Dienstag, 24. Juli 2007

Arcade Fire & Arctic Monkey, Nîmes, 22.07.07

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Konzert: Arcade Fire & Arctic Monkeys

Ort: Les Arènes de Nîmes, Südfrankreich
Datum: 22.07.2007
Zuschauer: 12 - 15.000

Stierköpfe, nichts als Stierköpfe...

Einen in weiß und einen in schwarz haben sie hier im Hotel "Le Cheval Blanc" in
Nîmes im Eingangsbereich rumhängen. Und dazu auch noch Bilder von den Viechern, an der Rezeption nämlich.

Wo man auch hinschaut, hier hat irgendwie alles mit Stierkampf zu tun. Eigentlich kein Wunder, schließlich ist die alte römische Arena gleich gegenüber. Von meinem
Zimmer aus kann ich sie wunderbar sehen.

Heute allerdings werden keine Mastbullen abgemetzelt, sondern die Arena gehört Rockstars: die Arctic Monkeys und Arcade Fire haben die Aufgabe, das in Stein gemeißelte Stadion zum Beben zu bringen. Auch ganz schön gewichtige Viecher, diese Bands! Ein bullenstarkes
Line-Up sozusagen...

Stellt sich glatt die Frage, wer von den Beiden denn der stärkere Stier ist.

Wenn jetzt auch noch die kompletten Strokes auftreten
würden, würde es noch kniffliger, die Frage nach dem Stärksten zu beantworten. Tun sie aber nicht, denn Albert Hammond Jr. hat Julian Casablancas und Co. in New York gelassen, dafür aber vier Freunde mitgebracht, die in seiner Band für den nötigen Dampf sorgen.

Der abtrünnige Strokes-Musiker darf heute abend den Part des Einheizers übernehmen, schließlich kann man einen solche muskulösen Bullen wie die Arctic Monkeys nicht kalt in den Ring lassen.

Der lockenköpfige Frauenschwarm (warum eigentlich?) macht seine Sache dann auch erwartungsgemäß gut, man merkt ihm seine Spielfreude regelrecht an. "Erfolgreicher bin ich mit den Strokes, befriedigender ist aber mein Solo-Projekt für mich", soll er Journalisten in ihre Blöcke diktiert haben.

Vielleicht liegt das an der größerern Freiheit und Aufmerksamkeit, die er alleine genießt, vielleicht aber auch daran, daß ihm die Strokes musikalisch zu hart geworden sind. Nimmt man beispielsweise ein Stück wie "Juicebox" vom dritten Album der New Yorker und vergleicht es mit dem heutigen Opener "Everyone Gets A Star" von Albert, so wird deutlich, daß es der Junior des berühmten Composers poppiger mag.

Albert Hammond Jr, also ein Weichei? Ein Typ, ohne Haare am Sack? - Halt, stop, so seicht und gezuckert, wie das auf dem Album "Yours To Keep" manchmal
rüberkommt, ist das live mitnichten! Mit drei Gitarren und einem Bass machten die Herren nämlich ordentlich Lärm. Sogar solch starken, daß ich es unten nicht lange aushielt und mich auf die oberen Ränge verschanzte. Also nix da mit Albert dem Frauenversteher, der jetzt nur noch Musik für kleine Mädchen macht! Selbst harte Typen wie ich (he,he,he) hatten ihre Freude an dem kurzweiligen Set des Amis. Und wer lässt sich nicht mal gerne Honig um den nichtvorhanden Bart schmieren, wenn eine Schmonzette wie "Bright Young Thing" ertönt? Ein tolles Lied ist das nämlich, ein wahrer Ohrwurm, Mädchenmusik hin oder her!

Nach ca. 40 Minuten hatte Albert dann ausgehammond, nicht ohne neun schwungvolle Stücke untergebracht zu haben, darunter sogar drei Lieder, die nicht auf dem Album enthalten sind.

Setlist Albert Hammond Jr. Nîmes:

01: Everyone Gets A Star
02: Old Black Dawning
03: Holiday
04: In Transit
05: Bright Young Thing
06: Don't Cha Now
07: Back To The 101
08: Postal Blowfish
09: Hard To Live In The City

Das Publikum war also schon ordentlich aufgewärmt, als es mit den arktischen Affen endlich weitergehen konnte, obwohl es eh noch schön warm, wenngleich für
südfranzösische Verhältnisse fast luftig.

Wie schon kürzlich beim Konzert im Pariser Zénith war "The View From The Afternoon" erneut Opener. Quasi auf Knopfdruck war in den vorderen Reihen der Teufel, bzw. der Bulle los. Kein Wunder, denn insbesondere der unfassbare
Drummer Matt Helders prügelte auf sein Schlagzeug ein, als ginge es um sein Leben und auch Alex Turner wird von Gig zu Gig selbstbewußter und offensiver. Stand er noch bei den Konzerten zum ersten Album teilweise recht statisch und cool rum, geht er inzwischen wesentlich direkter auf as Publikum zu und wirbelt wild durch die Gegend. Lediglich der neue Bassist ist nach wie vor eher schüchtern und zurückhaltend, während Gitarrist Cooky ebenfalls zumindest etwas expressiver wirkt als noch vor 1 bis 2 Jahren.

Die Arctic Monkeys sind also inzwischen auch live fast zu Rampensäuen geworden, was ihre immer schon unglaublich dynamische Musik aufs Beste ergänzt.

Im Grunde gaben die Jungspunde von Anfang bis Ende Vollgas und trafen damit bei dem vorne recht jungen Publikum ins Schwarze. Selten habe ich ein Konzert der Engländer gesehen, bei dem so der Punk abging, es wurde sogar Pogo getanzt,
mitunter äußerst brutal. In einer besonders aufgeheizten Situation wurde ein Fan geradezu nach oben geschleudert, als sei er ein Gegenstand! Aus sicherer Entfernung beobachteten wir das wilde Treiben und blieben so unverletzt...

Höhepunkte der Extase wurden erreicht, als "From Ritz To The Rubble" geschmettert wurde, ein Beweis dafür das der Song damals zu Unrecht nicht als Single ausgekoppelt worden war. Ein echter Smasher das Teil, vor allem wenn die
Gitarren am Ende eine irren Wettlauf hinlegen!

Das nächste Lied, das ähliche Wogen der Begeisterung auslöste, war dann "Fake
Tales Of San Francisco", während das auf dem Album fabelhafte "Fluorescent Adolescent" live fast zu langsam und wenig aggressiv war.

"Fake Tales Of San Francisco" hingegen ist und bleibt ein Sahnestück, vor allem wenn es wie heute noch eine Spur
schneller als auf dem Album gespielt wird.

Um die aufgebaute Hochstimmung nicht abreißen zu lassen, brachten die Briten danach "Balaclava" übergangslos. Eben jenes "Balaclava" ist ein Paradebeispiel dafür, daß Titel, die auf einer CD nicht sonderlich hervorstechen, auf Konzerten Abräumer sein können. Mit schier sagenhaftem Tempo wurden hier Gitarrenriffs in den Nachthimmel gejagt, so daß keine Zeit zum Luftholen blieb. Dies war erst halbwegs mit dem melodischen "If You Were There Beware" möglich, nachdem der Klassiker "I Bet You Look God On The Dancefloor" den üblichen überwältigenden Effekt erzielt hatte.

Wenn man aber den unbedingt den Preis für das beste Stück des Abends vergeben wollte, zumindest was die Reaktion bei den Fans anbelangt, würde der Pokal an "When The Sun Goes Down" gehen.

Mein persönlicher Favorit war allerdings das anschließende "Leave Before The Lights
Come On", die Single, die damals zwischen den beiden Alben veröffentlicht wurde.

Zu diesem Zeitpunkt waren 16 Lieder gespielt worden und bisher waren eigentlich keine Überraschungen dabei, die Setlist entsprach fast exakt derjenigen vom Pariser Zénith. Dann kam aber eine und zwar eine faustdicke: ein neues Lied!

