotzdem war es anschließend noch etwas aufregend für mich, den richtigen Fabrikeingang zu finden und mich durch die Höfe zu suchen.



Am Ziel gab es dann aber als Belohnung einen herzlichen Empfang durch den Konzerttagebuch-Jens aus Stuttgart, tiefentspannte Griller im Hof und die oben beschriebene Führung durch die Räume des Raumzeitlabors. 

Leider nur gab es - so kurz vor dem avisierten Beginn - nicht sehr viele Besucher. Wahrscheinlich war der Streik im Nahverkehrsverbund Rhein Neckar hier ein echtes Hindernis. Wie schade!! Die sich davon hatten abhalten lassen, haben nämlich alle ordentlich was verpasst. Zunächst das nett improvisierte Grillen im Hof. Aber auch ein ganz besonderes Konzert.


Angesteckt und angeregt von der herzlichen und kreativen Atmosphäre des Labors lieferten Ben Schadow und seine Mitstreiter 

David Rieken (Tasten und Gitarre)
Tobias Noormann, der Schlagzeuger  und
Thomas Hannes am Bass


ein unglaublich offenens und das Publikum selbstverständlich einbeziehendes Set ab. Er war hier im Raumlabor wie zu Hause (obwohl erst das zweite mal dort mit einem Konzert zu Gast). Es wurde zwischen den Liedern viel geredet und nicht nur von der Bühne aus. Bastler Fabian wurde auf die Bühne geholt, um einen Zwischentext zu sprechen.

Der Sandmann


Mit der Band gab es stetes Geplänkel und Herumzupfen an der Setlist. Machen wir doch lieber anders und was haben wir jetzt noch ausgelassen? Aber richtig verrückt wurde es erst als in der Zugabe kein Musiker sein angestammtes Instrument behalten durfte. War dann auch nicht perfekt, aber einzigartig. 

So wie vieles, was im Raumlabor entsteht, würd ich mal sagen.


Als ich schließlich herumfragte, wer vielleicht nach dem Konzert mit dem Auto in Richtung Bahnhof fährt, fand sich schnell jemand, der mir einen Platz in seinem Auto anbot und gegen 23:30 Uhr gab es eine Fuhre fast direkt an den Zug. Dieses Konzert hat mir viele Menschen nahe gebracht, nicht nur Ben Schadow und seine Band. 

Herzlichen Dank an das Raumlabor und an Jens, der mich so eingeladen hatte zu kommen, dass ich nicht ablehnen konnte.




Setlist:

01: Herz aus Holz
02: Zusammen zuletzt
03: Ich fall' immer auf die selben Dinge rein
04: Gnade trägt man in Särgen
05: Heller Fleck im schwarzen Meer
06: Buena Sera Signor, Buena Sera (Les Garçons – Song)
06: In einer Welt voller Sonnenschein und Bier (Les Garçons – Song)
07: Gerade verliebt (Les Garçons – Song)
08: Ich hab geträumt, ich sei tot
09: Everybody's Got To Learn Sometime (The Korgis - Cover)
10: Wie leicht es wär' einfach zu bleiben
11: Einer aus Stolz, einer aus Scham

12: Was, wenn es mich wach entdeckt? (Z)


Danke, dass Jens den Schriftführer für den Abend übernommen hat und es deshalb eine Setlist gibt!


Bericht von Ben Schadow selbst über den Abend im RZL

Aus unserem Archiv:
Ben Schadow Band Stuttgart, am 14. April 2013


Konzertmitschnitt Raumzeitlabor Ben Schadow mit Pele Caster



Bald kann man Ben Schadow auch mit Pretty Mery K. auf Tour erleben:

04.5. Jena - Kulturhof
05.5. Chemnitz - Weltecho
06.5. Landshut - Wintergarten
07.5. München- Südstadt
09.5. Winterthur - Albani
10.5. Zürich - Bar Rossi
11.5. Freiburg - Slow Club
13.5. Hannover - Gut e.V.



Sizarr, Wiesbaden, 19.04.13

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Konzert: Sizarr
Support: Julius Gale
Ort: Kulturpalast Wiesbaden
Datum: 19.04.2013
Zuschauer: maximal 200-250 (ausverkauft)
Dauer: Sizarr (ca. 75min), Julius Gale (30min




Mit mir befreundet zu sein, ist manchmal vermutlich überdurchschnittlich anstrengend. Im letzten halben Jahr vor allem aufgrund einer bestimmten Aussage: „Kennst du Sizarr? Die sind so gut! Hör dir die unbedingt mal an!“ Da ich letzten Herbst vollkommen im Kraftklub-Wahn war, bin ich zum Glück kurz nach Weihnachten auch nach Chemnitz zum „Willkommen Zuhause Festival“ gefahren – zum Glück! Kraftklub hätten mir an sich schon genügt, aber das Line-Up sollte eine meiner persönlichen Neuentdeckungen des letzten Jahres für mich bereithalten: Sizarr. Dieser mysteriöse Name in Kombination mit dem noch ominöseren Albumtitel „Psycho Boy Happy“ machte mich bereits im Vorfeld neugierig und die Empfehlung durch die wandelnde Musikenzyklopädie Mr. Griffey aka. Casper tat dann ihr Übriges. Seit letztem Herbst läuft das Album bei mir ununterbrochen und selbstverständlich konnte ich mir deshalb den Auftritt im Wiesbadener Kulturpalast nicht entgehen lassen. Da ich mein Ticket bereits seit Anfang Januar erwartungsvoll bereithalte, hatte ich nur am Rande zur Kenntnis genommen, dass das Konzert mittlerweile ausverkauft war – zurecht! In Deutschland immer noch erstaunlicherweise relativ unbekannt, bekommen Sizarr immerhin international die Anerkennung in der Indie-Welt, die ihnen gebührt – so spielten sie beispielsweise Showcases beim diesjährigen SXWS-Festival in Texas, was nicht jede deutsche Band von sich behaupten kann. Und ja, tatsächlich handelt es sich bei Sizarr um drei junge Herren aus Landau in der Pfalz, die aber ganz im Gegensatz zu ihrer Heimatstadt nach großer weiter Welt klingen.

Für mich war das der allererste Ausflug in den Kulturpalast in Wiesbaden und ich muss sagen, dass das Schlachthof-Team wirklich einen adäquaten Ersatz für die noch nicht wiedereröffnete Räucherkammer aufgetrieben hat. Beim Kulturpalast handelt es sich um eine winzige Venue, die Konzertbegeisterten das Herz höher schlagen lässt – kniehohe kleine Bühne, insgesamt ein etwas geräumigeres Wohnzimmer eben und großartig geeignet für besondere Konzertmomente mit Bands, die glücklicherweise noch in kleinen Clubs spielen – noch.
Der sympathische junge Herr, der sich als Julius Gale vorstellte und den Abend eröffnen sollte, präsentierte eine interessante experimentelle Electro-Pop-Symbiose, deren alles übertönender Bass Mark und Bein erschütterte und mir persönlich nach einigen Songs etwas zu viel wurde. Nichtsdestotrotz zeigte sich Julius Gale als extrem höflicher Opening-Act, der sich mehrfach fürs Zuhören bedankte und tapfer gegen mitunter ziemlich lautes Gerede in den hinteren Reihen – vielleicht war der Bass deshalb auch so ohrenbetäubend – anspielte. Definitiv hörenswert für Freunde von M83, MGMT und Konsorten und wie ich finde auch passend zur klanglichen Vielfalt von Sizarr. Vom Schlachhof als „Indie-Afrobeat-Post-Dubstep“-Konzert angekündigt, spiegelt dies bereits wider, wie schwierig es ist, Sizarr aufgrund ihrer ganz eigenen Mischung aus Einflüssen aller Art irgendwo einzuordnen – aber vielleicht sollte man dies auch einfach nicht versuchen und sich darauf einlassen.

