Montag, 30. Juni 2008

Amadou & Mariam, Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux, 27.06.08

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Konzert: Amadou & Mariam

Ort: Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux
Datum: 28.06.2008
Zuschauer: tausende
Bühne: Scène A
Konzertdauer: ca. 50 Minuten


Nach dem Konzert von 65daysofstatic war ich so beeindruckt, dass ich den Auftritt von Moriarty so gut wie verpasste. Ich sah zwar von weitem die charismatische Sängerin Rosemary, bekam aber lediglich noch 3 Lieder mit, weil ich in eine angeregte Unterhaltung mit Fabien, dem Chefredaktuer von Soundofviolence vertieft war, der intimer Kenner und Fan von 65daysofstatic ist und mir so manches interessante Detail zu der Post-Rock Band erzählte.

Um 20 Uhr 10 stieg ich aber wieder ins Programm ein, denn das blinde malische Pärchen Amadou & Mariam war am Start. Ihr Album "Un Dimanche à Bamako" hatte 2005 für so manche positive Schlagzeile in der Fachpresse gesorgt und selbst in England ist das aus Bamako, Afrika stammenden Duo inzwischen bekannt und erfolgreich. Bester Beweis hierfür ist, dass sie beim renommierten und glänzend besetzten Lattitude Festival im britischen Suffolk Headliner auf der Uncut Arena Bühne sein werden.

Insofern hatte ich durchaus hohe Erwartungen, wer auf der Insel als Nichtbrite Headliner ist, muss doch stark sein, oder nicht?

Viele meiner Konzertbekannten waren da aber schon im Vorfeld anderer Meinung, sie gingen schnurstracks zu dem Franzosen Tahiti 80, der parallel im Papa Mobil auftrat.

Leider sollten sie mit ihrer skeptischen Haltung Amadou & Mariam gegenüber recht behalten. Das schon leicht betagte Duo bot ziemlich banale musikalische Kost und die Texte und Botschaften, die ausgesendet wurden, glichen auch eher Allgemeinplätzen:

"Pour la solidarité des peuples et la paix, contre la hypocrisie et la démagogie, contre les dictateurs" - diese Sonntagsreden, die wohl auch Leute verstehen dürften, die kein französisch beherrschen, kamen doch arg bemüht und bieder rüber. Wer sollte diesen gutgemeinten Worten auch widersprechen, schliesslich dürfte ausser den Diktatoren selbst, niemand etwas für diese korrupten Typen, die mit dicken Protzwagen durch bitterarme afrikanische Länder fahren und für viel Elend mitverantwortlich sind, übrig haben.

Andererseits muss man natürlich auch bedenken, dass die jungen Generationen in Westeuropa unglaubliches Glück haben, dass keine Kriege mehr geführt werden und Friedenszeiten und Wohlstand als selbstverständlich ansehen. Insofern ist man da z.B. in Deutschland und Frankreich sicherlich sehr verwöhnt und irritiert, wenn Künstler plötzlich mit solchen recht banal wirkenden politischen Aussagen kommen.

"On va danser et chanter ensemble" (wir werden gemeinsam singen und tanzen), war in der Folge oft die Aufforderung von Amadou und Mariam fügte hinzu: "c'est la joie de vivre" - das ist Lebensfreude.

Und Lebensfreude und Anmut verkörperten dann auch insbesondere die beiden hübschen Tänzerinnen mit ihren schönen Gewändern, die hochelegant im Takt der Musik wippten, die man aus einem Stilmix aus Rock und afrikanischen Klängen bezeichnen könnte.

Das blinde Pärchen stand hingegen eher statisch in der Mitte der Bühne. Amadou entlockte seiner stylischen Gitarre allerdings das ein oder andere gelungene Riff. Und die Lebenskraft und der Mut trotz ihrer Blindheit zu musizieren ist bewunderswert und rührend!

Dennoch, ihre Musik war leider nicht wirklich überzeugend. Alles irgendwie eine Spur zu flach und zu simpel, auch wenn das Ziel, Leute zum Tanzen zu animieren durchaus erreicht wurde.

Und wenn zudem der Effekt eingetreten ist, dass sich junge Leute in Westeuropa mit den Problemen in Afrika auseinandersetzen (medizinische Versorgung, Krankheitsepidemien, Hunger, Bügerkriege), dann haben Amadou & Mariam in der Tat etwas bewegt!

"Est-ce que ça va?" (in etwa so, wie wenn Peter Maffay brummelt: seid ihr gut drauf, Leute?), fragte Amadou alle 5 Minuten und meine Antwort war: ja! Das Wetter war herrlich, die Stimmung gut und das Essen, das ich hinterher konsequenterweise in dem afrikanischen Imbiss-Stand einnahm, mundete vorzüglich. Die munteren Damen führten sogar ein kleines Tänzchen vor! Toll!

Fazit: Afrika ist ein spannender Kontinent, den ich auch schon mehrfach besucht habe und jedem als Reiseziel nur empfehlen kann. Musikalisch rate ich anstatt zu Amadou & Mariam aber eher zu vorzüglichen Künstlern wie Tinariwen, Ali Farka Touré (leider verstorben), Tartit, oder Toumani Diabate.

Ansonsten spreche ich mich aber an dieser Stelle (weil es hier wirklich passt), klar für Weltoffenheit und Toleranz aus. Schlimme Rechtspopulisten wie Le Pen, die über zu viele schwarze Gesichter in der französischen Fussball-Nationalmannschaft wettern, dürfen nicht nur in Frankreich keine Chance mehr haben!






Sonntag, 29. Juni 2008

65daysofstatic, Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux, 27.06.08

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Konzert: 65daysofstatic

Ort: Evreux, Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats
Datum: 27.06.2008
Zuschauer: ein paar Hundert
Bühne: Papa Mobil
Konzertdauer: 50 Minuten

Nach dem letztwöchigen Aufgalopp in die Festivalsaison in Luxemburg, stand heute mein erstes französisches Open-Air Festival an.

