Donnerstag, 31. Mai 2007

Built to Spill, Paris, 30.05.07

6 Kommentare
Konzert: Built To Spill
Datum: 30.05.2007
Ort: La Maroquinerie, Paris
Zuschauer: ausverkauft


Kommen Frauen eigentlich nur zu Rock-Konzerten, wenn schlanke Musiker mit Waschbrettbauch und knackigen Hinterteilen auf der Bühne stehen? Geht es ihnen also gar nicht vornehmlich um die Musik, sondern um einen attrakiven Anblick? Fast könnte man diesen Eindruch gewinnen, denn wie schon bei Slint war der Frauenanteil wieder äußerst gering, er lag bei vielleicht 15 %. Wenn britische Nachwuchsrocker, Mando Diao, oder die Killers auf dem Programm stehen, sieht das trotz schlechterer Musik ganz anders aus, da geben sich die hübschen Mädchen die Klinke in die Hand...

Ach, die Weiber mit ihrer Po-Fixiertheit! Achten nur auf Äußerlichkeiten, von wirklich guter Musik verstehen se nix! (he,he, he, jetzt krieg ich bestimmt Ärger...). Na gut, Doug Martsch und seine Bandmitglieder von Built To Spill sind nicht wirklich was für's Auge, mit ihren Vollbärten, dem teilweise lichten Haar und den nicht sehr schlanken Bäuchen, das geb' ich ja zu. Zudem tragen sie wirklich häßliche, labrige T-Shirts, die jeweils nicht mehr als eine ihrer CDs gekostet haben dürften... Aber man kommt doch schließlich wegen der Musik zu einem Konzert, oder? ;-) Ich jedenfalls, zumindest zum überwiegenden Teil. Gegen den Anblick einiger flotter Bienen im Publikum, so mit Skinny-Jeans, Ballerinas, oder trendigen roten Lackschuhen hätte ich allerdings nichts gehabt, stattdessen war ich umgeben von Typen mit Vollbärten, Brillen und der falschen Jeans...

Schon verblüffend, daß das Publikum immer den Bands ähnlich sieht, bei den Babyshambles laufen sie alle mit diesem Clochard-Hütchen rum, sind die Bandmitglieder hingegen bärtig, sind es die Fans zumeist auch. Bartträger machen aber interessanterweise immer irgendwie die beste Musik, das war schon bei Arab Strap so, setzt sich fort mit Bonnie "Prince" Billy und Built To Spill machen auch keine Ausnahme von der Regel.

Vor den Amerikanern durfte aber noch kurz das Pariser Blues-Rock Trio von Sentenza Bühnenluft schnuppern, sie vertraten die nicht erschienenen Camper Van Beethoven. Und das sehr würdig, ihre Lieder im Stile von Neil Young, Led Zep, oder den White Stripes und den Kings of Leon, gefielen mir richtig gut.

Den anschließenden Umbau besorgten dann die Musiker von Built To Spill, inklusive Frontmann Doug Martsch, ganz alleine, wie das auch Christoph schon von dem Kölner Konzert berichtet hatte. Irgendwann ging das Licht aus und es konnte sofort losgehen, schließlich stand die Band ja schon auf der Bühne. So etwas hatte ich zuvor auch noch nicht gesehen!

Eine weitere Parallele zu Köln: Opener war auch hier das fabelhafte "Liar" von dem letzten Album "You In Reverse". Schon jetzt scheint mir der Song das Zeug zum Klassiker zu haben. Die Stimme von Doug klang klar und prägnant, genau wie auf den Alben, der Sound war allerdings etwas zu dumpf. Zudem gab es des öfteren Rückkoppelungen, die nicht nur mir Schmerzen in den Ohren bereiteten. Dabei waren die Lauscherchen ohnehin schon genug strapaziert, denn es war wirklich höllisch laut! Das Taubheitsgefühl in den Ohren werde ich wohl frühestens in zwei Tagen verlieren...

Zurück zum Set: mit Lied zwei, "In The Morning", endeten die Ähnlichkeiten zu dem Kölner Gig vorläufig, denn an dritter Stelle kam in Paris "Time Trap". Den Titel von "Keep It Like A Secret" mochte ich schon immer, ich war erfreut, ihn endlich auch mal live zu hören. Typischerweise hörte man hier, wie so oft bei Built To Spill, erst einmal zwei Minuten lang nur melodische Gitarren, bevor Douggie zu seinem Einsatz kam. Mit drei Gitarren errichteten die Musiker hierbei wahre Soundwände, die die Maroquinerie zum Beben brachte. Ich mußte mich ein wenig von den Boxen wegbewegen, um das Aushalten zu können, nicht weil es schlecht war, sondern weil einfach mein persönlicher Dezibelpegel überschritten wurde. Mit "Strange" von "Ancient Melodies Of The Future" wurde wunderbar an das vorige Lied angeknüpft, auch dieses Stück ist nämlich einer meiner Favoriten aus dem umfangreichen Repertoire der Band. Meine Augen waren hierbei auf den Drummer gerichtet, der scheinbar aus der Hüfte auf sein Arbeitsgerät einprügelte. Peng! Paff! Peng, erklang es hart und trocken, ohne daß der Bursche jedoch eine Miene verzog. Kalt wie eine Hundeschnauze saß er da, ohne jede Mimik. Das fand ich herrlich, ich liebe nämlich stoische Schlagzeuger, die ohne groß Aufhebens zu machen, mächtig Gas geben. Das hatte mich auch schon damals bei einem Konzert der Kings of Leon fasziniert, die haben einen ähnlich coolen Burschen hinter der Schießbude, ganz im Gegensatz zu den Killers, bei dem der Drummer immer seltsame Grimassen schneidet.

"Going Against Your Mind" sorgte dann für die bisher beste Stimmung im Saale, manche Herren in den ersten Reihen tanzten gar wild umher. Soviel Euphorie schien auch Doug anzustecken, denn entgegen seiner Gewohnheiten bedankte er sich äußerst redseelig mit "Thank you very much". Christoph hatte ja schon berichtet, wie das sonst von Statten geht: ein knappes "Thanks" ist das höchste der Gefühle. Um die nächsten Lieder anzukündigen, mußte der bärtige Sänger aber gezwungenermaßen weiter aushohlen. "Auf den Postern, die da im Flur rumhängen, waren ja eigentlich Camper Van Beethoven angekündigt, aber irgendwie haben die es nicht ganz nach Paris geschafft. Um etwas für Ausgleich zu sorgen, spielen wir jetzt einfach drei Lieder der Camper, von denen wir zwei gut und ein drittes relativ gut kennen." Und so hielten sie es auch in der Folge, wir kamen in den Genuß von drei Cover-Versionen der College-Rock Kollegen. Leider kannte ich die Titel nicht, ein Stück stammte allerdings ganz sicher vom Album "New Roman Times". Danach wollten die Leute aber dringend wieder Original Built To Spill Material haben und das bekamen sie natürlich auch. Hervorzuheben waren hierbei die Ballade "Car" und das flotte "Conventional Wisdom", welches auch das offizielle Set beendete. Die folgende Zugabe war dann typisch für amerikanischen Indie-Rock. "The Plan" beeinhaltete zahlreiche Gitarrensoli, Tempowechsel und ähnliche Dinge. Das Stück wurde über geschlagene 25 Minuten ausgedehnt und war deshalb selbst für mich, der gegen lange Instrumentalpassagen eigentlich nichts einzuwänden hat, etwas zu langatmig. Insgesamt war es ein solides und gutes Konzert, wenngleich die erwartete Euphorie bei mir ausblieb. Vielleicht liegt es daran, daß mich im Moment experimentelle Band wie !!! oder Battles etwas mehr inspirieren...