Nach Sizarrs Performance beim Willkommen Zuhause Festival war mir bereits klar, dass ich diesen Abend lieben würde und als dann „Mushin“ als Intro ertönte und in feinster Albummanier in „Word Up“ überging, war es bereits vollkommen um mich geschehen. Das gleichmäßige Wummern der Bässe im Wechsel mit nicht-enden-wollenden Chorgesängen und selbstverständlich die außergewöhnliche Stimme von Sänger Fabian aka. „Deaf Sty“ - all dies erfüllte den winzigen Raum und zwang die Anwesenden unweigerlich sich im Rhythmus mitzubewegen. Während ich im Laufe des Sets selbst damit beschäftigt war, nicht allzu seltsam zu tanzen – bei völliger Überforderung orientiert man sich am besten an Frontmann Fabian – war es extrem interessant das Verhalten der Umstehenden zu beobachten, was von wildesten Gogo-Tanzbewegungen (schräg!), vollkommen entfesseltem Schal-durch-die-Luft-Schwingen (Tatsache!) und einigermaßen koordinierten Bewegungen bis hin zu hilflosem Zucken, aber dann doch lieber cool an der Wand lehnen, reichte. Da es für mich eines dieser Konzerte war bzw. vielmehr eine dieser Bands ist, bei dem/denen mir jeder einzelner Song wahnsinnig gut gefällt, würde ich am liebsten jeden einzelnen endlos lobpreisen, da sie dies auch verdient hätten, werde mich aber auf im Folgenden auf einige Highlights der Highlights konzentrieren. Nach „Pocket Walt“ und den sich kontinuierlich voranwalzenden Beats von „PBEW“ war nun einer dieser Herzinfarkt-Momente für mich persönlich gekommen: „Run Dry“. Gänsehaut. Jedes. Einzelne. Mal. Ich kann es wirklich nicht ansatzweise adäquat in Worte fassen, aber es ist einer dieser Songs, der mich in seiner Schönheit überfordert und nach geschätzten 500 Mal Anhören immer noch jedes Mal wieder die selbe überwältigende Wirkung auf mich hat. „You're on the run, from yourself, from all that hurts. Leave behind, broken parts, of your old world.“

Zeilen, die so tief gehen, mit dieser besonderen Stimme vorgetragen und in sphärische Klänge eingebettet, dann genau diese abstrakte Weite darstellen, in die man sich manchmal flüchtet. Live großartig umgesetzt, definitiv mein Highlight an diesem Abend. Das Sizarr auch weitaus ruhigere Töne anschlagen können, zeigte sich bei „Icy Martini“, das live noch größeres Potential entfaltete, als sich mir auf Platte bisher offenbart hatte. Weitere Höhepunkte für mich „Blade“ und „Purple Fried“, das den ersten Teil des Sets beschloss. Ich muss Sizarr hier auch ausdrücklich noch einmal dafür Respekt aussprechen, dass sie so konsequent immer wieder versucht haben, das teilweise sehr zurückhaltende Publikum immer wieder zu (re)animieren – manch andere Band hätte sicherlich längst aufgegeben. Die erste Zugabe des Abends war ein toller neuer Song namens „Arsnll“, der es hoffentlich bald auf ein nächstes Album schaffen wird. Der letzte Song des Abends provozierte dann tatsächlich noch ein klein wenig Publikumsbeteiligung in Form von Mitsingen, „Boarding Time“, das schon im Vorfeld von „Psycho Boy Happy“ 2012 auf der „Boarding Time EP“ veröffentlicht worden war und als letzter Song unheimlich Lust auf mehr machte.

Ich weiß nicht, was genau Sizarr da live tun. Ich weiß nur, dass ich es großartig finde und sie mir genau das bieten, was mir musikalisch noch in meiner Welt gefehlt hatte. Bring it on, Maifeld Derby, bring it on!


Setlist, Sizarr, Kulturpalast Wiesbaden, 19.04.2013:

01 Mushin
02 Word Up
03 Pocket Walt
04 PBEW
05: Run Dry
06: Fake Foxes
07: Cat Mountaineer
08: Blade
09: Icy Martini
10: Mulo
11: Tagedieb
12: Purple Fried

13: Arsnll (Z)
14: Boarding Time (Z)


Tourdaten Sizarr für den Festivalsommer 2013 – bisher!:

18.05. – Food For Your Senses Festival (Luxembourg)
23.05. - Europavox (Clermond-Ferrand)
01.06. - Maifeld Derby (Mannheim)
21.06. - c/o Pop (Millowitsch Theater Köln)
28.06. - Festival bête de scènes (Mulhouse)
20.07. - Melt! (Gräfenhainichen)
02.08. - Horst Festival (Mönchengladbach)
03.08. - Prima Leben und Stereo (Freising)
16.08. - Frequency Festival (St. Pölten)
18.08. - Dockville Festival (Hamburg)
24.08. - Folklore Festival (Wiesbaden)


Links:

https://www.facebook.com/juliusgalemusic
https://soundcloud.com/juliusgale

http://www.sizarr.com/
https://www.facebook.com/SizarrOfficial 

Sonntag, 28. April 2013

Plumes, Mainz, 26.04.13

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Konzert: Plumes & Modern Days
Ort: Haus Mainusch in Mainz
Datum: 26. April 2013
Zuschauer: 30-40
Dauer: je etwa 45 min


Tonight is an island we can rest on.


Was für ein intensiver Tag, der mit dem Abend im Haus Mainusch und speziell  im Plumes-Konzert auf wundersame Weise zu sich kam. Eine sehr kurze Nacht, denn nach dem Abend in Mannheim war  ich erst in den frühen Morgenstunden zurück. Früh ins Büro, denn Vormittags stand aushandeln und eintüten von ersten Neuordnungsschritten nach einem materiellen und menschlichen Wirbelsturm in der Arbeitsgruppe auf dem Programm. Am Nachmittag zwei Abschiede am Flughafen mit gespanntem Herzen, inklusive kurzem Familientreffen. Dazwischen sehr konzentriertes Büro halten am Fernbahnhof.

Die mit dem Tod tanzt

Der eigentlich unerhebliche Sprung von dort nach Mainz dann mit fast allem was die Informationspolitik auf Bahnhöfen der DB so liebenswert macht. Info beim losgehen zum Fernbahnhof Zug fällt aus - ok. die S-Bahn tut es auch und der S-Bahnhof liegt sowieso näher. Anzeigetafel am S-Bahnhof sagt aber Ersatzzug fährt! Mit einem kleinen Sprint schaffe ich den noch. Japsende knapp rechtzeitige Ankunft am Fernbahnhof - dort die Info Zug etwa 20 min zu spät. Rückweg zum S-Bahnhof (inkl. längerer Fahrtzeit und S-Bahn-Zugtakt) zahlt sich nicht aus. Bei den 20 min bleibt es freilich nicht. Schließlich fährt ein anderer (planmäßiger) Zug ein und was aus unserem Zug wird, ist keine Ansage wert.  