In Evreux war ich bereits in den letzten zwei Jahren und hatte sowohl was die Anlage, als auch Zuschauer und Bands betrifft sehr positive Erfahrungen gemacht.

Das Gelände liegt eingebettet in ein herrliches Waldstück und ist weitläufig, aber dennoch überschaubar und auch nicht überlaufen. Die zwei Hauptbühnen sind nicht sehr weit auseinander und man kann bequem von der Scène A zur Scène B kommen.

Mein Augenmerk galt aber bei dem heutigen ersten von insgesamt zwei Festivaltagen, der Nebenbühne, dem lustig benannten Papa Mobil. Das hatte ich eigentlich vom letzten Jahr als (zumindest halb) überdacht in Erinnerung, aber neuerdings ist es es offen und luftig.

Bei dem herrlichen Wetter, das in Evreux herrschte, war das aber überhaupt kein Problem, vor Regentropfen musste man jedenfalls nicht geschützt werden!

Die Engländer 65daysofstatic waren die erste Band, die ich genauer unter die Lupe nahm. Eine vierköpfige Truppe, die mich bereits als Vorgruppe von The Cure aufhorchen liess. Vor ein paar Monaten in Paris-Bercy hatte ich noch meine Witzchen darüber gemacht, dass der Sänger eine fabelhafte Stimme habe, wohlwissend, dass bei 65daysofstatic nie gesungen wird. Die vier wilden Kerle lassen eher ihre Gitarren ,den Bass, das Piano und das wuchtige Schlagzeug sprechen und schaffen es auch ganz ohne Texte, Bilder, ja richtige kleine Filme im Kopf ablaufen zu lassen!

Äusserst wuchtig, aber gleichzeitig hochmelodisch, kreieren sie verblüffende Soundteppiche und regelrechte Gitarrenwände, die höher sind, als die gothische Kathedrale von Evreux, die ich mir am nächsten Tag angesehen habe.

"The next song is about orgasm!", kündigte dann auch der langmähnige Frontmann und Gitarrist schmunzelnd eines ihrer zahlreichen, atemberaubenden Lieder an und erkundigte sich auch noch, wie man denn das auf französisch sage.*

Nachdem er das in Erfahrung gebracht hatte, schleuderten er und seine Kumpels mir und den anderen begeisterten Besuchern beinharte, aber dennoch sehr melodische Riffs in die Fresse und liess seine langen Haare durch die Luft wirbeln. Der Drummer drosch auf sein Instrument ein, als wolle er es in kleinste Stücke zerhacken, schafft es aber dennoch punktgenau und präzise zu spielen. Der Typ würde auch in einer Death-Metal Band einen guten Part abgeben!

Auffällig war auch der kurzhaarige blonde Bassist, der mit seinen stahlblauen Augen völlig verträumte und hypnotische Blicke aussendete.

Das Set, das Lieder aller drei Alben beinhaltete, war ausgewogen und stark ("Primer", eine Wucht!), erreichte aber nach knapp vierzig Minuten einen gigantischen Höhepunkt. Zu der Singleauskopplung von 2006 "Radio Protector" ertönten wunderschöne Pinaoklänge und süssliche Glöckchen, bevor die Band ihre unwiderstehlichen Riffe und Schlagzeugsalven abfeuerte. Allein dieser sensationelle Titel war das Eintriitsgeld wert! Ich konnte nicht unterscheiden, ob es an der Hitze, oder an dem Smasher lag, aber eins war klar: mir lief eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken!

Die Band holte hierzu alles heraus, was in ihnen steckte. Zwei der Typen headbangten regelrecht am Synthesizer und der Schlagzeuger liess sich theatralisch auf den Boden fallen und stiess mit seinem Kopf wuchtig gegen eine Box. Völlig abgedreht!

Und hoffentlich stimmt, es was der Frontmann am Ende sagte. "Wir werden in nächster Zeit noch viel öfter in Frankreich auftreten."

So ästhetisch und kraftvoll kann also Instrumentalmusik sein! Der Auftakt des Festival hätte nicht besser ausfallen können, 65daysofstatic sei herzlich gedankt!





* angeblich "La Petite mort", aber diesen Ausdruck benutzen die Franzosen eigentlich fast nie. Wo hat die Band diesen Spruch aufgeschnappt? Auch Rosenstolz sprechen übrigens davon in einem Lied...


Links:

- 65daysofstatic in Paris
- und in Oberhausen
- mehr Fotos von 65daysofstatic





Freitag, 27. Juni 2008

Mariee Sioux, Paris, 26.06.08

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Konzert: Mariee Sioux

Ort: Sunset, Paris
Datum: 26.06.2008
Zuschauer: ca.80
Konzertdauer: 60 Minuten

Mensch, fahr doch!

Wenn der Taxifahrer ein Pferd wäre, hätte ich ihm jetzt die Sporen gegeben! Und dann fährt der Kerl noch durch belebte Viertel, in denen man nicht vorankommt, anstatt die grossen Achsen zu wählen. Ich glaube er will mich veräppeln! Wahrscheinlich hält er mich für einen dummen Touri.

Taxis nehme ich eigentlich nur in Notfällen in Paris, aber heute liegt definitiv ein solcher vor! Ich will schliesslich zum Konzert von Mariee Sioux und zwar dalli!

Es ist 20 Uhr 45 und ich mache mir Sorgen, ob ich zum Konzert der Amerikanerin mit der wunderschönen Stimme pünktlich erscheinen werde. In der Bar Sunset war ich noch nie und ich weiss nicht genau, wann es da mit der Hauptgruppe losgeht. Normalerweise braucht man anderwo nicht vor 21 Uhr aufzukreuzen, aber jeder Club hält das mit den Startzeiten etwas anders...