Auszug aus der Setlist Built To Spill Paris:

- Liar
- In The Morning
- Time Trap
- Strange
- Goin' Against Your Mind
- 3 Lieder von Camper Van Beethoven
- Car
- Conventional Wisdom

- The Plan (Z)

von Oliver

Bilder und Links folgen





Klee, Saarbrücken, 30.05.07

8 Kommentare
Konzert: Klee Radiokonzert
Ort: Sendehaus Unser Ding, Saarbrücken

Datum: 30.05.2007

Zuschauer: 200 (voll)


In einer gerechteren Welt wären nicht Anastacia, Chris de Burgh oder Herbert Grönemeyer wer weiß wie oft bei Wetten Dass! und Thomas Gottschalk aufgetreten. In einer gerechten Welt wären da The Organ, Malcolm Middleton oder Klee Dauergast. Und natürlich jemand anderes Moderator. Aber da die Welt leider nicht gerechter ist, als sie ist, gehe ich samstags lieber zu Konzerten und werbe überall kräftig für meine Lieblinge. Denn anders als dieser Konflikt, will ich eine Band lieber für mich alleine haben oder will ich, daß die Massenerfolg haben, möchte ich, daß Klee z.B. verdammt viel Erfolg hat. So! Das mußte ich mal loswerden!

Große Radiokonzerterfahrung hatte ich bisher nicht. Einslive hatte die Kaiser Chiefs in Wuppertal in einem solchen Rahmen aufgefahren. Da war dann ausgelostes Publikum und ein einstündiges Programm, denn das Konzert war live und der Verkehrsfunk das Folgeprogramm. Daher war ich mit der Erwartung nach Saarbrücken gefahren, daß Klee eine Stunde spielen dürften, vermutlich vor bestuhlten Reihen, denn das Konzert sollte im Sendesaal von Unser Ding stattfinden. Auf den ersten Blick war es dann auch so: Der Raum war klein und hatte fünf, sechs Stuhlreihen, die leicht anstiegen, die Band spielte also ganz unten. Karten für das Konzert konnte man nur gewinnen, bei Unser Ding oder bei Klee.

Kurz nach acht begann es dann. Suzie trug eine dieser 80er Jahre
Plastik-Schirmkappen (in Pink), Schlagzeuger Daniel saß hinter einer Plexiglas-Wand (warum auch immer - in Paris gab es das bei einem Konzert ja auch letztens) aber sonst war alles so wie immer: Vom ersten Lied an ("Zu andern Ufern") war es wundervoll. Natürlich war es umständehalber leiser als ein Konzert in einem anderen Umfeld. Weniger Lautstärke hieß aber nicht weniger Energie! Suzie begrüßte uns dann damit, daß das Konzert für sie etwas Besonderes sei. Zum einen dieses Radiokonzertambiente mit Publikum, das sitzen müsste, hauptsächlich aber, weil Klee vor lauter Gewinnertypen spielen würden.

Bei den Zuhörern hatte ich den Eindruck, daß die meisten die Band (und einzelne
Lieder) zwar kannten, aber nicht unbedingt alle Lieder. Applaus gab es also immer erst am Ende der Lieder, nicht schon nach den ersten Takten. Vielleicht lag das aber auch eben an der Umgebung, die einfach etwas einschüchternd wirkte. Es dauerte auch bis "Mein Geheimnis", bis die ersten Leute von den Stühlen aufstanden. Und auch dann trauten sich die wenigsten, stehen zu bleiben. Einige standen, einige setzten sich immer wieder, das war ziemlich stressig.

Bei "Lichtstrahl", Radio hin oder her, verzichtete Suzie nicht auf die
Scheinwerfernummer. Wenn Ihr das Konzert an Fronleichnam (07.06.07) im Radio hört, müßt Ihr also wissen, daß bei Lied sieben das Licht ausging und zwei Taschenlampen die einzige Lichtquelle war. Nach dem zehnten Lied verteilte Suzie 4711-Tücher, als kleinen Gruß aus Köln. Überhaupt war es wieder herrlich, wie unterhaltsam die Klee-Sängerin ist. Ich mag das sehr, wenn eine Band auch immer wieder Geschichtchen erzählt. Und nach vielen Konzerten in den letzten Jahren bin ich sicher, daß das niemand besser macht als Suzie. Gestern war es dann u.a. eine Geburtstagsbescherung. Unser Ding-Mann Christian hatte Geburtstag. Suzie rief ihn nach unten, um ihm zu gratulieren und befragte ihn, was er denn beim Radio mache. Da er Nachrichten liest, sollte er das dann auch mal machen, was ihn sichtbar überforderte. Er entschuldigte sich damit, daß er schrecklich aufgeregt sei, weil er mit ihr spreche. Suzie beruhigte ihn, denn er müsse nicht aufgeregt sein, sie erlebe sich selbst ja auch jeden Tag, und wenn sie dann immer aufgeregt wäre, hätte sie ja schon graue Haare. Haare bekam Christian dann auch, nämlich eine Tokio-Hotel-Perücke, die wohl schon einige Konzerte mitgemacht hatte.

Christian bekam dann noch ein "Happy Birthday"-Ständchen, bevor die letzten drei Lieder vor den Zugaben kamen. Die drei waren "Nicht immer aber jetzt", bei dem die unter 16jährigen Radiohörer weghören sollten ("Wodka, nein nicht immer aber jetzt"), "Gold", mit dem Klee das Saarland beim Bundesvision Song Contest vertreten hatten und das wundervolle "Über mir die Sterne". Natürlich brüllte alles danach nach einer Zugabe.
Die Band kam dann schnell wieder auf die Bühne und spielte "Für alle, die" und "Solang Du lebst".