Ich kannte es nicht (gibt's denn sowas?), es enthielt die Songzeile "Your Imagination" und gefiel mir auf Anhieb. Nicht nur der Titel war hierbei neu, sondern auch, daß die Monkeys von einem zusätzlichen Gitarren unterstützt wurden, weil Alex Turner sein Arbeitsgerät zur Seite gelegt hatte und lediglich nah am Bühnenrand sang.

Auch beim nächsten Stück schwang er sich die Gitarre nicht um, sondern spielte Keyboard und zwar zu "505", einem Song, den ich live bisher noch nicht geboten bekommen hatte.

Der Abschluß war dann allerdings wieder traditionell, schließlich wude mit "A Certain Romance" und seinen melodiösen Gitarren noch jedes meiner Artic Monkeys-Konzerte beendet.

Nicht nur wegen der traumhaften Kulisse (nüchterner Kommentar Alex T.: "nice setting"), war das mein bisher bester Gig der arktischen Affen!

Setlist Arctic Monkey, Nîmes:

01: View From The Afternoon
02: Brianstorm
03: Still Take You Home
04: Dancing Shoes
05: From Ritz To The Rubble
06: Teddy Picker
07: This House Is A Circus
08: Fluorescent Adolescent
09: Fake Tales Of San Francisco
10: Balaclava
11: Old Yellow Brick
12: I Bet You Look Good On THe Dancefloor
13: If You Were There, Beware
14: Do Me A Favor
15: When The Sun Goes Down
16: Leave Before The Lights Come On
17: Neu! ("Your Imagination")
18: 505
19: A Certain Romance

Der anschließende Umbau dauerte dann fast eine geschlagene Stunde, denn es mußte ja schließlich die gesamte aufwendige Bühnendeko zu "Neon Bible" aufgebaut
werden, mitsamt einer Attrape der mächtigen Kirchenorgel, die bei Stücken wie "Intervention" gebraucht wird. Aber auch mehrere kreisrunde Bildschirme, glitzernde Leuchtstäbe am Bühnenrand und natürlich die Leinwand mit der roten, aufgeschlagenen Bibel gehören zum Spektakel dazu.

Fehlten bloß die Hauptdarsteller aus Kanada. Wo waren sie abgeblieben? Hatten sie sich etwa beim Basketballspielen verletzt? Häh, Basketball ? mag man jetzt fragen...

Ja, richtig gelesen, denn als ich am heutigen Nachmittag mit Cécile durch die wunderschöne Altstadt von Nîmes geschlendert bin, liefen mir einige männliche Mitglieder von Arcade Fire fast in die Arme! Als Erstes erkannte ich den kleinen Bruder von Win Butler (er heißt William), aber als ich den Kerlen hinterhersah, erspähte ich auch Win himself, komplett in schwarz gekleidet und mit einem Basketball in der Hand, zudem noch den Drummer Jérémy Gara und zwei andere Typen, die ich nicht zuordnen konnte. Régine war leider nicht dabei, es war eine reine Männerrunde...

Fräulein Chassagne hatte bestimmt mit den restlichen Arcade Fires eine Stadtbesichtigung gemacht, denn unmitelbar vor der prachtvollen römischen Arena sah man u.a. Streicherin Sarah Neufeld, aber auch Kontrabassist Richard Reed Parry in einem silbernen Mini-Van sitzen und die Chancen sind hoch, daß auch die süße Régine dabei war.

Gegen 23 Uhr war es dann schließlich soweit, die Hauptdarsteller von Arcade Fire
traten auch endlich musikalisch in Aktion und diesmal so richtig, denn um 15 Uhr hatten sie noch unter Ausschluß der Öffentlichkeit den üblichen Sound-Check durchgeführt, den ich von draußen mitbekam.

Hätten sie doch mal ausführlicher geprobt! Der Sound war nämlich ehrlich gesagt beschissen! Beim Eingangsstück "Keep The Car Running" hörte man nur einen äußerst dumpfen Soundbrei und selbst das folgende "Laika", war kaum zu erkennen.

Mist, Mist, Mist!, dachte ich bei mir, da spielt eine der besten Bands der Welt vor einer solch malerischen Kulisse, die Musiker geben alles, aber auch wirklich alles und der Sound ist einfach nur mies!

Leider wurde es auch mit dem eigentlich brillianten "No Cars Go" nicht viel besser, der Bass erstickte fast gänzlich die feinen Streicherpartien und die Stimmen der
Frauen.

Selbst Win hatte seine liebe Mühe und Not über den Krach hinwegzusingen. Da half
es auch nicht viel, daß der kleine Bruder von Winnie einige Showeinlagen brachte und zum Beispiel von der Bühne sprang oder mit dem Rotschopf Richard Parry Fangen spielte. Auch sonst war auf der Bühne einen Menge los, Régine schien mit ihrem hübschen roten Tuch gar Stierkampf zu spielen.

Fast nichts los war aufgrund des schlechten Tons aber im Publikum, die Anteilslosigkeit der Fans bildete manchmal einen erschreckenden Gegensatz zu der Aktion auf der Bühne.

Selbst die auf französisch gesungene Darbietung des France Gall Hits "Poupée de Cire, Poupée De Son" durch die bezaubernde Régine, sorgte nicht für die zu erwartenden Beifallsstürme.

Irgendwann hatte ich deshalb genug gehört und kam mit Cécile überein, unsere Plätze seitlich von der Bühne zu verlassen, um uns mehr zur Bühnenmitte hin zu
orientieren, in der Hoffnung, das Klangerlebnis würde durch diesen Ortswechsel besser. Die Entscheidung erwies sich als richtig, denn bereits "Ocean Of Noise" war zum Glück nicht so noisig, wie es der Titel erahnen ließ, sondern zum Glück fast rückkopplungsfrei zu genießen. Auch "Tunnels" machte Laune und so wurde das Konzert der Kanadier für uns immer besser, obwohl man auch von der Mitte aus nicht wirklich einen einwandfreien Ton geboten bekam.

"The Well And The Lighthouse" war dann das bisher gelungenste Stück des Abends, Win Butler sang hierzu herzerweichend, während Régine Schlagzeug spielte. Für mich war das eine eindrucksvolle Demonstration des Talents dieser unglaublichen Kanadier, während Cécile den munteren Instrumentenwechsel eher als Show-Off
bezeichnete. Aber kann man der Band wirklich vorhalten, mehrere Instrumente gleichzeitig zu beherrschen? Es kann schließlich nicht jeder so unmusikalisch wie die Pipettes sein, die lediglich die Gesangesparts selbst erledigen...

Für mich hatte auf jeden Fall der beste Teil des Konzerts begonnen und es folgte Smash-Hit auf Smash-Hit, "Power Out" und "Lies" gaben sich die Klinke in die Hand.

Vor allem das letztgenannte Stück sorgte endlich für riesige Begeisterungsstürme, jeder in der Arena, ob jung, oder alt schrie "Lies, Lies, Lies" laut mit und selbst der Refrain wurde minutenlang mitgesummt, selbst dann noch als die 10 Musiker die Bühen verlassen hatten. Die Stimmung hatte ihren Höhepunkt erreicht, eigentlich war sie kaum noch zu toppen. Mich dürstete es aber nach mehr Arcade Fire und ich bekam auch meinen Nachschlag und was für einen..."Intervention!" Welch Kalorienbombe am Schluß! Die Kirchenorgel sorgte für Gefühle der Ergriffenheit, wie man sie ansonsten nur zu Hochzeiten und ähnlichen Feierlichkeiten erlebt. An dieser Stelle schwöre ich: wenn "Intervention" zu Beginn und zum Schluß gespielt wird, gehe ich auch wieder regelmäßig in die Kirche, großes Indianer-Ehrenwort!

Win Butler muß aber dann auch den Gottesdienst leiten und Sätze sprechen wie "I can taste your fear" , oder "Singing Hallelujah with the fear in your heart"und Régine muß diese im Chor wiederholen.