Endlich hat der Kutscher die Rue des Lombards erreicht, wo die Kneipe liegt. Wird aber auch höchste Zeit, es ist inzwischen 21 Uhr! Dann laufe ich auch zuerst noch in die falsche Richtung und verliere weitere Minuten...

Draussen vor dem Sunset glotzen Leute auf einer riesigen Leinwand Fussball, eine Unsitte! Die Bildungsbürger, die -genau wie ich- mit Fussball nichts anfangen können, sitzen unten in einem gewölbeartigen Keller und lauschen der lieblichen Stimme von Mariee.

Mist, die brünette Kalifornierin hat schon angefangen, das war abzusehen! Wieviel Minuten habe ich verpasst, will ich von einem Besucher wissen? " 35 Minuten" antwortet er. Au Backe!

Aber ich bin selbst Schuld, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sagte ja schon Gorbi...

Ich setze mich auf einen der kleinen roten Sessel und bemerke zu meiner Linken meinen Bekannten Luc, der ebenfalls kein gutes Folk-Konzert ausfallen lässt. Aber bei solch intimen Shows unterhält man sich erst hinterher. Ich schweige ihn frustriert an und schlage mir vor den Kopf!

Aber nun gut, jetzt gilt es wenigstens die restlichen circa. 25 Minuten so gut es geht zu geniessen. Ich konzentriere mich auf den Gesang von Fräulein Sioux, denn von meinem Platz aus kann ich sie kaum sehen, es gibt da ein paar Pfeiler die stören. Und nach vorne durchdrängeln kann ich jetzt nun wirklich nicht. Das Publikum ist vorbildlich leise und konzentriert. Ein paar Leute schliessen die Augen und lassen sich von der wundervollen Musik tragen. Red Bull soll ja angeblich Flügel verleihen, aber Mariee Sioux tut das wirklich, zumindest wenn man sich ganz auf sie einlässt. Himmlisch! Wenn es bloss nicht so drückend warm wäre!

Die brünette Sängerin trällert irgendetwas von good good things, ihr Gitarrenspiel ist äusserst spärlich und sehr leise, es dient lediglich der dezenten Untermalung ihres sirenenhaften Gesangs.

Ihre Lieder sind fast alle sehr lang, sie erzählt Geschichten, anstatt Hits für das kommerzielle Radio zu schrieben, die nach kurzer Zeit auf den Punkt kommen müssen.

Allerdings verschliesst sie sich auch nicht dem Mainstream, das Cure Cover "Love Song" ist der beste Beweis dafür. "Whenever I'm alone with you, you make me feel like I am young/fun again." Herrlich, diesen Song von Robert Smith mochte ich schon immer sehr und in der Version von Mariee ist er ebenfalls eine Perle!

Klasse ist vor allem, dass sie die synthetischen Geigenparts des Liedes einfach nachsingt.

" I will always love you", toll Liebesbekundungen von einer solch reizenden Dame zu bekommen! Die bekommt sie aber auch zurück: "We love you too!" brüllt hinterher ein mutiger Franzose durch die Kellergruft und drückt das aus, was viele hier denken. Das The Cure- Cover wird übrigens auf einem Tribute Album, das die New Wave Kultband ehrt, erhalten sein.

Etwas später wird sich Mariee auch noch an einem nagelneuen Lied versuchen, das auch gut auf ihr Album "Faces In The Rocks" gepasst hätte. Textlich geht es unter anderem um Rattlesnacks, bloss den Namen des Liedes kann ich auf der handgeschriebenen Setlist nicht entziffern. Am Ende lese ich etwas von "Ball of Fire". Leute mit mehr Talent bei der Schriftdeutung können sich hier die Setlist ansehen und mir dann vielleicht weiterhelfen, zumal es wirklich ein schönes Stück Musik ist.

"Flowers And Blood" ist dann aber sowohl lesbar, als auch mir bereits bekannt. Ein wunderbarer Albumtitel, bei der die Stimme von Mariee so herrlich lieblich, klar und rein ist, das mir fast die Spucke wegbleibt. Strophen werden mehrfach wiederholt und graben sich so noch tiefer ins Gedächtnis ein. " I never asked you to find my twin, but there you are ( x 2), And I never asked for the spools to unspin, but there they roll (x 2)...

Das I zieht sie dabei herrlich in die Länge und singt wie der schönste Vogel weit und breit. Schade nur, dass danach schon Schluss ist. Zumindest fast. Das schöne Kind erfrischt sich ein wenig an der Bar, plaudert mit einer Freundin und wird noch einmal auf die Bühne zurückgeklatscht, wo sie ein Lied vortragen wird, das sie mit süssen 18 Jahren geschrieben hat. "Icarus Eye", so der Name dieses Nachthupferls.

Hach, wäre ich doch bloss pünktlich gekommen! Aber auch so hat es sich definitiv gelohnt und bei einem Drink auf der Terrasse sitzt Mariee gleich neben uns und lässt sich geduldig abknipsen. Künstler wird das mit Sicherheit oft lästig sein, aber es wäre eine Sünde dieses niedliche Gesicht nicht abzulichten!

Setlist Mariee Sioux, Sunset, Paris:

01: Friend Boats
02: Two Tongues
03: Old Magic
04: Bundles
05: Wizard Flurry Home
06: Twin Song
07: Tule
08: Wild Eyes
09: W.F.F.
10: Love Song (The Cure Cover)
11: Neu (...Ball Of Fire)
12: Flowers And Blood

13: Icarus Eye


Links:

- Mariee Sioux im Vorprogramm von Alela Diane in der Cigale 2008
- Mariee zusammen mit Alela am 29.04.08 in München von Eike, Teil 1
- Mariee + Alela, Eike Teil 2





Mittwoch, 25. Juni 2008

UNKLE, Rock A Field, 21.06.08

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Konzert: UNKLE
Ort: Rock A Field, Luxemburg
Datum: 21.06.2008
Dauer: 60 min


Den Abschluss des diesjährigen Rock a Field Festivals
übernahmen um kurz nach halb zwölf UNKLE. Eine aus einem DJ Projekt geborene Band (kann man mittlerweile doch sagen), wie wird das live sein. Wie werden die Gaststimmen, das gewisse etwas, was UNKLE Alben auszeichnet, ersetzt? Wie viel Leute wird es noch zum bleiben bewegen können?