Danach kam Suzie dann nur von Schlagzeuger Daniel zurück. Daniel setzte sich auf
seinen Platz und Suzie kam ins Reden. Sie wäre ja jetzt gerade so einsam (und stimmte dann "So lonely" an). Ach, und sie wollte immer schon mal die Instrumente der anderen ausprobieren. Also klimperte sie erst etwas auf Stens Keyboards rum, nahm sich dann den Bass, bekam den aber nicht an, zupfte dann etwas drauf rum und sang dazu ein kleines Lied ("Es ist ganz einfach, es sind nur vier Saiten"), ging dann zur Gitarre ("Ich drücke einfach mal alle Knöppe"), während die Restband ungeduldig hinter dem Vorhang wartete (Tom gab nämlich Antwort, als Suzie verzweifelt versuchte, die Gitarre und die Pedale zu bedienen). "Der größte Moment" war dann die letzte Zugabe und beendete dieses Konzert (nach anderthalb Stunden).

Selbst aus einem so engen Rahmen ein so besonderes Konzert zu machen, ist großartig. Aber das ist halt so: Denn meine Klee-Konzerte waren bisher immer ganz besonders (das leise im Mediapark, das gefilmte und grandiose im Gloria...). Spiegel online hat in der dieswöchentlichen Abgehört-Ausgabe die neue Platte von Wir sind Helden vorgestellt. Der Autor hat da geschrieben, es sei nun mal Fakt, daß die Helden die beste Band Deutschlands seien. Das hat mich veranlasst, dem Spiegel erstmals einen Leserbrief zu schreiben und festzustellen, daß es hochgradig blödsinnig ist, eine beste Band auszumachen, weil man die Güte einer Band nicht messen könne - und vor allem Bandgüten nicht vergleichen könnte wie Temperaturen. Und übrigens sei Klee die beste Band Deutschlands!

Setlist Klee Unser Ding Radiokonzert Saarbrücken:

01: Zu anderen Ufern
02: Die Stadt
03: Tausendfach
04: Liebe mich leben
05: Mein Geheimnis
06: Zwei Fragen
07: Lichtstrahl
08: Mit Deinen Augen
09: Dieser Fehler
10: Bis an den Rand der Klippen
11: Nicht immer aber jetzt
12: Gold
13: Über mir die Sterne

14: Für alle, die (Z)
15: Solang Du lebst (Z)

16: Der größte Moment (Z)

Links:

- mehr Fotos
- Klee im Gloria
- Klamottenrockerei im Mediapark
- Unser Ding


Mittwoch, 30. Mai 2007

Wilco, Paris, 29.05.07

5 Kommentare
Konzert: Wilco
Datum: 29.05.2007
Ort: Le Bataclan, Paris
Zuschauer: zu 85% ausgelastet


Ein paar verzogene Returns von Philipp Kohlschreiber waren der Grund dafür, daß ich fünf Lieder von Wilco am heutigen Abend verpasste. Am Nachmittag frönte ich nämlich meiner nach Musik zweitgrößten Leidenschaft, dem Tennissport. Beim Turnier von Roland Garros im Bois de Boulogne von Paris wurde ich Zeuge einer äußerst dramatischen Partie, zwischen Kohlschreiber und dem Tschechen Dlouhy. Der Deutsche hatte im fünften Satz bereits vier Matchbälle beim Stande von 6:5, allerdings bei gegnerischem Aufschlag. Hätte er eine dieser Chancen genutzt, wäre ich frühzeitig losgekommen, so aber dauerte das Match mindestens noch eine Stunde länger und endete...17: 15 für Kohlschreiber!

Als ich gegen 21 Uhr 15 abgehetzt das Bataclan betrat, erklang gerade eines der besten Gitarrensoli der letzten 10 Jahre. Ich spreche von dem umwerfenden Instrumentalpart in "At Least That's What You Said" nach genau 2:32 Spielzeit (zumindest auf der CD), welcher das Lied in zwei Teile aufgliedert und den langsamen Part beendet. Damit war ein Einstieg nach Maß gelungen und der Frust darüber, unter anderem eines der gelungensten Stücke des neuen Albums "Sky Blue Sky", nämlich "You Are My Face" verpasst zu haben, einigermaßen vergessen... Das nachfolgende "Side With The Seeds" konnte allerdings nicht ganz an das vorangegangene Lied anschließen, vielleicht, weil ich einfach noch ein wenig Zeit brauche, mich an das neue Album zu gewöhnen. Es ist mir noch nicht ganz so vertraut, wie meine Lieblinge "Summerteeth", "Yankee Hotel Foxtrott" und "A Ghost Is Born". Mit dem Klassiker "Via Chicago" hatten Wilco mich dann aber wieder für sich gewonnen, zumal sie die Ballade mit plötzlich aufbrausenden, donnernden Gitarren aufmotzten, nur um anschließend wieder das Tempo rauszunehmen. Nach wie vor ist das Lied über die Heimatstadt von Frontmann Jeff Tweedy und seinen Wilcos eine sichere Zugnummer, da einfach zeitlos schön. Die rockige Version des Songs kann man übrigens auf "Kicking Television", der Live- CD der Band hören.

Mit "Jesus etc." ging der Reigen der Klassiker nahtlos weiter. Schon die ersten Gitarrenriffe wurden erkannt und die Textzeilen laut mitgesungen. Anscheinend waren heute einige Amerikaner im Bataclan versammelt, darunter wohl auch der Bruder von Jeff Tweedy. Ich bin mir ziemlich sicher, daß der mollige Brillenträger, der gleich neben mir stand und der Jeff wie aus dem Gesicht geschnitten war, zur Familie gehörte.

Zwei Amerikanerinnen fingen an, auf etwas altmodische Weise Tango dazu zu tanzen. Altmodisch ist das Stichwort: der Sound von Wilco ist ziemlich traditionell, Kritiker würden sagen altbacken, ich sage lieber zeitlos. Klar kommen da die siebziger Jahre durch, man denkt des öfteren an Neil Young oder The Band, aber wenn es so gut gemacht ist, habe ich damit überhaupt kein Problem. Auch nicht mit den oft brilletragenden und recht bieder wirkenden Mädchen, die heute abend versammelt waren. Heiße Bräute wie zuletzt bei !!! und LCD Soundsystem im Bataclan, suchte man nämlich vergeblich. Aber auf Coolness war heute mal geschissen, es zählte gute Musik und eine warme herzliche Atmosphäre und die bekam man geboten! Jeff Tweedy schafft es einfach immer wieder, Gefühle zu vermitteln, er wirkt authentisch und natürlich und kommunizierte erneut vorzüglich mit dem Publikum. Ähnlich hatte ich das auch schon vor gut zwei Jahren erlebt, als Wilco vor meinen Augen im Elysée Montmartre auftraten. "Hey, ihr seid wirklich ein tolles Völkchen, schade, daß wir schon heute nacht wieder abreisen müssen, es gäbe ihn Paris noch so viel zu sehen..." Selbst, wenn Rockbands so etwas in jeder Stadt behaupten, Tweedy nimmt man das irgendwie ab...