Am Ende bin ich statt 15 min schlappe 50 min unterwegs nach Mainz. Dass ich darüber fast ruhig bleibe, rechne ich mir als coolness an. Aber, so richtig voller Elan bin ich dann doch nicht mehr und lass mir statt eiligem Fußweg durch die unbekannte Stadt im strömenden Regen dann doch lieber von einem Taxi helfen (Taxi fahren ist für mich normalerweise nur echten Katastrophen vorbehalten). Damit bin ich nur wenige Minuten später als geplant am Haus Mainusch. Nach den vagen Informationen im Vorfeld sollte jetzt eigentlich seit einigen Minuten die Vorband spielen....


Das Haus Mainusch ist ein selbstverwaltetes Gemeinschaftshaus. Sehr unabhängig und alternativ. Hier wird jede_r respektiert, sogar Raucher... Ich hatte es mir etwas größer vorgestellt - auf der Suche nach der Bühne und bekannten Gesichtern bin ich schnell durch und habe keines von beidem gefunden. Das ist schließlich der Moment, wo sich doch Verzweiflung flüsternd einschleicht. 

Aber ein Gesicht erkenne ich auf einmal doch ... die Plumes Sängerin Veronica Charnley herself ... und an ihrem Tisch gibt es auch noch einen Sitzplatz. Was soll's ehe ich groß überlegen kann, stelle mich als Freundin von Oliver Peel vor und sofort entspinnen sich die nettesten Gespräche. 


Am Tisch ist noch eine deutsche Freundin aus gemeinsamen Zeiten in Kanada, die für den Abend auf ein Wiedersehen und -hören gekommen ist. Es geht um Fremdsprachen lernen und verlernen, Tourdönekes, Mutmaßungen über den weiteren Verlauf des Abends. Dann kommt Geof Holbrook (Ehemann und heute verantwortlich an den Tasten) hinzu. Stille Freude als ich erzähle, dass ich das Vorprojekt Flotilla kenne und die CD One Hundred words for water sehr mag (klienicum sei Dank!). Dann gesellt sich ein weiterer Kanadier zu uns, den es zur Zeit nach Deutschland verschlagen hat. Michael Taylor arbeitet am Staatstheater in Mainz als Sänger. Was für ein Energiebündel!

Bevor die Vorband deutlich nach 22 Uhr beginnt, finde ich auch die Bühne in einer Art großer Garage hinter dem Haus. Dort aber leider Ernüchterung: Hier wird (obwohl der Raum als Nichtraucher-Zone ausgewiesen wird) ausgerechnet von der Band selbst geraucht. Erst fängt einer neben mir an,  dann sind im nächsten Moment alle dabei  - die 4-5 unter den 30 anwesenden in den fensterlosen Raum reichen, dass es sehr stört. Ich spreche sie an: ich würde gern über ihren Auftritt schreiben und sei dafür extra aus Karlsruhe gekommen und Rauchen stört mich sehr. Die Reaktion ist Achselzucken (Körpersprache: was bist du denn für eine?) ... und so spare ich mir das Konzert.



Statt dessen finde ich am Tisch im Haus den Plumes Drummer  Todd Harrop und wir haben ein interessantes Gespräch über ein harmonisches System an dem er gerade arbeitet und für das er nach einem guten Modell sucht, das über das geordnete aufschreiben von Zahlen hinausgeht. Wir haben Spaß, den Zusammenhang von Mathematik und Musik zusammen zu ergründen und die Faszination an dem Gedankenspiel zu teilen, das bei ihm zu komponierter Musik und Experimenten damit führen wird.

Schließlich wird es nach 23 Uhr ernst. Die Plumes-Musiker machen die letzten Handgriffe, um Mikros, Gitarre und Keyboard an den Verstärker zu bringen und ein improvisiertes Drumset zu sortieren.


Veronica begrüßt das Publikum sehr herzlich und mit den ersten melodischen Phrasen - noch ohne Unterstützung der zwei Herren - hat sie sozusagen im Handstreich das Publikum: Der erste Applaus ist euphorisch. Beim zweiten Song (das erste Stück des aktuellen Albums mit englischen und französischen Textteilen - sehr faszinierend!) ist die Bude wieder ordentlich voll. Er hat alles, was die Musik von Plumes so faszinierend und interessant für mich macht: die Stimme von Veronica, die anscheinend schwerelos über die komplexen Melodiephrasen und Rhythmen schwebt und doch ganz festgezurrt im hier und jetzt ist. Es folgen danach mehrere ruhigere Songs mit sehr dezenter Schlagzeugunterstützung. Vor Kalimba mountain song erzählt sie uns, dass es kein Spaß ist, im eiskalten Winter von Montreal eingemummelt Treppen zu steigen. So wird das slow motion im Text fast körperlich erfahrbar. Bei Messy love gibt es spontane Lacher über die Textstelle, dass sie sich lieber auf Kiefernnadeln betten würde.



Das letzte Lied Away from home geht schließlich wirklich direkt ins Ohr und ist zugleich Ohrwurm und unbedingte Mitwippnummer trotz der vertrackten Taktwechsel und ungeraden Taktlängen. Ein rechter Rausschmeißer eigentlich. 


Freilich lässt sich das begeisterte Publikum nicht ohne Zugabe wegschicken. Auch hier gibt es eine Geschichte zum Lied. Unversehens war Veronica in die Situation geraten, dass nur Armlängen entfernt ein Polizist jemanden mit Pistole am Kopf befahl, die Hände hoch zu nehmen. Bei ihr wird aus der emotionalen Erschütterung ein Liebeslied. Eine rechte Hymne, die mich beschwingt in die Nacht gehen lässt. Der Fußweg ins Hotel ist mir danach egal, obwohl es immer noch dolle regnet.



Muss dann auch gar nicht sein. Nach kurzem ersten Wegstück kommt eine Busstation in mein Blickfeld - voller Konzertbesucher, die ich um Rat fragen kann und schon 2min später fährt mich ein für die Uhrzeit ziemlich voller Bus bis fast vor mein Hotel. 

Ein Abend mit mir bis dahin fremden Menschen so voller Freundlichkeit und anregender Gespräche und Impulse. Und die Musik so zauberhaft und dabei doch auch so irdisch. Ein wahrhaft würdiges Finale für meine drei Musik-abenteuerlichen Tage. Und ins Staatstheater muss ich schnellstmöglich auch...

(Die Überschrift ist aus Away from home by Plumes)



Setlist Plumes:
(1) Behold it
(2) Your train of thought, through tunnels
(3) Phonebooth
(4) Kalimba mountain song
(5) Messy love
(6) Woodstock
(7) Figure it out
(8) Sweet Georgia blue
(9) Beached dolphin
(10) Comfort in future loves
(11) Away from home

(Z) The Holdup 




Setlist Modern Days:
(1) Modern days
(2) Your ghost
(3) Too well
(4) Navigator
(5) Rosemary
(6) Metropolitain
(7) House of Leaves
(8) Beat the devil
(9) Weatherman


Aus Archiven:
Plumes auf Bandcamp
Tourempfehlung von Oliver
Tourempfehlung vom klienicum
das klienicum im April 2012




Samstag, 27. April 2013

Johnossi, Wiesbaden, 23.04.2013

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Konzert: Johnossi
Support: Amanda Jenssen 
Ort: Schlachthof Wiesbaden 
Datum: 23.04.2013 
Zuschauer: ca. 1000 
Dauer: Amanda Jenssen (ca. 25min), Johnossi (ca. 90min) 



 „Wo bleibt das Schlachterfeeling?“ - dieser wahnsinnig fesche Stempelabdruck zierte nach zweitägigem erfolglosen Versuch ihn abzuschrubben immer noch mein Handgelenk und ungefähr diese Frage hat sich anscheinend auch Johnossi-Frontmann John Engelbert im Laufe des Konzerts manchmal gestellt zu haben – doch dazu kommen wir gleich. Da ich dieses Jahr bereits mit Biffy Clyro und Sizarr direkt auf der anderen Seite des Rheins verwöhnt wurde, hat der Schlachthof inklusive seines Bookers schon längst einen festen Platz in meinem Herzen, und somit war klar, dass ich mir auch Johnossi, da ich sie bisher noch nicht live gesehen hatte, nicht entgehen lassen wollte. 