Nun, nicht mehr allzu viele. The Verve war für viele das letzte Musikkapital von Rock a Field 2008. Nach der halbstündigen Umbaupause war es mehr als deutlich leerer geworden.

Rock a Field Luxemburg 21062008UNKLE ist hauptsächlich der DJ James Lavalle. Er gründete das Projekt Mitte der 90er Jahre. Erstes Aufhorchen erregt das erste Album „Psyence Fiction“, dass Lavalle zusammen mit DJ Shadow zusammenbastelt. Verschiedenste Gastmusiker und –sänger lassen es zu einem All-Star Elektrodance Album werden. 2007 erschien das bisher letzte Album „War Stories“, wiederum sind eine Vielzahl von Gastmusikern mit an Bord. So steuerten u. a. Ian Astbury und Josh Homme den Gesang bei.

Das Set besteht hauptsächlich aus Stücken des letzten Albums. „Chemistry“, „Hold my hand“ und „Restless“ dominieren die erste halbe Stunde. Der Sound ist laut, wuchtig und heftig. Die Gitarren ballern einem nur so um die Ohren. Keine Atempause. James Lavalle dreht den Plattenteller, drei Gitarristen, Schlagzeug und Keyboards und allerlei Elektrokram transportieren den UNKLE Sound hervorragend. Alles eine Spur härter als auf CD. Eine Rockshow vom feinsten. Den Gesang übernehmen andere, die Hommes und Astburys werden nicht vermisst. Dafür dominieren die Gitarren zu sehr. Mehr braucht es nicht.

Vielen ist das zu heftig. Während des Auftritts verlassen einige das Gelände. Mittlerweile ist es nach Mitternacht, und auch die ausdauerndsten werden langsam müde. Das Schicksal der letzten Band. Immer auch ein wenig der Rausschmeißer.

Auch wir machen uns auf den Weg durch den Wald zum Shuttlebus. Noch ein kurzer Stopp an der Tankstelle, Super für 1,32, und dann durch die dunkle, unheimliche Eifel nach Hause.

Es war ein guter Samstag! Es war ein gutes Festival!

von Frank von Pretty Paracetamol



Laura Marling, Paris, 24.06.08

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Konzert: Laura Marling

Ort: Le Pop In, Paris
Datum: 24.06.2008
Zuschauer: 80-100
Konzertdauer: 27 Minuten


Gestern erhalte ich folgende e-mail: "Oliver, Laura Marling spielt morgen im Truskel" - Philippe weiss mal wieder alles! Der definitiv grösste Konzertfreak von Paris, der seit zwanzig (!) Jahren keinen guten Gig ausfallen lässt, würde sogar erfahren, wenn Jim "The Doors" Morrison - von den Toten auferstanden - auf seinem Grab in Père Lachaise für ein paar Fans auf der Gitarre kratzen würde!

Eine Legende wie Jim ist Laura Marling noch nicht, aber auch sie scheint sich zu Paris hingezogen zu fühlen. "I love Paris, I'm gonna live here; so I see you guys around", wird sie später sagen. Allerdings äusserte sie diese Liebesbekundungen an die französische Metropole nicht in der Bar Truskel, sondern in dem nicht wirklich grösseren Pub namens Pop In. Laurent, der Patron vom Truskel, hatte sich wohl zu früh gefreut und auf einen weiteren Coup gehofft, nachdem er vor ein paar Wochen Pete Doherty himself in seinem Laden hatte und später ein Foto, das ich von dem Babyshamble geschossen hatte, an das Reissbrett am Eingang heftete.

Schade, ich hätte mir liebend gern Laura im Truskel gesehen, dann wäre ihr vielleicht sogar mein Foto von einem die Gitarre in die Höhe reissenden Pete aufgefallen. Schliesslich sollte Laura ja ursprünglich Herrn Doherty beim Konzert im Grand Rex supporten und da hatte ich mich damals extrem drauf gefreut. Aber es kam anders, Pete wanderte statt auf die Bühne des Grand Rex in den Knast und beim Nachholtermin
(der diesmal bekanntlich wegen der Pannen im Eurostar ausfiel) war der Franzose Daniel Darc support.

Um 21 Uhr 30 stehe ich also mit meiner Frau, (die ich ein wenig hierhin genötigt habe) und Michaël, einem französischen Folk-und Laura Marling Fan, in dem hübschen Pub und warte darauf, dass wir in den Keller hinabsteigen dürfen, in dem Laura später spielen wird.

Engländer die am Geländer lehnen (sind die extra hierfür aus London angereist??), weisen uns darauf hin, dass der Saal noch nicht geöffnet ist.

Hups! Da rauscht plötzlich die zierliche Laura an uns vorbei! Sie trägt eine gestreifte Bluse und - wie immer- enganliegende Jeans und will noch schnell raus, eine Zigarette rauchen.

Dieses Laster sollte sie sich besser abgewöhnen, denn später hustet sie während des Konzertes nach jedem gespielten Lied! Aber von den Eskapaden einer Amy Winehouse ist sie weit entfernt, sie wirkt eher wie das nette, schüchterne Mädchen von nebenan.

Völlig ohne Show schnappt sie sich -nachdem die kleine Besucherschar endlich Zugang zu der herrlich kühlen Kellergruft erhält- ihre Gitarre und legt los. Ihr üblicher Begleiter Marcus Mumford ist nicht dabei, heute gibt es eine reine Soloshow, die zudem akustisch ist.