Eigentlich glaubte ich, die schöne "Neon Bible" die im Hintergrund der Bühne prangte, würde jetzt zugeschlagen, aber ich hatte mich zum Glück getäuscht, denn
erst mit dem sensationellen "Wake Up" wurden wir entlassen und auf den Heimweg geschickt!

Wow, was für eine rauschende Nacht! Und wer war jetzt eigentlich der stärkste Bulle im Ring, die Arctic Monkeys, oder doch Arcade Fire?

Hmm, ich glaube, das muß nicht entschieden werden, beide haben mich heute abend aufgespießt und durch die Luft gewirbelt, zumindest bildlich.

Setlist Arcade Fire, Nîmes

01: Keep The Car Running
02: Laika
03: No Cars Go
04: Tahiti
05: Poupée de Cire, Poupée de Son (F.Gall, S. Gainsbourg)
06: Black Wave/Bad Vibrations
07: Neon Bible
08: Black Mirror
09: Ocean Of Noise
10: Tunnels
11: The Well And The Lighthouse
12: Power Out
13: Rebellion (Lies)

14: Intervention (Z)
15: Wake Up (Z)


Sonntag, 22. Juli 2007

The Thermals, Tele, The Dance Inc., Rüsselsheim, 21.07.07

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Konzert: The Thermals, Tele, The Dance Inc. (Phono Pop Festival)

Ort: Festung Rüsselsheim
Datum: 21.07.2007
Zuschauer: im Laufe des Abends immer voller


Tag zwei des fabelhaften kleinen Phono Pop Festivals in Rüsselsheim und alles war wie gestern: Ein prima Line-Up, vollkommen freundliche Atmosphäre - und einigermaßen gutes Wetter, obwohl es am Himmel schrecklich aussah, als ich losfuhr. Auch wie gestern war die Parksituation: Überhaupt kein Problem, einen Parkplatz direkt am Zugang zur Festung zu bekommen.

Drinnen hatte The Dance Inc. aus Hamburg ("we are Hamburg school") schon
angefangen. Die Band um Sänger Jan Elbeshausen spielt nach eigenen Angaben Elektro/Indie/Pop. Für mich klang das schon vor allem popig, aber überhaupt nicht schlecht. Mir schien das sehr radiotauglich - auch, weil man dann das Getanze von Jan Elbeshausen nicht sehen muß, das war nämlich, nun ja, merkwürdig. Das brauchte ich nicht - aber mein Gott, dafür war die Musik ja ok. Jan sagte irgendwann, man sage immer, sie klängen nach den 80er Jahren. Als Ausgleich wolle man einen 90er Hit spielen, es folgte "Killer" von Adamski bzw. Seal.

Jan Elbeshausen (der Name klingt schon so sehr nach Hamburg, daß er eigentlich nicht echt sein kann) ist übrigens auch Sänger der Grand Hotel Van Cleef Band Marr und hat in Hamburg das Übel & Gefährlich gegründet . Mir hat der Auftritt gut gefallen (Ohr, nicht Auge). Übel trifft die Musik also nicht, gefährlich allerdings auch nicht.

Setlist The Dance Inc. Phono Pop Festival:

01: You can help
02: Catpurr
03: Don't run to the suburbs
04: The boy who
05: Same shores (?)
06: Killer (Adamski Cover)
07: Looking like that
08: Matador

09: This summer (Z)

Danach kam die Gruppe, auf die ich am meisten gespannt war, weil ich nicht wußte, was mich erwarten würde: Tele aus Freiburg. Daß die Musiker (die selbst den Aufbau übernahmen) etwas können, zeigte sich schon beim Soundcheck: Schlagzeuger Stefan begleitete dabei nämlich die Musik vom Band. So kamen wir z.B. noch in den Genuß eines Halbplaybacks von "Everything counts" von Depeche Mode, bevor das Konzert begann. Der Aufbau dauerte einige Zeit, es mußte wohl noch etwas umgestellt werden. Außerdem mußten noch zwei Plätze für Bläser aufgebaut werden, Tele sollte nämlich von einem Saxophon und einer Posaune begleitet werden. Das erste Lied "Hans" spielte die Band noch ohne Verstärkung aber schon vor ordentlich vielen Zuhörern. Mir gefiel das auf Anhieb gut, wie das ganze Konzert. Manche Lieder waren mir einen Hauch zu bluesig, unterm Strich ist Tele aber seit heute auf meiner Mag-ich-Liste.

Immer wieder tauchten eben der Saxophonist und die Posaunistin auf und unterstützten die Teles. Natürlich gab das dem Sound noch einen besonderen Pfiff. Es wurde langsam immer abendlicher in der Festung, wirklich ein wundervolles Ambiente für ein Konzert. Auch Sänger Francesco war davon offenbar
beeindruckt, irgendwann sang (!) er: "Ich würd gern einen Rittersong singen!" Ein Mädchen aus dem Publikum rief zurück: "Au ja!" Der Sänger darauf wieder singend: "Aber ich kann keinen!". Und das Mädchen: "Scheiße!"

Die schönste Ansage kam allerdings kurz später. Francesco, der wie seine Bandkollegen sehr gut gelaunt wirkte, kündigte das nächste Stück an mit: "In der Literatur gibt es den Flegelroman.
Das nächste Lied ist unser Flegellied. Flegel ist ein tolles Wort, das sollte ich öfter benutzen", worauf der Keyboarder Patrick trocken erwiderte: "Unser Flegel heißt 'Now'", Francesco hatte sich in der Zeile geirrt und mit seiner schönen Anmoderation das übernächste Lied ("Mario") gemeint! Auch ohne solche Lacher war die Stimmung bei Tele toll. Beendet wurde das Set mit zwei Zugaben, zuletzt mit "Rot", das viele vorher schon herbeigebrüllt hatten. Mir gefielen besonders "F.R.E.I." und "Fieber". Dagegen gefiel mir nicht, daß Francesco irgendwann etwas von "Mein Haus, mein Auto, mein Pferd" usw. sprach aber "Mein Blog" vergaß!

Eine kleine niedliche Episode am Rand: Ein Fan von Tele nahm sich nach dem offiziellen Teil eine der Setlisten. Als die Band wieder auf die Bühne kam, kam auch er wieder nach vorne, um die Liste für die Zugaben zurückzugeben! Gitarrist Tobi sagte ihm aber, es wäre schon ok so...

Setlist Tele Phono Pop Festival:

01: Hans
02: Rio de Janeiro
03: F.R.E.I.
04: Unser kleines Haus
05: Now now now
06: Mario
07: Falschrum
08: Die Luft
09: Fieber
10: Wenn Du gehst

11: Wovon sollen wir leben (Z)
12: Rot (Z)

Was nach Tele kam, konnte ich mir sehr genau vorstellen: Eine gute Stunde Riesenspaß mit den Thermals aus Portland. Ich hatte die Amerikaner im Dezember schon einmal im Gebäude 9 gesehen und da ein tolles Konzert erlebt. Und eine lautes und schnelles...

Sänger Hutch, Bassistin Kathy und Schlagzeuger Lorin schienen noch etwas vorzuhaben, denn nachdem sie selbst aufgebaut hatten, kurz noch von der Bühne gingen, spielten sie anschließend 23 Lieder in einer Stunde, ließen allen Schnickschnack wie
lange Ansagen oder Pausen zwischen den Liedern weg. Sehr LoFi und sehr toll!

Mittlerweile war es dunkel, die Festungsmauern leuchteten rot, von Scheinwerfern angestrahlt, und vor der Bühne sammelten sich viele tanzwütige Leute. Ich
hatte mir einen schönen Platz an der Bühnenecke nah bei Hutch gesucht, um ein paar Fotos der Thermals zu machen. Der Platz hatte den Vorteil, hinter den Hauptboxen zu sein, so daß ich mir das Konzert ohne Ohrstöpsel angehört habe. Es war aber auch so im Schallschatten höllisch laut. Viel zu laut für die vielen Kinder, die vor der Bühne standen. Besonders leid tat mir ein kleines Mädchen (fünf oder sechs vielleicht), das mit seiner Mutter neben mir stand und sich krampfhaft die Ohren zuhielt. Als ich der Mutter Ohrstöpsel anbot, sagte sie (sie brüllte, es war wirklich laut da), das Mädchen hätte schon welche. Nun gut...