Bevor sie aber gingen, schütteten sie noch einmal ihr Herz aus, zunächst mit "Hummingbird", einem meiner Lieblingslieder von Wilco und schließlich mit "On And On", dem wohl schönsten Stück auf dem neuen Longplayer. Der Song hat das Zeug, zu meinen Top-Titeln des Jahres zu werden! "One night we will disappear together in a dream" heißt es da unter anderem und als Jeff diese Zeilen in sein Mikro schmachtete, mußte ich schon schwer schlucken. Und dann singt er auch noch "Please Don't cry"! Gar nicht so leicht, bei solch todtraurigen, aber doch wundervollen Liedern...

Als die Schmonzette verklungen war, verließ die sechsköpfige Band die Bühne, aber wer Wilco kennt, weiß, das sie mit Zugaben sehr großzügig sind. Da werden nicht, wie bei anderen Bands, zwei Lieder lieblos runtergespult, sondern ganz in Ruhe sechs (laut offizieller Setlist, ich habe sogar sieben gezählt) tolle Stücke geboten. Mein Favorit darunter war ganz klar die erste Zugabe "Impossible Germany", in dem nicht nur meine alte Heimat erwähnt wird, sondern auch über Japan ("unlikely Japan") gesungen wird. Immer wieder verblüffend, wie Wilco es mit einfachen Mitteln schaffen, wunderbare Lieder zu schreiben, ein paar schöne Gitarrenklänge und die charismatische Stimme von Tweedy reichen schon, "Impossible Germany" ist dafür ein schönes Beispiel. Nach gut 100 Minuten Spielzeit war dann leider Schluß, aber ich bin mir sicher, daß sich Wilco mit ihrer Musik noch lange halten werden und ich sie bald wieder erleben werde!

Wilco on Tour:

30.05.07: Gent
31.05.07: Amsterdam
02.07.07: Barcelona, Primavera Sound Festival
11.07.07: Montreux, Jazz-Festival

Setlist Wilco Paris:

01: You Are My Face
02: I Am Trying To Break Your Heart
03: Muzzle Of Bees
04: Handshake Drugs
05: Shot In The Arm
06: At Least That's What You Said
07: Side With The Seeds
08: Either Way
09: War On War
10: Via Chicago
11: Jesus etc.
12: Walken
13: I'm The Man Who Loves You
14: Hummingbird
15: On And On

16: Impossible Germany (Z)
17: Sky Blue Sky (Z)
18: Spiders (Z)

19: Hate It Here (Z)
20: Always In Love (Z)
21: Late Greats (Z)

von Oliver



Montag, 28. Mai 2007

Battles, Paris, 26.05.07

1 Kommentare
Konzert: Battles
Datum: 26.05.2007
Ort: La Maroquinerie, Paris
Zuschauer: ausverkauft


Boah, ey! Haut der aber fest auf sein armes Schlagzeug drauf, da platzt mir ja das Trommelfell! So etwas habe ich ja seit dem Konzert von den New Yorker Heavies von Helmet 2005 im Trabendo nicht mehr erlebt!

So in etwa waren meine Gedanken nach den ersten Stücken der amerikanischen Band Battles, die in der übervollen Maroquinerie auftraten. Peng!, peng!, peng!, es knallte und schepperte nur so in meinen Ohren, wenn der muskulöse Typ seine feuerrot funkelnden Drums massakrierte. Wie ich später erfahren sollte, heißt der Mann John Stanier und spielte damals bei ... Helmet! Die Drumsticks wirbelten nur so durch die Luft und das arme Musikinstrument hatte gar keine andere Wahl als harte und trockene Laute widerzugeben...

Nicht minder verblüffend war, wie das Ex-Don Caballero Mitglied Ian Williams gleichzeitig Gitarre spielte und sein Keyboard bediente und Tyondai Braxton merkwürdige, unverständliche Laute in sein Mikro brabbelte, während er ebenfalls mit Gitarre und Keyboard rumhantierte. Bassist David Konopka war noch die unspektakulärste Erscheinung, zumindest optisch, wenngleich er ein paar markante Bassläufe zu diesem bizarren Soundgemisch beisteuerte.

Was wurde hier eigentlich gespielt, war das (Kraut)-Rock, Elektro, Avantgarde, Free-Jazz, oder eine Mixtur aus all diesen Stilrichtungen? Gar nicht so leicht zu beantworten, bei der Lektüre des Wikipedia-Eintrags zu Battles fiel auch der Begriff Mathrock, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Wo auch immer man das musikalisch verorten will, eins war unzweideutig: das hier heute abend war völlig verrückt, abgedreht, freakig und saulaut! Die Leute in den ersten Reihen liessen nicht nur die Köpfe fliegen, sondern wippten mit dem ganzen Oberkörper rhythmisch mit. Zum Crowdsurfing kam es allerdings nicht.

Mehrfach verließ ich meinen Standort, denn egal, wo ich hinkam, es schallte mir mit einer Höllenlautstärke entgegen. Hier lief wirklich ein Affentheater ab, viele Leute hatten weit geöffnete Münder und staunten über die bizarren Sounds, die hier so kreiert wurden. Das erinnerte manchmal an Musik, die man aus Verfolgungsjagden im Fernsehen kennt, moderne Western, oder die Loveparade. Bei "Tij" hatte man den Eindruck, der Motor eines Autos würde nicht anspringen, oder jemand würde ersticken, was daher rührte das Sänger Tyondai Braxton Stöhnlaute von sich gab. Allein sein langes, stabartiges Mikro sah äußerst abgefahren aus. Bei den "Gesangseinlagen" handelte es sich übrigens um Neuerungen, die die Band mit ihrem aktuellen und bisher einzigen Album eingeführt hat. Die drei vorher erschienen EPs waren hingegen noch rein instrumental. Wobei es weniger um einen erkennbaren Gesang mit Texten ging, sondern eher um das Erzeugen von weiteren Geräuschen.

Nach den einzelnen Stücken brauchte die Band aus New York, die bei dem glänzenden und innovativen Warp-Label (Maximo Park, Grizzly Bear, !!!) unter Vertrag steht, manchmal etwas Zeit um die Steckverbindungen zu überprüfen und sonstige Einstellungen vorzunehmen. Eine dieser Pausen war ausgedehnter, Tyondai sah sich gezwungen, ein paar Takte zu sagen, obwohl er nicht dazu tauge "Small-Talk" zu betreiben, wie er meinte... Davon abgesehen überließen die Musiker dann lieber den Instrumenten das Reden, auf Ansagen, oder Anekdoten wurde verzichtet. Einer der Höhepunkte des jecken Sets war die Singleauskoppelung "Atlas", bei der man den Eindruck hatte, die Teletubbies, oder die Schlümpfe würden um ein Lagerfeuer tanzen. Äußerst tribalisch konnte ich das nur nennen! Ein voller Abräumer, der auch mich auf die Tanzfläche trieb und mir Schweißperlen auf mein Gesicht zeichnete. Und ich war nicht der einzige, der schwitzte. Selten habe ich gesehen, daß ein Musiker, die Bühne verlässt, ohne, daß auch nur eine einzige trockene Stelle auf dem Hemd erkennbar war. Ich spreche von dem diabolischen Drummer John Stainer, der aussah, als hätte er mit Klamotten unter der Dusche gestanden!