An dem Vergnügen ändert das aber gar nichts!
Die Magie von Lauras wundervoller Stimme und ihrem reduzierten, aber hocheffizienten Gitarrespiel kommt pur noch besser zur Geltung. Die kleine Blondine mit den himmlischen blauen Augen singt mit 18 Jahren schon wie eine Grosse! Diese Reife bei einem solch jungen Ding ist völlig verblüffend, ja fast irritierend! Wo holt sie die Töne her? Ohne irgendetwas zu forcieren, lässt sie die Noten einfach durch ihr kleines Gold-Kehlchen gleiten und erzeugt damit einen wahren Wohlklang! Laura Marling singt genau so wie Roger Federer Tennis spielt. Mühelos, technisch brilliant, harmonisch, präzise.

Sie kann mit ihrer Stimme machen, was sie will, ob sie nun haucht, trällert wie ein Vogel, oder ein wenig jugendliche Wut und Rage durchschimmern lässt.

Ihrem Alter scheint sie zudem deutlich voraus zu sein und auch ihre ersten beiden Lieder sind so neu, dass sie es nicht mehr auf das Album "Alas I Cannot Swim" geschafft haben, dass in Deutschland noch nicht einmal offiziell erschienen ist.

Das erste heisst "Made A Maid" und hätte auch von Folklegenden wie Joni Mitchell oder Sandy Denny nicht besser geschrieben werden können. "Forgive me I'm only a maid, singt Laura und die Sentimentalität und Melancholie, die von dem Stück ausgeht ist enorm. Warum ist ein solch junges Mädchen so traurig?
Manchmal hätte ich glatt Lust, sie fest zu drücken und zu trösten, die Kleine weckt Beschützerinstinkte!

Oh, meine Güte, dann nauch noch diese hinreissende Ballade "Rebecca", das Mädel macht mich fertig! Mit der Singleauskopplung "Ghosts" geht es weiter und das Tempo wird etwas erhöht. Flink gleiten die schönen Finger von Laura durch ihre Gitarre:
"Lover please do not fall to your knees it's not like I believe in everlasting love", trällert sie herzallerliebst dazu, bevor sie "The Ghost, The Ghost The Ghost" schnell und repetitiv intoniert.

"I'm desperately searching to remember some words in french " sagt sie in der kurzen Pause fast entschuldigend, bevor ihr einfällt: "J'aime Paris!"

Mit "My Manic And I" schiesst sie danach musikalisch den Vogel ab. Diese tieftraurige Ballade treibt mich fast immer zu Tränen. Der Text geht mir einfach zu Herzen:

- And I hardly know you I think I can tell, these are the reasons I think we are ill
- And the gods that he believes never fail to disappoint me
- And birds a singing to calm us down (ihre Stimme hat in der Tat etwas Beruhigendes, als sie das singt)

Wieder frage ich mich: warum ist diese niedliche kleine Ding so traurig? Ich würde sie jetzt am liebsten knuddeln, aber meine Frau steht gleich neben mir und ausserdem will ich ja auch noch ein paar Lieder geniessen.

Unter den in der Folge gespielten Songs ist erneut ein wunderbarer Non-Album Track vertreten, aber besonders gut gefällt mir auch ein Cover-Song eines ebenfalls blutjungen und hochtalentierten englischen Folksängers: Johnny Flynn! Wow!

"Cross your fingers" zeigt dann noch einmal die gesamte Bandbreite der Stimme der jungen Engländerin und auch der Text ist wieder bitter süss: cross your fingers, we all gonna die when the building blows! Wie auf dem Album geht das Lied über in das beherzte "Crawled Out Of The Sea" ("straight into my arms") und Laura geht zum ersten Mal richtig aus sich heraus. Eine Wonne!

Das fast fröhlich beschwingte "Alas I Cannot Swim" (der Hidden Track auf dem Album) beendet den schönen Traum und auch textlich macht die junge Frau noch einmal ihre bescheiden-sympathische Haltung deutlich: "there is gold across the river, but I don't want none"...

Recht hat sie! Trotz des riesigen Talents immer schön auf dem Teppich bleiben! Dann wird es auch etwas mit einer langen Karriere, die ich ihr von Herzen gönne. Eine Pariserin wünscht ihr übrigens nach dem Konzert für die Zukunft einen Auftritt im riesigen Stadion von Bercy. Ich hingegen hoffe eher, sie einmal in der Cigale oder im Olympia zu erleben. Ihre wundervoll intime Musik verträgt sich nämlich nicht mit riesigen Hallen...

Setlist Laura Marling, Pop In, Paris:


01: Made A Maid
02: Rebecca
03: Ghosts
04: My Manic And I
05: Your Only Doll (Dora)
06: neu
07: The Wrote And The Writ (Johnny Flynn Cover)
08: Cross Your Fingers
09: Crawled Out Of The Sea
10: Alas I Cannot Swim


Links:

- Made A Maid live in einer englischen Kirche (St Stephens Church)
- Cross Your Fingers live in der gleichen Kirche
- Ghosts live ebenda
- My Manic And I live
- Rebecca live (leider falschrum gefilmt, aber das Lied bleibt traumhaft!)
- Ghosts, Original Videoclip
- My Manic And I, Original Videoclip

- Laura Marling, meine Konzertreview aus dem Pariser Baron
- Konzertreview, Maroquinerie, Paris






Dienstag, 24. Juni 2008

Kim Novak, Paris, 18.06.08

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Konzert: Kim Novak (soirée Pamela Hute reçoit)
Ort: La Flèche d'or; Paris
Datum: 18.06.2008
Zuschauer: ca. 200
Konzertdauer: 37 Minuten


Morrissey, Joy Division, Interpol - Hugo, Bassist der französischen Sensationsband Kim Novak mustert aufmerksam die Band-Buttons, die an meiner Tasche befestigt sind und gratuliert mir zu meinem guten Geschmack. Nicht gesehen hat er die anderen Pins, die auf der Rückseite angebracht sind: The Fall, Gang Of Four und erneut und immer wieder Joy Division und Morrissey. All diese Kultgruppen sind mit Sicherheit auch wichtige Enflüsse für die reine Herrenband Kim Novak gewesen, die aus der Normandie stammt.