Zum Support-Act, der Schwedin Amanda Jenssen, waren bereits genug Menschen versammelt, damit es nicht allzu sehr auffiel, dass die Halle recht leer war - an den Seiten und im hinteren Teil der Halle war jedenfalls noch überraschend viel Platz. Amanda Jenssen ist eine schwedische Pop-Sängerin, die auf ihrer Facebook-Seite erstaunlich hochgegriffene Referenzen bzw. Einflüsse von Edith Piaf, Nina Simone und Nick Cave bis hin zu Ella Fitzgerald auflistet. Auf der Bühne erschien dann eine blonde junge Frau, die stimmlich nicht nur nach Adele, sondern wie Adele klingt, gemischt mit ein bisschen Amy Winehouse. Outfitmäßig hatte ich sie leider nach wenigen Sekunden bereits gnadenlos abgestempelt, da ich die glitzernden Schmetterlingsapplikationen (oder was auch immer das eigentlich sein sollte) über ihren lady parts einfach vollkommen unnötig fand – dementsprechend sah ich trotz beachtlicher stimmlicher Darbietung leider nur einen Abklatsch von Lady Gaga & Co. vor mir bzw. viel mehr einen perfekt konzipierten Pop-Hybrid à la „wir nehmen mal ein bisschen Gaga, performen musst du dann ähnlich ausgeflippt wie Florence Welch, vielleicht noch ein wenig Katy Perry und Marina & the Diamonds und voilà: dein Image steht.“ Um es auf den Punkt zu bringen: handwerklich, vor allem stimmlich, möchte ich Amanda Jenssen kein Unrecht zufügen, aber ihre Show habe ich ihr einfach nicht abgekauft. Für den Großteil des Publikums schien es aber zu funktionieren, da es nach dem sehr kurzen 25-minütigen Set deutlichen Zuspruch gab und ich immerhin ehrlich für die extrem coole Gitarristin und den Keyboarder von Amanda Jenssen applaudieren konnte, da die beiden eine solide und weitaus weniger aufgesetzte Show abgeliefert hatten. 

Johnossi hatte es an diesem Abend zum ersten Mal nach Wiesbaden verschlagen, wie Frontmann John eingangs bemerkte. Die beiden Schweden waren gekommen um ihr Ende März erschienenes viertes Studioalbum „Transitions“ zu präsentieren und eröffneten ihr Set vielversprechend laut und kraftvoll mit „Into the Wild“. Vielleicht nicht die kreativste Wahl, da „Into the Wild“ das erste Lied auf dem neuen Album ist, aber definitiv eine sehr gute Wahl. Johns Stimme ist haargenau so kratzig-markant, wie man es auf den Alben erahnen kann und wie meine Begleitung es so schön auf den Punkt brachte, klingt das schon „ziemlich geil“. Der 6-minütige Opener ist einer dieser Songs, die sich langsam an einen heranschleichen und dann nach etwa 3 Minuten in ein klangliches Feuerwerk übergehen, das in Stadionrockmanier mit wenigen großangelegten, aber sehr effektvollen Bühnenscheinwerfern in Szene gesetzt wurde, sodass es sowohl akustisch, als auch optisch kein Entkommen gab. Den Fokus zunächst auf das neueste Album legend, ging es genauso überzeugend mit „Gone Forever“ weiter. Charmanterweise moderierte John ein weiteres sehr eingängiges Stück des neuen Albums namens „Everywhere (with you man)“ an, indem er es seinem Bandkollegen Oskar „Ossi“ Bonde widmete und die Dynamik innerhalb des Duos, wie sie sich dem Publikum an diesem Abend darstellte, treffend auf den Punkt brachte. Johnossi sind ein gut eingespieltes Team, das live durch einen dritten Mann an Keyboards und Percussion ergänzt wird. Obwohl ich das Gesicht des Drummers erst ganz am Ende sehen konnte, da er die ganze Zeit hinter einem seiner, wie ich vermute Crash-Becken (man korrigiere mich bitte, falls nötig!) versteckt war, war er deutlich die treibende Kraft hinter den Songs. Für mich persönlich funktionierten vor allem die Stücke von „Transitions“ live sehr gut und wenn ich mich so umblickte bzw. umhörte, dann schienen die zahlreichen Fanboys, die lautstark mitsangen, mitsprangen und sich gegenseitig begeistert in den Armen lagen, auch ihren Spaß zu haben. Genau deshalb hat es mich auch verwundert, dass Mr. Engelbert häufiger monierte, dass das Publikum doch so ruhig sei.

Nachdem einige „Come on!“s und „Hey!“s für ihn anscheinend nicht die gewünschte Wirkung zeigten – und ich muss ganz klar sagen, dass ich schon Konzerte mit weitaus schlechterer Stimmung erlebt habe, aber vielleicht sehen wir uns hier tatsächlich mit einer kulturellen Kluft konfrontiert – gipfelte sein Lamentieren diesbezüglich dann in einer versierten, jedoch etwas fragwürdigen Aussage: „I feel like I am in the matrix, it's like nobody is ever fucking waking up!“. Ich dachte erst, dass ich mich verhört habe und wenn ich auch meine Hand nicht ins Feuer legen würde, was den genauen Wortlaut angeht, so war die Botschaft so oder so meiner Meinung nach nicht besonders lustig, sondern eher unangemessen aggressiv. Bis zu diesem Zeitpunkt fand ich die Show gut gelungen, eine solide Performance und alle Anwesenden schienen ihren Spaß zu haben, doch ich lege besonderen Wert darauf, dass Fans immer noch selbst entscheiden dürfen, ob sie jetzt lautstark ekstatisch Ausrasten oder lieber stillschweigend genießen und ich bin kein Fan von Frontmännern, die dann Animation mit Aggression verwechseln.

Bis auf diese seltsame Aussage ein gelungenes Konzert. Leider wurden die Fans so schnell vor die Tür gesetzt, dass niemand eine Setlist ergattern konnte – schade und unnötig, wie ich finde, da die 5 Minuten dann auch nicht den großen Unterschied machen. Dank setlist.fm gibt es nun immerhin die Setlist des Konzerts in Karlsruhe vom Vortag, die meiner Meinung nach unverändert übernommen wurde.