Der totale Wahnsinn, der auch noch durch eine Zugabe verlängert wurde!

Battles in Deutschland, noch zwei Termine:

04.06.07: Dortmund, FZW
05.06.07: Leipzig, Cane Island

Setlist Battles Paris:

Bestand aus dem Album "Mirrored" + ein paar Liedern der EPs

von Oliver




Sonntag, 27. Mai 2007

Maximo Park u.a., Köln, 26.05.07

8 Kommentare
Konzert: Coca Cola Soundwave Discovery Tour mit Maximo Park und Nachwuchsbands
Ort: Live Music Hall Köln
Datum: 26.05.2007
Zuschauer: ausverkauft (bzw. richtiger ausverschenkt, denn es gab freien Eintritt)


In der Zeit fieser (musikalisch - sonst sehr unterhaltsamer) Castingshows verdient ein echter Nachwuchswettbewerb Anerkennung. Coca Cola führt solch einen zur Zeit unter dem monströsen Namen Soundwave Discovery Tour europaweit durch. Zumindest in Deutschland war dabei das Konzept, in jeder Stadt drei Nachwuchsbands gegeneinander antreten zu lassen, die dann vom Publikum bewertet werden sollten. Damit zu den Veranstaltungen überhaupt Zuschauer kämen, wurde jeweils eine namhafte Band als Hauptgruppe verpflichtet. Das waren Adam Green, We are Scientists und Paolo Nutini. Frankfurt und Berlin bekamen Reamonn (Teller nicht leergegessen?) und Köln und Hannover den Hauptpreis, nämlich Maximo Park. Warum dann allerdings mit Ian O'Brien-Docker noch ein weiterer Künstler verpflichtet wurde, kann ich mir nicht richtig erklären.

Es war zu erwarten, daß Maximo Park riesiges Interesse erzeugen würde. Dementsprechend lang war dann auch die Schlange vor dem Gebäude, als ich gegen 18 Uhr ankam, eine Stunde vor dem Einlaß. An die Schlange verteilten Helferinnen schon Anfeuerungsschilder für die drei Bands, die heute gegeneinander antreten sollten. Die Namen The Spoilt, Trailer Park und Leash sagten mir überhaupt nichts.

Im Saal war es dann unglaublich rot. Coca Cola hatte ganze Arbeit geleistet, die Halle in einen markenfarbenen Konzertsaal zu verwandeln. Die sonst weißen Kugellampen (ich denke, die sind auch sonst da) waren rot an- oder ausgeleuchtet, an den Wänden drehten sich Werbeprojektionen. Am auffälligsten war jedoch eine kleine Cola-Bar, die mitten auf der Bühne aufgebaut war (mit roten Barhockern).

Von einem Bandmitglied einer der Nachwuchsbands (dem Schlagzeuger von Trailer Parkt) erfuhren wir dann den Zeitplan. Die drei Bands sollten je 20 Minuten spielen, beginnend um viertel nach acht. Danach sollte dann Ian Doppel-Name auftreten, bevor um 23 Uhr Maximo Park dann beginnen sollten.

Kurz nach acht kam dann auch wirklich ein Ansager auf die Bühne, den ich für einen RTL Warm-Up-Mann gehalten hatte. Angeblich Moderator eines Kölner Radiosenders holperte er sich durch alle Floskel-No-Go-Areas ("Rockt das Haus!" und so), um dann zu der Moderatorin, die "das Musikfernsehen revolutioniert" habe, zu übergeben: Anastasia. Anastasia knüpfte nahtlos an die Einleitungen an und stellte jeweils vor ihren Auftritten die Nachwuchsbands vor.

Eröffnet wurde der Wettbewerb von The Spoilt aus Köln, einer sehr jungen Band (die Mitglieder sind 16), die seit vier Jahren Musik macht. Anastasia hatte die Vorbilder und Einflüsse der Band genannt (unter anderem Billy Talent oder die Red Hot Chili Peppers), aber gesagt, The Spoilt wolle auf keinen Fall mit Tokio Hotel verglichen werden. Allerdings ist es wohl das Problem sehr junger Bands, die Rockmusik machen (und deren Kleidungs- und Haarstil eben der ihrer Altersgruppe ist), daß der Vergleich zwangsläufig ins Auge fällt. The Spoilt machen richtige Rockmusik, die für ihr Alter erstaunlich reif klingt, mich aber nicht umgehauen hat. Mir war das zu deutschrockig. Vielleicht bin ich auch zu sehr alternative-versaut. Der Kurzauftritt kam sicher ganz gut an, so richtig in Wallung geriet der Saal, der schon sehr gut gefüllt war, aber noch nicht. Die vier Jahre Musikerfahrung merkte man der Band schon an, vermutlich ging es vielen aber so wie mir: für Leute, die wegen Maximo Park gekommen war, war das zu sehr Deutschrock.

Danach kam dann (nach dem Anastasia-Ansagezeugs "Rockt Ihr das Haus?", "Nachher kommt noch eine Band aus England, wißt Ihr, wie die heißt?") Trailer Park aus "NRW, also nicht weit von hier" (Anastasia). Die Band kommt aus Recklinghausen und war schon vor der Halle durch viele Unterstützer aufgefallen. Trailer Park existieren erst seit einem Jahr und nennen Einflüsse wie die Beatles, die Arctic Monkeys, die Subways oder die Libertines (soweit nicht verkehrt) und würden gerne einmal als Vorgruppe für die Beatsteaks oder Mando Diao auftreten. Von Mando Diao hatten die vier Musiker auch leider den Hang zu großen Posen. Nicht, daß ich hier falsch verstanden werde. Mir hat der Auftritt der Band gut gefallen. Ihr Stil ist nicht furchtbar originell, weil er eben an die Vorbilder erinnert, aber überzeugend vorgetragen. Daß die Jungs erst ein Jahr zusammen spielen, hätte ich nie geglaubt. Trailer Park macht wirklich flotte Alternative Musik, die englisch klingt. Da steckte schon Talent drin. Auch ohne die große Zahl mitgereister Fans wäre die Stimmung während des kurzen Auftritts der Recklinghausener wahnsinnig gut gewesen. Die beiden Sänger hatten sichtbar viel Spaß daran. Aber wie gesagt - ein paar Posen weniger täten dem Auftritt sicher gut. Für ein Stück wurden Trailer Park von einem Akkordeon spielenden fünften Mann begleitet. Das war dann wirklich ein originelles Element. Trailer Park standen meiner Meinung nach nicht zu unrecht auf der Nachwuchsbühne. Ganz witzig fand ich eine Songzeile der Band aus NRW: "on my way back home just a mile away." Sie will also offenbar bis ins Detail englisch klingen. Aber, wie gesagt, mir hat es gut gefallen.