Ich wußte ja wie gesagt, was mich erwartete, und die
Thermals übererfüllten diese Erwartungen. Ich glaube, Oliver und ich hatten nach den Pariser und Kölner Konzerten der Amerikaner schon festgestellt, daß die Thermals in die Liga der besten Garagenbands gehören, wie die Subways oder die Dirty Pretty Things. Da nehme ich wirklich gerne das nachhaltige Summen im Ohr hin.

Die Thermals waren übrigens neben Rüsselsheim nur auf dem Meltfestival. Die Veranstalter haben also wirklich großes Geschick gezeigt, dieses Highlight verpflichten zu können. Ich bin todsicher nächstes Jahr wieder in dieser netten Festung.

Setlist The Thermals Phono Pop Festival:

01: It's trivia
02: St. Rosa and the swallows
03: Our trip
04: Every stitch
05: Born dead
06: A stare like yours
07: I might need to kill you
08: An ear for baby
09: How we know
10: End to begin
11: God and country
12: Let your earth quake, baby
13: A pillar of salt
14: A passing feeling
15: Here's your future
16: Back to the sea
17: No culture icons
18: Overgrown, overblown
19: Power doesn't run on nothing
20: Top of the earth
21: Back to gray
22: Eyerything Thermals
23: Returning to the fold

Links:

- The Thermals in Paris 2006
- The Thermals in Köln 2006
- mehr Fotos von den Thermals
- mehr von Tele
- und schließlich Bilder von The Dance Inc.




Samstag, 21. Juli 2007

The Bishops, Sushimob & Superpunk, Rüsselsheim, 20.07.07

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Konzert: The Bishops, Sushimob & Superpunk (Phono Pop Festival)

Ort: Festung Rüsselsheim
Datum: 20.07.2007
Zuschauer: 40 (Sushimob) bis 150 (Superpunk)


 
Bis vor ein paar Wochen wußte ich nicht, daß es in Rüsselsheim ein Indiefestival gibt. Als ich nach Thermals-Konzerten gesucht habe, fand ich da ein "Phono-Pop Festival" in der Festung Rüsselsheim. Als ich dann noch die Bishops im Line-Up fand, war klar, daß ich da hin mußte. Das Phono-Pop ist ein Zweitagesfestival, das eben in der Rüsselsheimer Festung stattfindet. Als jemand, der oft auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz war, müssen Festungen schon sehr groß sein, um mich zu beeindrucken. Die in Rüsselsheim ist nicht schrecklich beeindruckend aber sehr schön und familär - und perfekt für ein kleines Festival. Schon vor dem Betreten war ich angenehm überrascht, denn unmittelbar vor dem Zugang zur Feste fand ich einen Parkplatz. Sehr entspannt alles.

Drinnen hatte
gerade mit Sushimob schon das erste Konzert begonnen. Sushimob kommen aus Frankfurt und haben in ihrem Buch der guten Taten schon Supports der Libertines, von Blackmail und von Ash (nicht Äsh) stehen. Die dreiköpfige Band spielte vor noch sehr wenigen Zuschauern in einem kleinen Seitenhof, der von hohen Mauern begrenzt ist und der als Konzertfläche wirklich perfekt ist. Mitten auf dem Hof steht ein großer Baum, der dann auch bei den gelegentlichen Regentropfen guten Schutz bot.

Das, was Sushimob spielte, gefiel mir ganz gut. Genervt hat mich nur ein wenig das Gepose des Bassisten. Nicht, daß zappelnde Musiker immer lästig sind. Der Sushimann übertrieb es aber. Sein Gitarrist (und Sänger) ließ sich auch während eines Stücks auf die Knie fallen und kam prompt aus dem Takt. Die kleinen Sünden... Wahrscheinlich fehlt mir einfach der Heavyhintergrund in der Jugend, um kniefallende Musiker toll zu finden, so recht bereuen mag ich das aber nicht. Der Bassist wäre übrigens auch fast fürs Hampeln bestraft worden, bei einer besonders albernen Tanzeinlage am Ende rutschte er fast (und dann sicher sehr schmerzhaft) aus.

Musikalisch war das aber eben nicht albern, sondern ein guter Auftakt. Allerdings hätte das vorletzte Stück ("Always") auch von Ash stammen können. Selbst die Stimme klang da extrem nach den Nordiren.


Setlist Sushimob Phono Pop Festival:

01: Antiplastic
02: The big astro
03: The brakes don't work
04: Yes please
05: Costume for Kelly
06: I go robot
07: Always
08: Worst case scenario


Nach Ende des Auftritts kamen von der einen Seite Superpunk mit ihren Instrumenten auf die Bühne, während die Bishops Brüder und ihr "durchgeknallter
schottischer Schlagzeuger" von der Backstageseite ihren Kram aufbauten. Sänger Mike Bishop hatte wieder seine Sporttasche dabei, die auf der Bühne stand und alle Wertgegenstände enthielt.

Kurz nach acht legten die so schüchtern wirkenden Londoner los. Ich wußte nach zwei Konzerten der Bishops
schon, was mich erwartete, die meisten der mittlerweile sicher knapp 100 Zuschauer (damit war der Bereich der Konzertfläche ziemlich gut gefüllt), waren aber sicher überrascht, was für eine Energie vor allem in Mike Bishop steckt. Schon beim ersten Lied "Higher now" hatten die Engländer das Publikum. Ich denke wirklich nicht, daß viele die Platte kennen aber viele tanzten und wippten mit und ließen sich von dem extrem unterhaltsamen Auftritt mitreißen. Natürlich klingt die Musik so, als käme sie frisch aus den 60ern. Ich finde die Bishops aber trotzdem hochgradig originell.

Das Set in Rüsselsheim enthielt in erster Linie die Albumstücke aber auch Lieder wie "House in a desert" oder "Raindance", die sie schon in London gespielt hatten, und
zwei für mich neue Stücke ("For now" und "Heart full of pain"). In ihrem knapp fünfzig minütigem Auftritt spielten die Bishops zwanzig Lieder. Zwanzig!

Musikalisch war es eben toll und unterhaltsam und hochgradig kurzweilig. Aber zu den Bishops gehört auch der unglaubliche Bühnenauftritt von Mike. Bassist und Zwillingsbruder Peter ist während eines Konzerts meist verhaltensunauffällig. Mike dagegen hüpft hin und her, pumpt die Backen auf, reißt den Mund auf, geht in (nicht
auf) die Knie - köstlich! Alleine das lohnt einen Besuch eines Auftritts der Engländer. Kombiniert mit den eingängigen, flotten Melodien und dem sehr sicheren Spiel, wird daraus eben ein top Konzert. Die gute Laune der Brüder (beim Schlagzeuger bin ich mir da nie so sicher) war unverkennbar. Als sie irgendwann mal die Plätze tauschten (weil Mike wieder quer über die Bühne gerannt war) und Peter überrascht am Gitarrenplatz stand, tat er so, als wollte er eines von Mikes Pedalen treten. Beide hatten einen riesigen Spaß daran!

Im November sind die Bishops auf eigener Tour in Deutschland, eine gute Gelegenheit, sich diese Perle unter den neuen britischen Bands anzusehen.