Die vier hochsympathischen Jungs sind noch nicht an der Reihe als dieser Plausch stattfindet. Wie so oft werden sie ungünstig platziert. Bei der reizenden Soirée mit der tollen und rockenden Gastgeberin Pamela Hute haben sie die undankbare Aufgabe als letzte zu starten und dies bedeutet konkret 23 Uhr 45, ein Zeitpunkt zu dem schon einige Leute die Flèche d'or verlassen haben.

"Merci d'être resté" bedankt sich dann auch Sänger Jérémie artig, als Kim Novak endlich mit ihrem rassigen und hocheleganten Set starten. Schon als die ersten melancholischen und hochmelodischen Gitarrenriffs von "Some Photographs" ertönen, bin ich in den Bann gezogen. Wow, was für ein Song, was für eine Band! Und nach wie vor sträflich unbekannt, selbst in ihrer Heimat Frankreich. Während ähnliche Kapellen wie die famosen The National, die Editors und meine Lieblinge von Interpol internationale Erfolge feiern, tingeln Kim Novak noch durch kleine Clubs. Dabei hat ihr Debütambum "Luck & Accident" richtig gute Kritiken bekommen, nicht nur in Frankreich, sondern auch in der deutschen Intro und sogar in den englischen Magazinen Q und Uncut. 3 Perlen dieses Albums, neben "Some Photographs" auch "Female Friends" und "Lost At Play" bekommen die Zuschauer die geblieben sind in neuen und aufregenden Live-Versionen geboten.

Ich möchte mich allerdings in diesem Bericht auf die Non-Album -Tracks konzentrieren. Als erster dieser Reihe wäre "Deep Show" zu nennen, ein für Kim Novak Verhältnisse recht poppiger und optimistischer Song, in dem gleich zu Beginn der textliche Ratschlag "Forget about your pain" gegeben wird. Stimmlich erinnert Jérémie hier an den kultigen Dandy Brian "Roxy Music" Ferry, während die Melodie etwas von den Briten von Keane hat. Völlig eigen und prägnant ist aber bei Kim Novak, dass Stücke, die langsam beginnen, sich zu laut rockenden und psychedelischen Schockern verdichten und immer schneller werden, ohne je die herrliche Grundmelodie zu verlieren.

Zweiter neuer Song des abends dann "Oh We're" ein Stück, das selbst die niveauvollen Amerikaner von The National nicht besser gebracht hätten. Hochelegant wummert der Bass von Ugo durch das Lied und Gitarrist Hairday entlockt seiner Gitarre herrlichste Töne, die selbst Daniel "Interpol" Kessler nicht perfekter und harmonischer hinbekommen hätte. Kim Novak zuzuhören ist ein himmlischer Genuss! Ihre Musik verleiht mir regelmässig Flügel, versetzt mich in einen Parallelzustand, eine Art Hypnose.

Auch "White Fever" ist ein Juwel. Als ständiger Konzertgast hatte ich bereits mehrfach das Glück diesen noisigen Stampfer hören zu dürfen. Jérémie und Hairday lassen ihre Gitarren mit hohem Tempo durch das Stück hüpfen und treiben auch den jungen neuen Drummer an seine Grenzen. Der Frischling spielt mit einem teuflischen Dampf unter dem Kessel und ersetzt Stammschlagzeuger Cyril vorzüglich, selbst wenn er zu Beginn von "Lost At Play" aus dem Takt kommt. Er kann sich ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Seine unbekümmerte und ungestüme Art tut der Band sehr gut, selten habe ich Kim Novak so dynamisch und druckvoll erlebt!

Da ist es auch zu verschmerzen, dass das nagelneue und noch nie zuvor gespielte "NYC" nicht ganz meinen Geschmack trifft, zumal "Somebody New" den bestmöglichen Abschluss bildet. Dieser Song, der auch auf der MySpace Seite vertreten ist, ist es wahrlich wert, die letzte U-Bahn zu verpassen (obwohl ich sie letzlich noch gerade so bekommen habe)...

Heiter und melodisch fängt dieser Knüller an und Jérémie singt aus voller Kehle die "Ohohoho-Passage", während Schlagzeug und Bass perfekt aufeinander abgestimmt, durch den Hit poltern. Dann aber zur Mitte hin, die Wende: das Lied wird plötzlich tottraurig, ja fast suizidal. "It's only when I'm almost dead that I need somebody new". Ich taumele wie ein angeschlagener Boxer durch die Flèche d'or und der neue Drummer versetzt mir ständig neue Schläge, das Lied wird zum Höllenritt. Jérémie gibt jetzt alles, er schreit, flucht keift, legt 200 % Herzblut in das Lied, peitscht sich selbst an "Oh come on"! Hairday marschiert unterdessen cool durchs Publikum. Kurze Zeit später verstummt der Smash-Hit...

Ob Kim Novak selbst wissen, dass sie da einen Klassiker wie "There's A Light That Never Goes Out" (Morrissey), "We Walked in Line" (Joy Division) oder "Slow Hands" (Interpol) aufs Parkett gelegt haben? Und wann gibt es endlich einen Button von der Band, den ich an meine Tasche heften kann?