Nach Trailer Park kam dann erst einmal der Regen. Und es regnete draußen so heftig, daß durch die in den Pausen geöffnete Tür sehr viel Nässe in den Saal kam. Allerdings kam auch einiges von oben. Denn offenbar war mitten über der Bühne ein Dachfenster nicht richtig zu,
es regnete nämlich auf einmal auch da!

Als letzte Band kam dann noch Leash aus "meiner Heimat Berlin" (Anastasia). "Rockt Ihr das Haus noch? Gut, denn gleich kommt eine Band aus England, wißt Ihr, wer?". Ich schweife ab. Leash also fiel mir schon einmal positiv auf, weil die Band auf das "Hallo Köln, seid Ihr gut drauf ?" verzichtete, das Trailer Park und The Spoilt nicht ausgelassen hatten. Leash besteht aus drei Mitgliedern und macht eine originelle Musik, Alternative Rock mit elektronischen Elementen (aber ohne Keyboarder). Einer ihrer Einflüsse sei The Cure. Bei einem Stück habe ich das sehr deutlich rausgehört. Irgendetwas störte mich allerdings an Leash. Der Sound der Band ist originell, vielleicht kam mir der Auftritt nur zu wenig charismatisch vor. Steril ist sicher ein überhartes Urteil, zu wenig fesselnd auf Dauer, trifft es vermutlich besser. Und irgendwie kam dann auch bei weitem nicht mehr so viel Stimmung auf wie vorher. Viel Talent hat Leash ganz sicher. Und einen sehr eigenen Stil auch. Aber man darf ja schließlich auch nicht vergessen, daß das ein Nachwuchsfestival war.

Allen im Saal war eigentlich dann klar, daß nur Trailer Park die Publikumsabstimmung gewinnen könnte - auch der Band selbst. Mit Hilfe vieler Mikros wurde dann die Länge des Applauses gemessen. Trailer Park hatten dann auch deutlich längeren Beifall als The Spoilt. Im Gegensatz zu denen heizten Trailer Park die Fans auch während der Abstimmung richtig an. Allerdings ging vielleicht vielen die übertriebene Selbstsicherheit der Band auf die Nerven. Denn pötzlich gewann Leash das Ding. Als Siegprämie bekamen die Berliner dann einen Auftritt beim Melt-Festival.

Nach dem Umbau kam dann der aus meiner Sicht ziemlich unnötige Auftritt von Ian O'Brien-Docker aus Hamburg. Nicht nur ich empfand die vier, fünf Lieder des blonden Sängers (mit Band) als belanglose Lückenfüller (aber für welche Lücke?). Das war sicher ganz netter Pop, wenn man ganz netten Pop mag. Vor Maximo Park paßte dieser Pop gar nicht. Nun denn, nach einer halben Stunde war die Band fertig und gab Anastasia noch einmal die Gelegenheit, Maximo Park anzukündigen.

Der Hauptact des Abends verspätete sich aber eine Weile. Es gab nämlich Probleme mit dem Keyboard. Es kam auch schon ein Helfer mit einem Ersatzgerät, das er gerade anschließen wollte, als man bemerkte, daß ein Stecker nicht richtig eingesteckt war. Also, neues Keyboard zurück, und es konnte losgehen. Wie schon bei meinem ersten Maximo Park Konzert in Bochum (Asche auf mein Haupt) war mit den ersten Takten der Band die Stimmung im Saal ekstatisch. Diese ersten Takte gehörten zu "Girls who play guitars" (am ganzen heutigen Abend stand übrigens nicht eine einzige Frau mit Instrument auf der Bühne). Danach folgte ein kleines (zwölf Lieder und eine Zugabe) aber sehr feines Set. Es fehlten zwar zwangsläufig ein paar Highlight Lieder, insgesamt war das Programm aber ausgewogen und gut für die Stimmung im Saal. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die Crowdsurfer, die es bis vorne geschafft haben, zu zählen, es waren aber oft zwei gleichzeitig unterwegs. Ein besonders penetranter Surfer kam gleich dreimal an mir vorbei zurück in die Menge.

Tja, und was soll man sonst zu einem Maximo Park-Konzert sagen, ohne zu langweilen. Paul Smith ist so unglaublich energiegeladen, sobald er an sein
Mikro tritt. Gekleidet war er komplett schwarz, mit obligatorischem Bowler. Irgendwann warf ihm jemand aus dem Publikum ein weißes T-Shirt zu. Mit britischer Höflichkeit bedankte er sich, lobte das hübsche Shirt, zog es aber nicht an, dankte aber für die "dressing tips for a man wearing dark clothes." Später zur Zugabe erschien Paul dann in dem geschenkten T-Shirt, obwohl er vorher noch gesagt hatte, er wolle "ugly" gekleidet bleiben.

Leider war das Konzert nach einer guten Stunde beendet. Und es dauert jetzt bis Herbst, bis ich die Band wiedersehe. Das allerdings kann ich jedem empfehlen. Maximo Park ist sicher eine der zur Zeit besten Live Bands der Alternative Szene, wenn nicht (für mich zum Beispiel) die beste. Im Oktober folgen dann eben einige weitere Konzerte in Deutschland.

Setlist Maximo Park Live Music Hall Köln:

01: Girl who play guitars
02: Now I'm all over the shop
03: Our velocity
04: Parisian skies
05: I want you to stay
06: Books from boxes
07: By the monument
08: Apply some pressure
09: Your urge
10: The coast is always changing
11: The unshockable
12: Going missing

13: Limassol (Z)

Links:

- mehr Fotos: vom Konzert im Palladium, aus Bochum und aus Köln
- Maximo Park live in: Köln (Palladium)
- Glasgow (02.10.07)
- Paris
-
Köln (bei der Soundwave Tour )
- Bochum im April 06
- Blood Red Shoes in: Paris (09.06.2007)
- Paris (08.06.2007)
- Köln (11.03.07)
- Paris (06.03.07)



Samstag, 26. Mai 2007

Of Montreal & Syd Matters, Paris, 25.05.07

4 Kommentare
Konzert: Of Montreal & Syd Matters
Datum: 25.05.2007
Ort: Le Bataclan, Paris
Zuschauer: zu ca. 70% ausgelastet


Mein erstes Konzert des Tages bekam ich sehr frühzeitig geboten: als ich gegen 17 Uhr ein wenig durch den Park vor dem Eifelturm spazieren wollte, ging plötzlich ein gewaltiges Unwetter los, es schüttete wie aus Kübeln und mir blieb nichts anderes übrig, als mich unter ein schützendes Dach unterzustellen. Da stand ich nun mit einigen Touristen zusammen und wurde Zeuge der unbändigen Lebensfreude einiger schwarzer Franzosen, die auf Buschtrommeln jammten und so trotz des Unwetters für fröhliche Gesichter bei den Umstehenden sorgten. Zu jenem Zeitpunkt wußte ich allerdings noch nicht, dass im Laufe des Abends noch so einige spontane musikalische Improvisationen folgen sollten....