Setlist The Bishops Phono Pop Festival:

01: Higher now
02: Back and forth
03: Life in a hole
04: House in the desert
05: Raindance
06: Breakaway
07: Heart full of pain
08: I can't stand it anymore
09: Slow river
10: Menace about town
11: The only place I can look is down
12: So high
13: Lies and indictments
14: Sun's going down
15: In the night
16: Carousel
17: For now
18: Travelling our way home
19: Will you ever come back again?
20: She said bye bye


Als dis Bishops nach ihrem Konzert eilig abbauten, weil sie anschließend noch nach Frankreich weiterreisen mußten, war Gelegenheit, durch den Rest der Festung zu gehen. Neben dem Hof, in dem die Konzerte stattfinden, gibt es den Haupt-Innenhof, an dem das Festungscafé und ein Museum liegen. Während des Festivals wird dieser Bereich für Getränke- und Essensstände genutzt. Auch bei den Getränken zeigen die Veranstalter guten Geschmack, denn es gibt Afri Cola und Bluna! In dem Hauptinnenhof war auch eine zweite Bühne aufgebaut, auf der nach Mitternacht Pele Caster (Ex-Astra Kid und jetzt Klee) solo auftreten sollte. Leider war mir das (wie auch Robocop Kraus) wegen frühen Arbeitsbeginns Samstag zu spät.

Meine letzte Band des Abends sollte also Superpunk sein. Bekannter Superpunk Fan ist Sarah Kuttner, in deren letzten Sendung die Band auftrat. Bei 1live erzählte sie
irgendwann, daß sie danach davon geträumt habe, mit dem Sänger geknutscht zu haben. Sachen gibt es... Bevor die Band um Sarahs Traummann Carsten Friedrichs anfangen konnte, gab es aber größere Probleme. Der Soundcheck dauerte immer länger, einige Kabel waren wohl falsch rum angeschlossen, irgendwie passte es nicht. Da gab es dann Dialoge wie "Jetzt mal die 18 bitte" - "Die 18 ist jetzt da drüben." Sie waren dann irgendwann fertig, Sänger Carsten war unsicher, ob es wirklich losgehen sollte, fing dann aber doch an. Mein laienhaftes Ohr merkte aber schnell, daß der Sound schlecht war. Der Gesang war kaum zu verstehen, worunter meine Lust auf das Konzert schnell litt. Den Leuten, die mittig vor der Bühne standen, machte das nichts, da wurde viel getanzt. Der Hof war noch deutlich voller als vorher bei den Bishops, und das Publikum (zumindest vorne) schien deutlich jünger.

Musikalisch möchte ich den Auftritt von Superpunk nicht zu kritisch bewerten, weil der Ton eben so schlecht war. Aber es hat den Leuten eben großen Spaß gemacht, also war das Konzert auch gut.

Setlist Superpunk Phono Pop Festival:

01: Ehrlicher Mann
02: Ich find alles gut
03: Eisige Tiefen
04: Partys in München
05: Raus aus dieser Stadt
06: Ich mag den Mann nicht
07: Hamburg ist der Platz für Dich
08: Bon Scott
09: Seele
10: Bitte verlass mich
11: Right back
12: Baby, ich bin zu alt
13: Rock'n Roll
14: Carsten ist mein Name
15: Ignorant, Idiot
16: Ich trinke
17: Ich kann nicht Nein sagen
18: Tu einfach Dein Bestes
19: Weigere mich, aufzugeben
20: Neue Zähne
21: Freunde
22: Schärfere Welt
23: Matula
24: Auf Tape


Samstag folgt dann Teil 2 dieses tollen Festivals mit den Thermals und Tele zum Beispiel. Das Phono-Pop ist ein echter Überraschungs-Hit, ein kleines Haldern, vollkommen entspannt, sehr familiär (es waren auch einige Familien da), ohne all die Ekligkeiten, die große Festivals mit sich bringen. Und das für 20 Euro. Ich denke, daß ich da auch im kommenden Jahr sicher hingehen werde.

Links:

- The Bishops in Köln (Support The Rakes)
- The Bishops in London
- Fotos von den Bishops
- Fotos von Superpunk und
- Fotos von Sushimob (die Band möchte nicht, daß diese Fotos weiter gezeigt werden - 09.08.13)


Dorian Pimpernel & My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 20.07.07

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Konzert: Dorian Pimpernel & My Girlfriend Is Better Than Yours

Ort: Le Motel, Paris
Datum: 20.07.2007
Zuschauer: die kleine Bar war brechend voll


"Auf Deine Verantwortung" (à tes risques et périls), war der nüchterne und selbstironische Kommentar von Jérémie auf meine Ankündigung, ich würde mir das Konzert von Dorian Pimpernel im Motel ansehen.

Jérémie Orsel ist Gitarrist, Ukulele-Spieler und Sänger der Pariser Band Dorian Pimpernel. Ich habe den sympathischen Kerl auf einen meiner vielen Konzertgänge kennengelernt und unsere Wege kreuzen sich logischerweise immer wieder, da die Pariser Indie-Musikszene eigentlich recht klein ist. Was ich damals nicht gleich wußte: Jérémie spielt selbst in einer Band und steht somit auch ab und zu auf der Bühne und blickt im Gegensatz zu mir nicht immer nur auf dieselbige. Als eher schüchterner und diskreter Mensch hatte er mir das zunächst nicht verraten, sondern plauderte mit mir meist über Musik und Konzerte im Allgemeinen.

Insofern kenne ich ihn als Tiefstapler und wußte, daß der Spruch mit der "Verantwortung" nicht allzu ernst zu nehmen war, sondern daß mich im Gegenteil ein sehr interessantes Konzert erwarten würde.

Schließlich las ich über die Band Dorian Pimpernel ja schon so einiges Gutes in der Fachpresse. In der "Magic" z.B. wurde die vielköpfige Band (im Moment sind sie sieben oder acht, nachdem Jérémie zusammen mit Johan 2003 das Projekt gegründet hatte) gar als große Hoffnung für das Musikjahr 2007 bezeichnet, eine Ehre die ansonsten eher Senkrechtstartern wie den Klaxons zuteil wurde. Die "Rock & Folk" wiederum erwähnte die Pariser Formation immer mal wieder in Randnotizen, bevor sie kürzlich die erste EP "Hollandia" mit achtbaren 3 Sternen versah.

Über das Erstlingswerk "Hollandia" mit seinen sieben Titeln würde ich auch gerne verfügen, wenn es denn mal so leicht wäre das gute Stück zu ergattern. Dorian Pimpernel haben nämlich bisher nur ein japanisches Label (Rallye) und auf den Japan-Import warte ich bisher noch vergeblich...

So blieb mir nur die Möglichkeit, mich mittels ihrer MySpace-Seite bzw. Homepage auf das Konzert einzustimmen. Was man dort zu hören bekommt, ist allerdings feinster Sixties-Pop mit psychedelischer Note, extrem charmant arrangiert und überaus eigenständig. Es ist gar nicht so leicht, den komplexen Sound einzuordnen, lediglich die als Einflüsse und Referenzen genannten Syd Barrett, Brian Wilson und die Beach Boys, die Kinks und die ewig unterschätzen The Zombies können etwas Orientierungshilfe geben.

Das mußte ich mir live ansehen und endlich bekam ich die Gelegenheit dazu! Schließlich treten die Musiker aus zeitlichen Gründen nicht sehr oft auf, allesamt gehen sie tagsüber ihren Berufen nach. Wer im Jahre 2006 allerdings eine Karte für die Hushpuppies hatte, konnte sie als Vorgruppe bewundern und dieses Jahr waren sie zusammen mit der deutschen Band Fotos in der Flèche d'Or aufgetreten.

Als ich zusammen mit Cécile in der kleinen aber schmucken Bar "Le Motel" im szenigen Bastille-Viertel ankam, probten die anwesenden Mitglieder von Dorian Pimpernel (der Bassist war z.B. schon in Urlaub) noch ein wenig ihre Instrumente, denn sie hatten, wie mir Jérémie zuvor etwas panisch schrieb, seit langem nicht mehr zusammen geübt.