Setlist, Johnossi, Schlachthof Wiesbaden, 23.04.2013:

01: Into the wild
02: Gone forever
03: Bobby
04: Everywhere (with you man)
05: Party with my pain
06: Execution song
07: For a little while
08: Worried ground
09: Roscoe
10: Alone now
11: E.M.
12: Dead end
13: Glory days to come

14: 18 karat gold (Z)
15: Seventeen (Z)
16: What's the point (Z)

Tocotronic, Erlangen, 11.04.2013

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Konzert: Tocotronic
Vorband: It's a musical
Ort: E-Werk, Erlangen
Zuschauer: voll, ca. 800
Datum: 11.04.2013
Dauer: Tocotronic 110 Minuten, It's a musical 35 Minuten

von Fabian von Gefuehlsbetont aus Stuttgart

 


Tocotronic mögen es üppig. Das zeigt nicht nur das neue Album Wie wir leben wollen, das Ende Januar erschien und wegen seiner Aufmachung und seinem Klang zurecht für erneutes Staunen sorgte, sondern auch wegen der langen Tour durch viele Konzertsäle in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich kann mich kaum über mangelnde Termine in Süddeutschland beschweren, erstreckt man diesen Begriff über ein weites Feld. So waren für mich Besuche in Heidelberg, Stuttgart, Erlangen, Offenbach, Freiburg, München und Würzburg möglich – mangels Zeit- und finanziellen Gründen schaffte ich es ‘nur’ nach Stuttgart und Erlangen.
Nachdem ich schon in Stuttgart die Ehre hatte, diese großartige Band unter neuem Motto „Wie wir leben wollen“ zu erleben, trat ich den Weg nach Erlangen an. Das Stuttgarter Konzert musste sich erstmal setzen, Tocotronic im “neuen” Gewand zu erleben ist immer eine interessante Erfahrung. Das, was man schätzt, also vor allem Dirk von Lowtzows Bühnenauftritt, den Pathos und das Überschwängliche, war nie fort. Das verzaubert jeden Auftritt, das will man auch, das kickt. Doch Tocotronic meinen es ernst mit der Tour und mit ihrem neuen Werk. Die neue Platte ist nicht einfach nur ‘die neue Platte’, es fühlt sich wie ein neuer Abschnitt an, ein neuer Meilenstein, den Tocotronic dementsprechend gestalten und auf Tour präzise umsetzen. Sie zeigen damit, wie wichtig ihnen das jetzige Werk ist – das erneut beweist, dass Tocotronic keine schlechten Alben schreiben können. Das, was ich an der „Schall & Wahn“-Tour schätzte, nämlich eben genau das: Die vielen in sich verschmolzenen Songs, die Wut und der Lärm, wird bei der jetzigen „Wie wir leben wollen“-Tour deutlich wärmer und biegsamer. Mit dem ersten Konzert nach der Festivaltour im letzten Sommer, die vom Set eher ein Potpourri an Hits aus 20 Jahren war, musste ich mich bei Vorfreude, Krankheit und schwierigem Publikum erst einer neuen, fordernden Tocotronic-Platte und ein eben solches Konzert noch “gewöhnen” und erstmal finden. Die Entscheidung, nach Erlangen für ein zweites Konzert der Tour zu fahren, entschied sich als goldrichtig. Es war ein großer Genuss zu wissen was passiert und das schon ein Monat verstrichen war.
Die Distanz zwischen München und Erlangen habe ich maßlos unterschätzt, so wunderte ich mich stark, als ich bemerkte, dass dies über 200km sind. Dennoch lohnte sich die Reise, beschwingt mit einem tollen Element of Crime-Konzert im Kopf empfängt mich die Studentenstadt Erlangen mit Regen. Das E-Werk, in dem das Konzert stattfindet, ist ein super Laden. Tolles Programm, guter Sound, schöner Raum, nicht zu groß und nicht zu klein – und einen Balkon gibt’s auch. Ich bin gerne dort, weil diese Stadt nicht erschlägt und vollgestopft ist und mit vielen interessanten Ecken einlädt. Das E-Werk ist das Highlight und eine Anlaufstelle vieler toller Bands.
Auch freute ich mich tatsächlich über ein Wiedersehen der Vorband It’s a musical, die auf der gesamten Tocotronic-Tour Support sind. Das Elektropop-Duo aus Berlin machte es mir in Stuttgart noch ein wenig schwer, in Erlangen wirken sie frisch und nehmen mich offen in den Arm, spielen insgesamt vom Gefühl her befreiter. Ich spüre, wie sie sich über den Auftritt freuen. Das Publikum ist wohl wie jeden Abend: Zwischen Ultras, die nur Tocotronic sehen wollen und interessiertnickenden Indie-Menschen ist alles dabei. Hinten viel Gerede, vorne wird mehr zugehört. Als dann mitten im Song Rick McPhail auf die Bühne schlurft, um Gitarrensoli zu spielen, gibt es natürlich großen Jubel. (Ja, ich war logischerweise auch begeistert) Auch Ella Blixt und Richard Kretzschmar können sich nur fasziniert kopfschüttelnd angucken. Dieser Mann ist der helle Wahnsinn. Als wäre nichts gewesen, schlurft er wieder zurück. Legende da, Legende weg. It’s a musical kicken heute einfach. Das macht Laune, dieser 80′s-Sound. Schlagzeuger Robert grüßt zudem einen David im Publikum, dessen Band Wyoming man auf seinen Rat auschecken sollte. Gesagt, getan und Recht gegeben: Die sind wirklich gut! (Hier klicken) Das ist eine Sache, die ich weiterhin an Tocotronic schätze: Sie laden grundsätzlich Bands ins Vorprogramm ein, die sie selbst auch mögen. Mit Dillon auf der letzten Tour bekam das Publikum einen Popdiamanten zu hören, mit It’s a musical nun eine Band, die definitiv Qualität hat und Freude macht. Der Abend fängt gut an!