Setlist Kim Novak, La Flèche d'or, Paris:

01: Some Photographs
02: Deep Show
03: Female Friends
04: Oh We're
05: White Fever
06: Lost At Play
07: NYC
08: Somebody New

Links:

- aus unserem Archiv:
- Kim Novak, Paris, 02.11.07
- Kim Novak, Paris, 22.09.07
- Kim Novak, Paris, 17.07.07
- Kim Novak, Paris, 02.05.07
- Kim Novak, Paris, 12.10.06

- Videos:

- "Female Friends" live. Angucken!!
- "Lost At Play" live in Brüssel
- "In the Mirror" live in Brüssel
- "Female Friends", Original Videoclip
- "Swallow", Original Videoclip




Sonntag, 22. Juni 2008

Mando Diao, Rock A Field, 21.06.08

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Konzert: Mando Diao

Ort: Rock A Field Festival, Luxemburg
Datum: 21.06.2008
Zuschauer: tausende
Konzertdauer: 55 Minuten


Mein erstes Festival in diesem Jahr gleicht einem Kulturschock. Noch gestern Nacht war ich auf Pariser Konzertpisten unterwegs und heute erreiche ich zusammen mit meiner Frau völlig übermüdet das Grossherzogtum. Lediglich gut zwei Stunden Zugfahrt trennen die französische Metropole und die Hautpstadt Luxemburgs, aber irgendwie ist hier alles ein wenig anders. Die Bahnhofsgegend ist hässlich, aber das ist fast überall so. Verwunderlicher ist die Tatsache, dass es hier weit und breit keine Starbucks-Filiale gibt und dass die einzige Bäckerei, die normalerweise Kaffee anbietet, sehr deutsch aussieht und Probleme mit ihrer Maschine hat, so dass ich auf den ersehnten Koffeinkick verzichten muss. Es geht also ohne Aufputschmittel Richtung Festivalgelände...

Der heranzitierte Taxifahrer hat von Rock-a-Field wohl schon mal am Rande gehört und weiss auch, dass es in Roeser liegt, viel mehr aber auch nicht. In dem kleinen Kaff angekommen, sucht er verzweifelt nach Schildern, die den Weg zum Festival weisen. Ob wir nicht wüssten, wo es langgehe. Ja aber woher denn? Ich war zwar letztes Jahr mit Christoph schon einmal bei dieser Veranstaltung, aber damals gelangten wir von der Autobahn kommend zu dem herrlichen Waldgrundstück, wo das Gelände liegt. Der Kutscher weiss sich aber glücklicherweise zu helfen. Als er einen Polizeiwagen sieht, der von einem Feldweg kommt, versperrt er ihm einfach dreist den Weg. So hat er genug Zeit zu fragen, wie man denn zu diesem komischen Festival gelangt.

Von nun an müssen wir latschen, mit dem Auto kommt man da nicht ran. Wir wandern über Felder Richtung Wald, so wie es uns der Taxifahrer weitergegeben hat. Als wir unter den schattenspendenden Bäumen entlangmarschieren, dröhnt uns schon laute Musik entgegen. Es klingt verflucht nach amerikanischem Stadionrock. Wer spielt da? Wir sollen es bald erfahren, es sind We Are Scientists. Von den Witzbolden war ich nie Fan, obwohl sie mir als Vorgruppe oder bei Festivals schon sage und schreibe 7 (!) mal untergejubelt wurden. Auf dem ersten Album waren zwei oder drei Hits, aber der Rest war eher mau.

Einen dieser Hits, "The Great Escape", bekommen wir auch noch live mit und da kommt sogar so etwas ähnliches wie Stimmung im Publikum auf. Das erste Lied, welches wir hörten, als wir auf der weiträumigen Wiese des Geländes angekommen waren, stellte aber einen Angriff auf den guten Geschmack dar. Laut Christophs Setlist hiess die Scheusslichkeit "Lethal Enforcer". Insofern können wir von Glück reden, dass wir das Konzert der Amis weitestgehend verpasst haben.

Nachdem die falschen Wissenschaftler mit ihrem Programm durch sind, mustere ich Festivalgelände und Publikum. Die Anlage ist schon herrlich, keine Frage! Viel satter grüner Wald aussenrum, sehr erholsam, vor allem wenn man wie ich gerade aus einer stressigen Metropole kommt. Die Mädchen sind allerdings bei weitem nicht so hübsch wie in Paris. Wenn man ehrlich ist, sind sie sogar überwiegend hässlich, dick und verpickelt!* Dazu noch diese fiesen Strähnchen in den Haaren, grauenvoll! Diese an einen Bobtail erinnernden Frisuren kenne ich aus Paris nicht! Ist das etwa in Luxemburg und den umliegenden deutschen Eifeldörfern angesagt?

Ausserdem sind die Mädels in den meisten Fällen verdammt jung, man fühlt sich wie auf einer grossen Abifete. Liegt wahrscheinlich am Line-Up. Mando Diao und die Kooks an einem Tag, da schlagen Girlieherzen höher! Ich persönlich war neben The Verve hauptsächlich wegen den Babyshambles hier. Die wurden vor ein paar Wochen gestrichen, allerdings nicht ersatzlos. Statt Pete sollten es dann sein alter Kumpel Carl und seine Dirty Pretty Things richten. Die wurden jedoch kurzfristig ebenfalls gestrichen! Diesmal ersatzlos, denn der arme Monsieur Barât liegt mit akuter Bauchspeicheldrüsen-Entzündung im Krankenhaus...

Dann also jetzt Mando Diao. Klingen ja auch irgendwie nach den Libertines, bloss nicht so gut. Und genau das ist das Problem! Musikalisch sind sie scheinbar nah dran an vielen Bands die ich mag (Oasis, The Jam, The Clash), erreichen aber niemals deren Klasse. Den Girlies im Publikum ist das egal, die freuen sich auch an Abziehbildern. Und dass Sänger Gustaf Noren auf recht alberne Weise Mick "Rolling Stones" Jagger hinsichtlich Mimik und Gestik imitiert, fällt ihnen wegen ihres jugendlichen Alters gar nicht auf. Mick Jagger, wer is'n das?