Anwesend waren zumindest die süße brünette Sängerin Luna, ein junger Herr mit Oboe, Jérémie mit seiner hübschen roten Gitarre (keine Gibson, wie er mir nachher
erklärte, aber ein Vintage-Teil, billiger, aber genausogut), und auch noch mindestens zwei Kerle an Synthesizern (von meiner Position aus konnte ich das nicht so gut erkennen...).

Irgendwann befanden die Künstler dann, daß sie genug geprobt hätten und daß es jetzt los gehen könne. "Dieser ganze Aufwand für sechs bis sieben Stücke", kommentierte Jérémie gewohnt selbstkritisch die Situation.

Für mich war aber schnell klar, daß sich der Aufwand und mein Kommen gelohnt hatten. Luna, die im Vordergrund mit einer Rassel in der Hand agierte, hatte eine dermaßen schöne und liebliche Stimme und die Band einen solch originellen und abwechslungsreichen poppig-psychedelischen Sound zu bieten, daß ich mich schnell fragte, warum noch kein französisches Platten-Label bei dieser Kapelle zugegriffen hat.

Zumal das Ganze neben den eingangs zitierten englischen Referenzen, auch einen nicht zu überhörenden sehr charmanten French-Touch hatte. Irgendwo schwirrte der Geist von Serge Gainsbourg in dem übervollen Raume herum und wenn Luna da so sinnlich in ihr Mikro hauchte, war auch Jane Birkin nicht weit...

Auch das Fehlen des planmäßigen Bassisten wurde irgendwie kompensiert und überhaupt mußte in der kleinen Location ziemlich stark improvisiert werden, schließlich war kaum Platz für das gesamte Instrumentarium. Normalerweise verwenden die Pariser Orgel, Wurlitzer, Glockenspiel, diverse Vintage-Synthesizer, Melodica, Ukulele etc., etc., dafür reichte der Raum allerdings heute nicht.

Trotzdem: selten habe ich solch eigenständige Kompositionen von einer neuen Band gehört, im Moment ist ja eher Garagenrock im Stile der Libertines (französiche Vertreter hier z.B. die Tatianas oder Second Sex), oder aber Elektro-Rock à la Klaxons (Frankreichs Antwort hierauf: Adam Kesher oder die Teenagers) in unserem Nachbarland angesagt.

Und auch wenn Jérémie immer wieder das eigene Talent runterspielte ("gleich kommt mit My Girlfriend Is Better Than Yours noch eine Band, die richtig spielen kann"...), so bekundete doch bereits die Tatsache, daß mit Frank (der in seinem Plattenladen Ground Zero bereits exklusiv die erste Demo-Ep der Band vertrieb) und Olivier von den Hushpuppies, zwei Burschen von den Shades, Dorothée von Hopper und The Rodeo und Louise von Plasticine etliche Pariser Musiker vertreten waren, daß es sich heute um ein musikalisches Ereignis handelte.

Hier sind die Lieder, die Teil der Setlist von Dorian Pimpernel waren: (Reihenfolge unbekannt)

- Opalin Days
- An Inner Stroll
- Ovlar E
- Octave Heliophone
- Daucus Carota (der lateinsche Ausdruck für eine Karotte!)
- My Last Joker

Nach Dorian Pimpernel machte sich das gemischte Pariser Duo "My Girlfriend Is Better Than Yours" bereit für ihren Auftritt. Auch hier wurde zunächst etwas rumgewerkelt und Anschlüsse überprüft, bevor es losgehen konnte.

Alles am heutigen Abend hatte somit einen leicht amateurhaften Charme, den ich sehr liebe. Das Amateurhafte bezog sich allerdings nur auf die örtlichen Gegebenheiten, nicht auf die Musiker selbst, denn Olivier Marguerit, der männliche Part der Band, spielt in nahezu unzähligen Pariser Formationen mit. So ist er Gitarrist bei den fabelhaften Los Chicros, spielt u.a. Querflöte und Piano in der Band
von Syd Matters und hilft auch schon mal bei Musikerinnen wie z.B. Bless aus.

Ich sah Olivier heute bereits zum vierten Male und dies jeweils in unterschiedlichen Bands! Eine Premiere für mich war allerdings der Auftritt der charmanten weiblichen Partnerin von Olivier, die sich auf der extrem lustig gemachten MySpace Seite Bud Low nennt. Bevor ich mich der hübschen jungen Dame zuwende, muß ich allerdings noch ein paar lustige Dinge besagter MySpace Seite zitieren:

"We smoke more cigarettes than you can" kann man dort bereits eingangs lesen und weiter unten, influences: "God, Dreams, Sumos, Sex and Rock'n Roll!" Auch köstlich: "Sounds like: A mouse making love with a cow on a horse"...

Man merkt also schnell, daß die beiden zu Späßen aufgelegt sind und uns zum
Lachen bringen wollen, ohne daß man übersehen darf, daß manchmal ein zum Teil süß-sauer bis schwarzer Humor mitschwingt.

Und überhaupt: gibt es eigentlich einen cooleren Namen für eine Band? My Girlfriend Is Better Than Yours, wie klasse ist das denn?

Die Schmunzler hatte das infernale Duo also schnell auf seiner Seite, aber auch die Freunde guter Musik kamen auf ihre Kosten. Olivier, wie immer mit seinem Trucker-Kappi mit der Aufschrift: "I love Austin" behütet, sang mitunter mit Inbrunst und weitaufgerissenem Munde die witzigen Texte und die süße Bud Flow assistierte ihn hierbei aufs Trefflichste. Neben dem sinnlichen Gesang steuerte sie die Keyboard-Parts bei, während Monsieur Marguerit Gitarre spielte. Besonders gut gefiel mir das zur Mitte hin gebrachte "Winterfarmland", welches gekonnt Country-Einflüsse mit elektronischer Musik verknüpfte. Weniger traditionell war im Anschluß dann ihr "Hit" (Zitat Olivier) "My Girlfriend is better than yours" welcher neben dem unschlagbaren Titel auch eine eingängige Melodie und einen tanzbaren Rhythmus aufweisen kann. Von der Stimmung und dem augenzwinkernden Moment her (weniger von der Musik) erinnerte mich das ein wenig an den Song "I Kill Her" von der Pariser Formation Soko.

Schade, daß mit "My Dictionnary" dann auch schon das letzte Lied des Abends kam, ich hätte mehr von dem Duo vertragen können. Zur Freude der zahlreichen Besucher, wiederholten sie aber zumindest das erste Stück "Before My Memory" noch einmal.

Ich werde die beiden auf jeden Fall im Auge behalten und wer weiß, vielleicht werden sie ja auch in Deutschland bekannt? Zu wünschen wäre es ihnen!

Setlist My Girlfriend Is Better Than Yours, Le Motel, Paris:

01: Before My Memory
02: From My Sofa
03: Girl From South
04: Winterfarmland
05: My Girlfriend Is Better Than Yours
06: My Dictionnary

07: Before My Memory (Z)



Donnerstag, 19. Juli 2007

Animal Collective, Paris, 18.07.07

3 Kommentare
Konzert: Animal Collective
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 18.07.2007
Zuschauer: gab es trotz der Hitze so einige


"Voller Magen studiert nicht gern", heißt eines dieser blöden Sprichwörter. Nach dem heutigen Abend möchte ich hinzufügen: hungriger Magen geht nicht gerne auf Konzerte!

Hätte ich mir doch bloß noch etwas zwischen die Kiemen geschoben, bevor ich zur stickigen Maroquinerie aufbrach!

Dort angekommen, war es erwartungsgemäß schwül-warm und trotzdem ziemlich voll, obwohl die Amerikaner Animal Collective gerade erst am Vortag an gleicher Stelle ihre bizarre Show abgezogen hatten. Einige Zuschauer haben beide Konzerte mitgenommen, was wohl auch daran lag, daß im Moment so gut wie gar keine interessanten Gigs mehr stattfinden und Konzert-Junkies (zu denen ich mich auch zähle) verzweifelt versuchen, irgendwie an ihren Stoff zu kommen.