Doch es wird noch besser, oder: Noch krasser und abstruser. Bereits mit der heutigen Bühnenorganisation erlebe ich eine gewisse Unordnung, da sich die Crew bei Showbeginn immer noch beratend auf der Bühne befindet, während der Pro Asyl-Imagefilm beginnt und vom Publikum überhaupt nicht wahrgenommen wird. So wird auch nicht nach Ende dieses wichtigen Films wie in Stuttgart geklatscht, sondern nur gewartet, bis das Licht ausgeht. Schade. Mit dem Konzertintro „Gesang der Jünglinge“ von Stockhausen sorgen Tocotronic auch heute wieder für große Verwirrung im Saal. Während ich mich darüber amüsiere, ärgere ich mich im nächsten Moment abermals über Proleten. Diesmal schreit jemand “Haltet die Fresse und spielt Gitarre” durch den Raum. So sehr ich auch abgöttischer Fan dieser Band bin, werde ich solches Verhalten nie verstehen können. Dafür gibt’s keine Anerkennung, das ist auch keine Frage der Ungeduld oder des Geschmacks, sondern des Anstands. Zwei Minuten später stehen die vier Männer “aus Hamburg und Berlin” lächelnd einem vollen E-Werk gegenüber, das sie mit großem Jubel empfängt. Kapellmeister Lowtzow begrüßt Erlangen, Fürth und Nürnberg (!) gewohnt schwungvoll und enthustiastisch. Mit Opener „Im Keller“ beginnt ein furioses Konzert wie eine Fahrradtour: Fährt man gerade noch die Faulenzerroute mit schönem Landschaftsblick, wird der Boden plötzlich ruppiger. Mountainbike.
Rock ‘n’ Roll will never die.
Denn Tocotronic stellen ihr Set im Gegensatz zu Stuttgart vor einem Monat an einigen Stellen um: Mit „Macht es nicht selbst“ findet nun doch ein Song des sehr guten „Schall & Wahn“ einen Platz im Set und auch zu Beginn gibt es eine entscheidende Veränderung: Mit den drei ersten Stücken entzünden sie die Ekstase: Die neue Single „Ich will für dich nüchtern bleiben“ haut nicht nur auf Platte gut rein, sondern ist auch Wegbereiter für einen ersten Klassiker-Befreiungsschlag im Publikum – die Freude schwappt mit dem ersten Akkord förmlich über, nachdem Dirk von Lowtzow “Rock ‘n’ Roll will never die” ins Mikrophon säuselt und die Fotografen aus dem Graben verscheucht. Er guckt zornig aber bestimmt und will jetzt nur noch sein Publikum sehen. Es strahlt ihn an und singt „Drüben auf dem Hügel möcht’ ich sein im letzten Abendsonnenschein.“ Es ist ein Moment, in dem man die Welt umarmen könnte. Es gibt nur diesen Moment und die Musik, das vollkommene Glück, die Faust in der Luft und die Stimme überschlägt sich. Tocotronic haben alles richtig gemacht. Nachdem es den ‘Hügel’ in Zürich nur als Bonbon nach dem Outro (!) gab, bauen sie es nun direkt zu Beginn ein. Weil’s im Freudentaumel der alten Zeit so schön ist, bleiben sie mit „Meine Freundin und ihr Freund“ gleich dort. Das Publikum nimmt dankend an. Danach ist erstmal Ruhe und Zeit für großes Drama und das “tuntigste Lied” „Vulgäre Verse“.
Schließlich soll das Publikum ja auch nicht verwöhnt werden – obwohl sich der Besuch jetzt schon für die meisten gelohnt hat. Doch Tocotronic präsentieren natürlich ihr neues Werk: Da ist „Vulgäre Verse“ ein Lied, das aneckender nicht sein könnte. Kaum ein Song auf dem neuen Album sticht so heraus wie dieses. Lotzows feminine Stimme besingt eine Diva auf großer Bühne – „Ich geistere zurückgezogen / In möbliertem Revier / Keinem Fuß mehr auf deutschem Boden / Nur nächtliches Telefonieren“ – die Worte könnten es nicht besser beschreiben, der Hall strotzt, die Stimme schwebt, der Schatten schwindet. Mit dem Wegfall von „Exil“, das in vorigen Sets noch enthalten war, bei dem It’s a musical nochmals für die Background-Chöre auf die Bühne durfte, erschlägt das Set nicht allzu sehr mit Songs des neuen Albums. Das Set ist ausgeglichen und hat dennoch eine erkennbare Note. Mit „Abschaffen“, zu dem die Müncher Elektropunkband Frittenbude einen Remix baute, „Die Revolte ist in mir“ und „Warm und Grau“ formt das Konzert den Rahmen der „Wie wir leben wollen“-Tour.


Neben mir boxt sich ein jüngerer Kerl mit konstant grimmigen Gesicht durch die Masse, in dem die Revolte scheinbar tatsächlich steckt. Ich kenne das und fühle mit, lächle aber lieber. Dirk von Lowtzow schreit heute lieber, was mich kurz aus der Fassung bringt. Wer schon auf einem Tocotronickonzert war, kennt die große Sympathie und Wertschätzung von Dirk von Lowtzow gegenüber dem Publikum, der ständig dankt und ausschweifend erzählt. Heute ist tatsächlich irgendwas in der Luft, dass diesen Abend eine sehr raue, aber interessante Note gibt. Denn Lowtzow bricht während „Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools“ kurz vor dem ersten Refrain ab und schimpft laut auf den Tonmann. Bevor alle sich kurz ungläubig ansehen, entschuldigt er sich beim Publikum und spielt den Song nochmals. Generell spürt man heute mit dem Verscheuchen der Fotografen, eben genannter Aktion und einem “Halt’s Maul, Deutschland!”-Ruf passenderweise nach „Aber hier leben, nein Danke“ eine besonders ausgeprägte Wut bei Lowtzow. Diese gibt dem Konzert aber den gewissen Arschtritt. Tocotronickonzerte bringen auch immer wieder neue Erfahrungen mit sich.
Danach gibt es nur noch einmal einen finsteren Blick Richtung Tonmann, als dieser die Monitorboxen nach Punkexzess wieder korrekt platziert. Jan Müller bedankt sich mit einem Lächeln um den Frieden wiederherzustellen. Das ‘Vampir-Lied’ „Auf dem Pfad der Dämmerung“ muss ebenfalls wiederholt werden – Musikgott McPhail sitzt nicht an der Orgel und schlägt nach Beginn die Hände über dem Kopf zusammen. “Er wird halt überall gebraucht” – wie wahr, was Arne Zank da anmerkt.
Kurz vor Ende des Hauptteils sorgen Tocotronic dann nochmals für große Gänsehaut. Dirk von Lowtzow, wieder strahlend, grüßt mit Übersong „Hi Freaks“ alle Fans bis Bamberg. Sechs Minuten weitere Ekstase. Hi. Freaks. Look. at. me. Die Fortsetzung offener Münder, glücklicher Gesichter, gereckter Fäuste und einem lauten “Jaaaa!”-Schrei folgt mit der ersten Zugabe: Aus einer herrlich großen Lärmwolke formt sich „Freiburg“ – Erlangen kollabiert und ist alleine, weiß es und findet es sogar cool. Es ist das Dankeschön einer Band, die es seit zwanzig Jahren verdient hochgelobt zu werden. Der Titelsong des neuen Werks schließt die Zugabe ab, bevor Dirk von Lowtzow seine Zigarette mit der ersten Reihe teilt, wieder lächeln kann und Frieden mit Erlangen schließt, einatmet und nein, nicht den Tod besingt, sondern “einen Engel”. „17“. Das melancholische Finale eines großen Konzerts, „17“ entlässt mit einem doch sehr abschließenden Gefühl, das mich immer wieder mitnimmt. Keine Ekstase, nur für ein paar Sekunden still stehende Herzen und innere Leere.


Setlist, Tocotronic, Erlangen: 

01: Im Keller 
02: Ich will für Dich nüchtern bleiben 
03: Drüben auf dem Hügel 
04: Meine Freundin und Ihr Freund 
05: Vulgäre Verse 
06: This Boy is Tocotronic 
07: Sag alles ab 
08: Aber hier leben, nein Danke 
09: Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools 
10: Abschaffen 
11: Alles wird in Flammen stehen 
12: Auf dem Pfad der Dämmerung 
13: Die Revolte ist in mir 
14: Macht es nicht selbst 
15: Jackpot 
16: Hi Freaks 
17:Warm und grau 

18: Freiburg (Z) 
19: Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen (Z) 
20: Wie wir leben wollen (Z) 
21: 17 (Z)


Links:

- aus unserem Archiv:
- Tocotronic, Stuttgart, 12.03.2013
- Tocotronic, Wien, 29.03.2010
- Tocotronic, Köln, 04.03.2010
- Tocotronic & Klee, Köln, 07.06.2008
- Tocotronic, Highfield Festival, 17.08.2007 





Freitag, 26. April 2013

Susie Asado, Stuttgart, 24.04.13

1 Kommentare
Konzert: Susie Asado
Ort: Café Galao in Stuttgart
Datum: 24. April 2013
Dauer: etwa 60 min
Zuschauer: 20


Aller guten Dinge sind drei?! Diese Woche stehen drei bisher unbekannte Locations auf meinem Konzertplan. Das an drei aufeinanderfolgenden Tagen in drei verschiedenen Städten. Abenteuer! 