Aber die jungen Dinger mit ihren rot-schwarz gestreiften Mando Diao T-Shirts haben ja recht, zumindest was die Anhimmelung des blendenden Aussehens von Sänger Gustaf angeht. Dieser Gustaf Noren ist aber wirklich ein hübsches Kerlchen, gross, schlank, sexy, gut gekleidet und er hat auch nicht solch einen hässlichen Fischmund wie Old Mick. Was will Frau mehr? Mehr schöne Männer? Bitte sehr: auch der etwas kleinere und blondere Sänger Björn Dixgard ist ein Hingucker und der am linken Bühnenrand agierende Bassist ebenfalls! Alle drei würden sich bestens auf Postern in einem Teenager-Zimmer machen.

Schade, dass die Musik von Mando Diao da nicht so richtig mithalten kann. Es gibt immer mal wieder ein paar nett gemachte Melodien und Gitarrenriffs, aber insgesamt dominiert hier das Mittelmass und das unangenehme Gefühl, die gleichen Songs von anderen Bands schon einmal besser gehört zu haben. Vor allem nervt aber der kitschig-klebrige Zuckerguss, der fast über jedes Lied der Schweden drübergegossen wird. Dabei versuchen die Kerle auf der Bühne alles, um die harten Rocker heraushängen zu lassen. Beim Opener "One Blood" zum Beispiel, brüllen und keifen sie was das Zeug hält und posen wie Iggy Pop zu seinen Glanzzeiten. Auch die Sprüche sind markig und gewollt cool. Bevor Gustaf mit "Train on Fire" loslegt, will er dem Publikum zuvor nur ein Wort entgegenschreien: "Fire!!!" Schade nur, dass der Song dann nicht ganz so feurig rüberkommt, sondern irgendwann in eine Lalala- und Tralala-Passage übergeht. Gar nicht so übel sind allerdings die Trompeten und das Saxofon im Hintergrund, die neben diesem Lied auch zwei andere Stücke bereichern. Die neuen Liedern vom aktuellen Album "Never Seen The Light Of Day" ziehen aber nicht besonders gut beim Publikum, obwohl einem vor "Mexican Hardcore" der wahrhaftige Hardcore ("the true and real hardcore") versprochen wird.

Besser gehen alte Hits von "Hurricane Bar" wie z.B. "White Wall", "God Knows" und "All My Senses". Die hübschen blauen Augen der jungen Blondine mit dem schwarz-rot gestreiften Mando Diao T-Shirt neben mir bekommen einen besonderen Glanz, als diese Stücke ertönen. Hormongeschwängert guckt sie völlig entzückt ihren hochgewachsenen Freund an und will mit ihm tanzen, ganz nach dem Motto: "Schatzi, das ist unser Lied!" Dem armen Kerl ist aber nicht nach Rumgehopse zumute, er lässt seine Süsse auflaufen und lächelt etwas gequält. Vermutlich findet er Mando Diao auch eher Kacke und ist bestimmt auch ein wenig eifersüchtig auf die Prachtburschen da vorne auf der Bühne, aber er lässt sich nichts anmerken. Wenn Hasi das eben mag...

Von mögen kann bei mir keine Rede sein, auch wenn ich mich selbst dabei ertappe, bei ein paar Liedern die recht einfältigen Texte mitzusingen und beim abschliessenden "Long Before Rock 'N Roll" mitzuwippen. Der Titel stammt vom dritten Album "Ode To Ochrasy", welches in Frankreich noch nicht einmal offiziell erschienen ist! Angesichts eines recht scheusslichen Titels wie "TV & Me", der dort auch vertreten ist, allerdings auch kein Wunder! Ohnehin hätte das Werk eher den Titel "Ode To Mediocricy" verdient, denn das Wort Mittelmässigkeit beschreibt die Skandinavier doch recht passend.

Und nervige Sprüche haben sie drauf! Lieder werden abwechselnd dem langen schwedischen Winter (wo seltsamerweise "everything much easier" ist) und Gustafs Jugendidol Michael Jackson gewidmet und die beiden Schweden labern immer mal wieder von sich und ihrer Heimat ("you know we are from Sweden and there is not much sun").

Eine Sache ist allerdings wirklich recht komisch, vor allem weil es nicht vielen Leuten im Publikum aufgefallen ist. Der Trompeter und der Saxofonist werden nämlich scherzhaft als Al Green und James Brown vorgestellt und kaum einem Girlie fällt das auf. Artig klatschen sie in die Hände und denken sich wohl: ja, Al und James haben wirklich schön gespielt. Köstlich!

Ob Mando Diao auch ausserhalb des deutschsprachigen Raumes Headliner auf Festivals sein könnten? Ich habe meine Zweifel! Aber wenn alle Stricke reissen, können sie ja zurück in ihre Heimat Borlänge, oder auf einer Fete der Musikzeitschrift Visions spielen. Deren Redakteuere haben bei den Alben der Band immer feuchte Augen bekommen. Und neuerdings gibt es dort im Mittelteil ja auch Poster, dort würden sich die Kerle bestens machen!

À propos Visions, wie geht es eigentlich Carsten Schuhmacher noch so?


Setlist Mando Diao, Rock A Field Festival, Luxemburg:

00: Sphärisches Intro
01: One Blood
02: White Wall
03: Train On Fire
04: Mexican Hardcore
05: Dalarna
06: TV & Me
07: Good Morning, Herr Horst
08: All My Senses
09: Song For Aberdeen
10: If I Don't Live Today, Then I Might Be Here Tomorrow
11: God Knows
12: Long Before Rock 'n Roll

Links:

- Mando Diao in Köln
- noch viel mehr Fotos von Mando Diao hier
- und weitere Fotos von Mando Diao in Luxemburg


* Natürlich gibt es auch in der Eifel viele hübsche Mädchen! Bitte nicht alles allzu ernst nehmen, was ich hier so schreibe. That's Entertainement (The Jam)!




 

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