Vor Animal Collective wurden aber zunächst noch zwei andere Acts platziert, nämlich Gravenhurst und Sebastian Schuller. Erstgenannten habe ich verpasst und
normalerweise würde ich leider sagen, weil ich die folkige Musik des Engländers mag, aber heute war ich einfach nicht in der Stimmung für endlose Konzerte und viele Vorgruppen. So hielt sich dann auch meine Begeisterung für den Franzosen Sebastian Schuller, der noch auf seinem elektrischen Piano klimperte, als ich den heißen Saal betrat, in Grenzen. Und das obwohl der Mann durchaus ein Gespür für schöne sphärische Musik hat. Sein Album "Happiness" aus dem Jahre 2005 zählte zu den Kritikerlieblingen in Frankreich und das mit Sicherheit nicht zu Unrecht.

Gegen 21 Uhr 30 nahmen dann endlich die Animal Collectives ihre Plätze hinter den vielkabeligen Mischpults ein. Normalerweise besteht die Band aus vier Mitgliedern:

Brian Weitz aka Geologist, Josh Dibb aka Deaken, David Parker aka Avey Tare und Noah Lennox aka Panda Bear. Eben jener letztgenannte Panda Bear hat unter diesem Namen 2007 ein vielumjubeltes Album vorgelegt, "Person Pitch" heißt das Machwerk. Von Panda Bear stammte aber am heutigen Abend kein Titel, schließlich haben Animal Collective selbst bereits sieben Alben in fünf Jahren auf ihrem Guthabenkonto und dieses Jahr ist mit "People" schon wieder eine neue EP erschienen, da besteht wirklich keinerlei Mangel an spielbarem Material...

Eine der vier Burschen schien aber heute zu fehlen, denn auf der Bühne waren nur drei junge Herren in Aktion. Panda Bear war mit Sicherheit von der Partie, schließlich
steuerte er einen Teil der Gesangesparts bei, aber auch ein weiterer Sänger mit rapperhafter Basecap und ebensolchen Gesten und Gesangestechniken und schließlich ein bärtiger Typ, der witzigerweise ein Lämpchen um den Kopf befestigt hatte, wie sie normalerweise Grubenarbeiter verwenden...

Ein recht kurioses und verrücktes Trio also, das nicht nur etwas kauzig aussah, sondern auch die entsprechende Musik dazu machte. Da ich die Alben "Sung Tongs" (2004) und "Feels" (2006) besitze, wußte ich allerdings ungefähr, auf was ich mich da eingelassen hatte...

Nicht einkalkuliert hatte ich aber, wie eingangs bereits erwähnt, daß ein leerer Magen
auf solcherlei experimentelle Musik nicht gut zu sprechen ist und daß man Animal Collective vielleicht lieber auf einer Wiese liegend genießen sollte, am besten noch bei gleichzeitiger Einnahme eines glücklich machenden halluzinogenen Pilzes!

Dies soll jetzt aber keine Anstiftung zur Einnahme von Drogen sein, auf gar keinen Fall, obwohl man mit der Hilfe solcher Substanzen den Abend wahrscheinlich angenehmer verbracht hätte.

Stattdessen sah ich in meiner Umgebung etliche Leute unter der Hitze und der bisweilen extrem monotonen und repetitiven Musik leiden, was darin gipfelte, daß einige Besucher an die Geländer gelehnt, Schläfchen hielten!

Ja war das denn wirklich so öde? Zum Einschlafen? Nun, wenn man Samples bringt, in denen beispielsweise das deutsche Wort "Hundert" so einige Male wiederholt wurde und dann auch noch Passagen einbaut, in denen außer seltsamen
Zischgeräuschen und elektronischen Klängen nicht allzuviel passiert, kann man schon einmal wegnicken!

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: ich mag Animal Collective! Eigentlich...

Mir fällt es allerdings schwer zu leugnen, daß ich mich... gräßlich gelangweilt habe und die Zeit mir sehr lang wurde. Woran lag's? Ich meine jetzt außer an dem Bärenhunger und der Bullenhitze? Lag es an den anderen Tieren also, dem animalischen Kollektiv mit ihrem ollen Panda Bear?

Nun, ein wenig schon, schließlich brachten sie kaum ein Lied, das ich erkannte. Das
relativ konventionelle, aber vielleicht gerade deshalb großartige "Purple Bottle" von dem Album "Feels", war zum Beispiel nicht dabei, aber auch sonst war das gespielte Material weitestgehend unveröffentlicht und somit unbekannt. Ein Musiker von Nelson, der ebenfalls anwesend war und die Band aus den USA sehr mag, sagte mir im Anschluß, daß sie etliche Titel von einem Werk gespielt hätten, das erst in 2 Jahren veröffentlicht werden soll. Wie bitte? Sind diese Amis wirklich so durchgeknallt? - Es scheint so, mit 7 Alben in 5 Jahren muten sie den Hörern ja eh schon viel zu, aber dazu dann noch Lieder zu bringen, die vielleicht nie erscheinen werden, das geht schon ziemlich weit!

Zum Glück erkannte ich wenistens den abschließenden und endlich auch ein wenig mitreißenden Titel, obwohl mir der Name jetzt gerade entfallen ist. Große Animal
Collective Fans werden wissen, wovon ich rede, wenn ich sage, daß eine Songzeile hierbei: "Tiger, Tiger, Tiger, Tiger" war.

Das kam irgendwie dann doch ziemlich gut: "Tiger, Tiger, Tiger" und dazu drei extatisch tanzende junge Männer, die die Temperaturen in der Maroquinerie noch einmal um geschätzte 5 Grad erhöhten!

Fazit: beim nächsten Mal komme ich satt und mit gekühltem Kopf zu ihrem Konzert und versuche wild mitzutanzen, denn wenn man nur an der Seite rumsteht, geht die Show definitiv an einem vorbei!

Animal Collective Konzerttermine:

22. Juli: Benicassim
29. Juli: Wien (Arena)




The Hidden Cameras, Frankfurt, 18.07.07

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Konzert: The Hidden Cameras
Ort: Das Bett, Frankfurt
Datum: 18.07.2007
Zuschauer: ca. 100 (voll)

Als Musik und Licht im Bett (der Club heißt wirklich so) ausgingen, marschierte eine ganze Menge Musiker mit kurzen Kapuzencapes, begleitet von Geigenklängen und komischem Gesang quer durchs Publikum auf die Bühne. Ein extravaganter Konzertstart - aber ein sehr unterhaltsamer. Und so sollte dann der Abend auch weitergehen, viel Unterhaltung, tolle Musik und keinerlei Langeweile. Meine Lust war vorher sehr gering, mich bei diesen Temperaturen in eine überhitzte Kneipe zu begeben, um da mit verschwitzen Leuten ein Konzert zu sehen. Doch nach Frankfurt zu fahren, war sicher nicht meine schlechteste Idee der letzten Wochen.

Der Club mit dem komischen Namen liegt in Sachsenhausen, mitten zwischen Apfelweinkneipen. Das Bett ist ein kleiner Raum, ein Rechteck mit Bar am einen Ende und Bühne am anderen. Auf seiner Webseite behauptet es, die Musik sei, weil es so klein sei, leise. Ich sah also keinerlei Grund, mich nicht nach ganz vorne an den Rand zu stellen. Die Boxen sahen auch wirklich nicht besonders eindrucksvoll aus, der durchschnittliche hessische Heimtuner hat größere Lautstärker im Auto. Der Platz am Rand hatte aber einen viel wichtigeren Vorteil: Er war gut belüftet mit kalter Luft. Herrlich! Meine Vermutung bezüglich der Lautstärke sollte sich als falsch rausstellen, es war ordentlich laut in der kleinen Bude!