Aber der erste "abenteuerliche Abend" ist mehr ein aufwärmen, Fingerübung sozusagen. Längst ist ein Besuch im Galao in Stuttgart dran. Diesmal überzeuge ich sogar meine Familie, denn es geht zu Susie Asado, die dieser Tage in weit südlicheren Gefilden unterwegs gewesen ist und nun noch kurz in Stuttgart Station macht - mit Noel als Begleitung und Begleiter. 


Bequem im Auto und bei herrlichstem Sonnenschein sind wir unterwegs. Es fühlt sich an wie ein Ausflug zu Freunden und ich bin voller Vorfreude (obwohl total müde). Das Galao gefällt mir sofort. So ein Ort der einen freundlich begrüßt. Viele sitzen an den Tischen draußen und genießen den Tag Sommer. Wir platzieren uns schon mal drinnen und in Bühnennähe und verbringen die Wartezeit bis zum Konzert indem wir Gingerbier bestellen und kurz darauf mit den Künstlern Neuigkeiten austauschen. Wie nett!


Ein bisschen schade vielleicht, dass die Sonne viele potentielle Zuhörer draußen hält (vielleicht aber auch gut, denn als es dunkel wird und im Finish des Konzerts schließlich ein Pulk von der Straße hereinkommt, wird mit Sekt angestoßen und ungeniert geschwatzt). So bleiben "wir Pastorentöchter" unter uns. Es gibt Geschichten von den Tagen in Italien und dem Tag in Bern.


So viele Eindrücke, so viel zu staunen. Und die Musik einerseits vertraut und mich damit wohlig in den Arm nehmend, aber auch mit neuem und mit leicht anderen Facetten als gewohnt. 


Anschließend wünschen wir uns gegenseitig gute Weiterreise mit einem warmen Gefühl in der Brust. Schön, dass sich unsere Wege wieder einmal gekreuzt haben!

Hier ein Live-Eindruck:


Aus unserem Archiv:
Susie Asado in Karlsruhe, 11.11.2012







Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Stuttgart, 24.04.2013

2 Kommentare
Konzert: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Ort: Club Schocken, Stuttgart
Datum: 24.04.2013
Zuschauer: vllt. 150
Dauer: 71 Minuten



Wehmütig fühlte man sich an jenem Samstag Ende August in Hannover als man sich in der tanzenden, grölenden Menge im Zelt des BootBooHook-Festivals klar darüber wurde, dass es das nun war, dass Superpunk gerade ihr letztes Konzert in Deutschland spielen.
Auflösung einer Hamburger Institution nach 16 Jahren Bandgeschichte. „Das waren Mods“, singt Carsten Friedrichs über ein „I can't explain“-Riff in seiner unnachahmlichen Art und besiegelt das Ende der langlebigsten Vertreter des deutschen Northern Soul, der unumstrittenen deutschen Modgötter.

Ein wenig Trost spendete die Perspektive zu wissen, dass Friedrichs und Bassist Tim Jürgens mit Tapete-Records-Co-Gründer Gunther Buskies, André Rattay von Blumfeld und Philip Morton Andernach bereits eine neue Band ins Leben gerufen haben, Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Monate zuvor auf einem Fußball-Sampler des Rolling Stone gehört, fand ich bereits den ersten Song des Quintetts, „Die Gentlemen Spieler“ vielversprechend.

Acht Monate nach dem letzten Superpunk-Auftritt freute ich mich sehr auf den ersten Stuttgart-Besuch der noch jungen Bandgeschichte. „Die Gentlemen bitten zur Abendkasse“, hieß es auf Facebook, und tatsächlich folgen zahlreiche Schwaben der Ankündigung und verzichten zugunsten der fußballaffinen Hanseaten auf die Übertragung des Champions-League-Halbfinal-Hinspiel von Borussia Dortmund gegen Real Madrid.


Hätten sie gar nicht gemusst, zumindest nicht auf das gesamte Spiel. Los geht es im chicen Schocken nämlich erst kurz nach zehn. Wer jetzt denkt, Friedrichs und Co hätten sich eben nicht vom Spiel losreißen können, liegt falsch. Bei angenehmen, frühsommerlichen Außentemperaturen entspannt man lieber im Biergarten vor dem Club. Dieser füllt sich nach und nach und schon steht die Band, mit dem eher unglücklich gewählten Bandnamen auf der niedrigen Bühne. Der bizarre Pferderennenkommentatorenton erschallt wie auf Platte und die erste Single „Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du)" eröffnet das Set. Dass Friedrichs eher spricht als singt, ist völlig nebensächlich. Selten hat eine Person in der unabhängigen deutschen Musikszene die Coolness deutlicher personifiziert.


Viele Besucher waren im Vorfeld skeptisch, ob die Nachfolgeformation live an die ungemeine Intensität und Energie Superpunks herankommen würde - auf dem Debütalbum gelang dies schließlich noch nicht ganz. Der erste Song genügt, die Sorgen waren unberechtigt. Die herrlichen Northern Soul – Chöre funktionieren ausgezeichnet. Philip Morton Andernach ist ein unschätzbarer Gewinn für den Sound. Sein Harmoniegesang ist auf höchstem Niveau, als E-Gitarrist ist er ein filigraner Meister. Die Saxophoneinlagen des Multinstrumentalisten im hellblauen Fred-Perry-Polo-Shirt sorgen für einen noch authentischeren Sixties-Klang, so dass ich tatsächlich zugeben muss, dass mir der vollere Sound der Liga live besser gefällt als der ruppigere Garagenrock Superpunks. Mods sind heute Abend wenige zu sehen, dafür fällt ein stilbewusstes Skinhead-Pärchen auf und Carsten Friedrichs' Inszenierung als Obermod ist sowieso formvollendet. Im orange-blau-beige gestreiften Penguin-Polo, Jeans und Clarks Camel Boots macht dem Sänger und Gitarristen in Stil- und Modefragen keiner etwas vor. „Ich lass' mich gehen in letzter Zeit“ hätte mit all seiner Ironie perfekt auf ein Superpunk-Album gepasst, doch ich spüre von Song zu Song, welche Klasse die Lieder der Liga der gewöhnlichen Gentlemen in hitziger Konzertatmosphäre besitzen. Es darf getanzt werden und es wird getanzt, getwistet; ich fühle mich an den Auftritt von Madness im vergangenen Juli auf dem Stuttgarter Schlossplatz erinnert. Alles macht Spaß. 



Als dritten Song gibt es „Der fünfte Four Top“, nachdem sich Friedrichs über den beängstigenden Zustand deutscher Radiosender ausließ: „Wir sind direkt von Hamburg nach Stuttgart gefahren, das sind über sieben Stunden. In Hessen haben wir Radio gehört, es ist eine Qual, und man durfte sich etwas wünschen. Da hat eine Mitarbeiterin des Arbeitsamts angerufen und sich 'Abenteuerland' von Pur gewünscht. Das ist einfach schlecht, aber irgendwann ist das Kult und die CDs eine Menge wert.“ Friedrichs gefällt sich in der Rolle des Zynikers, siezt das Publikum heute überraschend nicht und scheint generell sein etwas arrogantes Bühnenverhalten ein Stück weit zurückgefahren haben. Bei Superpunk machte das große Freude, bei der Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist es gar nicht nötig. Als Song besitzt „Der fünfte Four Top“, der auch auf farbigen Vinyl letzte Woche anlässlich des Record Store Days als Single erschien, außerordentliche Qualität, die aufrichtige Hommage an den Soul der Sechziger ist wundervoll, die Melodie besitzt echtes Hitpotential; darf ich vorstellen: Der große deutsche Modrockklassiker der 10er Jahre! „Diese Band ist so genial / Sag mir, wie heißt dieser Song nochmal. / Und wär' die Welt perfekt / Dann wer sie ein Song / Dann von Holland/Dozier/Holland oder Barrett Strong“. Das Schocken gleicht nun einer eleganten Mod-Disco.