Nach kurzer Dusche bei mir Zuhause machte ich mich auf den Weg Richtung Bataclan, wo die Veranstalter von Rocknzoo ein schönes Programm auf die Beine
gestellt hatten. Neben den beiden gleichrangigen Headlinern Syd Matters und Of Montreal sprachen sie auch Axe Riverboy eine Einladung aus. "Die Stimme von Tahiti 80" bekam ich jedoch leider nicht mehr mit, das heftige Gewitter und das damit verbundene lange Unterstehen hatten meine Zeitplanungen durcheinander gewirbelt.

Zu meiner Freude traf ich meinen jungen Journalisten-Freund Nico, der wieder mal für sein Liability Webzine im Einsatz war. Er sagte mir, dass er speziell für Of Montreal gekommen sei, Syd Matters interessiere ihn heute weniger. Ich wünschte ein schönes Konzert und begab mich mit meiner Kamera in die erste
Reihe, um ein paar gelungene Photos zu schießen. Prompt ging auch der rote Vorhang auf und Syd Matters mit Band kamen zum Vorschein. Der bärtige, minimal füllige Sänger, zog mich sogleich mit seiner samtweichen, gefühlvollen Stimme in seinen Bann. Entdeckt hatte ich den Franzosen mittels eines Samplers, auf dem das wunderschöne Lied "Black and white eyes" enthalten war. Unverzüglich besorgte ich mir damals das 2004-er Album "A Whisper and a sigh" und ein Jahr später auch den ebenfalls glänzenden Nachfolger "Someday we will foresee obstacles". Auf Nachschub warte ich seitdem vergeblich, ein dritter Longplayer soll aber noch 2007 erscheinen. Die ersten Lieder des heutigen Abends sagten mir nichts, höchstwahrscheinlich waren sie neu. Sie gefielen mir aber auf Anhieb. Wohlbekannt waren mir dann aber "Obstacles" und "To all of you", beide von "Someday we will foresee...". In zweitgennanten Stück heißt es folgendermaßen: "To all of you american girls in the movies, I would like to be part of the world around you..." Eine veritable Schmachtnummer ist das, so anrührend dargeboten, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief! Einige Mädchen in meiner Umgebung hatten dabei ihre Augen geschlossen und lehnten sich an die stützenden Arme ihrer männlichen Begleiter. Eine junge Dame, war aber alleine gekommen, oder fast... Ich spreche von Stephanie von Soko, die ganz in meiner Nähe stand und ihrem Freund, der der Band von Syd Matters angehörte, bei der Arbeit (bzw. der Kunst) zusah. Ich ließ es mir nicht nehmen, sie anzusprechen und zu ihrer außerordentlich gelungenen EP "Not Sokute" zu gratulieren. Wie ich erfeulicherweise erfahren konnte, werde ich Stephanie Soko schon sehr bald wiedersehen, denn sie spielt im Vorprogramm von Anna Ternheim, wofür ich auch schon Karten habe.

Aber zurück zu Syd Matters: der schmachtete, einfühlsam wie immer (ich hatte ihn schon in der Flèche d'or gesehen) und brachte mich mit "Obstacles" den Tränen sehr nahe. "Someday we will foresee obstacles...., we played hide and and seek...", diese Songzeilen gingen mir den ganzen Abend und die ganze Nacht nicht mehr aus dem Kopf! Als Einflüsse nennt Syd übrigens Nick Drake, Robert Wyatt und Radiohead. Entsprechend traurig und melancholisch klingt das Ganze dann auch, aber es ist eine Tristesse, die mich erstaunlicherweise in gute Stimmung versetzte, ich fühlte mich, als hätte ich zwei Gläser sehr guten französischen Rotwein getrunken...

Syd Matters darf man aber nicht in die Schublade Singer/Songwriter stecken, denn seine mehrköpfige Band sorgte zuweilen auch für rockige und sphärische Klänge, vor allem gegen Ende als sämtliche Freunde die Bühne stürmten. Für mich ist er die französiche Antwort auf Malcolm Middleton, genauso geschmackvoll und kreativ.

Auszug aus der Setlist Syd Matters:

- To All Of You
- Obstacles
- Someday Sometimes
- Flow Backwards
- Middle Class Men
- Lost Bird
- Attractive?

Weniger melancholisch-traurig sollte es dann mit Of Montreal weitergehen, zumindest scheinbar. Wie mir Nico in der Pause mitteilte, steckt nämlich wohl jede Menge Tristesse, ja Depression hinter den "Happy-Songs" der Amerikaner, vor allem in textlicher Hinsicht. Ich muß gestehen, daß ich mit dem Werk der Band noch bisher überhaupt nicht auseinandergesetzt hatte und deshalb nicht mitreden konnte. Auch meine naive Frage, ob der Bandleader Kevin Barnes und seine Kapelle schwul seien, wurde von Nico verneint. "Der hat sich doch gerade von seiner Frau scheiden lassen oder hat zumindest Eheprobleme..." Ich war verdutzt, nachdem, was ich so gehört und gelesen hatte, (was ehrlicherweise nicht so
viel war) schien mir die Band doch eindeutig homosexuell zu sein. Gibt es nicht sogar ein Lied, das "The Gay Parade" heißt, oder ein anderes, mit dem Titel "When a man loves a man?". Hmm...

Nicht, daß das jetzt mit der Homosexualität für mich so imminent wichtig gewesen wäre, das spielte eigentlich überhaupt keine Rolle, ich wollte nur ergründen, ob es da einen Bezug zwischen der Musik, den extravaganten Kostümen und der sexuellen Orientierung gab. Wie auch immer, die falschen Montrealer (sie stammen nicht aus Québec, sondern aus den USA) sorgten sogleich für gehörige Stimmung, als sie grell geschminkt und kostümiert, die Bühne stürmten.
Etwas ähnlich Verrücktes hatte ich seit I'm from Barcelona 2007 und den Flaming Lips 2006 nicht mehr gesehen!