Die Band hatte mittlerweile die Kaputzen abgelegt und sich irgendwie auf der kleinen
Bühne aufgebaut. In Frankfurt waren es acht Musiker, bei Hidden Cameras Konzerten ist wohl nie ganz klar, wie viele Leute da gerade beteiligt sind. Das scheint aber auch nicht richtig wichtig zu sein, denn es fand ein lustiges und regelmäßiges Wechseln der Instrumente statt. Im Bett spielten neben Sänger und Gitarrist Joel Gibb ein Geiger, ein Kontrabassist und ein anderer Bassist, ein Schlagzeuger und drei Keyboard, Tambourin oder Gitarre spielende Musiker, u.a. die einzige Frau der Band.

Die Keyboarderin war es auch, die vor jedem Lied Vorschläge machte, was gespielt werden könnte. Sie sah auf ihren handgeschriebenen Zettel, sagte Joel irgendetwas
und er begann und der Rest stieg ein. Bei einem Stück fragte der Schlagzeuger einen der drei Keyboarder (und so) mehrfach, ob er denn nun fertig sei, es ginge jetzt weiter. Manchmal diskutierte man auch erst eine Weile, was denn nun käme. Der glatzköpfige Geiger schlug dabei immer "We oh we" vor, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Leider erkenne ich viel zu wenige Liedtitel, um die Setliste zusammen zu bekommen. Aber so hatte ich auch viel mehr Muße, dem wundervollen Konzert zuzuhören. Musikalisch bewegte sich der Abend irgendwo
zwischen den Eckpunkten Arcade Fire, Beach Boys, Interpol und Belle & Sebastian, mal kamen ruhigere Stücke, dann aber auch richtiger Indierock, eine perfekte Mischung.

Und es war vor allem ein fröhliches Konzert. Die kleine Keyboarderin und der keyboardende Gitarrist tanzten immer wieder mit Tambourin bewaffnet durchs Publikum und animierten die Zuschauer, auch zu tanzen (dafür waren die befürchteten
Gogo-Tänzer auch nicht da - die hatten vermutlich einen Talkshowauftritt). Sänger Joel, der wohl in Berlin lebt, spricht passabel deutsch. Er fragte irgendwann: "Was geht, Frankfurt?" (das ist sogar die exakt richtige Wortwahl für Frankfurt!). Ein Freund hätte ihm erzählt, Frankfurt sei die beste Stadt Deutschlands und "Hessen ist die beste Bundesland." Heute war Frankfurt ganz sicher musikalisch der Ort in Deutschland, an dem man sein mußte!



Mittwoch, 18. Juli 2007

Kim Novak, Paris, 17.07.07

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Konzert: Kim Novak

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 17.07.2007
Zuschauer: zu wenige für diese fabelhafte Band!

"Merci d'être resté ", (vielen Dank dafür, dageblieben zu sein) murmelte der hochsymphatische Sänger Jérémie in sein Mikro, als die französische Band Kim Novak endlich mit ihrem Konzert loslegen durfte.

In der trendigen Szene-Kneipe Flèche d'or war es wieder einmal spät geworden und die üblichen Abweichungen vom Zeitplan sorgten dafür, daß das Quartett aus Caen in der Normandie erst gegen Mitternacht beginnen konnte.

Aber warum bedankt sich der Sänger und Gitarrist der - wie es der Name nicht
vermuten lässt - rein männlichen Band eigentlich dafür, daß wenigstens ein paar Nachteulen so lange ausgeharrt haben? Sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, schließlich gehören Kim Novak zum Besten, was Frankreich musikalisch je hervorgebracht hat! In einer gerechten Welt würden die Jungs aus der Normandie das riesige Zénith in Paris füllen und nicht Superbus! Die schreibende Zunft sah das ähnlich: "Interpol muss sich warm anziehen", so war sinngemäß der Tenor der französichen Fachzeitschriften von Magic über Trax bis hin zu Rolling Stone bezüglich des Debütalbums "Luck And Accident".

Interpol? Ja genau, die melancholischen Dark-Rocker aus NYC sind gemeint und werden immer wieder als Referenz genannt, wenn von Kim Novak die Rede ist. Dabei reichen die Einflüsse der Franzosen viel weiter zurück, bis hin zu Roxy Music aus den 70er-Jahren!

Natürlich sind auch einige Künstler aus Manchester dabei, vor allem aus der Hochzeit des Labels Factory zu Beginn der 80er Jahre, wie z.B. Joy Divison und The Durutti Column, aber auch die Smiths gehören zu den Inspirationsquellen.

Aber all dieses Namedropping kann nicht die Klasse, die Eleganz, die wunderbaren Melodien, die
herzerweichenden Texte und die sanfte Melancholie, die jedem Titel der schüchtern wirkenden Männer innewohnt, erklären.

Vor allem der Gesang des hochaufgeschossenen Jérémie kann eigentlich niemanden kalt lassen, es sei denn er hat wirklich ein Herz aus Stein! Schon mit dem heutigen
Opener, dem getragenen "In The Mirror" jagte er mir wieder einmal einen kalten Schauer über den Rücken!

Wenn dann wie beim folgenden "Better Run" auch noch die wundervollen Gitarrenriffs von Gitarrist Hairday einsetzen und der Bass von Ugo lospoltert, ist es schon wieder um mich geschehen und ich bin tief eingetaucht in die melancholische Welt der Nordfranzosen. Auf faszierende Weise schaffen sie es jedesmal, mich dazu zu bringen, mit einem Auge zu weinen und dem anderen zu lachen. Ein wahrlich diabolischer Psycho-Cocktail ist das, von dem ich nicht genug bekommen kann...

Auch das neue Stück "Deep Show" gefiel mir auf Anhieb und später auch die anderen beiden nicht auf dem Debütalbum "Luck And Accident" vertretenen Stücke, das
noisige "White Fever" und das abschließende "Reaction" überzeugten auf der ganzen Linie.

Die Albumtitel begeistern mich eh seit geraumer Zeit allesamt. Hervorheben möchte ich trotzdem "Some Photographs", das es fast nicht auf das Album geschafft hätte, "Crash" und "Swallow".

Erstgenanntes fängt relativ verhalten kann, steigert sich aber gegen Ende hin in einen regelrechten Rausch, bei dem Drummer Cyrill auch heute wieder (ich sehe die Band zum dritten Mal) hinter seinen Drumms explodierte und die melodischen Gitarren sich mit dem markanten Bass einen regelrechten Wettkampf lieferten, was die Kerle dazu brachte, tief runter in die Knie zu gehen.

"It's like in a movie, i hate it, when i guess the end" singt Jérémie mit Inbrunst bei
"Crash". Da kann ich ihm beipflichten, auch ich kann es nicht leiden, wenn man bei einem Film schnell das Ende erahnt. Bei dem Song "Crash" ist das aber Mitnichten der Fall, der Titel, der ebenfalls sehr schleppend beginnt, steckt voller Überraschungen und ist am Ende ein regelrechter Schocker, wow!!

"Swallow" schließlich scheint der heiterste und treibendste Song der Band zu sein, von Anfang an ist da Dampf und Wucht drin, aber auch überraschende Rhythmuswechsel und hochmelodische Gitarren wissen zu begeistern. Besonders toll: wenn nach 2:15 Minuten das Lied scheinbar seine Struktur wechselt und in einen fast neuen Titel übergeht, ein wenig wie bei "Take Me Out" von Franz Ferdinand. Auch hier beeindruckt mich wieder eine Textzeile: "everything is gonna be better and better, everything is gonna be right tonight", ein Beweis dafür, daß bei aller Melancholie, ja Depressivität, die in der Musik von Kim Novak zweifelsohne steckt, das rettende Ufer, Das Licht am Ende des Tunnels nie weit entfernt ist...

Merci Jérémie, Ugo, Cyrill, Hairday pour votre générosité et votre talent. Vous êtes des types super biens!!

Setlist Kim Novak, Paris:

01: In The Mirror
02: Better Run
03: Deep Show
04: Turn A Rabbit
05: On My Back
06: Some Photographs
07: White Fever
08: Female Friends
09: If
10: Lost At Play
11: Crash
12: Swallow
13: Reaction




 

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