Wir Musikliebhaber blicken ja gerne auf die Cineasten herab, die mögen ja nur Filme“, der begnadete Ironiker Friedrichs kündigt munter scherzend „Weine nicht, es ist nur ein Film“ an, in dem es nicht etwa um ein großes Drama geht, sondern um den ersten Spiderman-Film.

It's grim up north, würde man in England sagen, in Hamburg ist es noch kalt. Ich musste tatsächlich nach Stuttgart fahren, damit dieser Song einmal passt“, sagt Friedrichs und der Powerpop seiner Band erschallt: „Frühling im Park“, ein toller Song mit unübertrefflichen Zeilen Alltagsbeobachtung wie „Am Brunnen küsst sich ein junges Paar / Die kennen sich vom letzten Jahr / Und die Junkies streiten sich / Ich schließ die Augen und denke an dich / Frühling im Park / Ein Fußball-Match fünf gegen vier / Mein Nachbar trinkt Von Raven Bier / Und unser Pärchen schreit sich an / Die Beziehung hält wohl nicht mehr lang“ oder „Geschäftsleute mit Aktentaschen / Vielleicht sammeln sie schon morgen Flaschen“. Superpunk waren immer politisch und die linke Grundhaltung findet sich auch in den Songs Der Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Politik findet sich hier nicht diskursiv phrasenhaft wie bei Tocotronic sondern in ironischer Direktheit. 




Kennt einer unserer Leser eigentlich den Schauspieler Werner Enke, der Filme wie „Zur Sache, Schätzchen“ oder „Nicht fummeln, Liebling“ in den späten 60ern und frühen 70ern drehte? Nein? Es ist der Lieblingsschauspieler Friedrichs', sagt er zumindest. „Kennst du Werner Enke?“ heißt das dann als Song. „Ich hab' keine Ahnung, wer der Vogel ist, aber der Song ist großartig“, ruft einer in Stuttgart, also „Nein“.

Als großer Bernd Begemann Fan freue ich mich riesig, als Carsten Friedrichs ein Cover ankündigt. Bei der großen Begemann-Gala zu dessen 50. Geburtstag im Hamburger Knust spielte die Liga „Viel zu glücklich (um es lange zu bleiben)“, vom begemann'schen Meisterwerk „Solange die Rasenmäher singen“ und ich bin sicher, dass es diesen Song nun zu hören gibt. Die scheppernde Mod-Rock-Fassung imponiert mir sehr, das Publikum ist begeistert. „Ich bin sehr froh, mit diesem Mann befreundet zu sein, er ist einer der größten Musiker dieses Landes. Ich habe ihm vier Mal beim Umzug geholfen – und jedes Mal gerne“. Man glaubt es dem Sänger sofort.


Mit Hut als Markenzeichen im rotkarierten, kurzärmligen Hemd, das er auch beim BootBooHook trug, und Modschal macht Tim Jürgens am Bass eine gewohnt gute Figur, wie schon bei Superpunk-Konzerten sorgen seine Kommentare für enormen Beifall. Der lakonische Bassist hat die Lacher grundsätzlich auf seiner Seite und besonders die Interaktion mit dem mürrisch wirkenden Gunther Buskies am Schlagzeug ist köstlich. Dieser entledigt sich schon früh seines Karo-Sakkos und bekommt nach einem neckischen Zwiegespräch einen Kleiderbügel, damit die Jacke nicht zerknittert.

Ein Fremder in der eigenen Stadt“ folgt, bevor die Fußballsongs der Band kommen. Diese werden hintereinander gespielt, „weil wir Populisten sind“. 
 Sowohl „Nimm mich mit zum Spiel“ als auch „Die Gentlemen Spieler“ werfen ein romantisches Licht auf die Anfänge des Sports beziehungsweise die unteren Klassen. Eine Wohltat in Zeiten, in denen 37 Millionen für 20-jährige Fußballer bezahlt werden und Uli Hoeneß' Steuerhinterziehung die Medien beherrscht. 
Mach mich traurig“, dann ist das reguläre Set schon vorbei, kein Wunder, hat die Band schließlich erst ihr Debütalbum veröffentlicht. 


Was jetzt kommt ist klar, „A bisserl was geht immer“, heißt eines der besten Superpunk-Alben und natürlich gibt es noch zwei Perlen dieser Formation zu hören. Diese sind echte Evergreens, „Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen“ und „In der Bibliothek“
Kurioserweise fehlt Tim Jürgens auf der Bühne und Andernach spielt Bass. Ein gelungener Gag, spätestens als Jürgens für das Instrumental „Nach dem Spiel“ zurückkehrt. Es ist der Lieblingssong von Friedrichs' Mutter („Ich mag das letzte Lied am meisten, das, wo du nicht singst.“) Die Selbstironie schließt den Kreis, Andernach brilliert erneut am Saxophon, Friedrichs spielt wieder Bass und André Rattay überzeugt am Schlagzeug, während Buskies authentische 60s Keyboardparts spielt. Eine schöne Tanznummer zwischen Booker T & The MG's und Two-Tone-Ska. Herrlich. Wider erwarten ist noch nicht Schluss. Es gibt noch eimal „Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du)“. Der Applaus fällt frenetisch aus, Friedrichs steckt sich vor dem Club erst einmal eine Zigarette an. „Ach, ihr macht diesen Nichtraucherquatsch auch mit“, kommentierte er während des Konzerts die Fluktuation derer, die vor die Tür gingen, um ihre Sucht zu frönen. Der Schweiß läuft, die Zuschauer im Schocken sind glücklich. Draußen läuft man feiernden Fußballfans über den Weg.

Die Liga überzeugt mindestens so sehr wie der BVB bei seinem spektakulären 4:1 Heimsieg gegen die Königlichen. Nach dem Spiel: Brillant, war's. A bisserl was geht immer. All die Wehmut, sie ist verflogen.



Setlist, Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Stuttgart:

01: Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du)
02: Ich lass mich gehen in letzter Zeit
03: Der fünfte Four Top
04: Weine nicht, es ist nur ein Film
05: Frühling im Park
06: Meine Jeans
07: Kennst Du Werner Enke?
08: Viel zu glücklich (um es lange zu bleiben) (Bernd Begemann - Cover)
09: Ein fremder in der eigenen Stadt
10: Nimm mich mit zum Spiel
11: Die Gentlemen Spieler
12: Mach mich traurig

13: Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen (Superpunk - Song) (Z)
14: In der Bibliothek (Superpunk - Song) (Z)
15: Nach dem Spiel (Z)
16: Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du) (Z)


Links:
- aus unserem Archiv:
- Superpunk, Rüsselsheim, 20.07.2007
- Blumfeld, Köln, 13.04.2007

 

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