Direkt vor mir stand ein Musiker, bekleidet mit - ja, ist gar nicht so leicht, das zu beschreiben - einem Monsterkostüm und einer Art Federboa um den Hals. Ein weiteres Bandmitglied hatte eine schwarze Pelzkappe an und grinste hinter seinen Brillengläsern vor sich hin. Hinter einem Keyboard stand eine etwas pummelige Brünette, die einen marsmännchen-ähnlichen Haarreif trug. Sänger Kevin Barnes, war zu Beginn fast konventionell gekleidet, mit seiner
weißen Hose und dem grünen Pulli, sieht man mal von den Herzchen auf seinen Wangen und der giftgrünen Wimperntusche ab. Dazu gab es bunte, psychedelische Videoanimationen, die ich zuletzt so ähnlich bei CocoRosie erlebt hatte. Es war also völlig abgefahren und schräg! Ein wenig erinnerte mich das an die Bilder des Eurovision Song Contest, der kürzlich über die Mattscheiben flimmerte...

Opener des Sets war übrigens "Heimdalsgate like a promethean..." von dem aktuellen "Hissing Fauna-Album, dem achten der Gruppe. Mein Umfeld ging ab wie ein Zäpfchen, aber mir stieß es zugegebenermaßen ziemlich süßlich auf. Wo war ich hier hingeraten? Die poppig-schwülstige
Musik gefiel mir überhaupt nicht! Das änderte sich auch mit den nachfolgenden Stücken "Suffer For Fashion", "Sink The Seine" und "Cato As A Pun" nicht, ich sehnte mich vielmehr nach den traurigen Liedern eines Syd Matters zurück, das hier war mir deutlich zu happy!

Ich fragte mich, was mit mir los war, denn die anderen Leute, darunter viele, die oft auf die gleichen Konzerte wie ich gehen, amüsierten sich doch prächtig... Irgendwann zur Mitte des Sets hin, wurde es psychedelischer, rockiger, das gefiel mir schon besser. Zumal zu diesem Zeitpunkt, Sänger Kevin Barnes auch ab und zu mal schwieg. Ja, tut mir leid, liebe of Montreal Fans, aber ich mochte seine hohe Stimme nicht wirklich. Irgendwann hatte ich es dann überstanden, es ging dem Ende zu. Nicht ohne mich noch einmal
aufhorchen zu lassen, denn ein spät gebrachtes Stück beeindruckte mich durchaus. Möglicherweise war es "Gronlandic Edit", ich weiß es nicht so genau. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: mir wurde bewußt, daß die Band großes Potential hat, sehr kreativ ist und zudem noch erfreulich eigenständig ist. Bei mir wurde aber kein Nerv getroffen, zumindest bis dato nicht. Mit dem abschließenden Schunkler "The party's crashing us", wurde das kuriose Spektakel, welches als Highlight ein Lied zu bieten hatte, welches der Sänger in einen Umhang gehüllt auf einer Leiter bestritt (!), dann beendet.

Der rote Vorhang fiel und öffnete sich auch nicht wieder, es gab keine Zugabe. Zumindest nicht für den Großteil des Publikums, wie sich herausstellen sollte...

Ich eilte zum Ausgang und traf einen Franzosen, den ich beim Grizzly Bear Konzert kennengelernt hatte. Wir plauderten in Gegenwart seiner Freundin ein wenig über die Geschehnisse und er zeigte sich äußerst beeindruckt. Erneut stellte ich mir Fragen, ob ich mich in meiner Einschätzung nicht
getäuscht hatte. Wir einigten uns darauf, daß das letzlich alles Geschmacksache sei und wollten schon fast Richtung U-Bahn aufbrechen, als plötzlich die Tür des Bataclan aufging... Heraus polterte ein Großteil der Band von Of Montreal, darunter auch der mit einer Champagner-Flasche bewaffnete Sänger, der wie auch im zweiten Teil des Konzertes mit einer türkisfarbenen engen Short mit schwarzen Netzstrümpfen (!) bekleidet war. Prompt schnappten sich die Musiker direkt vor unserer Nase ihre Gitarren und spielten munter draufloss! Es war ein Erlebnis allererster Güte, welches auch von den aufgeweckten Burschen von der Blogothèque.net live mit Videokameras aufgezeichnet wurde. Es erklang zunächst ein Song von den Beatles, meine ich zumindest. Auf jeden Fall handelte es sich um ein klassisches Repertoire, was hier dargeboten wurde. Einen wichtigen Hinweis auf die Einflüsse der Band bot dann das
nächste improvisierte Stück:

"Starman" von David Bowie! Die umstehenden Franzosen und auch ich sangen aus voller Kehle mit: "There's a starman waiting in the sky, lalala..." Danach schien die kurze, aber extrem tolle Einlage, beendet zu sein, Sänger Kevin kümmerte sich lieber um umstehende Groupies und seine Champagner-Flasche. Der Musiker mit dem kuriosen Kostüm wollte aber mitnichten aufhören, es ging weiter! Wenn mich nicht alles täuscht haben sie einen Klassiker von John Foggerty gespielt, es war wirklich sensationell,
die Stimmung einmalig, alle klatschten mit. Es wurde eine tolle Feier, spontan und heiter. Danach wieder eine Pause. War jetzt Schluß? Irrtum, die Band überquerte gefolgt von dem kleinen Kamerateam der Blogothèque bloß die Straße und spielte auf einer Verkehrsinsel weiter! Ich stand direkt hinter dem Sänger und war hellauf begeistert! So ging das zwei Lieder lang, bevor wieder die Straßenseite gewechselt wurde. Die aus circa 20 Leuten bestehende Meute zog in eine kleine verkehrsberuhigte Gasse. Dort setzten sich die Musiker ganz lässig auf den Straßenboden und machten munter weiter. Meine Vorurteile gegenüber der Band schwanden im Nu, ich hatte die Jungs fest in mein Herz geschlossen. Sowas sieht man ja nicht alle Tage! Irgendwann wurde sogar noch ein Titel aus dem eigenen Repertoire gespielt. Wow, wow, wow! Die "Aftershow" dauerte bestimmt eine knappe Stunde, bevor Sänger Kevin einer umstehenden Blondine noch anbot, mit ihr an der Bar ein wenig zu tanzen! Er scheint also defintiv nicht schwul zu sein, was aber ohnehin wurscht ist, denn Of Montreal sind einfach dufte Typen!


Setlist Of Montreal Paris:

01: Heimdalsgate Like A Promethean...
02: So Begins our Alabee
03: Suffer For Fashion
04: Sink The Seine
05: Cato As A Pun
06: Bunny Ain't No Kind Of Rider
07: Forecast Fascist Future
08: She's A Rejecter
09: Requiem For O.M.M.
10: October Is Eternal
11: Past Is A Grotesque Animal
12: Repudiated Immortals
13: Falls For Shuggie
14: Gronlandic Edit
15: The Party Is Crashing Us

von Oliver



 

Konzerttagebuch © 2010

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